Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873) - Liebesgedichte

Wolfgang Müller von Königswinter



Wolfgang Müller von Königswinter
(1816-1873)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Nun ist die holde Maienzeit

Nun ist die holde Maienzeit,
Die Lerche singt, die Amsel ruft.
Nun komm heraus, du braune Maid,
Warm geht die Luft, süß weht der Duft.
Nun komm und mildre mein Geschick,
Den Gram und Kummer, löse sie
Mit einem Wort, mit einem Blick,
Du süße liebliche Marie!

Du thatest mir so hold Gewalt,
Daß ich für dich in Lieb' entglüht,
So wonnig bist du von Gestalt,
So voller Anmuth von Gemüth.
Was hoch und reich, wird arm vor dir,
Ein heller Wesen sah ich nie;
Du meines Lebens Lust und Zier,
Du süße liebliche Marie!

Das ist schon lange Jahre lang,
Nach dir nur stehet Herz und Sinn,
Zu Lust und Tanz und zu Gesang
Bin ich gefolgt dir immerhin.
Und fehltest du bei Fest und Spiel,
Dann ohne mich wol lachten sie:
Du warst der stillen Wünsche Ziel,
Du süße liebliche Marie!

O treib' mit ihm nicht länger Scherz,
Der gern sein Leben für dich gibt!
O quäle länger nicht mein Herz,
Es fehlt doch nicht, weil es dich liebt!
Ach, ohne deine Liebe, Maid,
Genest die wunde Seele nie:
Heil' mich in dieser Maienzeit,
Du süße liebliche Marie!
(S. 8-9)
_____



Pfänderspiel

Bei dem frohen Pfänderspiele
Hatt' ich jüngst mich gern vergangen:
Das gegebne Pfand zu lösen,
Mußt' ich hangen und verlangen.

Und mit ausgestreckten Armen
Stand ich an der Wand befangen,
Zitternd sprach ich: Wer befreiet
Mich vom Hangen und Verlangen?

Auf sprang da die liebe Kleine,
Und ich küßt' ihr Lipp' und Wangen;
Lang noch hätt' ich gern gestanden,
So zu hangen und verlangen!

Doch seitdem hat glühend Feuer
Mein erregtes Herz gefangen;
Ich verbrenne, löst das Mädchen
Nicht mein Hangen und Verlangen.
(S. 9-10)
_____



Die Liebe neckt sich

Sah ich sie sonst zum Platze gehn,
Da lief auch ich zur Gassen:
Ich will nach meinem Schatze sehn
Und nicht den Gruß verpassen.
Doch das herzliebe Angesicht
Ist schelmisch und versteckt sich,
Ja, zieh du nur den Schleier dicht,
Ich weiß: die Liebe neckt sich!

Sonst sagt' ich ihr manch süßes Wort,
Wenn ich sie 'mal getroffen,
Doch wies sie Wort und Grüße fort,
Als hätt' ich nichts zu hoffen.
Sie that so ernst, sie that so kalt,
Mein armes Herz erschreckt sich;
Dann aber dacht' ich plötzlich, halt,
Ich weiß: die Liebe neckt sich!

Jetzt darf ich ihr von Stirn zu Mund
Glückselig Küsse nippen,
Und mach' ich es der Dirn zu rund,
Dann weigert sie die Lippen.
Ach Gott, oft ist das Herz mir schwer:
Das schlimme Kind erkeckt sich!
Doch kommt die Tröstung hinterher,
Ich weiß: die Liebe neckt sich!
(S. 11)
_____



Gegenüber

Dir genüber, selig trunken
Sitz' ich träumend manche Stunde;
Du mit lächelnd süßem Munde
Fragst, warum ich so versunken?

Ach, in deinen tiefen blauen
Lieben Augen liegt mein Sinnen,
Zu erschauen wähn' ich drinnen
Helle blühnde Himmelsauen.

Drin ist mir die Lust gewähret,
Mich zu sehn im eignen Bilde:
Zu versöhnter stiller Milde
Hat dein Blick mich hold verkläret.
(S. 15-16)
_____



Was die Liebe ist

Tief Blick in Blick, heiß Mund an Mund,
Laß Herz am Herzen schlagen!
Doch was die Lieb' ist, liebes Kind,
Das mußt du mich nicht fragen!

Was Lieb' ist, das erleb' ich jetzt
In lauter Glück verloren.
Und die Erklärung - laß sie nur
Den liebelosen Thoren.

Was soll das Wort? - Den sel'gen Blick,
Den stillen Druck der Hände,
Den heißen Kuß erschöpfst du nicht
In Worten sonder Ende.

O liebe nur, o liebe nur,
O seufze, schmachte, weine,
O juble, lach'! - es bleibt die Lieb'
In allem - ewig eine.

Tief Blick in Blick, heiß Mund an Mund,
Laß Herz am Herzen schlagen!
Doch was die Lieb' ist, liebes Kind,
Das mußt du mich nicht fragen!
(S. 17)
_____




O klingender Frühling!

O klingender Frühling, du selige Zeit!
Und bist du vorüber, uns thut es nicht leid:
Wir liebten uns gestern, wir lieben uns heut',
Wir lieben uns morgen, wir glückliche Leut'!

Einst holten wir Bursche die Birke voll Muth,
Und zogen zum Dorfe, die Maien am Hut;
Da traten die Mädchen aus jeglichem Haus,
Mir lachtest du, Herzlieb, verstohlen heraus.

Das Fest ging vorüber, du gabest zur Stund'
Zum Drucke die Hand und zum Kusse den Mund;
Mein warest du, Schatz, o Schatz, ich war dein:
Wir wollten verbunden in Ewigkeit sein.

Und sieh, nicht umsonst stand die Ros' auf der Haid',
Ich brachte den Strauß dir, o wonnige Maid;
Wir theilten zur Ernte den Tanz und das Lied,
Wir schnitten die Trauben und wurden's nicht müd'.

Jetzt stürmet der Winter so kalt durch die Welt,
Wir können nicht jubeln durch Berge und Feld,
Wir sitzen zu Hause: Ein Herz und Ein Sinn!
Im Herzen ist Sommer, blüht Liebe darin!

O klingender Frühling, du selige Zeit!
Und kehrst du, für ewig vereint sind wir beid':
Wir liebten uns gestern, wir lieben uns heut',
Wir lieben uns morgen, wir glückliche Leut'!
(S. 18)
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Abschied

Wie ich jüngst mit langem Kusse
Mich aus deinen Armen wand,
Sah ich eine helle Thräne,
Die im treuen Blick dir stand.

Und sie fiel in meine Seele,
Schwoll empor zum vollen See,
Schwoll zum Ocean von lauter
Liebeslust und Liebesweh.
(S. 19)
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O Liebessegen

O Liebessegen
Allüberall!
Auf allen Wegen
Des Frühlings Schall:
Rings blau die Lüfte,
Die Erde grün,
So frische Düfte,
So volles Blühn!

Nun komm, begrüße
Den Maienstrahl,
Schwärm' mit, o Süße,
Durchs helle Thal!
O laß uns stehen
In Wald und Feld,
Vom Berge sehen
Weit in die Welt!

Der Lerche Lieder
Wehn um die Höh,
Wir sitzen nieder
Im weichen Klee,
Von Blütenzweigen
Licht überdacht:
Wie blüht so eigen
Der Erde Pracht!

Wir sind versunken
In stiller Lust,
Wir neigen trunken
Uns Brust an Brust;
Und die Ergüsse
Der Liebe sind
Nur süße Küsse,
Nur Blicke, Kind.

So ganz ergeben,
Ich dein, du mein! -
Ein einig Leben
Webt in uns zwein!
O schönste Triebe
Im Weltenall
O Lenz, o Liebe,
Allüberall!
(S. 22-23)
_____



Regenbogen

Wir saßen unter dem Laubdachzelt
Der duftigen wilden Rosen
Und hatten vergessen die ganze Welt
In seligem Küssen und Kosen.

Da weckt' uns das Wetter in jäher Macht,
Abwechselnd mit Sonnenfunken,
Und warf des Regenbogens Pracht
In die Wolken strahlentrunken.

Wohl war der liebe Gott uns gut,
Seine Wolken weinten Zähren,
Seine Lüfte lächelten hell in Glut,
Den jungen Bund zu ehren.

Und daß er fest und ewig sei,
Hat er gebaut den Bogen,
Den er einst als Zeichen guter Treu'
Durch den lichten Aether gezogen.
(S. 26)
_____



Geschieden

Im fernen Westen weilest du,
Und ich im Osten fern,
Ich finde weder Rast noch Ruh',
Bei dir fänd' ich sie gern.
Wir haben einst gelacht, gescherzt,
In stiller Seligkeit,
Wir haben uns geküßt, geherzt,
Wohl war es schöne Zeit!

Viel Berge stehn, viel Flüsse gehn,
Viel Monde sind bis hin;
Doch über Zeiten, Länder, Seen
Steht nur nach dir mein Sinn.
Ach über Tag, ach über Nacht
Ist schwer um dich die Brust,
Von dir geträumt, an dich gedacht
Hab' ich in Leid und Lust.

Und alles mahnet mich an dich,
Der Wald, der Strom, die Au:
Du schaust mich an so wonniglich
Aus Blumen und aus Thau,
Du singst mich an im Vogelsang,
Du hauchst mich an in Duft;
Wir schwärmten ja viel Tage lang
In milder Frühlingsluft.

Zur Wolke und zum Vogel blick'
Ich in die Lüfte hin,
Und tausend Liebesgrüße schick'
Ich dir aus treuem Sinn.
Ach, immer denk' ich nur zurück
An ferne Seligkeit:
Mein Stern, mein Himmel und mein Glück!
Wohl war es schöne Zeit!
(S. 28)
_____



Sonette

1.
Wie freut mich diese volle Jugendblüte,
In der die hochgewachsnen Formen prangen,
Das schöne Haupt von dunkelm Haar umhangen,
Die Augen voller Schalkheit, Lust und Güte!

Das Lippenpaar, das für den Kuß erglühte,
Das feine Lächeln auf den Pfirsichwangen,
Die süße Stimme: frei und unbefangen
Klingt jedes Wort aus lieblichstem Gemüthe!

O Sterne, Vögel, Blumen, Himmel, Sonnen,
Und was die Welt an holden Wundern heget,
Wohl füllt ihr Anblick uns das Herz mit Wonnen.

Doch wenn ein solches Bild den Geist beweget,
Die andern sind wie Schemen leicht zerronnen.
Hier ist der Schönheit Siegel aufgepräget.
(S. 35)


2.
O Wölbungen der Stirne, welche ragen
Groß, hoch und klar aus dunklen Lockenwellen!
O Augen, welche bald sich leuchtend hellen,
Und bald von fernen tiefen Träumen sagen!

