Hermann Oelschläger (1839-1908)  - Liebesgedichte

Hermann Oelschläger



Hermann Oelschläger
(1839-1908)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Lied

Wenn du dein Haupt
Zur Brust mir neigst
Und die Hände mir fassest
Und stehst und schweigst -

Wenn mir dein Hauch
Die Stirn umweht,
Dann überkommt es mich
Wie Gebet.

Mir ist, der Himmel
Sehe darein
Und es müsse sein Segen
Mit uns sein.
(S. 7)
_____



Der Liebe Band

Das ist der Liebe Band,
Das uns umflicht:
Ein Kuß, ein Druck der Hand
Und dann Verzicht.

Ein Flammen und Erglüh'n
Wie Morgenpracht -
Dann plötzliches Versprüh'n
Und tiefe Nacht.

Ein Jauchzen himmelauf,
Dann Schmerz und Noth -
Wonne und Elend drauf
Und dann der Tod.
(S. 8)
_____



Ständchen

Wach auf, wach auf, es trifft mein Sang
Dein überraschtes Ohr
Und bei dem lieben leisen Klang
Hebst du dich halb empor.

Wach auf, wach auf, es schläft die Welt
Und heiter ist die Nacht,
Der Mond nur und dein Liebster hält
Noch auf der Straße Wacht.

Wach auf, wach auf und träumtest du
Auch noch so süß und fein,
Wohl klingt mein leises Lied dazu:
Die Liebe harret dein.

Wach auf, wach auf, schon ließ der Wind
Sein ungestümes Weh'n
Und könntest du, geliebtes Kind,
Dem Sange widersteh'n?

Wach auf, denn ach in kurzer Zeit
Neigt sich der Sterne Lauf -
Wach auf, wach auf und sei bereit,
Wach auf, mein Schatz, wach auf.
(S. 9)
_____



Gesang

Ich habe dich noch nicht vergessen,
Wie hell das Lied von dir erklang,
Du kannst die Wonne nicht ermessen,
Die mich durchdrang.

O Seligkeit, o süßes Lauschen,
War's Wirklichkeit? war's nur ein Traum?
Kaum wagt' ich Blick um Blick zu tauschen,
Zu athmen kaum.

Ich hör' bei Nacht, ich hör' bei Tage
Allein die liebe Melodie,
Die ich so fest im Herzen trage,
Ich weiß nicht wie.

Musik ist jedes Wort gewesen,
Ein jeder Ton war voller Klang
Und wirst du diese Verse lesen,
Sind sie Gesang.
(S. 10)
_____



Das kann ich nicht

Ja, besser ist's von dir zu lassen,
Um niemals wieder dich zu seh'n;
Du bist zu schön, um dich zu hassen,
Und unerhört bleibt doch mein Fleh'n.
Des Herzens glühendes Verlangen
Ersticken, das so mächtig spricht,
Wenn du dich nahst in deinem Prangen -
Das kann ich nicht.

Die Hyacinthe muß ich lieben,
Die Farbenpracht dem Dufte eint;
Der Stern ist mir nicht fremd geblieben,
Der Nachts in meine Kammer scheint;
Den Thau bewundr' ich grüner Auen,
Der in der Sonne Strahl sich bricht -
Dich sollt' ich ohne Regung schauen?
Das kann ich nicht.

Der Schönheit hab' ich mich ergeben,
Ihr treuer Priester will ich sein,
Doch Leben setz' ich nur für Leben
Und Liebe nur für Liebe ein.
Fahr' wohl! du glaubst es wohl ermessen
Und träumst von einer starren Pflicht;
Ich lasse dich, doch dich vergessen,
Das kann ich nicht.

Du warst mein Glück, du meine Wonne,
In wunderbarem Glanz entfacht;
So sinkt dem Wanderer die Sonne,
Nun wird es dunkel, endlich Nacht.
Doch lang noch mahnt des Himmels Röthe
Ihn an das längst entschwundne Licht:
Daß ich dein Bild im Herzen tödte -?
Das kann ich nicht.
(S. 21-22)
_____



Flora

So halt' ich nun dein liebes Bild,
Das du mir gabst, in meinen Händen;
Denn Tröstung soll es hold und mild
In meiner Einsamkeit mir spenden.

Ich will in mancher stillen Nacht
Mich in das Anschau'n ganz versenken,
Will deiner Jugend, deiner Pracht
Und deiner wilden Glut gedenken.

