Johann Georg Obrist (1843-1901) - Liebesgedichte

 

Johann Georg Obrist
(1843-1901)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Meine Liebe

Ich wähnte sie todt und begraben
In meines Herzens Schrein.
Schon begann ich ihr zu meißeln
Des Liedes Leichenstein.

Da kam in's Land gegangen
Der wunderthätige Mai.
Wol schritt er an mancher Schwelle, -
An meiner nicht vorbei.

Er lud sich selbst zu Gaste,
Ich nahm ihn auf mit Lust.
Zum Willkomm zog er mich lächelnd
An seine blühende Brust.

Da ward mit Einem Male
Mein Herz so weit und froh.
Und es wuchs und es knospte wieder, -
Eine Rose von Jericho.

Deß habe du Dank, o Maien,
Dornröschen ist hold erwacht
Und ihr Ostern angebrochen
Kraft deiner Zaubermacht.
(S. 6)
_____



Die Schwalbe

Von einer Palme Wipfel
Im heißen Afrika
Ein wandermattes Schwälbchen
Zum Sande niedersah.
"Er wird mich wohl begraben,
Der arge, dürre Sand
Und nimmer mag ich schauen
Das schöne Heimatland.

Mir sind erlahmt die Schwingen,
Mich ließ zurück das Heer,
Das jauchzend just geflogen
Wol über Land und Meer.
Es läßt mich hier verschmachten
Am öden Wüstensaum
Und was mich trägt nach Hause,
Ist nur ein letzter Traum.

Du weiches, warmes Nestchen
Am deutschen Bauernhaus!
Ihr schmucken Apfelbäume
Mit Blüten roth u. kraus! -
Was sind die stolzen Palmen
Was ist der milde Süd?
Dort war ich frisch und munter,
Hier bin ich matt und müd.

O wär' es bald vorüber,
Begrüb' der Sand mich schon!" -
So klagt die kranke Schwalbe
Mit leisem Sterbeton.
Da braust auf Todesschwingen
Heran der Wüstensturm
Und wirbelt rasch das Vöglein
Vom schlanken Palmenthurm.
***

Mein Herz ist diese Schwalbe,
Vereinsamt muß ich steh'n.
Der Liebe Heimat mag ich
Wol niemals wiederseh'n.
Mir wird die Brust ersticken
Des Lebens leerer Tand
Und auch - wie bald! begraben
In fremden, dürren Sand.
(S. 7-8)
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Scheidetrost

Thränen hat sie nicht vergossen,
Als ich in die Weite zog.
Selbst die Lippe blieb verschlossen.
Nur ein schmerzlich' Lächeln flog
Ueber ihre sanften Züge;
Zögernd gab sie mir die Hand,
Aber ihre Blicke sprachen:
"Unzertrennlich bleibt das Band."

Ihrer Augen feuchter Schimmer
Ließ gar deutlich mich versteh'n:
"Fahre wohl! und freu' dich immer
Auf ein fröhlich Wiederseh'n!
Traue fest auf meine Treue!
Ob du nah mir weilst, ob fern -
Ewig, ewig meines Schwures,
Ewig dein gedenk' ich gern!"

Und darum ich nimmer klage,
Daß ein Schicksal uns getrennt.
Keines bangen Zweifels Frage
Meine stille Liebe kennt.
Denn mir gilt, ich sag' es offen
Und mich hält kein Spott zurück, -
Mehr als tausend Männereide
Solch' ein reiner Mädchenblick!
(S. 9)
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Als sie krank war

Liebchen leidet! Lenz erscheine!
Allen Zauber nimm mit dir!
Komm und heile rasch das reine,
Gute, traute Mädchen mir!

Liebchen leidet! Rothe Rosen,
Knospet, blühet doch geschwind!
Heilt mit eurer Düfte Kosen
Das euch stammverwandte Kind!

Liebchen leidet! Nachtigallen,
Kommt und singt es doch gesund!
Laßt die schönsten Lieder schallen,
Denn es zählt zu eurem Bund!

Laue Lüfte! Sonnentage!
Ei, was zaudert ihr so lang?
Seid ihr vor dem Winter zage,
Statt zu brechen seinen Zwang?