O zwischen Wangen, die zum Wettstreit fragen
Die Rosen all', der Lippen süße Schwellen,
Wo tiefe Seligkeiten frischauf quellen,
Und dieses Haupt, vom schlanksten Leib getragen!

Ein hold Gemüth, dem Ernst, dem Scherz ergeben,
Das Güt' und Herzlichkeit zum Sitz erkoren,
Und das die Lieb' und Anmuth tief durchweben!

Ein Weib so schön, so tugendreich geboren,
Trat vor mich hin voll siegbewußtem Leben,
Daß ich, betrachtend es, mich selbst verloren.
(S. 36)


3.
Nur aus der Ferne darf ich dich beschauen!
Dann ruhn die tiefen sel'gen Blicke lange
Auf Haar und Augen und auf Lipp' und Wange
Und auf den Gliedern, die sich herrlich bauen.

Mich dir zu nahen, faßt' ich nie Vertrauen,
Zu dir zu reden, ist das Herz mir bange;
Kaum ward berührt von deiner Stimme Klange
Mein furchtsam Ohr, du Zierde aller Frauen!

Es leben andre frei und ungebunden
In deinem Kreis, es sagt dir der Verwegne
Leicht, heiter, frisch, was er für dich empfunden.

Doch ich, von deiner Schönheit trunken, segne
Von ferne dich; ich preise schon die Stunden,
Du schönes Kind, worin ich dir begegne.
(S. 36-37)


4.
Mich selber hab' ich nun so ganz verloren,
Ich schau' in mich und kenne mich nicht wieder.
Wo sind die frohen Thaten, süßen Lieder,
Die unbefangen einst der Geist geboren?

Dein denk' ich, wenn aus goldnen Morgenthoren
Der Tag erhebt sein strahlendes Gefieder;
Dein denk' ich, sinkt die dunkle Nacht hernieder.
Es sei ein Wahn, und doch, wie gern erkoren!

Mir selber fremd, kann ich mich nicht verstehen,
Mein Wort schier fürchtend, brüt' ich hin in Schweigen,
Ich bebe fast, mein Spiegelbild zu sehen.

Doch mag ich gern mich ein Verlorner zeigen;
Statt meiner ist - o Heil, daß es geschehen! -
Ein hohes, liebes, holdes Bild mein eigen.
(S. 37)


5.
Wie sind die alten Zeiten doch vergangen!
Aus freud'gem Herzen kann ich nicht mehr singen;
Gewaltsam quält den Geist in wildem Ringen
Hochfahrend Wünschen und verzweifelnd Bangen.

Seh' ich dich plötzlich, glühen mir die Wangen,
Vor dir zu reden kann ich kaum mich zwingen,
Gleichwie gelähmt sind mir des Geistes Schwingen,
In wirrem Taumel zittr' ich scheu befangen.

Bin ich dir ferne wächst der Muth dem Herzen,
Mein stürmend Wort, es fürchtet keine Schranken,
Ich wag' es keck zu kosen und zu scherzen.

Ich küsse dich - die Arme dich umranken -
Ich schwör' dir ew'ge Treu' - o bittre Schmerzen! -
Klein ist die That - groß sind nur die Gedanken!
(S. 38)


6.
Nie werd' ich handeln gegen Recht und Sitten,
Drum was ich thue, sei mir unbenommen.
Sahst du mich jemals unbescheiden kommen,
Muthwillig je mich folgen deinen Schritten?

Ach, keiner sieht's, steh' in der Nächte Mitten
Ich vor dem Hause, wo du wohnst, beklommen?
Was geht's dich an, will mir dein Bild nur frommen?
Was geht's dich an, wenn ich um dich gelitten?

Nie wird mein kühnres Wort sich zu dir wagen:
Stets magst du freudig ungestört erhören,
Was, die mit Rang und Reichthum prunken, sagen.

Ein schlichter Sänger bin ich; mir gehören
Nur Lieder, ach, die Last ist leicht zu tragen,
Und Lieder werden dir die Ruh' nicht stören!
(S. 38-39)


7.
Du ziehst in Schönheit wie die Nacht, Maria,
Geheimnißreich, gewaltig, hehr und prächtig!
Das reiche Haar umwallt dich dunkelflechtig,
Die Augen blühn wie Sternenpracht, Maria!

O träumerische Sternenpracht, Maria!
So strahlt der große Himmel klar allnächtig,
Du ziehst in Herrlichkeiten zaubermächtig
Und unbewußt doch deiner Macht, Maria!

So folg' ich stille deinen stolzen Pfaden,
Bezaubert ganz und meiner selbst vergessen
Und übervoll von dir die Brust, Maria!

O dürft' ich der Gefühle mich entladen
Vor dir, die mir die Seele qualvoll pressen!
Endloses Leid, endlose Lust, Maria!
(S. 39)


8.
Bald voller Jubel hoch emporgetragen,
Und bald im stillen Kummer fast vergangen,
Bald freud'gen Lebens voll und bald befangen,
Bald unstet, bald voll herzlichem Behagen!

Die Nächte träumen, wachen an den Tagen,
In Aengsten voller Muth, in Lust voll Bangen,
Gepeinigt von den Zweifels gift'gen Schlangen,
Nach tausend Zeichen forschen voller Zagen!

Auf hoffnungsödem Meer der Sehnsucht gleiten,
Nur unbestimmten Wünschen hingegeben,
Dann wieder feste Plane stark bereiten!

In einem Bilde sich zu sammeln streben,
Und sonst verlieren sich in Raum und Zeiten! -
O Gott, ich lieb' und lebe dieses Leben!
(S. 40)


9.
In deine Augen bin ich oft versunken,
So tief, so wunderbar sah ich noch keine,
Abwehrend leuchten sie in keuscher Reine,
Anlockend sprühen sie von lichten Funken.

Bald still und kühl, bald wie von Feuer trunken,
So gleichen sie dem edeln Demantsteine,
Thautropfen bald, um dann im Sonnenscheine
Mit blendend reicher Farbenpracht zu prunken.

Welch seltsam Spiel! Geheimnißvolle Blitze,
Was habt ihr vor? Wollt ihr mir Leben spenden?
Zückt ihr verderbend zu des Daseins Sitze?

Ich möchte fliehn und stets muß ich mich wenden.
Der Lanze denk' ich, die mit ihrer Spitze
Heilt oder tödtet. Ach, wie soll das enden?
(S. 40-41)


10.
Ich kann nicht wie ein eitler Schwätzer werben
Mit süßem Wort und seichten Tändeleien,
Mit Ständchen, Blumen, Stein- und Perlenreihen,
Mit goldnem Schmuck und andern bunten Scherben.

Soll mein Geständniß alles auch verderben:
Ich werde dir zum Tempeldienst nur weihen
Ein reines Herz - das bringt allein Gedeihen -
So heischet Lieb' zu leben und zu sterben.

Vermag nur Glanz und Pracht dich zu beglücken,
So neige dich der Schmeichler leichten Scherzen,
Die dich mit hohlen Erdendingen schmücken.

Und muß ich auch vergehn in Gram und Schmerzen,
Ich wahr', entsagend aber voll Entzücken,
Der Jugendliebe hohes Bild im Herzen.
(S. 41)


11.
Nur in der Nächte heimlich stillen Träumen
Wagt es die Seele Bilder sich zu schmücken,
Die, ach, nur jene dunkle Zeit beglücken,
Bis Licht und Leben strahlt in allen Räumen.

Mit dir dann wandl' ich unter Blütenbäumen,
Ich wage leis' die weiße Hand zu drücken,
Mund schwillt an Mund in himmlischem Entzücken:
So ruhn wir an des Stromes Blumensäumen!

Ach, kommt der Tag mit seinem kalten Leben,
Ist meine Seele trübe, wund, zerschlagen,
Mir hat geträumt, was nimmer sich begeben.

Sei fest, mein Herz, das Schlimmste zu ertragen,
Unmännlich ist's zu zagen und zu beben,
Es gilt ein starkes muthiges Entsagen!
(S. 42)


12.
Ich habe nun das höchste Glück genossen,
Und brauche vor dem Tode nicht zu beben;
Was ewig jung hält durchs verwirrte Leben,
O, dieser Zauber hat sich mir erschlossen.

Ich sah in dir, von Jugend hold umflossen,
Die ew'ge Schönheit; göttlich, hell umgeben
Von himmlischen Gebilden kann ich streben
Zu jenen Höhen, denen sie entsprossen.

Gesegnet seist du, denn mein schönstes Hoffen
Hat sich in dir erfüllt; und das Verderben
Vermeidet mich, seit mich dein Blick getroffen.

Wer je die Schönheit sah, er kann nicht sterben,
Ihm steht ein volles reiches Leben offen:
Sie preisend muß er Ewigkeit erwerben.
(S. 42-43)


13.
O gält' es Kraft und Muth, dich zu erringen,
Ich würde nimmer müd' um dich zu streiten,
Ich wollte segeln durch des Meeres Weiten,
Der Alpen höchste Zacken überspringen.

Ja, könnten dich erfechten scharfe Klingen,
Gern wollt' ich gegen ganze Heere reiten;
Und schreckten Zauber mich von allen Seiten,
Dein Bild im Herzen, würd' ich sie bezwingen.

Doch selten heischt die Liebe kühnes Wagen;
Wer kann, was ihr gefällt, wol recht erkunden?
Wer kann, was sie begehrt, wol recht erfragen?

Den süßesten Verein hat oft gebunden
Ein einzig Wort voll süßem bangem Zagen. -
O wer solch holdes Zauberwort gefunden!
(S. 43)


14.
Entscheide dich! Nicht fürder mag ich bangen!
Wozu dies strenge herrische Verhalten?
O spende warme Blicke nach den kalten,
Und tausche deine Starrheit mit Verlangen!

Nicht ewig kann die Lust voll Wettern hangen,
Einmal muß sich das Sonnenlicht entfalten.
Entsag' den andern, willst du mich erhalten,
Entsag' der Welt, hast du mein Bild empfangen!

Das ist kein Zagen jungfräulicher Scheue,
Nein, Launen sind es, laß sie endlich schwinden,
Sonst trifft dich endlich selber bittre Reue!

Mit frevlem Spiele wirst du nimmer binden
Mein unerfahrnes Herz, das so voll Treue,
Wie du wol schwer ein zweites möchtest finden.
(S. 44)


15.
Zu bald verlass' ich diese Zauberkreise,
Nicht ohne Wünsche hab' ich sie durchzogen;
Ich schwieg, wie hoch mein Herz dahingeflogen,
Nur meinem Lied vertraut' ich still und leise.

Heil dir! O könnte deines Dichters Weise
Die Lose lenken fest und klar gepflogen,
Hoch in den Sternen überm Himmelsbogen,
Sie fielen dir, sie fielen mir zum Preise!