Lang widerstandst du meinem Fleh'n:
Mein Bild wird dich nicht länger binden!
Laß mich so wie ich kam auch geh'n
Und spurlos wie ein Stern verschwinden.

An jenem Bilde laß genug,
Daß du im Herzen trägst, dir haben,
Drin mich die Liebe Zug für Zug
Und noch verschönernd eingegraben.

Dieß Bild ist, wie du mich nicht kennst,
Ein eitles Ding, wie alle Frauen -
Doch wenn du meinen Namen nennst,
Ergreift Begierde dich und Grauen.

So hast du nie mein Haar geseh'n,
Sorgsam gescheitelt, streng und schlicht;
Wie Ernst und Milde hier's umweh'n,
So sahst du nie mein Angesicht.

Dieß streng geschlossene Gewand,
Das lästig zu den Hüften gleitet,
Die ringgeschmückte kleine Hand,
Die träge auf dem Schooß sich breitet -

Das Alles, Alles bin ich nicht!
Das war ich nicht in jenen Nächten
Und so nur soll mein Angesicht
In deine Träume sich verflechten.

Da denke mein, wie du mein Haar
Das aufgelöste wild durchwühltest,
Wie du die Glut unbändig gar
An meinen rothen Lippen kühltest.

Da denke, wie das Glas erklang,
Wie ich manch tolles Lied gesungen,
Wie uns das Feuer ganz bezwang,
Der Liebe Rausch uns ganz verschlungen.

Das war ich und so will ich sein!
So denk' an mich nach manchem Jahre,
Mit Augen wie ein Wetterschein
Und um die Schultern wirr die Haare.

Von jenen Sternen bin ich nicht,
Die täglich blinken, scheu, beklommen -
Ich bin ein Irrstern keck und licht
Und schwinde rasch, wie ich gekommen.

Ich darf, ein sausend Meteor,
Nur Tod in meiner Pracht gebären,
Und wen ich mir zum Schatz erkor,
Den muß die Glut nach mir verzehren.
(S. 24-26)
_____



So sei denn glücklich ohne mich

So wirst du nie mir ganz gehören,
Nie, niemals ganz die Meine sein?
Das Schicksal glaubt' ich zu beschwören,
Aus deinem Munde sagt es: Nein.
Ich liebte dich und durft' es wagen,
Zu dir drängt' all mein Leben sich;
Nun forderst du, ich soll entsagen?
So sei denn glücklich ohne mich.

Kein Wort des Vorwurfs will ich reden,
Sei immer glücklich, wenn du kannst -
Doch wer zerreißt die tausend Fäden,
Die du einst liebend um mich spannst?
Und wer zerbricht die Zauberkreise,
Die uns umschlangen, mich wie dich?
Sie wirken fort auf ihre Weise -
So sei denn glücklich ohne mich.

Ich weiß es, daß mit allen Mächten
Ein Denken heiß an's Herz dir dringt,
Wenn auch in liebeschwülen Nächten
Ein and'rer Arm dich stark umschlingt.
Mein denkst du neu. Mein Herz indessen
Verzehrt in alter Sehnsucht sich,
Verlassen und doch unvergessen -
So sei denn glücklich ohne mich.
(S. 34)
_____



O frage nur dein Herz

O sprich es aus dieß eine Wort,
Gesteh', daß du vergibst,
Gesteh', daß du auch heute noch
Aus vollem Herzen liebst.
Und was auch Neid und Bosheit spricht
Und lästert allerwärts,
O glaub' den fremden Zungen nicht
Und frage nur dein Herz.

Noch ruht dir all' die Seligkeit
Tief in des Herzens Grund
Und wenn du sagst, du liebst nicht mehr,
So spricht dieß nur dein Mund.
Du sehnst dich nach dem alten Glück,
Nach Lieb' und Liebesscherz,
Sehnst dich an meine Brust zurück -
O frage nur dein Herz.

Was soll dieß eitel stolze Müh'n,
Daß kalt und streng du scheinst,
Indeß du bange Nächte doch
Durchklagest und durchweinst.
Die Lieb' ist lichter Sonnenschein,
Sie lächelt durch den Schmerz,
Sie ist nur selig im Verzeih'n -
O frage nur dein Herz.