Seid ihr wirklich nicht im Stande,
Ihn zu schlagen, Streich um Streich?
Liebchen leidet! Schmach und Schande,
Frühling, dir und deinem Reich!
(S. 10)
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Alleluja!

Alleluja!
Christus hat den Tod, den blassen,
Abgeschüttelt, hat verlassen
Seine düstre Schlummergruft.
Mächtig in die Frühlingsluft
Hat der Herr sich aufgeschwungen
Und es scholl von Engelszungen:
"Alleluja"!

Alleluja!
Ach, wie fern wohl ist die Stunde,
Da mit leichtem, frohen Munde
Ich entgegenjauchzen mag
Einem neuen Lebenstag?
Ach wie fern noch, bis ich singe,
Hoffnungsstark und guter Dinge:
"Alleluja"!

Alleluja!
Liebchen, folge du dem Heiland!
Sei so sanft und gut wie weiland!
Laß die schwarzen Launen fallen
In des Todes dunkle Hallen,
Daß ich mag von Herzen grüßen
Mit dem Rufe dich, dem süßen:
"Alleluja!"
(S. 11)
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Der Wirthin Töchterlein
(Aus einem größeren Cyclus)

Frage
I.
Wohl schenkst du stets mir süßen Wein
Und lächelst mild dazu
Und strahlest mit den Augen dein
In's Herz mir klare Ruh';
Wohl plauderst du so lieb und traut,
So ganz und gar Natur -
Und Frieden in die Seele thaut
Dein sanftes Wort mir nur.

Doch singest du zur Laute, Kind,
Mit seidenweichem Ton,
So fliegt wie leichter Rauch im Wind
Mir alle Ruh' davon.
Und doch ist mir so wohl dabei
Und wieder, ach, so - zag'!
Nun sag' mir, neue Lorelei,
Woher das kommen mag?
(S. 14)


Haha!
II.
Wie schelmisch doch du lachen kannst: "Haha!"
Und lachend, ach! das Herz mir bannst. Ja, ja!
Es klingt so rein und silbern dein: "Haha!"
Es schmeckt wie milder Klosterwein, ja, ja!
Es schmeckt wie Wein, es klingt wie Glas, ha, ha!
Doch birgt sich drin ein seltsam' Was, ja ja!
Ich weiß nicht: Ist's ein leiser Hohn? Ha ha!
Und dennoch ein wie süßer Ton! Ja, ja!

O wüßtest du , wie süß es klingt! Ja, ja!
O wüßtest du, wie stark es zwingt! Haha!
O wüßtest du, wie trüb du machst, ja, ja!
Den Sinn mir, wenn so klar du lachst: "Haha"!
Ein Räthsel bist und bleibst du mir ja ja! -
Die Sorgen all' vertreibst du mir, haha!
Mit deinem Lachen glockenhell, ja ja!
Doch raubt mir's auch die Ruhe schnell. "Ha, ha!"
(S. 15)


Reiterlust
III.
Bin ich nicht ein muntrer, flinker,
Mutbeseelter Reitersmann,
Der als Sänger, der als Trinker
Allerwärts sich weisen kann?
Ei, wie blüht das Herz mir wieder
Reich in hellem Rosenblust!
Alle Tage Wein und Lieder
Liebe Worte, Glück und Lust!

Denn die Herrin lacht nun heiter,
Plaudert wieder mild und traut,
Daß dem ungestümen Reiter
Nimmer vor Gefahren graut.
Denn das Rößlein meiner Dichtung
Rast nun nimmer wahnberauscht,
Seit mit sonnigfreier Lichtung
Sich des Waldes Nacht getauscht.

Röslein läßt sich wieder leiten
Willig, wie dem Herrn gefällt
Und so mag ich freudig reiten
Durch die weite grüne Welt.
Naht der Abend, darf ich springen
Aus dem Sattel keck und leicht,
Lustig trinken, tanzen, singen,
Bis der Sterne Glanz erbleicht.

Graut der Morgen, zuckt die Sonne
Schon im Osten roth empor,
Wieder rasch zu Roß mit Wonne,
Rasch hinaus zum alten Thor!
Rasch hinein in's rege Leben,
Rasch hinein in Licht und Luft,
Bis zu Sang und Saft der Reben
Holde Rast zurück mich ruft.