Gescheh' es nie; doch wenn dir einst im Leben
Verwehn des Glaubens und der Liebe Lichter,
Dem Frauenherzen hold als Trost gegeben,

Lied diese Lieder, die ich dir zu schlichter
Erinnrung gab. Ich würde freudig beben,
Wär dir's ein Trost, daß dich geliebt ihr Dichter.
(S. 44-45)


16.
Ach, fern von dir, ist mir das Herz zerschlagen,
Aus trüben Augen kann ich kaum mehr schauen,
Die Sonne blinkt so matt, die Lüfte grauen,
Und nebeldumpf dahin die Wolken jagen.

Die Vögel singen schmerzlich tiefe Klagen,
Braun starrt der Berg und düsterfarb' die Auen,
Es schleicht der Fluß so klanglos durch die Gauen:
Mir dehnt sich Stund' an Stund' zu langen Tagen!

Hinaus, mein Herz, zu hohen Bergeswegen! -
Ich schau' ins Land, wo sich die Pfade breiten,
Zu dir, zu dir, dem liebsten Ort entgegen.

Ach, wie die Vögel ziehn, die Kähne gleiten,
Die Wolken sich ob Berg und Wald bewegen:
Ich weine still gedenkend alter Zeiten!
(S. 45)


17.
Je mehr ich strebe mich zu überwinden
In dieser Liebe, ach, je mehr verstricke
Ich mich hinein, je mehr ich diese Blicke
Vermeiden will, je mehr möcht' ich sie finden.

All meine Hoffnungssterne seh ich schwinden,
Und keine Tröstung mehr, die mich erquicke!
Mir grollen ringsum dunkel die Geschicke!
Wie soll die Anmuth sich dem Gram verbinden?

Das ist der Liebe wunderbares Wesen!
Wen ihr allmächt'ger scharfer Pfeil getroffen,
Der wird trotz allen Mitteln nicht genesen.

Er kann nur einzig auf Erlösung hoffen,
Wenn er der Liebe, die ihn hold erlesen,
Ans Herz sich schmiegt, hingebend, warm und offen.
(S. 46)


18.
Oft stürmt die Seele doch in lauten Klagen,
Sie bebt und zittert, ach, in wildem Bangen,
Daß diese Liebe, die mein Herz empfangen
Als reifen Samen, keine Frucht getragen.

Ich bin in diesen buntgeschmückten Tagen
Stets stolz und männlich meinen Weg gegangen,
Doch kann ich nicht mit Erdengütern prangen:
Was gelten Herzen, die für Schönheit schlagen?

O wag' es nur den Schleier aufzuheben,
Sieh eine Welt, die nur nach wilder neuer
Zerstreuung sucht, um rasch dahinzuleben;

Mir dient zum Trost, daß immer ich mit treuer
Begeisterung der Wahrheit war ergeben,
Treu hütend meiner Liebe heil'ges Feuer.
(S. 46-47)


19.
Wie trag' ich dieses Glück? Die Zeiten ließen
So schlimm sich an. Wie heiter sie sich wenden!
Ich wähnte meine Treue zu verschwenden,
Und meine Liebe freudelos zu schließen.

Und jetzt darf ich das höchste Glück genießen.
An ihrer Brust beginnen und vollenden
Die Tage sich; ich seh' von allen Enden
Den reichsten Segen in mein Leben fließen.

Wie das mir kam? Ich stand mit ihr alleine,
Wir wechselten in langem Blick die Kunde
Von unsrer Liebe, und sie war die meine.

Dann lag zu heißem Kusse Mund an Munde!
Sie floh hinweg, daß sie im stillen weine!
Das war der Anfang zu dem schönsten Bunde.
(S. 47)


20.
Du fragtest mich, warum die Töne schweigen,
Die unablässig sonst dem Geist entquollen?
Nichts hab' ich mehr zu wünschen und zu wollen:
Das Glück, nach dem ich rang, ist ganz mein eigen.

Am liebsten mag das Lied der Sehnsucht steigen
Aus Herzen, weichgestimmten, sehnsuchtsvollen,
Aus Seelen, die verschmäht in Kummer grollen;
Und Leid und Sehnsucht kann ich dir nicht zeigen.

Ich plaudre, tändle, herze, scherze, küsse;
Du gibst mir Antwort, Brust an Brust gedrungen:
Das sind des Lebens lieblichste Genüsse.

Heil mir, daß ich der Einsamkeit entsprungen!
Mehr werth ist mir, als alle Liedergüsse,
Das kleinste Wort, das deiner Lieb' entklungen!
(S. 48)


21.
Ach alles, was du einst mit mir gefühlet,
All' die Beseligungen dieser reichen
Und holden Liebe, hat mit allen Zeichen
Die Zeit von deiner Seele weggespület.

Dahin, dahin! So bist du abgekühlet.
Dies Zittern, Beben im Vorüberschleichen,
Dies plötzliche Erröthen und Erbleichen -
Ach, wie das alles noch im Herzen wühlet!

Mein Bildniß mochte immer dir entschwinden;
Denn meinem Wesen ist nicht eingeschrieben
Reiz, Anmuth, Schönheit, Glück, um dich zu binden.

Doch Eins ist immer schmerzhaft mir geblieben:
O weh, dir fehlt das schöne Nachempfinden
Für unsrer Jugend volles erstes Lieben!
(S. 48-49)


22.
Laß ruhn auf deinen Zügen meine langen
Sehnsücht'gen Blicke, wo einst manche Stunde
Sie ruhten, als in sel'gem Liebesbunde
Glückselig Geist den Geist in sich empfangen!

Laß ruhn den Blick auf deinen schönen Wangen,
Wo meine lagen, auf dem süßen Munde,
Wo meiner schwoll, in deiner Augen Grunde,
Wo Seele sich an Seele festgehangen!

Ich wünsche nichts, als leis heraufzuschwören
Die bleichen Schatten längstvergangner Stunden;
Schmerzsel'ge Lust will mich dazu bethören.

Ach, ich erlebe, was ich einst empfunden:
Die alten Schwüre wähn' ich neu zu hören,
Und brennend bluten all die alten Wunden!
(S. 49)


23.
O hadre nicht, wenn ich nach deinen Tritten
So wie vor Zeiten noch die meinen lenke,
Wenn ich in Flur und Gärten mich versenke,
Die ich seit langen Tagen nicht durchschritten;

Wenn ich vor deinem Hause oft inmitten
Der tiefen Nächte steh'! Daß ich dich kränke,
Geschieht es nicht; und zürnest du, bedenke,
Was ich um dich nicht alles schon gelitten!

Was geht's dich an! Du brauchst nicht mehr zu lauschen,
Du hörst von mir nicht fürder Huldigungen,
Nicht Wünsche, Herz um Herz mit mir zu tauschen.

Ich folge dir, um an Erinnerungen
Glücksel'ger Zeiten still mich zu berauschen;
Ach, statt der Lust hält Wehmuth mich umschlungen!
(S. 50)


24.
Es scheinet fast, du hast die Zeit vergessen,
Als wir uns suchten einst an allen Tagen,
Bis wir nach langem Wunsch im Arm uns lagen,
Nach Willen uns zu küssen und zu pressen;

Als wir getrennt die Nächte still gesessen
Bald voller Lust und bald voll bittrer Klagen;
Bis du mich endlich zwangest zu entsagen,
War beides, Freud' und Kummer, unermessen.

O leugne nicht, daß Liebe das gewesen,
Was du mir weihtest; menschlich edle Einheit,
Sie schmückte dein jungfräulich keusches Wesen.

Dich lockte, ach, des Glanzes eitle Kleinheit,
Als später du im Buch der Welt gelesen;
Die Liebe floh dir mit der Seele Reinheit.
(S. 50-51)


25.
Als schönstes liebstes Bild muß ich dich nennen,
Das mir ins Leben fiel; du hast vor allen
Dem jugendheitern Sinn voreinst gefallen;
Du lehrtest mich die süße Liebe kennen.

Und nimmer dacht' ich mich von dir zu trennen,
Als du erhöret meines Herzens Lallen:
Die Götterbilder in den Tempelhallen
Ich sah sie plötzlich stürzen und verbrennen.

Ich hab' dir froh geopfert all mein Leben;
Die heiligsten Gefühle und Gedanken,
Mein Sein war ganz dir selig hingegeben.

Ach, du vergaßest es! Dein leichtes Schwanken,
Es ließ ein Herz, - Gott mög' es dir vergeben! -
Das froh wie keines war, zum Tod erkranken.
(S. 51)


26.
Es war zu jeder Zeit umsonst mein Streben
Zu forschen, ob aus innerm Seelendrange
Du mich verlassen, ob in hartem Zwange
Du fremder Ueberredung nachgegeben.

Doch kühn darf sich das Wort zu dir erheben,
Daß du ein Herz verschmäht vom reinsten Drange
Und einen Geist, dem auf des Lebens Gange
Die Schönheit und die Freiheit rechtes Leben.

Verwachte Nächte und verweinte Tage
Lag ich dem Gram in harten dürren Armen;
Ich litt um dich, wie nimmermehr ich's sage.

Doch fleh' ich nicht um niedriges Erbarmen.
Einst blüht der Geist aufs neu': durch Leid und Plage
Kann ja die reiche Seele nicht verarmen!
(S. 52)


27.
Wer will verlorne Liebe nicht beklagen!
Ich sag' es laut, ich mußte sie beweinen,
Und doch will es mir oft als Glück erscheinen,
Ach, unsrer Seelen zeitiges Entsagen.

Ich hätte mich zuletzt nach langen Tagen
In dir geirrt; anhangend nur dem Kleinen,
Dem Mittelmäß'gen mußtest du erscheinen,
Wo mir das Herz für Großes nur geschlagen.

Jetzt glomm die Liebe nur für kurze Zeiten,
Doch Rosen glich sie, hellen Lenzgeschenken,
Die sich durch liederreiche Gärten breiten.

Und will ich in Erinnrung mich versenken,
So bleibet sie, solang' mir Tage gleiten,
Dem Geist das wundervollste Angedenken.
(S. 52-53)


28.
Leb' wohl, leb' wohl auf alle Erdentage!
Ich will dich nun für ew'ge Zeiten meiden,
Erstorben ist die Liebe in uns beiden,
Wir sind uns todt, und ich, mein Kind, entsage.

Nicht Liebeswünsche, Liebeslust und Klage
Erklingt dir fürder; magst du froh dich weiden
Am Leben, - Gott behüte dich vor Leiden! -
Ich thu' nach dir nun fürder keine Frage.

Doch weih' ich meine Brust noch zum Altare:
Du stehst darin in jungfräulicher Reine,
Der Gürtel schmückt den Leib, der Kranz die Haare.