Drum sprich es aus dieß eine Wort,
Gesteh', daß du vergibst,
Gesteh', daß du auch heute noch
Aus vollem Herzen liebst.
Und was auch Neid und Bosheit spricht
Und lästert allerwärts,
O glaub' den fremden Zungen nicht
Und frage nur dein Herz.
(S. 37-38)
_____



Wintermärchen

I.
Zum Eingang
Mitten in des Winters Tosen
Ist ein Frühling mir erblüht,
Daß ein Strauß von Liederrosen
Rings in holder Fülle glüht.

Was kein Lenz in seiner Schöne
Hat die Liebe nun vollbracht,
Halbvergess'ne traute Töne
Klingen hell aus dunkler Nacht.

Daß zum Liede Alles werde,
Gönnt ein freundliches Geschick:
Meiner Liebsten Huldgeberde
Und ihr Lächeln und ihr Blick.

Was in Freuden, was in Schmerzen
Mich bedrückt mit süßer Last,
Nehm' als Lied ich mir vom Herzen
Wie die reife Frucht vom Ast.

Blätter, Lieder, werdet Kränze,
Reich vom dunklen Grün umlaubt,
Blüthen seid zu ew'gem Lenze,
Dem kein Frost die Schönheit raubt.
(S. 39-40)


II.
Hätt' ich wirklich recht vernommen?
War das nicht ein Mißversteh'n?
Selt'ner batst du mich zu kommen,
Früher soll ich von dir geh'n?

Falsches Wort, das deinem Munde
Deinem lieblichen entfloh:
Noch, so meinst du, sei's zur Stunde
Besser für uns beide so.

Wie verständig, o wie weise -!
Und du reichtest mir die Hand,
Zitternd, bebend, daß ich leise
Ihren leichten Druck empfand.

Und die Augen schlugst du nieder -
Lange mochten wir so stehn,
Doch du wagtest nicht mehr, wieder
Offen zu mir aufzuseh'n.
(S. 41)


III.
Ein leises Wort, ein flücht'ger Scherz
Treibt dir die Röthe auf die Wangen,
Wie Rosen, plötzlich wachgeküßt
Vom Lenz in lichter Schönheit prangen.

Du senkst den Blick, du bist verwirrt,
Beschämt, und willst es nicht gestehen -
Mir aber ist, als hätt' ich dich
Noch nie so wunderschön gesehen.
(S. 42)


IV.
Kaum fass' ich das Glück - wer hätt' es geglaubt,
Daß du so mich wirst lieben müssen?
Du neigtest willig dein schönes Haupt,
Bedeckt von meinen Küssen;
Du schlossest die Augen zu jener Stund',
Ich küßte dir Augen und Hals und Mund,
Ich küßte dir Stirn und Locken -
Da bist du mächtig erschrocken.

Du schlossest die Augen zu jener Stund',
Ich hielt dich jauchzend umfangen;
Wie lohten die Küsse auf deinem Mund',
Wie brannten die rosigen Wangen!
Ich trank deiner liebenden Seele Glut,
Nun wogt durch die Brust mir und stürmt die Flut,
Daß ich dich halten und küssen
Und ewig werd' lieben müssen.
(S. 43)


V.
Dir brennt die Stirn in holder Zier,
Die vollen Lippen beben,
Mit meinen Küssen hab' ich dir
Die Seele hingegeben.

Ich gab dir All' was in mir ruht,
Was Schönes mir geblieben,
Dir meines Denkens heiße Glut
Und meines Herzens Lieben.

Ich küßte nicht die Lippe nur,
Ich küßte dir die Seele,
Daß so dein Sein auf lichter Spur
Sich meinem Sein vermähle.

Nun trennt uns Nichts; kein Wetterschlag
Macht uns in Angst erbeben,
Weil Eins im Andern nur vermag
Zu lieben und zu leben.
(S. 44)


VI.
Wenn die Lippe nicht mehr sprechen,
Nur verzückt mehr stammeln kann,
Hebt der Augen zauberreiche,
Wunderbare Sprache an.

O es flehen diese Augen,
Wie noch nie ein Mund gefleht,
Straflos dürfen sie gestehen,
Was die Lippe nie gesteht.