Bis vom guten Tagesritte
Leichter Schweiß die Stirne näßt
Und der Herrin milde Sitte
Ihr so nah mich ruhen läßt. -
Ei, wer würde da kein flinker,
Mutbeseelter Reitersmann,
Der als Sänger, der als Trinker
Allerwärts sich zeigen kann?
(S. 16-17)


Sängertrost
IV.
(Freie Glosse)
Weinend muß mein Blick sich senken,
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Deingedenken
Wie ein stilles Nachtgebet.
Lenau
Denk' ich jener süßen Stunden,
Denk' ich jener gold'nen Zeit,
Da mir wogte, noch von Wunden
Frei, das Herz in Seligkeit;
Noch der Himmel mich bedachte
Mit den reichsten Huldgeschenken,
Liebchen, noch dein Mund mir lachte,
Während nun ich freudlos schmachte, -
Weinend muß mein Blick sich senken!

O wie schwanden jene Tage,
Floh dahin mein Minneglück
Mit so raschem Flügelschlage! -
Kaum Erinn'rung blieb zurück.
Was darob ich duldend leide,
Selbst nicht Freundesbrust versteht;
Drum in's Lied den Schmerz ich kleide,
Der mir oft wie Schwertesschneide
Durch die tiefste Seele geht.

Denn im freien Spiel der Saiten
Sänftigt sich die herbste Qual
Und ihr Zauber heißt zergleiten
Wellenberg und Wogenthal.
Kann ich gleich von deinem Bilde
Immer noch den Blick nicht lenken,
Regt es doch im Sang nicht wilde
Sehnsucht mir, es weckt nur milde
Mir ein süßes Deingedenken.

Und so fühlt sich doch der Busen
Noch nicht aller Hoffnung baar,
Quillt der heitre Born der Musen
Nur allimmer frisch und klar.
Sieh, das ward als Trost beschieden
Meinem Herzen und es weht,
Ward ich gleich von dir gemieden,
Dennoch um den Sänger Frieden
Wie ein stilles Nachtgebet!
(S. 18-19)


Zechers Herbstgruß
V.
Hold lachte mir der Lenz fürwahr,
Doch froher lächelst du mir, Herbst,
Der du so blau, so wunderklar
Den Himmel und die Trauben färbst.
Was frommt ein kurzer Blumentraum?
Viel süßer will der Rebe Schaum
In abendsonnigen Stunden
Mir munden.

Des Frühlings lichte Rosenzier
Vergißt im Herbst sich allgemach.
Mir schimmert schier noch schöner hier
Der weinumrankten Laube Dach,
So feuerroth, so blutig fast
Als wie des frischen Trunkes Glast,
Der dort im Glase mir blinket
Und winket.

Und schmollt die Liebste, weil den Wein
Im Herbst ich höher schätz', als sie,
Laß schmollen nur das Mägdelein!
Das macht mir Gram und Sorge nie.
Ich will, solang ein Becher steht
Und nicht das Faß zur Neige geht
Und Winzerinen sich drehen,
Juhehen.

Ja, kurz und gut! Es bleibt dabei:
Der Herbst ist mir die liebste Zeit!
Mir ist's zu zimperlich im Mai
Und viel zu frostig, wann es schneit.
Der Sommer dorrt den Gaumen aus;
So recht in lohem Jugendbraus
Läßt nur im Herbste bei Reben
Sich's leben!

Drum rasch ein Faß zur Linde hin,
Vom Besten und - versteht sich - voll!
Und Zither auch und Violin,
Darnach man lustig reigen soll.
Und wogt es munter um dich her,
Dann, Zecherherz, - was willst du mehr,
Als auf den Rasen hinsinken
Und - trinken?
(S. 20-21)


Unter der Thüre
VI.
Gute Nacht und  gib' das Händchen,
Daß ich ruhig schlafen mag!
Gute Nacht und tausend Dank dir
Für den frohdurchlebten Tag!

Wie das allerliebste Köpfchen
Schimmert in der Kerze Strahl!
Nicke, Kind, damit für heute
Freundlich noch ein letztes Mal!

Gute Nacht! Und morgen wieder,
Geb' es Gott, wie heute just!
Traute Worte, frische Lieder,
Heitre Stirn und muntre Brust!
(S. 22)


Blau
VII.
Der Lenz war nah, der März war da,
Als ich zum ersten Mal dich sah,
Mit Veilchen,
Mit blauen Veilchen.

