Richard Oehring (1891-1940) - Liebesgedichte



Richard Oehring
(1891-1940)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Insel der Kalypso

Einsame Brücken schreiten stumm und schwer
hinaus und brechen ab im Ungewissen.
Der nackte Strand stürzt fahl sich in das Meer.
Die Möven schreien in den Finsternissen.

Auswandrerschiffe tosen durch die Nacht.
Ein dumpfer Fernesang. Ein Abschiedslallen.
Ein wirrer Trupp stürmt rasend wie zur Schlacht
ins Meer, aus dem noch seine Lieder schallen.

- So weh tut deiner bangen Lügen Qual.
Um Augen, die zermartert sehen müssen,
wirfst wie im Spiele du mir deinen Schal.

Halt mich. Ich bin so krank und ohne Wehr.
Verdammt und fort - ersticke mich in Küssen.
Hör doch - es brüllt nach mir das kalte Meer.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 48 Jahrgang 1912 (S. 1518)
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Verwandlung

Wie Himmelsschlüssel blühten die Laternen -
wie war es leicht, dem Kindlichen, zu schwärmen,
Fontänen sangen laut durch alles Lärmen,
die silbern schwebten, klingende Cisternen.

Nah waren alle sich wie Liebespaare,
Wie kranke Kinder waren die Kokotten.
In Strassen ging ich wie in Strahlengrotten
und grüsste gläubig alles Wunderbare.

Ich wills nicht fassen: alles ist zerstört.
Ich trage kaum noch meine Erdenschwere.
Ich fühle dumpf: Du hast mich nicht erhört.

Die sanften Abende sind nun entthront.
Zum Himmel schleudern Türme freche Speere.
Aus tiefen Wunden rinnt der rote Mond.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 48 Jahrgang 1912 (S. 1518)
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Schwermut

In meinem Zimmer sitz ich, wohl verschollen.
Die Dinge sind wie in vergilbten Briefen,
die lang verborgen sich zum Tode schliefen -
ich denke deiner, müde, ohne Grollen.

Mit hellen Fenstern blickt mein dunkles Haus,
wo in den Stuben bleiche Menschen warten,
als führten keine Türen mehr hinaus . . .

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 50 Jahrgang 1912 (S. 1587)
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Erlebnis

Es kam, daß wir einig atmeten.
Mein Haupt war gebettet in Gras und Blumen
und meine Augen irrten nicht mehr.
So fühlte ich alles.
Die Bäume waren selig von Deinem Herzen
und ihre Bewegungen rührten uns tief.
Eine Blume erwachte weiß am Himmel
und träumte die sanfte Nacht.
Es kam, daß Du meine Hand nahmst
und sie mit Deiner faltetest. -
Nun wieder stürzt mein Herz durch wilden Abend.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
5. Jahrgang 15. Mai 1915 (S. 278)
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Frau

Wie ein Kind weint, das andre weinen sieht,
So war Trauer in Dir.
Deine Augen waren große, bittende Gebärde,
daß alles gut sei.
So tratest Du an einem Abend der Sehnsucht
auf die Straßen.

Aus Umarmungen, in Liebe endlos hingegeben,
wuchs Schrecken und Angst.
Scheue Flucht war vor Deinen flehenden Fragen.
Düsterer Fluch verdorrte Freundschaft und Liebe.
Qualen brannten -
Doch immer blieben Lichter wie Blumen im Abend
und verschollen leise ein Lied.

Riß sich hoch das Lied. In Dir,
zu wildem Schrei über der Stadt -
in Wonnen zerrissen,
will unser Herz noch seine alte Trauer
wie Wasserfall im Dunkeln brausen hören.
Aber das Lied steigt hoch und braust von Verheißung,
heischender Glaube macht wahr,
Schreitende Du,
Dir und uns selige Quelle der Tat.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
5. Jahrgang 25. September 1915 (S. 497-498)
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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Oehring



 

 


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