Und die Blicke dürfen klagen,
Was die Seele bang erfüllt,
Und die Klage weckt die Thräne,
Die der Augen Glanz verhüllt -

Daß ihr holdes Licht verdämmert,
Von der Wimper überdacht,
Und die Liebe überselig
Schweigend wandelt durch die Nacht.
(S. 45)


VII.
Wenn die schönheitfrohe Menge
Du gesenkten Blicks durchschreitest
Und im wogenden Gedränge
Leichte Siege dir bereitest;

Wenn die Männer, wenn die Frauen
Wie gebannt vom Zauber stehen,
Wenn sie deine Anmuth schauen,
Wenn sie deine Reize sehen:

Fürchte Nichts, ich schelte nimmer,
Nimmer zürn' ich meinem Kinde,
Strahlst du wie der Sonne Schimmer
Und die Pracht der Hyacinthe.

Strahlt doch jene allen Welten
Und die Blume duftet Allen;
Also darf ich dich nicht schelten,
Daß du Allen mußt gefallen.

Nein, berauscht von deinem Ruhme
Möcht' ich aller Welt es zeigen:
Mir, o mir gehört die Blume
Und die Sonne ist mein eigen!
(S. 46)


VIII.
Kleine Füßchen, kleine Füßchen,
Seh' ich euch, so muß ich fragen:
Wie vermögt ihr dieser Glieder
Stolzen Wunderbau zu tragen?

Wie vermögt ihr so geschmeidig
Euch zu wenden und zu biegen,
Daß des Körpers holde Fülle
Wie auf Federn mag sich wiegen?

Kleine Füßchen, kleine Füßchen,
Halt' ich euch, so muß ich fragen:
Wie vermögt ihr zart und zierlich
Einer Hülle Druck zu tragen?

Eure Formen, schön gestaltet,
Sollt' auch Seide nie umfangen,
Schmücken würd' ich nur mit Gold euch
Und mit Ringen und mit Spangen.

Kleine Füßchen, kleine Füßchen,
Küss' ich euch, so muß ich fragen:
Ob euch auch ein Gott gesegnet,
Eure Herrin fromm zu tragen?

Daß sich steil der Pfad nie hebe,
Daß kein Stein sich schädlich spitze,
Daß kein Abgrund heimlich drohe
Und kein Dorn die Ferse ritze.
(S. 47-48)


IX.
Nein, beklage nicht, o klage
Nicht, weil ich zu jeder Frist,
Unter Küssen selbst dich frage,
Ob du ganz mein eigen bist.

Denn auf freudeleerem Pfade
Schritt ich einsam durch die Nacht
Und nun wie ein Stern der Gnade
Strahlt mir deiner Schönheit Pracht.

Jedes süßen Schmeichellautes
War ich überlang entwöhnt
Und nun zittr' ich, weil ein trautes
Wort der Liebe zu mir tönt.

Und ich zage, bebe, lausche
Und verzehre mich in Gram,
Ob nicht schon der Ton verrausche,
Den mein trunknes Ohr vernahm.

Stumm und klaglos, ohne Wanken
Trug ich manches bittre Leid,
Doch unfaßbar, ohne Schranken
Däucht mich diese Seligkeit.

Drum muß ich dich immer fragen
Und mein Herz es jubelt laut,
Hört es dich von Neuem sagen,
Was du ihm schon oft vertraut.
(S. 49-50)


X.
Deinem Zauber hingegeben
Folg' ich willenlos und blind!
Dir vertraut' ich ganz mein Leben
Und du führst mich wie ein Kind.

Aber oft in bösen Stunden,
Wenn du mild besprichst mein Herz,
Zuckt mir plötzlich, jäh empfunden,
Durch die Brust ein wilder Schmerz.

Mächte, die verborgen schliefen,
Unheilvoll in ihrem Lauf,
Steigen aus den tiefsten Tiefen
Meiner Seele nächtig auf.

Mächte, die das Herz zerspalten,
Haß und Groll und Eifersucht,
Gleich dämonischen Gestalten
Jagen sich in toller Flucht.

Wie dem See, der lichtdurchzittert
Unter Sternen wonnig schweigt,
Plötzlich grollend und erbittert
Jäh der wilde Sturm entsteigt -

Und er peinigt der entsetzten
Wogen Schwall von Ort zu Ort
Und die Rosen die zerfetzten
Treiben auf der Fläche fort:

Also bin ich ganz verfallen
Jener wahnwitzgleichen Gier
Und des Sturmes scharfe Krallen
Haften in der Seele mir.

Meiner Liebe Rosen bleichen,
Sie, mein Segen und mein Hort,
Und die blassen, stummen Leichen
Treiben auf den Wellen fort.

