Georg Justus Friedrich Nöldeke (1768-1843) - Liebesgedichte

 




Georg Justus Friedrich Nöldeke
(1768-1843)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Liebe als Schöpferin und Erhalterin der Welt
1793

Noch barg der dunkle Schooß der Nacht
Das All der ungebornen Welt,
Von keinem Frühroth angelacht,
Von keinem Mondenglanz erhellt;
Noch tanzte nicht in Lichtgewimmel
Der Sterne Chor am hohen Himmel.

Da schwang der Liebe Genius
Des Lebens Fackel und umfing
Die braune Nacht mit Bräut'gamskuß,
Die hehr an seiner Lippe hing;
Sie hörte sein allmächtig: Werde! -;
Da wurden Himmel, Sonnen, Erde.

Da drehte sich das Rad der Zeit,
Beflügelt von des Gottes Schwung,
Den Mond, die Sonnen im Geleit;
Und, ewig schön und ewig jung,
Begann, im erstgebornen Lenze,
Der Horen Zahl verschlungne Tänze.

Und tausend Wesen drängten da
Mit Ungestüm ins Leben sich;
Aus tausend Kehlen, fern und nah,
Ergoß des Daseyns Jubel sich;
Balsamisch hauchten Purpurblüthen
Bey Früchten, die in Golde glühten.

Doch auf der Erde fehlte noch
Der Wesen junggebornen Zahl
Ein Geist, der, über Alle hoch,
Der Herrschaar gütig-klug befahl;
Da ward der Mann, die Lust der Geister,
Der Erde Herr, des Meeres Meister.

Noch einmal schwang der Genius
Des Lebens Fackel um sein Haupt,
Und sieh! da ward zum Frohgenuß
Der Männin Blick des Schlafs beraubt;
Zum Manne führte sie die Liebe,
Und Wonnen krönten ihre Triebe.

Sanft blies der West, es schwieg der Sturm,
Und in der Liebe Säuseln bog
Zur Ceder sich der Ceder Thurm,
Auf kühnen Felsen stolz und hoch;
Die Rose küßte sanft die Rose,
Und Veilchen liebten sich im Moose.

Im dunkeln Hain, am Wasserfall,
Im Thal, von keinem Sturm durchrauscht,
Sang Liebeston, o Nachtigall,
Dein Lied, vom stillen West belauscht;
Den Himmelsflug zur goldnen Sonne
Lehrt', Adler, dich der Liebe Wonne.

Der Wallfisch, Herr im Wasserreich,
Behaust vom gläsernen Palast,
Empfand der Liebe Flammenstreich,
Und gab Bewegung seiner Last;
Er schoß im strudelnden Getümmel
Zwey Wassersäulen froh gen Himmel.

So schufst du, Liebe, nah und fern,
Der Wesen frohen Reihentanz;
Dir jauchzen sie auf jedem Stern,
Und sonnen sich in deinem Glanz;
Du bauest Turteln warme Nester,
Und wohnst bey Freundschaft, deiner Schwester.

Du mahlst mit zauberischer Hand
Den Vorhang, der die Zukunft hüllt;
Du bist's, durch die dem dürrsten Sand
Ein labungsvoller Quell entquillt;
Du lähmst des Unglücks schwarze Flügel,
Dir schmilzt die wilde Fluth zum Spiegel.

Wenn deine Hand dem Dornenkranz,
Den Tück' in ihrer Rechten trägt,
Und uns, kaum angestrahlt vom Glanz
Des Glücks, auf Stirn' und Scheitel schlägt,
Wenn deine Hand den Dorn nicht knickte,
Dann sänke trostlos der Bedrückte.

Arm ohne dich ist Tempe's Hain,
Und reich mit dir im stillen Thal
Ein Halmendach, wo du allein
Das Tischchen deckst zum frohen Mahl,
Die Götter selbst den Hirten neiden.
(S. 15-18)
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Milda

Süß, o Bienchen, ist dein Honig,
Doch in Gift getaucht dein Stachel;
Lieblich ist dein Hauch, o Rose,
Aber deine Dornen stechen:
Süß, o Bienchen, wie dein Honig,
Lieblich, wie dein Hauch, o Rose,
Sind die Worte meiner Milda,
Ist ihr himmlischsüsses Lächeln.
(S. 19)
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Das Glück der Liebe

O Liebe, du himmlische Göttin, dir tönt
In unserm Verein, den dein Zauber verschönt,
Die Stimme der Freude aus jeglicher Brust;
Dir schlagen die Herzen, erweitert von Lust.