Und wieder zog der März in's Land.
Du reichst mir kaum die kalte Hand
Zum Scheiden,
Zum bangen Scheiden.

O Lieb', nun weiß ich's ganz genau:
Auf lange Treue deutet Blau
Und Trauer
Und lange Trauer!
(S. 23)
_____



Neugier

Wenn oft in die Hand, die feine,
Sinnend du das Köpfchen senkst,
Möcht' ich wissen, liebe Kleine,
Was du denkst.

Ach, vielleicht nur eine Laune,
Mädchenlaune, kraus und toll!
Doch ich grüble; doch ich staune
Neugiervoll.

Oder sind es Goldgedanken?
Sind es Perlen, klar und blank?
Sind es grüne Frühlingsranken,
Schlank und schwank?

Sind es Veilchen, sind es Rosen,
Was du sinnst und was du denkst?
Träume, die du leicht mit losen
Zügeln lenkst?

Holde Träume, die dich tragen
In entschwund'ner Tage Scherz?
Sind es Wünsche, sind es Klagen?
Ist's ein Herz?

Ob ich Schluß um Schlüsse schmiede,
Keiner formt zum Schlüssel sich;
Doch sie werden mir zum Liede,
Kind, an dich! -
(S. 24)
_____



Maiwanderung

Liebchen! Ei, wie geht es dir?
Bist du guter Dinge?
Rauscht vielleicht nun prächtiger
Deines Geistes Schwinge?
Schwellt ein frischer Frühlingshauch
Bald ihr Glanzgefieder?
Oder hängt die schimmernde
Schlaff dir noch darnieder?

Herrlich war die Wanderung!
Blütenschwere Bäume
Streuten würzereichen Duft
Ein in meine Träume.
Meiner Seele Himmel fing
Wieder an zu blauen
Und als gold'ne Sonne dran
War dein Bild zu schauen.

Solches Bild in treuer Brust
Läßt sich gut marschieren,
Läßt von Lust und Friedensglück
Schön sich phantasieren.
Kein Tyrann der Erde kann
Bild und Glück mir rauben
Und du selber, sprödes Kind,
Mußt es mir erlauben!
(S. 26)
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Mein Verlangen

O wären meine Lieder
So zart gebaut wie du, -
Ich wiegte mit Elfensängen
Die kranke Welt in Ruh'.

Von hinnen wollt' ich fächeln
Ihr tausendjährig' Weh
Und lieblich sollte sie lächeln
Und rein, wie vor und eh'!

Wie damals, als sie tauchte
Aus Chaosglut und Flut,
Als segnend der Schöpfer sagte:
"Mein Kind, du bist sehr gut!"

Doch weht durch meine Lieder
Der gleiche tiefe Schmerz.
Sie schimmern nicht lilienlieblich
Sie funkeln wie rauhes Erz.

Ja, schimmerten lilienlieblich
Die Lieder, mein Lieb, wie du:
Ich spräche: "Die Welt ist Himmel
Und Alles Glück und Ruh'!"
(S. 27)
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Der Meinen

Du bist so rein, du bist so hehr,
Als ob aus and'rer Welt.
Ich wüßte nicht, wo Tugend mehr
Zur Anmut sich gesellt.
Wie blanker Stahl ist fest dein Sinn,
Nur Edlem zugewandt,
Du wirst mit Fug drum immerhin
Die Starke rings genannt.

Und dennoch bist du wieder zart,
Wie Veilchenduft im Mai
Und was dein Mund uns offenbart
Ist Himmelsmelodei.
Es klingt so freundlich sanft dein Wort,
Es schallt so süß dein Lied,
Daß wer einmal in deinen Port
Gelangt, ihn nimmer mied.

Ja, was du sagst und was du thust,
Ist herrlich, weil so wahr.
Ob rasch du schaffst, ob laß du ruhst,
Reiz schmückt dich immerdar.
Das hält in deinem Zauberkreis
Für ewig mich gebannt.
Drum hat mein Sang der Schöne Preis
Dir einzig zuerkannt.
(S. 28)
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Bald!

Mutig bricht das Bächlein sich
Bahn durch Berggerölle,
Daß es bald durch Wiesenpracht
Ruhbeseligt quölle.