Ruh' keusch und hell in diesem festen Schreine!
Als meiner ersten Liebe Bild bewahre
Ich dich in ewig heil'gem Glorienscheine.
(S. 53)


29.
Als ich dich liebte, liebtest du nicht wieder:
Du sahst mich krank und siech, den Wunden, Armen,
Ach, ohne Mitgefühl und ohn' Erbarmen;
Da starb mein Herz, es schwiegen seine Lieder.

Zu einem andern flog mit Glanzgefieder
Dein junger Sinn; du hofftest zu erwarmen
In des Geliebten lebensvollen Armen,
Doch floh er dich und bog dein Leben nieder.

So sehn wir wieder uns nach langen Tagen
Verhärmt, vergrämt; wir haben gleiche Leiden,
Ach, um verlorne Liebe nun getragen!

Es hat den andern keiner zu beneiden,
Wir sehn versöhnt uns an mit bangem Zagen:
O, schöne junge Liebe starb uns beiden!
(S. 54)


30.
So mußte diese Liebe denn entschweben:
Im Wind zerstoben ist das sel'ge Scherzen!
Die Sehnsucht todt! Ich zünde an die Kerzen:
Ich will das Leichentuch noch einmal heben.

Die Jugend hin, der beste Theil vom Leben!
Zerrissen, ach, der beste Theil vom Herzen!
Einst doppelt froh durch dich, dann voller Schmerzen!
Allein jetzt gilt es länger nicht zu beben.

Zum letzten mal red' ich von alten Tagen,
Nicht länger schwelg' ich in verrauschten Wonnen,
Den Schmerz will ich mit Lust nicht fürder tragen!

Leb' wohl, leb' wohl, zerronnen ist zerronnen!
Der Jüngling ist dahin, die Lieb' zerschlagen;
Doch ist die Freiheit und der Mann gewonnen!
(S. 54-55)
_____



Zerronnen

Was half die Glut, was half der Duft
Der Rosen und der Nelken? -
Sie mußten in der Winterlust
Verwelken, ach, verwelken! -
Was half in Lust und Strauch und Baum
Der Vögel süßes Singen?
Die Liebe mußt' ein duft'ger Traum
Verklingen, ach, verklingen! -
Der Schönheit droht
Der Tod, der Tod, -
Ach, alles wird er zwingen!

Was halfen nun der jungen Brust
Der Liebe helle Wonnen? -
Längst ist der Blick' und Küsse Lust
Zerronnen, ach, zerronnen! -
Was half der Wort' und Schwüre Schaum
In seligem Umschlingen?
Die Liebe mußt', ein duft'ger Traum,
Verklingen, ach, verklingen! -
Der Schönheit droht
Der Tod, der Tod, -
Ach, alles wird er zwingen!
(S. 59)
_____



Um Liebe soll nicht gebettelt sein

Um Liebe soll nicht gebettelt sein,
Denn Liebe ist zu groß, zu hehr:
Sie ist ja wie der Himmel hoch,
Tief wie das tiefe Meer!

Der Brust entquillt sie froh und frei,
Sie leuchtet drin mit Himmelsglanz,
Sie will nicht Gold und Edelstein,
Nein, Liebe voll und ganz.

In ihrem träumerischen Reich
Trug ich der Krone dunkeln Schein,
War ich ein König, mächtig, stolz,
Ein König, mein und dein.

Doch warst im goldnen Zauberland
Du nicht die milde Königin:
Um Liebe hast du nicht geliebt,
Ich weiß nicht deinen Sinn.

Ich weiß nicht deinen stolzen Sinn
Und reiß' mich blut'gen Herzens los. -
Nimm, liebeleere Nacht, mich auf,
Unheimlich, düster, groß!

Doch fern vereinsamt, wie ich bin,
Ich glüh' in eigner Liebe Licht,
Ein König bleib' ich auch allein,
Und Könige betteln nicht.

Um Liebe soll nicht gebettelt sein,
Denn Liebe ist zu groß, zu hehr;
Sie ist ja wie der Himmel hoch,
Tief wie das tiefe Meer!
(S. 60)
_____



Verrath

Du hast an der Liebe Verrath geübt!
Und weißt du, was du gethan?
O, Himmel und Erde hast du betrübt,
Und die Rache wird dir nahn!

Dann schaust du mit deinen Augen nicht mehr,
Wie die Sonne herrlich lacht,
Wie Berg und Strom so weit und hehr,
Wie lockend der Thäler Pracht!

Am Veilchenduft ist die Lust dir vergällt,
An der Rosen rothem Schein,
Du siehst die schlanken Lilien entstellt;
Natur ist für dich zu rein.

Es stört dir den Schlaf des Sprossers Sang,
Der durch die Nachtluft klingt,
Dieweil der herzlich treue Klang
Deine Untreu' ins Herz dir singt.

Und, ach, das reinste Menschengesicht,
Du hältst es für falsch und schlecht.
O üb' an dir das strenge Gericht,
Du übst es an dir mit Recht!

Ach Gott, als der letzte Frühling schied,
Da warst du mir gut und treu,
Und jetzt - weh dem, der die Liebe verrieth! -
Einst nagt dir am Herzen die Reu'!
(S. 62)
_____



Krank

Wir sind bleich und krank geworden,
Seit wir so geschieden leben;
Im Begegnen sehn wir seitwärts,
Wagen nicht das Haupt zu heben.

Aber treffen sich die Blicke,
Ach, da glühn uns Aug' und Wangen,
Wie in jenen schönen Zeiten,
Als wir liebend uns umfangen.

In der Glut, ach, scheint nur wieder
Alte längstverlorne Liebe:
Aus dem Herzen in das Antlitz
Steiget sie gespenstisch trübe.
(S. 63)
_____



Ob sie meiner noch gedenket?

Ob sie meiner noch gedenket,
Wie es nachts vor Zeit geschehen,
Nun ich fahre gramversenket
Durch die Länder, durch die Seen?
Ob sie meiner noch gedenket?

Ob sie noch die Lampe zündet,
Meinen Leuchtthurm an den Scheiben,
Der im Dunkel mir verkündet,
Daß ich kommen sollt' und bleiben?
Ob sie noch die Lampe zündet?

Ob sie noch die Weisen singet
In dem Mondenschein zur Laute,
Daß das Thal von Liedern klinget,
Die der Freund ihr einst vertraute?
Ob sie noch die Weisen singet?
(S. 63)
_____



Du liebst nicht mehr, mein Herz

Leise wandelt die Sternennacht
Durch das gewalt'ge Himmelszelt,
Träumerisch schifft der Mond und wacht
Ueber der dunkeln Welt;
Ein Friedensengel zieht umher,
Gießt Schlummer erdenwärts,
Ich ziehe ruhlos, stumm und schwer:
Du liebst nicht mehr, mein Herz!

Oed' und verlassen steht das Haus,
Fröhlich wallte dort Licht und Duft,
Keine Musik mehr haucht es aus
In die balsamische Luft;
Sie lacht' und sang, jetzt alles leer,
Verrauschet Spiel und Scherz.
Ich ziehe ruhlos, stumm und schwer:
Du liebst nicht mehr, mein Herz!

Unten da blüht die Linde reich,
Aber ich lehne mich nicht mehr dran,
Und mein Gesang, so sehnsuchtsweich,
Ziehet nicht mehr zum Altan.
Ich ward verschmäht! Was will ich mehr,
Als schwelgen tief im Schmerz?
Ich ziehe ruhlos, stumm und schwer:
Du liebst nicht mehr, mein Herz!
(S. 64)
_____



Fahre wohl

Fahre wohl, du lieblich Kind,
Lieblich aber lieb nicht mehr!
All' die Treu' ist in den Wind,
Und mein Herz ist mir so schwer!

Deiner Rede wunderbar
Hab' ich allzu rasch getraut,
Und die Stirne, hell und klar,
Voll Entzücken angeschaut.

Ach, dein tiefes Auge glüht
Noch wie selig Sternenlicht,
Und die Scham so süß erblüht
Schwand von deinen Wangen nicht.

Nur dein Herz, es war dein Herz,
Wo die Falschheit glüh geloht.
Lieb', o Lieb' ist allerwärts,
Mir im Herzen ist sie todt.

Fahre wohl, du lieblich Kind,
Lieblich aber lieb nicht mehr!
All die Treu' ist in den Wind,
Und mein Herz ist mir so schwer!
(S. 64-65)
_____



Ueber Nacht

Wie hat noch gestern in fröhlichem Schein
Der Himmel gefunkelt, die Erde gelacht!
Ueber Nacht da brach ein Frost herein,
Hat Himmel und Erde düster gemacht.
Ueber Nacht, über Nacht,
Wer hat es gedacht?
Hat Himmel und Erde düster gemacht.

An der Linde gestern nannt' ich sie mein,
Wir ruhten umschlungen, vom Baum überdacht!
Ueber Nacht da brach ein Frost herein,
Heut' hab' ich die Stunden mit Warten verbracht.
Ueber Nacht, über Nacht,
Wer hat es gedacht?
Heut' hab' ich die Stunden mit Warten verbracht.

Ich gab ihr gestern die Rose rein,
Sie ward von Düften und Farben entfacht;
Ueber Nacht da brach ein Frost herein,
Heut' find' ich Dornen statt blühender Pracht.
Ueber Nacht, über Nacht,
Wer hat es gedacht?
Heut' find' ich Dornen statt blühender Pracht.

O gestern die Schwüre: du mein, ich dein!
Ich glaubt' an der Treue ewige Macht!
Ueber Nacht da brach ein Frost herein,
Vorbei! - O nimm dich vor Liebe in Acht!
Ueber Nacht, über Nacht,
Wer hat es gedacht?
Vorbei! - O nimm dich vor Liebe in Acht!
(S. 66)
_____



Komm, ruh' an meinem Busen aus

Wenn jemals du im Unglück weinst,
Komm, ruh' an meinem Busen aus;
Wenn du dich je verloren meinst,
Ist meine Brust dein Heimathaus!

Hier triffst du noch den Sonnenschein,
Den keine Wolke dir entzieht:
Dein Hand und Herz, getreu und rein,
Bis mir der letzte Athem flieht!

Was wär' die Liebe auch, mein Herz,
Blieb ihr nicht treu der heil'ge Gott,
Hielt sie nicht fest in Lust und Schmerz,
Trüg' sie nicht siegreich Ruhm und Spott?

Ich weiß es nicht - was liegt auch dran -
Ob du mich kalt verrathen hast!
Das weiß ich nur, dich bet' ich an,
Doch niemals werd ich dir zur Last!

Ich weiß, daß meine Liebe siegt,
Denn sie ist heilig und gefeit;
Ob nie mein Herz an deinem liegt,
Sie sieget über Raum und Zeit.