Chor
O Liebe, der alle Gefühle wir weihn,
Beglücke, beglücke den trauten Verein.

Die Liebe verschmähet der Könige Glanz;
Mehr gilt ihr als Kronen ein ländlicher Kranz
Von Rosen und Veilchen, im Haine gepflückt,
Womit sich am Quelle die Schäferin schmückt.

Chor
Die Liebe sieht lächelnd den Herrschenden zu,
Beglückter als Herrscher durch ländliche Ruh.

Oft segelts im Meere des Lebens sich schwer;
Schon sehen wir Abgrund, und fürchten uns sehr;
Auf einmal sühnt Liebe des Ocean's Zorn,
Und duftender blühen uns Rosen am Dorn.

Chor
Mag stürmen, mag toben des Ocean's Zorn;
Die Liebe schafft duftende Rosen dem Dorn.

O selig, wem Liebe sein Liebchen bescheert;
Sein Leben ist Frühling, sein Freudenquell währt;
Und winkt ihm der Stundenglasträger einst zu,
Husch! schlüpft er mit Liebchen durchs Pförtchen der Ruh.

Chor
Wink' immer, o Stundenglasträger, ihm zu,
Husch! schlüpft er mit Liebchen durchs Pförtchen der Ruh.
(S. 19-20)
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An den Geist der Liebe

O Geist der Liebe, weh' durch alle Räume;
Du ründetest der Erde grosses Rund,
Du gründetest des Meeres tiefen Grund,
Und schufst ins Daseyn aller Wesen Keime.
O knüpf, beseligend, wie Jugendträume,
Die Menschheit jetzt in einen grossen Bund,
Und thu die Wunder deiner Allmacht kund,
So weit die Wolke spannt die Purpursäume.
Mit Orpheus stiegst du in das Reich der Schatten
Hinab; mit Ganymed flogst du empor
Zu der Olympier vereintem Chor;
Du führtest zu des Himmels Sternenmatten
Alkmeneus starken Sohn; ihn küßt' als Gatten
Die junge Hebe, die er sich erkohr.
(S. 51-52)
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Meiner Milda
Bey Schenkung einer Uhr

Rastlos rollet die Zeit ihr unermeßliches Schwungrad;
Sonnen und Monde gehn unter und wieder empor.
Hier im kleineren Kreise der Uhr, nachahmend den Zeittact,
Läßt die Hora im Flug Stunde an Stunde sich reihn.
Siehe, sie zeichnet die Zahl mit zwiefach goldenem Finger,
Und im Wechseltanz kreisen die heiligen Zwölf.
Alternd stets und stets verjüngt, verjüngt um zu altern,
Künden Jeglichem sonst sie die Vergänglichkeit an.
Dir nur, liebendes Weib, das du die Zeit mir beflügelst,
Sey der Flüchtigkeit Bild Bild der Beständigkeit auch;
Wie in der Mitte der Uhr ein Punct um sich selber sich umdreht,
So beweg' in der Zeit Liebe um Liebe sich nur!
(S. 59-60)
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Liebe ein Mährchen?

On earth unseen or only found
To warm the turtle's nest.
Goldsmith

Von Liebe hört' ich einst ein Wort,
Und hatt' es nicht verstanden.
Ich fragte hier, ich fragte dort;
Man sprach von Ring und Banden.
Da fragt ich Nachbars Klärchen,
Die sprach: "es ist ein Mährchen."

Ein Mährchen sollte Liebe seyn?
Ich bat mirs zu erzählen.
Da sprach sie von Vergißnichtmein,
Von Küssen und Vermählen.
"Nein, sprach ich, liebes Klärchen,
Die Lieb' ist, traun! kein Mährchen."

Was aber sollte sie denn seyn? -
Dacht' ich, und sah bey Rosen,
Bey Veilchen und Vergißnichtmein
Zwey Turteltäubchen kosen;
Da sprach ich: "liebes Klärchen,
Jetzt weiß ich's auf ein Härchen."

Ihr sagen wollt' ichs auf ein Haar,
Und blieb doch wieder stehen.
O komm, bey diesem Täubchenpaar
Sollst du die Liebe sehen.
Erröthend sah sie Klärchen
Und sprach nie mehr von Mährchen.