Nimmermüde schwingt der Aar
Himmelan die Schwingen,
Daß ihm süße Sonnenschau
Möge bald gelingen.

Und es strebt der Baum empor
All mit seinen Zweigen,
Daß er bald von höher her
Mög' die Früchte zeigen.

Und so müht dein Liebster sich
In gar heißen Mühen,
Daß an seiner Seite nur
Bald du mögest blühen!
(S. 29)
_____



Verschmähte Liebe

Mich brennt ein Weh, wie keines ich empfunden:
Als Furien peitschen mich des Tages Stunden,
Die Nacht ertappt mich, weinend in die Kissen!
Es mag die Brust von Freundestrost nicht wissen,
Nicht mag der Mai mir letzen mehr das Auge,
Weil Gift ich aus den reinsten Blüten sauge.
Das Ohr ist krank und spaltet jede Rede
Zu spitzen Pfeilen sich für inn're Fehde.
Was frommt, daß Seufzer ich zum Himmel sende?
Er bleibt mir taub und - Wahnsinn heißt das Ende!
(S. 32)
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In besserer Zeit

In besserer Zeit, in schönerer Zeit,
Wenn's nimmer winterlich stürmt und schneit,
Hold Liebchen, kehr' ich wieder.
Und kehr' ich wieder, so schlage du nur,
Du reine, züchtige Mädchennatur,
Wie jetzt die Aeuglein nieder!

In besserer Zeit, in schönerer Zeit,
In duftiger Lenzesherrlichkeit,
Süß Liebchen, kehr' ich wieder.
Und kehr' ich wieder, so wind' ich dir
Der prächtigsten Kränze Blumenzier
Und singe dir neue Lieder.

In besserer Zeit, in schönerer Zeit,
Wenn's innen und außen blüht und mait,
Treu Liebchen, kehr' ich wieder
Und führe dich heim als traute Braut
Und steck' dir ein Röslein kelchbethaut
An's schmucke, pochende Mieder.
(S. 33)
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Was will ich mich nach Rosen sehnen?

Was will ich mich nach Rosen sehnen,
Nach Nelken und nach Lilienzier,
Seit ich die Königin der Blumen
Gefunden, trautes Kind in Dir!

Du glühst noch holder als die Rose,
Dein Liebeswort ist Nelkenduft
Und deine lilienreine Nähe
Erquickt wie frische Morgenluft.

Ach! Nelken dorren, Rosen welken
Und Lilienschnee verschwindet auch; -
Doch nimmer deines Herzenadels
Aetherischzarter Himmelshauch!

Was will ich mich nach Rosen sehnen,
Nach Nelken roth und Lilien bleich,
Seit ich in Dir, der einzig Einen,
Gefunden alle drei zugleich?
(S. 34)
_____



Schützenabschied
(1866)

Trautes Kind,
Komm' geschwind!
Einen Kuß noch rasch zum Scheiden!
Einen, den mir Andre neiden!
Dann Ade! - Die Wehr zur Hand!
Frisch, juhe! In's welsche Land!

Hörst du nicht,
Was es spricht
Unser Feldhorn, was es plaudert?
"Rüstig, Burschen, nicht gezaudert!
Kuß und Druck noch! Dann herbei,
Daß der Marsch begonnen sei!"

Ach, du weinst,
Weil du meinst,
Daß mich werde statt der warmen
Arme bald ein Grab umarmen.
Daß mit Lippen blutigroth
Bald mich küssen mag der Tod?

Kann wohl sein!
Schick' dich drein!
Sollst du drum den Kuß versagen,
Der so schwer sich läßt vertagen?
Nimmermehr! Drum Mund an Mund!
Und so recht aus Herzensgrund!

Nun fahr' wohl!
Hoch Tirol!
Hoch Tirol mit seinen Schönen!
Hoch Tirol mit seinen Söhnen!
Hoch, du Kriegstrompetenton!
Schmettre nur! - Ich folge schon!
(S. 35-36)
_____


Aus: Georginen Poetische Proben,
ersonnen und gesungen am Inn und Pruth
von J. G. Obrist
Czernowitz (Bukowina) 1870
Druck und Verlag von Josef Buchowiecki & Comp.

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Obrist


 


 

 


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