Wenn jemals du im Unglück weinst,
Komm, ruh' an meinem Busen aus;
Wenn du dich je verloren meinst,
Ist meine Brust dein Heimathaus!
(S. 67)
_____



Verlorene Liebe

Ich kann es dir nicht sagen,
Wie so verloren ich bin,
Mein Herz ist mir zerschlagen,
Zerrissen ist mein Sinn:
Ich schleiche so krank und trübe,
Und alles um meine Liebe,
Von der ich geschieden bin.

Am blauen Himmel ziehen
Die Wolken lustig hin,
Im Feld die Bäume blühen,
Die Saaten grünen drin;
Ich schau' hinaus so trübe,
Und alles um meine Liebe,
Von der ich geschieden bin.

Die Lüfte füllt ein Klingen,
Die Vöglein jubeln drin,
Blühende Jungfraun singen
Durch helle Gärten hin;
Ich lausche hinaus so trübe,
Und alles um meine Liebe,
Von der ich geschieden bin.

O Lenz, dich grüßt das Leben
Durch Erd' und Himmel hin.
Was soll ich Armer geben?
Der Schmerz ist mein Gewinn:
Ich traure krank und trübe,
Und alles um meine Liebe,
Von der ich geschieden bin.

Ich kann es dir nicht sagen,
Wie so verloren ich bin,
Mein Herz ist mir zerschlagen,
Zerrissen ist mein Sinn:
Ich bin so krank und trübe,
Dahin ist meine Liebe,
Mein Leben ist dahin!
(S. 68-69)
_____



Die Heide ist braun

Die Heide ist braun, einst blühte sie roth,
Die Birke ist kahl, grün war einst ihr Kleid; -
Einst ging ich zu zwein, jetzt geh' ich allein, -
Weh über den Herbst und die lieblose Zeit!
O weh, o weh,
Weh über den Herbst und die lieblose Zeit!

Der Fink ist verstummt, einst sang er so hell,
Die Nachtigall schlug, jetzt schweiget sie müd; -
Einst sang ich zu zwein, jetzt sing ich allein
Von meiner verlorenen Liebe ein Lied.
O weh, o weh,
Von meiner verlorenen Liebe ein Lied!

Einst blühten die Rosen, jetzt welkten sie all',
Voll Duft war das Kraut, jetzt zog er heraus; -
Einst pflückt' ich zu zwein, jetzt pflück' ich allein,
Es wird ein dürrer, ein duftloser Strauß.
O weh, o weh,
Es wird ein dürrer, ein duftloser Strauß!

Die Welt ist so öd', einst war sie so schön,
Einst war ich so reich, jetzt bin ich voll Noth; -
Einst ging ich zu zwein, jetzt geh' ich allein; -
Mein Lieb ist falsch, o wäre ich todt!
O weh, o weh,
Mein Lieb ist falsch, o wäre ich todt!
(S. 70)
_____



Wilder Ritt

O könnt' ich einmal dich als Roß,
Du goldne Sonne, reiten,
Und dürften dann als schwarzer Troß
Die Wolken uns begleiten!

Und möchte hinter uns der Nord
Die wilde Peitsche knallen,
Und ließ er, ging es stürmend fort,
Das laute Horn erschallen!

Ha, in dem Saus, ha, in dem Braus,
Im Klang der mächt'gen Lieder,
Zög' in des Meeres goldnes Haus
Ich jubelnd mit dir nieder.

Gleich dir, so wollt' ich baden mich,
In tiefster Fluten Kühle,
Gleich dir, wollt' ich entladen mich
Der dumpfen Erdenschwüle.

Und stiegen wir im Ost empor
In frühen Morgenstunden,
Wär' frei das Aug' vom düstern Flor,
Heil wär' das Herz der Wunden.
(S. 71)
_____



Fern

Ich werde bald dir ferne sein,
Ferner als fern geschieden,
Dann winkt mein Bild dir traurig rein
Aus stillem Grabesfrieden.

Es mahnt dich wie in Nächten weit
Das sanfte Licht der Sterne,
Dann tröstlich mildert die wandernde Zeit
Und freundlich heiligt die Ferne.
(S. 71)
_____



Stilles Wähnen

Stilles Wähnen, süßes Wähnen,
Daß so hold die Blumen sprießen,
Ach, von meinen heißen Thränen,
Die auf deinem Grabe fließen,
Daß mit deiner Blicke Sehnen
Mich die Blumenaugen grüßen! -
Stilles Wähnen, süßes Wähnen!
(S. 72)
_____



Weit weg!

Wir wuchsen in demselben Thal,
Wir wohnten nahe Haus bei Haus,
Wir suchten uns viel tausendmal
Und fanden uns Tag ein, Tag aus.

Gebet und Märchen, Lied und Spiel,
Das alles lernten wir vereint;
Wir lachten und wir jauchzten viel,
Und haben oft auch still geweint.

Ich wuchs zum Jüngling, du zur Maid,
Wir träumten noch denselben Traum,
Und suchten treu wie allezeit
Den Sitz am alten Lindenbaum.

Dort ruhten wir am Abend oft,
So voll, so warm, so reich die Brust!
Wie ward geahnt, wie ward gehofft
In flüsternd liebesel'ger Lust!

Wir wurden dennoch liebemüd',
Weit zogst du weg, weit ging ich fort:
O du verglühest tief im Süd,
Und ich vereise hoch im Nord!

Was hat gebannt uns Land von Land? -
Wir wissen's nicht und glühn vor Scham -
Du fehlest mir, ich fehle dir,
Und beide welken wir vor Gram!
(S. 73)
_____



Ach, weil du mir verloren bist

Nicht an die Orte taugt mein Sinn,
Wo frisch im Lenz die Jugend schwärmt,
Ich zieh' durch stille Gärten hin,
In jungen Jahren, alt, verhärmt;
Ich trink' im Lenz den Thränenwein,
Der Frühling ist mir Winterzeit,
Als Gäste ruf' ich mir herein
Die Schatten der Vergangenheit.

Wie duftig rings die Kräuter blühn!
Ach, alle wecken Pein und Noth!
An Freunde mahnt das Immergrün -
Die einen falsch, die andern todt! -
Die Rose spricht mit dunkler Glut,
Daß längst die Lieb' erloschen ist;
Die Myrte trübt mir ganz den Muth,
Ach, weil du mir verloren bist!
(S. 74)
_____



Vergangen

Blütenweiß bestreuet schaute
Durch das Fenster ich die Länder,
Drüber hell der Himmel blaute. -
Sind's des Frühlings Blütenbänder? -
Ach ein Reif war's, in der Sonne
Warmem Strahl ist er verschwommen,
Und beklommen
Dacht' ich an vergangnen Frühlings Wonne.

Schöne Zeiten stiegen nieder:
Helle Blicke, heiße Küsse!
Ruhten süß umschlungen wieder! -
Sind's der alten Liebe Grüße? -
Ach, ein Traum war's, den der Sonne
Früher Strahl hinweggenommen,
Und beklommen
Dacht' ich an vergangner Liebe Wonne.
(S. 74-75)
_____



Allein

Ich zieh' so allein
In den Wald hinein. -
O sieh, zwei Falter fliegen,
Sie tummeln sich durch die Luft,
Und wenn sie ruhen, da wiegen
Sie sich in der Blumen Duft. -
Und ich - ich bin so allein
Voll Pein!
Ich zieh' so allein
In den Wald hinein. -
O sieh, zwei Vöglein erschrocken
Entstieben dem warmen Nest,
Doch singen und suchen und locken
Sie hoch sich im Geäst. -
Und ich - ich bin so allein
Voll Pein!
Ich zieh' so allein
In den Wald hinein. -
O sieh, zwei Rehe ziehen
An der grünen Halde zumal,
Und wie sie mich sehen, fliehen
Sie fern in Berg und Thal. -
Und ich - ich bin so allein
Voll Pein!
(S. 75)
_____



Verrauscht

Ach, als mich band der Schönheit Macht
Vor Zeit in Lust und Schmerz,
Das war ein Glück, als Tag und Nacht
Ich dein gedacht, mein Herz!
Ich nippte schon in Seligkeit
Manch süßer Stunden Schaum,
Doch war des Lebens hellste Zeit
Der ersten Liebe Traum!

Als ich dich sah, ich stand berauscht
Wie unterm Maienbaum,
Wo man des Frühlings Klängen lauscht,
Bedeckt von Blütenflaum.
Dein tiefer Blick, dein weiches Wort,
Noch ist's mein Lebensglück;
Ich gäb' um goldnen Zauberhort
Die Stunden nicht zurück.

Das war ein Glück, als in die Brust
Ich dir ein Nachtlied sang,
Erröthend bebtest du vor Lust,
Als drin dein Name klang.
Mein Lied tönt besser jetzt gereiht,
Dem Hörer mehr zum Dank,
Ich bin nach Liedern alter Zeit,
Nach junger Liebe krank.

Vielleicht ruft mich zum goldnen Tisch
Einst lächelnd das Geschick,
Lust, Ehre, Ruhm credenzt es frisch
Mir bald mit heiterm Blick;
Zurück schau' ich sehnsüchtig weit
Nach ferner Jugend Saum:
Mir war des Lebens hellste Zeit
Der ersten Liebe Traum!
(S. 76)
_____



Ehedem

Das ist die Stadt, so wie vor Zeit
Ich sie zurückgelassen:
So lagen rings in Dunkelheit
Die hohen Giebelgassen,
So ragte dort in ernster Pracht
Der Dom zum Himmelsbogen,
So kam die weiche Sommernacht
Auf linder Luft gezogen.

So quoll der Rosenduft, ein Meer,
Von Mädchenfenstern nieder,
So sangen von den Gärten her
Die Nachtigallenlieder,
So hat vom Markte nimmermüd'
Der Brunnen einst gerauschet,
So klang das Lied, das süße Lied,
Dem fern ich oft gelauschet.

Dasselbe Bild! - doch in die Brust
Zieht es nicht wie vor Jahren,
Als ich voll Jugendmuth und Lust
Ins Leben bin gefahren.
Dahin ist meiner Tage Stern,
Jugend und Lieb' vergeben!
Mir lieget fremd und kalt und fern
All dieses junge Leben.
(S. 77)
_____



Laß welken

Du pflückst die Blätter ab dem Rosenstrauch,
Daß er noch einmal blüh' im Herbsteshauch;
In Sturm und Wind, weck' nicht die Blumen, Kind,
Wenn ihre Schwestern all' gestorben sind!
Laß welken, laß welken!

Zerstöre nicht der Lieb' Erinnerung,
Daß neue Lieb' im Herzen werde jung!
Sie blüht nicht hell in Wintertagen, Kind,
Wenn stumm die Vögel, dürr die Bäume sind.
Laß welken, laß welken!
(S. 79)
_____



Ich liebe dich noch immer

Ich liebe dich noch immer
Wie einen hellen Traum,
Wie duft'gen Abendschimmer
Am fernen Himmelssaum.