Nun ja, sprach sie, hier muß sie seyn;
Wohl hatt' ich es verstanden.
Blühn hier doch auch Vergißnichtmein,
Umstrickt von Rosenbanden.
Da rief ich: "siehst du, Klärchen?
Die Lieb' ist doch kein Mährchen!"
(S. 60-62)
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Hochzeitlied
für einen Pharmaceuten
(Amor redet)

Hier ein Recept, Herr Apotheker;
Das fördert mir, so bald ihr könnt.
Ich bin nicht mehr der kleine Schäker,
Den Amor, Herzensdieb, man nennt.
Ich ließ mich herab von des Himmels Höh'n,
Nach dreierlei Kräutern mich umzusehn.

Wohlan! Die Zeit nicht zu verlieren,
Nehmt Augentrost und Wohlgemuth;
Auch Denkanmich laßt euch dictiren,
Und mischet alles fein und gut.
Ihr lächelt, mein Freund? Auch ich hab' servirt,
Auch mir hat sich jegliche Büchse gerührt.

Ihr lächelt wohl der alten Sachen,
Auf die kein Pharmaceut mehr hält?
Doch immerhin, ihr möget lachen;
Manch Altes wird jetzt neu der Welt;
Manch Neues, weil's neu ist, nur Schaden thut,
Das Gute vom Alten bleibt immer gut.

Zwar nennt die Facultät der Götter,
Der ärztlichen, im Himmelssaal,
Mich spottend wohl den kleinen Spötter;
Doch lindr' ich oft der Spötter Quaal.
Auch dir, dem's an Augentrost, Wohlgemuth fehlt,
Und Denkanmich, linder' ich gern, was dich quält.

Wohlan! Ich will dahin dich führen,
Wo's nie an Augentrost gebricht;
Wo Wohlgemuth ein Plätzchen zieren
Und Denkanmich im schönsten Licht.
Die fehlen dir, Armer; doch schaff' ich noch Rath,
Wofern du mir folgest, durch eilige That.

Am Strand der Hunte blüht ein Städtchen,
Umgrünt vom Ulm- und Lindenkranz;
In seiner Mitte wohnt ein Mädchen,
Bescheiden, sittsam, ohne Glanz,
Doch Wärme verbreitend, am häuslichen Heerd;
Ihr sind die drey heiligen Kräuter bescheert.

Ihr fehlt es nie an Wohlgemuth,
An seufzerreichem Denkanmich,
An Augentrost für Liebesglut;
Zu ihr führt Amor eilend dich.
Bringt diese den dreifachen Schatz dir ins Haus,
Dann wählen die Götter zum Liebling dich aus.

So sprach zu einem Pharmaceuten
Der Herzensdieb, und führt' ihn fort;
Er aber fand mit richt'gem Deuten
Das Mädchen bald am rechten Ort.
Trost gab ihm ihr Auge, und Wohl ihr Gemüth;
Und Denkanmich nimmer mehr von ihm schied.

Dir, Freund, ward, lieblicher als Manna,
Dieß Loos, dieß holde Loos zu Theil;
Dir folget unsre Freundin Anna,
Ihr folgen Liebe, Glück und Heil.
Müßt beide schon morgen von hinnen ihr' ziehn,
Soll neunzig und neunmal der Krautschatz euch blühn.
(S. 95-98)
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Amor der Fackelträger
Unter eine Statue geschrieben

Meiner Pfeile beraubt floh ich vor Jupiter's Zorne,
Doch von des zürnenden Blitz hascht' ich zwey Funken im Fliehn
Mit den Fackeln auf, und barg als Amor-Prometheus
Hier im Gebilde der Kunst diesen olympischen Raub.
Fürchtet, Sterbliche, nichts; statt Donner herrsch' ich durch Lächeln,
Und mit der Fackel Schein leucht' ich zu Leben und Lust.
(S. 98)
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Amor der Bogenschütze
In das Stammbuch eines Mahlers
unter Amor's Bild geschrieben

Da schwirrt hin der Pfeil, schon blutet ein Herz mir,
Bluten der Herzen zwey, beide vermehrend mein Reich.
Künstler, in deiner Brust und in dem Busen Augustens,
Welche die Flügel mir nahm, brennet der haftende Pfeil.
(S. 102)
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Aus: Heliora Gedichte von
Georg Justus Friedrich Nöldeke
Oldenburg in der Schulze'schen Buchhandlung 1815

 


Biographie:
https://www.deutsche-biographie.de/gnd10076357X.html#adbcontent




 

 


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