Hugo Oelbermann (1832-1888) - Liebesgedichte

 



Hugo Oelbermann
(1832-1888)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 


Alice

I.
Hab' ich gelebt, eh' Deiner Nähe Gnade
Mein dunkles Herz erfüllt mit ihrem Licht?
Hab' ich gelebt, verloren Deinem Pfade?
Ich glaube nicht!

Ich ahnte Dich, ich suchte Dein Gemüte
Und glaubte oft gefunden Deine Spur;
Ach, was ich fand, es war von Deiner Blüte
Der Schatten nur!

Und wenn ich je nach eines andern Weibes
Geliebter Gunst den süßen Drang gespürt,
War's, weil ein Schimmer Deines reinen Leibes
Mich irr' geführt!

Dann kamst Du selbst; an einem Tag der Tage
Ward ich gewürdigt, Deinen Glanz zu schau'n
Und diese sel'ge Stillung jeder Klage,
Ich darf ihr trau'n.

Nicht neue Täuschung, o kein fahler Schimmer!
Ich sah die Fülle aller Seligkeit,
Erkannte Dich und habe Dich für immer,
Für alle Zeit!

Sei wo Du seist und gehe wo Du gehest,
Ich habe Dich, bist Du auch nicht mehr da;
Ich habe Dich und - ob Du's nicht verstehest -
Du bist mir nah!

Ich war versunken in den Finsternissen
Der eignen Brust; nun strahlt es morgentlich;
Ob Du mich liebst, begehr' ich nicht zu wissen:
Ich liebe Dich!


II.
Das ist ein Lenz, ein Frühling sondergleichen,
Ein weicher Teppich unergründlich grün
Und das sind Blumen, wie in Erdenreichen
Sie nie geblüht und schwerlich wieder blüh'n.

Das ist ein Meer von lindbewegten Düften,
Von Morgenwolken schwanenweiß besäumt
Und das ein Singen, Klingen in den Lüften,
Wie nie vernommen, niemals noch geträumt.

Wie ist mir denn? Ich sah doch oft die Sonne,
Den Erdenfrühling auf und nieder gehn,
Den König Lenz mit seiner Maienwonne -
So königlich hab' ich ihn nie gesehn.

Das macht, er führt die sieben Seligkeiten
Im Wappenstern, Dein blaues Augenpaar;
Dem König geht die Königin zur Seiten:
Drum glänzt die Welt, wie nie so wunderbar!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 591-592)
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Ich hab' so lieb den Blick der stillen Güte

Ich hab' so lieb den Blick der stillen Güte,
Der alle Schroffheit der Natur besiegt,
Den Sonnenstrahl aus göttlichem Gemüte,
Vor dem, wie Rauch, das Häßliche versiegt.

Ich hab' so lieb die lilienweise Stirne
Die zwingend beugt des stolzen Mannes Knie,
Das milde Licht um eines Hauptes Firne,
Die stumme Macht der innern Harmonie.

O Frauenmacht, wenn Du Dich recht verständest
Und nie begehrtest über Dich hinaus,
Den Herrscherstab im Geist der Stille fändest -
Wir wären besser, heil'ger wär' das Haus!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 590)
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O laß sie blühen die sanften Tage!

O laß sie blühn, die sanften Tage -
So mild erhellt, so morgenschön!
Wie einer Jugend ew'ge Sage
Wie einer Glocke leis Getön.
O laß sie rein, die klare Welle -
An diesem Frieden rühre nicht!
Mir ist so wohl in milder Helle,
Die aus dem Aug' der Liebe spricht.

O laß sie blühn, die sanften Tage -
Und rüttle nicht an altem Leid!
Versunken liegts im Sarkophage,
Denn wir begruben seine Zeit.
Und nun? o lehr' dein Herz verstehen
Der sel'gen Stunden Wonneschaum!
Es trägt der Mensch so kurz zu Lehen
Des Erdendaseins Blüthentraum!

O laß sie blühn, die sanften Tage!
Es kommt der Sturm, eh' du's gedacht;
Es kommt die Not, des Lebens Plage,
Und das Verhängniß über Nacht;
Drum laß sie blühn! genießen lerne
Das stille Glück, das dich umgiebt!
Wie bald verschwimmt's in ew'ge Ferne,
Sein Segen bleibt - wenn du's geliebt!

aus: Dichterstimmen der Gegenwart
Eine Sammlung der deutschen Lyrik seit 1850
Herausgegeben von Karl Weller
Leipzig Heinrich Hübner 1856 (S. 307)
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Biographie:

Geboren am 4. Oktober 1832 zu Müllenbach im Kreise Grevenbroich der preußischen Rheinprovinz - lebt soviel uns bekannt, als Buchhändler und Schriftsteller am Rhein (in Bonn?).
Werke: "Rosalinde. Eine Herzensgeschichte in Versen" (1854)
"Gedichte" (1856)
"Herz-Bilderbuch" (zweite Sammlung von Gedichten, 1859)
"Germanische Melodien" (1862)
"Liebe und Brod" (Familienroman aus dem 19. Jahrhundert, 1865)

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 590)
 

 

 


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