Dein Bild in meinem Herzen
Der Wolke gleicht es dort,
Die lauen Winde scherzen
Sie leis im Aether fort.

Dein denken ist mir labend
Wie süßer Rosenduft,
Der voll am Sommerabend
Durchweht die warme Luft.

Von dir zu reden, klinget
Mir wie ein süßes Lied,
Das durch die Thäler singet
Und fern am Wald verzieht.

Ich liebe dich noch immer
Wie einen hellen Traum,
Wie duft'gen Abendschimmer
Am fernen Himmelssaum.
(S. 81)
_____



Von den Fischerkindern

Hast du von den Fischerkindern
Das alte Märchen vernommen,
Die auf dem schwanken Kahne
Allein ins Meer geschwommen?

Sie pflückten sich Wasserrosen,
Sie sangen der Lieder viele,
Sie herzten und küßten einander
In kurzem Wechselspiele.

Sie haben den Strand verloren,
Als sich der Tag entschwungen,
Sie kehrten nimmer wieder;
Die Namen sind verklungen. -

Und weißt du: wir sind die Kinder,
Die Maid du, ich der Knabe;
Das Meer ist unsre Liebe,
Die ward uns längst zum Grabe.
(S. 82)
_____



Vor einer Nachtviole

Ach, eine dunkle Blume ist mein Herz!
Gleich der Viol' in stiller Sommernacht
Erschließet es des Kelches trübe Pracht,
Und hauchet aus der Düfte Balsamschmerz.

Und jubelt morgens Berg und Wald und Au',
Da steht es still und träumt in sich hinein,
Und tief darin bricht sich der Morgenschein
In Thränen, meiner dunkeln Blume Thau.
(S. 82)
_____



Nachwehen

O nimmer vergess' ich den sonnigen Tag,
Als ich an deinem Busen gelacht;
Als ich dir am pochenden Herzen lag,
O nimmer vergess' ich die heiße Nacht!

Dein Auge strahlte so sicher und warm
Wie Sonnenlicht in den Nebeltraum,
Und es umrankte mich fest dein Arm,
Wie liebende Reben den Ulmenbaum.

Dein Wort, es rauschte mächtig und wild
In meine junge begeisterte Brust:
Du schönes köstliches Menschenbild,
Du gabst mir die erste unendliche Lust!

Doch was du mir gabst, du hast es zerstört!
O daß ich gefallen in deine Haft!
Du hast mich zum wilden Wahnsinn bethört,
Du Weib, so mächtig und zauberhaft!

Und immer noch denk' ich an dich zurück,
Berauscht von Liebe, durchzuckt von Haß;
Du bist mein Unheil, du bist mein Glück!
So folgt mir dein Bild ohn' Unterlaß!

O nimmer vergess' ich den sonnigen Tag,
Da ich an deinem Busen gelacht;
Als ich dir am pochenden Herzen lag,
O nimmer vergess' ich die heiße Nacht!
(S. 83)
_____



Weit, ach weit!

Ein Heil kamst du gezogen
In meine trübe Welt,
Du warst mein Regenbogen
Auf dunkelm Himmelszelt. -
Ach Gott, daß dieses Lieben
Hinweggetrieben,
Daß all die süße Zeit
Weit, ach, weit!

Du warest mir der Morgen
Nach wilder Wetternacht,
Du hast mein Herz geborgen
In deiner Sonnenpracht. -
Ach Gott, daß dieses Lieben
Hinweggetrieben,
Daß all die süße Zeit
Weit, ach, weit!

Ein Wort aus Himmelshöhen
Warst du mir wunderbar;
All Wirrsal mußt' vergehen,
Mein Geist ward froh und klar. -
Ach Gott, daß dieses Lieben
Hinweggetrieben,
Daß all die süße Zeit
Weit, ach, weit!

Ich denk' an dich noch immer
Gleichwie an all mein Glück;
Die Zeiten bringen's nimmer,
Ach, nimmermehr zurück! -
Ach Gott, daß dieses Lieben
Hnweggetrieben,
Daß all die süße Zeit
Weit, ach, weit!
(S. 84)
_____



O du liegst so weit

O du süße Zeit,
Junger Liebe Glück,
O du liegst so weit,
Kehrst nie zurück!

O wie schnell ersteht
Der Blumen Duft!
O wie schnell verweht
Ihn die leise Luft!

O wie süß erklingt
Ein Liebeslied!
O wie leicht beschwingt
Es wieder flieht!

O wie hold beglückt
Ein heller Traum!
O wie schnell entrückt
Seiner Bilder Schaum!

O die Knospe blüht!
Und ein Augenblick,
Dann ist verglüht
Ihr Lenzgeschick.

O du süße Zeit,
Junger Liebe Glück!
O du liegst so weit,
Kehrst nie zurück!
(S. 87)
_____



Der Herbst braust über die Erde

Als der Frühling die Kränze um Baum und Strauch
So frisch und grün geschlungen,
Da gingen wir durch den Maienhauch,
Recht Herz an Herz gedrungen.
Jetzt geh' ich hier, jetzt gehst du dort,
Und die Blätter fallen welk und verdorrt,
Und der Herbst braust über die Erde.

Als der Frühling erweckt den Vogelschwarm,
Zu singen die schönen Lieder,
Da klang unser Wort so voll und warm
Von Herzen zu Herzen wieder.
Jetzt geh' ich hier, jetzt gehst du dort,
Und die Sänger sind über die Berge fort,
Und der Herbst braust über die Erde.
(S. 88)
_____



Sühne

Wenn ausgepocht dies müde Herz
Und tief im kühlen Rasen ruht,
Dann faßt dich doch vielleicht ein Schmerz,
Daß ihm entfloh die heiße Glut;
Du denkst der Zeit, wo du als Stern
Erleuchtet seine Dunkelheit
Und in des Lebens Wüsten fern
Ihm gabst ein freundliches Geleit.

Und dein erweichtes Herz durchklingt
Ein Lied, das einst der Freund dir sang;
Drin hörst du, wie gesangbeschwingt
Sein junger Geist nur dich umschlang,
Wie sein Gebet der Lipp' entquoll,
Das nicht zuerst für dich gefleht,
Und wie sein Segen liebevoll
Für alle Zukunft dich umweht.

Und du verzeihst, was stürmisch einst,
Was thöricht jung ich all geirrt;
Ich seh' die Thräne, die du weinst,
Die meine Fehler lösen wird.
Verklärt in mildem Lichte schwebt
Mein stilles Bild vor deinem Sinn:
Du fühlst, daß, wie ich dir gelebt,
Voll Treu' ich dir gestorben bin!
(S. 88-89)
_____



Du bist so schroff

Das soll dieselbe Liebe sein,
Die einst dein Mund mir schwor?
O sprich mir nicht von Maienschein,
Wenn hart die Erde fror!

Sonst warst du doch so mild und gut,
Jetzt bist du schroff und scharf!
Denk, daß der Vestaflamme Glut
Getreuer Hut bedarf!

Was heilig ist, das duldet nicht
So kalten Hohn und Spott;
Die Lieb' ist himmlisch Gotteslicht,
Und heilig schuf sie Gott.

Und wer sie pflegt, sei er auch schwach,
Ihm heget niemand Groll:
Man sieht ihm Fehl und Mängel nach,
Weil er des Gottes voll!

Mit Nachsicht leitet man ein Herz,
Ob tausendfach es fehlt,
Und nicht, wenn man mit Gram und Schmerz
Es peinigt und entseelt.

Du bist so schroff, du bist so kalt,
Ich hadre dennoch nicht,
Ich weiß nur, daß mir öd' und alt
Das Herz im Herzen bricht.
(S. 90)
_____



Todt ist mir das Glück

Herrlich, hohe Sommerzeit,
Kamst du letztes Jahr,
Da ich voller Seligkeit
Liebestrunken war.

O wie hat der Lindenduft
Süß mein Herz berauscht,
Als wir durch die Abendluft
Schwur und Kuß getauscht!

Stilles keusches Mondeslicht,
Sang der Nachtigall -
Doch ich sah und hörte nicht -
Sie - sie war mein All! -

Ach, es ging so zauberschwül
Ueber Teich und Land -
Herz und Herz - doch ein Gefühl -
Flammend wilder Brand!

Das ist noch der Park, der See,
All die alte Pracht,
Oed' die schöne Welt, o weh!
Und das Licht ist Nacht!

Herrlich, hohe Sommernacht,
Kehrtest du zurück;
Aber kalt ward mir die Maid,
Todt ist mir das Glück!
(S. 91)
_____



Verklungen

Verklungen sind des Tages Stimmen
In Thal und Fluten,
Dort am tiefblauen Berg verglimmen
Die Abendfluten.

Der stille Wald stellt ein sein Flüstern,
Der Strom sein Rauschen.
Welch seltsam mäliges Verdüstern!
Welch weites Lauschen!

Horch, Schmerzensruf! - Ein Vogel streitet,
Vom Nest verirret.
So schreit mein Herz, das lieblos schweifet,
Von Angst verwirret.
(S. 92)
_____



Klage nicht

Ging die Liebe still zur Ruh',
Lege nicht die Stirn in Falten!
Die ich pflegte, machtest du
Reuelos und herb erkalten!
Klage nicht!

Da ich starr wie Winter lag,
Kam dein Wort wie Lenzespochen.
Ach, der Seele Maientag
Hast du frostig kalt gebrochen!
Klage nicht!

Da in Wolken hing mein Geist,
Gab dein Blick mir Sommerlüfte,
Und dann warfst du wieder dreist
Mich in nebeltrübe Klüfte!
Klage nicht!

Da ein dürrer Baum ich stand,
Gab dein Kuß mir Blüt' und Lieder,
Ach, dann warf mich deine Hand
Wie vom Blitz getroffen nieder!
Klage nicht!

Deckt mein Herz der Winter zu,
Mußte alle Glut erkalten,
Ging die Liebe still zur Ruh',
Lege nicht die Stirn in Falten!
Klage nicht!
(S. 92-93)
_____



Du bist doch arm

Du bist doch arm, so reich du scheinst,
Weh dir, o weh!
Und ob du lachst, du weinst dereinst,
Weh dir, o weh!
Statt reicher Liebe wähltest du
Leichtsinnig armen Glanz,
Du suchtest in der Pracht dir Ruh'
Und du verlorst dich ganz.

Vom dumpfen Rausch erwachst du schwer,
Weh dir, o weh!
Dann fühlst du, wie dein Leben leer,
Weh dir, o weh!
Die Schar, die glänzend dich umschwärmt,
Du siehst sie arm und krank,
Du sinnst auf alte Zeit verhärmt,
Zur Rückkehr, ach, zu alt.

Dir fehlt, was hoch beseelt, ein Herz,
Weh dir, o weh!
Weich für die Lust, stark für den Schmerz,
Weh dir, o weh!
Schlaflos bringst du die Nächte hin
In irrer wirrer Noth,
Und dem du alles warst - ich bin
Längst fern dir oder todt!
(S. 94)
_____



O Herz, das ist dein Bild

Ich zieh' auf Waldeswegen,
Es rieselt still der Regen,
Ein weißer Nebel quillt;
Nicht singt durch dürre Aeste
Das Heer der Frühlingsgäste -
O Herz, das ist dein Bild!

Ich komm' zum schwarzen Weiher,
Drauf wallend leis der Schleier
Des dichten Duftes schwillt;
Er strahlt in seinen Fluten
Nicht klare Himmelsgluten -
O Herz, das ist dein Bild!

Ich wandre durch die Auen,
Ach, auch die Felder grauen,
Todtstarr liegt das Gefild.
Blumen und Halme starben,
Die Welt ist trauerfarben -
O Herz, das ist dein Bild!
(S. 95)
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Du weißt es nicht

O weh, daß ich sie trage
Geheim in tiefer Brust,
Die herzlich holde Plage,
Die schmerzlich bittre Lust!
Du bist so lang', so lange
Schon meines Lebens Licht;
Doch wie ich nach dir bange,
Mein Kind, du weißt es nicht.

Mein Leid treibt mich die Tage
In Wald und Feld hinaus,
Nachts trag' ich meine Klage
Still einsam um dein Haus.
Mich drängt's auf allen Bahnen
Zu sehn dein Angesicht;
O möchtest du es ahnen!
Mein Kind, du weißt es nicht.

Wie manche Blüten sterben
Verwelkt in meiner Hand,
Umsonst die Lieder werben,
Die ich für dich erfand!
Ich konnte nie dir sagen,
Was laut das Herz mir spricht:
Das Träumen, Jubeln, Klagen,
Mein Kind, du weißt es nicht.

Ich denk' es Nächt' und Tage,
Ich sag' es nie genug;
Es pocht im Herzensschlage,
Es haucht im Athemzug:
Stets bleib' ich dir ergeben,
Bis einst das Herz mir bricht,
Selbst über Zeit und Leben;
Mein Kind, du weißt es nicht!
(S. 138-139)
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Du bist mir gut

Magst du dich spröde zeigen
Hier in des Saales Glanz,
Magst du dich andern neigen
Mit Lust bei Spiel und Tanz,
Das läßt sich all verschmerzen;
Kühl' immer deinen Muth,
Ich weiß im tiefen Herzen:
Mein Kind, du bist mir gut!

Und mach' ich tags die Runde
An deinem Fenster hin, -
Du kennest schon die Stunde,
Verstohlne Lauscherin!
Du harrst an der Gardine,
Zur Wange geht dir's Blut,
Holdselig glänzt die Miene:
Mein Kind, du bist mir gut!

In deinem Haus die Lieder,
Die du mir neulich sangst,
Sie tönten alle wider,
Daß du in Liebe bangst.
Ich ging - und eine Rose
Fand ich an meinem Hut.
Wer gab sie wol, du Lose?
Mein Kind, du bist mir gut!

Wir schwiegen stets bis heute,
Wir hielten oft uns fern,
Doch sagen alle Leute:
Wir hätten uns so gern!
Birg länger nicht die Flammen,
Nicht berg' ich mehr die Glut!
Laß lodern uns zusammen:
Mein Kind, du bist mir gut!
(S. 142-143)
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Um Mitternacht

Auf deines Hauses kühlem Schwellenstein,
Von zweier Bäume Laubwerk überdacht,
Da sitz' ich ernst und still gedankenvoll
Um Mitternacht.

Die Frühlingserde dämmert vor dem Blick,
Fern prangt der Wald in frischer Blättertracht,
Nah liegt der mondbeglänzte tiefe Teich
Um Mitternacht.

Rings schallt der Nachtigallen volles Lied,
Ein Schwanenpaar zieht Kreise träumend sacht,
Auf leisbewegter Luft webt Klang und Duft
Um Mitternacht.

Und alles strebt zum klaren Himmel hin,
Er dehnt sich groß in Mond- und Sternenpracht,
Die Erd' umgebend, die sich zu ihm sehnt,
Um Mitternacht.

Da träum' ich, daß ich Erd', du Himmel bist!
Was lebt und webt, in meinem Geist entfacht,
Das sammelt sich in dir, mein Himmel du,
Um Mitternacht!
(S. 143)
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In den Rosen

Du streiftest hinab, ich streifte hinauf
In den blühenden Rosenhecken,
Wir schlugen erröthend die Augen auf,
Wir standen verwirrt vor Schrecken;
Wir wollten reden und wußten kein Wort,
Wir waren wie festgebannt an den Ort:
Was wollt ihr pochenden Herzen?

Und ein langer Blick gab alles kund:
Wir hielten uns innig umschlungen,
Und Brust an Brust und Mund an Mund,
Der Zauber war bezwungen;
Es war bestimmt seit undenklicher Zeit:
Du mein, ich dein in Ewigkeit!
Was wollt ihr pochenden Herzen?

Und als wir uns wanden Arm aus Arm,
Wie anders wir fühlten und dachten!
So groß, so voll, so reich, so warm!
Wir zitterten, weinten und lachten.
Der Himmel so nah und die Erde so weit,
Und Alles unendliche Seligkeit!
Was wollt ihr pochenden Herzen?

Und schweigend und redend zogen wir hin,
Wir lebten ein neues Leben:
Du gingst eine junge Königin,
Ich ein junger König daneben!
Und die Vögel und Blumen sie wußten es all':
Das war ein Grüßen mit Duft und Schall!
Was wollt ihr pochenden Herzen?
(S. 144)
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Die ersten Küsse

Von deinem rothen blühenden Mund
Hab' ich die ersten Küsse,
Aus deiner erwachenden Jungfraubrust
Der ersten Liebe Grüße.

Aus deinem weichen blonden Haar
Schnitt ich die ersten Locken.
Ich juble laut; doch du, mein Kind,
Du zitterst still erschrocken.

Mir ist als hätt' ich im lichten Mai
Das erste Veilchen gefunden,
Als hätte die erste Knospe vor mir
Sich duftend zur Rose entwunden!

Mir ist als hört' ich in lauer Nacht
Die erste Nachtigall singen!
Was wird nun Lenz und Sommerzeit
Uns Segen und Fülle bringen?

O zittre nicht, du süße Maid,
Ich bin berauscht in Wonne;
Mein Leben war in Nacht gehüllt,
Du bist meine Morgensonne!

Und Mund an Mund und Brust an Brust!
So selig verrauschen die Stunden,
Die Küsse, die Grüße, das blonde Haar,
Sie halten mich ewig gebunden.
(S. 145)
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Botschaft

Drüben blinkt das Landhaus freundlich
Aus den grünen Rebenranken,
Aber langsam auf dem Rheine
Laß ich heim mein Schifflein schwanken.

Flatternd grüßt dein Tuch vom Fenster,
Flatternd grüßet meins vom Kahne;
Ach, so lang' wir uns erblicken,
Winket dein' und meine Fahne.

Doch sobald wir uns entschwunden,
Send' ich dir die weiße Taube,
Und der schnelle Liebesbote
Trifft dich bald in duft'ger Laube.

An den Flügeln hängt ein Blättchen
Mit verliebten holden Scherzen:
Also sendet tausend Grüße
Liebstes Herz dem liebsten Herzen.
(S. 146)
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Vigilie

Stern und Mond am Himmelsdom
Halten stille Vigilie,
Glanzvoll schimmert Gefild und Strom,
Und die Gärten enthauchen Arom,
Süße ferne Emilie!

Doch die Seel' erschließt sich mild
Wie der Kelch der Lilie,
Glänzender Himmel, umduftet Gefild,
Alles webet hinein dein Bild,
Süße ferne Emilie!
(S. 146)
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Ewig dein!

Der Lenz ist da, der schöne Fant,
Er ziert und schmücket alles Land,
Er weckt in Wald und Feld und Luft
Der Vögel Lied, der Blumen Duft;
Voll Sehnsucht muß ich fern dir sein:
Und ich bin ewig, ewig dein!

Da steh' ich unterm Apfelbaum,
Er streut aufs Haupt mir Blütenflaum;
Ich pflücke rasch sein erstes Blatt,
Es ist von jungem Grün so satt;
Mit flücht'gen Zügen schreib' ich drein:
Und ich bin ewig, ewig dein!

Dort schießt die Schwalbe hin in Eil',
Ein leichtbeschwingter Frühlingspfeil;
Sie senkt sich aus den Lüften tief,
Ich geb' ihr meinen grünen Brief,
Daß er dich grüß' am fernen Rhein:
Und ich bin ewig, ewig dein!

Wenn sich mein Vogel niederschwingt,
Und dir die frohe Botschaft bringt,
Dann siehst du wol im Gartenland,
Zerpflückt die Blumen mit der Hand,
Und fragest sie: Gedenkt er mein?
Und ich bin ewig, ewig dein!
(S. 147)
_____



Vor der Königsburg

Es legt sich weit die Frühlingsnacht
Auf diese Gärten und Terrassen,
Stolz ragen in des Himmels Pracht
Der Riesenbäume dunkle Massen,
Der Vollmond steht so leuchtend klar,
Daß alle Sterne rings erblassen,
Die Marmorbilder wunderbar
Beleben sich, wohin ich schreite:
Ich bin beglückt, wie wär' ich's gar,
Gingst du, mein Lieb, an meiner Seite!

Und horch, die Königsburg voll Glanz
Weithin läßt sie Musik erschallen!
Springbrunnen, sieh, in leichtem Tanz
In mondbeglänzte Teiche fallen.
Es klingt durch würz'ge Lüfte klar
Das lange Lied der Nachtigallen,
Dort gibt ein schlankes Schwanenpaar
Sich bleich und schweigsam das Geleite:
Ich bin beglückt, wie wär' ich's gar,
Gingst du, mein Lieb, an meiner Seite!

Und sieh, ein frühlingstrunkner Schwarm
Wallt durch die grünen Dämmerungen!
Hier hat ein freudig Jauchzen warm,
Dort sich ein volles Lied erschwungen.
Und weiter streift ein selig Paar
Vertraulich Arm in Arm geschlungen,
Ich folg' ihm aus der lauten Schar,
Und wie ich segnend sie begleite:
Ich bin beglückt, wie wär' ich's gar,
Gingst du, mein Lieb, an meiner Seite!

Du zauberreiche Frühlingsnacht!
Ich hab' in dieser schönen Stunde
Von dir geträumt, an dich gedacht,
Da leuchtet es herauf vom Grunde:
Sieh, eine Rose, wunderbar!
Ich weih' sie unserm Liebesbunde,
Und welkt sie auch, wie treu ich war,
Soll sie dir künden in die Weite:
Ich bin beglückt, wie wär' ich's gar,
Gingst du, mein Lieb, an meiner Seite!
(S. 148-149)
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Ein guter Stern

Ich wander' in die Nacht hinein,
Ich wandre von dir fern,
Doch vor mir zieht mit lichtem Schein
Ein guter Stern.

Der gute Stern der Liebe lacht
Vor mir so rein erglüht,
Da blüht auch in der dunkeln Nacht
Hell mein Gemüth.
(S. 149)
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Mein kühner Falk!

Mein kühner Falk, mein kühner Falk
Mit schwankem schlankem Flügel,
Mein Bote sei, mein Bote sei
Fern über Thal und Hügel!

Ein Dichter spricht, ein Dichter spricht,
Da wird die Luft dir heiter,
Und Sommerstrahl und Frühlingsduft,
Geb' ich dir als Begleiter.

Wohlauf zum Ost, zum grünen Rhein
Sollst heben du die Schwingen,
Und Grüße an ein treues Herz
Von treuem Herzen bringen!

Sie steht an ihrem Fensterlein,
Sie wallt im Frühlingsgarten,
Nach Westen späht sie sehnsuchtsvoll,
Die Grüße zu erwarten.

O sag' ihr, daß in Lebenslust
Ich freudig mich versenke,
Doch daß kein Augenblick vergeht,
Wo ich nicht an sie denke,

Wo ich nicht juble: ich bin dein
Fern über Thal und Hügel!
Mein kühner Falk, wohlauf zum Rhein
Mit schlankem schwankem Flügel!
(S. 150)
_____



Gruß

Der Glocken Töne schwingen
Sich über den tiefen Rhein,
Der Orgel Lieder klingen,
Die frommen Beter singen,
Leis tönt's in den Sonnenschein:
Gegrüßt seist du, mein Herz!

Der Glocken Töne schwingen
Sich aus der Seele hervor,
Wie Orgellieder singen,
Wie betende Stimmen klingen
Die Laute licht empor:
Gegrüßt seist du, mein Herz!
(S. 152)
_____



Ueber den Bergen

Was soll mir nun der Landschaft Pracht?
Leis auf das Thal senkt sich die Nacht,
Die Wälder stehen dunkelgrau
Und fahl und lichtlos ist die Au':
Mein Herz ist über den Bergen!

Die Berge schimmern in Abendglut,
Darüber schwimmt die letzte Glut,
Es steigt ein goldner Stern hinein,
Dort muß die Herzallerliebste sein:
Mein Herz ist über den Bergen!
(S. 152)
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Im Mondschein

Nun steiget still der Mond herauf,
Er findet dich am Fensterlein;
Ich grüße dich durch seinen Strahl,
Du grüßest mich durch seinen Schein.

Derselbe Himmel überm Haupt,
Dieselbe Erde untem Fuß,
Und zwischen uns im Dämmerraum
Ein einz'ger süßer Herzensgruß!
(S. 153)
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Beim Blitz

Der Blitz erhebt am Horizont
Die rothen Feuerflügel,
Daß ich weithin sehen gekonnt
Ueber Wald und Hügel.
Ferne blinkte dein Haus
Ueber das Land hinaus,
Du süßes Liebherz!

Mir durch die glühnde Seele fliegt
Ein blitzend helles Strahlen,
Daß sie seltsam offen liegt
Mit den Höhn und Thalen.
Ueber allem so mild
Stehet dein holdes Bild,
Du süßes Liebherz!
(S. 155)
_____



Am Lindenbaum

In den lauen Maiennächten
Steh' ich oft am Lindenbaume,
Und ich schaue nach dem Fenster,
Wo du ruhst in süßem Traume.

Durch den tiefen Himmel gleitet
Leis der Mond im Silberglanze,
Goldne Sterne glühn unzählig
Nah und fern in hellem Kranze.

Durch die Lüfte geht ein Wehen
Still auf unsichtbaren Schwingen,
Ruhig ziehn des Rheines Wellen,
Die im Traume heimlich klingen.

Aus der Stadt entfernten Gassen
Wehn Gesänge hin und wieder,
Gärten senden mit den Düften
Weiche Nachtigallenlieder.

All dies Leben ist Begleitung
Zu dem holden schönen Traume,
Den ich träum' vor deinem Hause,
Hingelehnt am Lindenbaume.

Und der holde Traum, er heißet:
Daß ich dein bin alle Zeiten,
So wie gestern und wie heute,
So in alle Ewigkeiten!
(S. 156)
_____



Mein Herz ist so leicht

Mein Herz ist so leicht und so froh und so frank!
Nie hat mir so hell das Leben gelacht!
Mir ist als hätt' ein Zaubertrank
Mich überselig trunken gemacht.
Wie drängt es! Ich sehe die Erde so grün,
Frei frisch die See, tief blau die Luft!
Was glänzend und hoch, was klingend und kühn,
O wie es die Seele lockt und ruft!

Mir ist als wüchsen Flügel dem Geist,
Als flög' er hoch und weit und wild,
Wie der Falke, der durch die Lüfte kreist,
Hoch über Strom und Wald und Gefild.
Ihr Thoren, was ist euch vom Himmel bewußt!
O harrt auf die ewige Seligkeit!
Ich trage den Himmel in meiner Brust:
Sei gegrüßt, du süße Liebeszeit!
(S. 157)
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Mein Lieb herbei!

Das ist die helle Frühlingszeit!
Horch, wie vom Gebirg der Kukuk schreit,
Sieh, wie die Schwalben schließen!
Erquicke dich an der lauen Luft,
An der Felder Grün, an der Wälder Duft,
An der wilden Blumen Sprießen!
Mein Lieb herbei,
Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai,
So frisch und frei
Zu singen, zu trinken, zu küssen!

In blühenden Lauben ruhen wir aus
Und füllen im lustigen Frühlingshaus
Den hohen krystallenen Becher.
O wirf die lichten Blumen hinein:
Hoch dir, hoch mir im duftigen Wein,
Wir liebeseligen Zecher!
Mein Lieb herbei,
Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai,
So frisch und frei
Zu singen, zu trinken, zu küssen!

Und endet das Lied, ist der Becher zu Grund,
So gib mir den rothen schwellenden Mund
Zum letzten höchsten Genusse!
Was Lied und Klang, was Glanz und Licht!
So selig schwärmt sich im Lenze nicht,
Wie in der Liebsten Kusse!
Mein Lieb herbei,
Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai,
So frisch und frei
Zu singen, zu trinken, zu küssen!

Aus Laubesgrün, aus Blütenglanz,
O laßt uns weben den heitern Kranz
In die blonden fliegenden Locken!
Die Höhen entlang am grünen Rhein
Laß singend uns wandern im Sonnenschein,
Hoch über Flöten und Glocken!
Mein Lieb herbei,
Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai,
So frisch und frei
Zu singen, zu trinken, zu küssen!
(S. 157-158)
_____



In der Wildniß

Auf schwindelndem Pfad, den kaum wer betrat,
Sind wir auf die Höhen geklommen;
Die andern, mein Glück, sie blieben zurück,
Sie konnten nicht mit uns kommen.
Wir standen allein im wilden Gestein,
Auf dem nackten felsigen Gipfel:
Hoch der Himmelsdom, tief der rauschende Strom
Und üppige Waldeswipfel.

Wie kühn war es dort! Steil ragte der Ort,
Ich umschlang dich fester und fester:
Wir sahn, meine Zier, in das Waldrevier,
In der wilden Tauben Nester;
Es blinkte herauf im Jugendlauf
Der Fluß aus dem grünen Thale:
Wie er floß, wie er schoß, der Wildniß Genoß,
Ueberblitzt vom goldenen Strahle!

Grüne Einsamkeit! Wie hoben so weit,
So hoch sich die jungen Geister!
Brust an Brust gepreßt, umschlungen fest!
O Liebe, du süßer Meister!
Glücksel'ger Moment! Wie die Glut uns brennt
Hier zwischen den hohen Klippen!
Langer langer Gruß, langer langer Kuß
Auf die rothen schwellenden Lippen!

Horch auf, wie es rauscht! Wir sind belauscht!
Welch Singen und Klingen und Schwirren!
Mit grüßendem Schrei schießt der Falke vorbei,
Die Taube mit leisem Girren!
Es flüstert im Wald, daß es heimlich schallt,
Flußwellen springen und klingen!
Wo die Liebe sich grüßt, wo die Liebe sich küßt,
Kommt alles Huldigung bringen!
(S. 159-160)
_____



In der Nacht

In der Nacht, in der Nacht - wie so süß es sich lauscht,
Wo die Linden duften, der Springquell rauscht,
Wenn drüben im Hause die Thüre klirrt,
Und ein Licht durch die mächtigen Fenster irrt!
Und im Garten, da flötet die Nachtigall sacht,
In der Nacht, in der Nacht!

In der Nacht, in der Nacht - und es schallet ein Tritt,
Und es rauschet ein Kleid und das Herz schlägt mit!
O Bangen, Verlangen, o ängstliche Lust!
Wir fliegen und liegen uns Brust an Brust!
Und im Garten da flötet die Nachtigall sacht,
In der Nacht, in der Nacht!

In der Nacht, in der Nacht - und Mund an Mund
Und Herz an Herz! du selige Stund'!
Und das Flüstern und Kosen! - Ich dein, du mein!
Bis der Osten sich röthet, da flieht sie hinein.
Und im Garten, da flötet die Nachtigall sacht,
In der Nacht, in der Nacht!
(S. 160)
_____



O Minne!

Holdselig wechselnd Minnespiel,
Reich bist du sonder Maß und Ziel!
Und wenn auch Tinte rings das Meer,
Ein Pergament der Himmel wär',
Und Schreiber schrieben hundert Jahr',
Es würd' nicht offen und nicht klar,
Wie du mir thust so wunderbar,
O Minne, o Minne!

Holdselig wechselnd Minnespiel,
Reich bist du sonder Maß und Ziel!
Und hab' ich dich, klingt's mir im Ohr
Wie Geigenlaut, wie Vogelchor,
Ich seh' wie in die grünste Au',
In rothen Rosen blitzt der Thau,
Ich schwebe wie im Himmelsblau,
O Minne, o Minne!

Holdselig wechselnd Minnespiel,
Reich bist du sonder Maß und Ziel!
Es ist wie Honig mir im Mund,
Wie Himmelreich im Herzensgrund!
Da ich am liebsten Herzen lag,
Da hellster Seligkeit ich pflag,
Sind tausend Tage wie ein Tag,
O Minne, o Minne!
(S. 162)
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Aus: Dichtungen eines Rheinischen Poeten
von Wolfgang Müller von Königswinter
Erster Band Leipzig F. A. Brockhaus 1871

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Müller_von_Königswinter



 

 


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