Rette mich, aus deinen Augen
Strömt der Sonne goldne Glut,
Und von deinen Lippen saugen
Laß mich neuen Liebesmuth!

Zu dir flieh' ich - dich umflechten
Will ich, ruh'n am Busen dir:
Rette vor den finstern Mächten,
Rette, rette mich vor mir!
(S. 51-52)


XI.
Wird auch vom Kuß die Wange bleich,
Die Lippe todeswund,
O küsse, küsse mich sogleich,
Küß' mich zu jeder Stund'!
O küß' mich jetzt, da rauh der Schnee
Umtost das Haus mit Macht,
Daß ich in deinen Augen seh'
Der Sonne lichte Pracht.

Und wenn dereinst im Frühlingsschein
Die rote Rose springt
Und träumerisch im Schattenhain
Den Kelch voll Weihrauch schwingt;
Wenn goldne Sterne Baum und Strauch
Mit Blüthen übersä'n,
Auch dann soll deiner Küsse Hauch
Mir heiß das Haupt umweh'n.

O schöner Lenz, vom Blitz umdroht
Im Wetter darfst du flieh'n -
Wer sagt mir einen schönern Tod,
Als flammend heimzuzieh'n?
Der Sonne gleich, die Fluth um Fluth
Hinstrahlend überblinkt
Und dann in einem Meer von Glut
Zur Nacht taucht und versinkt.
(S. 52-53)


XII.
Wie hass' ich diese Welt, die staubgeboren,
Im Staub sich windet, niedrig und gemein!
Das große Anrecht hat sie längst verloren,
Des Schöpfers großes Ebenbild zu sein.

Vom Neid gebläht, verrätherisch im Lieben,
Im Hassen feig, maßlos in List und Trug,
Hoffärtig, knechtisch, eigennutzgetrieben,
Den Tauben ungleich und wie Schlangen klug -

Das Glück vergötternd und das Unglück höhnend,
Den Unwerth preisend und im Großen klein,
Vom Lärm entzückt, wie leere Schellen tönend -
Das seid ihr Alle und das wollt ihr sein.

Würd' mir ein Gott das große Wort vertrauen,
Das Fluch und Tod für Alles in sich hält,
Noch heute schleudert ich's, ohn' umzuschauen,
Ins Angesicht der tief verhaßten Welt.

Und bräche sie gigantenhaft zusammen,
Gern sink' ich hin sammt der erlog'nen Pracht,
Der Himmel stürzt und er erstickt die Flammen,
Der Tag erlischt und ewig währt die Nacht.
_

Wie lieb' ich dich, du himmlisch hohes Wesen,
Schön wie ein Engel, strahlend wie der Tag!
An deinen Lippen ist mein Sein genesen,
Das krank und müde längst danieder lag.

Wie lieb' ich dich! denn du bist Lieb' und Güte,
Hold wie dein Leib ist auch dein Herz zumal,
Traumreiches Sinnen wiegst du im Gemüthe,
Duft ist dein Kuß, dein Blick ein Frühlingsstrahl.

Würd' mir ein Gott das große Wort vertrauen,
Das alles Segens reichste Fluth ergießt,
Ich spräch' es aus und würde selig schauen,
Wie auf dein Haupt die holde Gabe fließt.

Gesegnet sei! der Güter stolze Wellen
Umrauschen dich als Herrin voll und klar
Und wie sie überschüttend dich umquellen,
Bist schön und reich du wie kein Weib noch war.

Auf dein Haupt Alles! Mögen wir verderben -
Gern sink' ich hin, es wär' ein kleiner Preis!
Denn überherrlich ist es ja zu sterben
Für den, der was er liebt auch glücklich weiß.
_


Und doch! Hat nicht auch jene dich geboren,
Dieselbe Welt, der mein Verwünschen galt?
Nein, nein! du hast den rechten Pfad verloren,
Du irrtest ab und kamst zu uns gewallt.

Du bist von andern, bist von schönern Fluren -
Doch still, ich presse deine kleine Hand,
Ich halte dich, ich segne deine Spuren
Und forsche nicht nach deinem Heimathland.

Du bist ein Stern, der rings umdroht von Wettern,
Von schwarzen, finstern, einsam blitzt und glüht;
Bist eine Rose, die mit duft'gen Blättern
Am tiefen Abgrund überhangend blüht.

Du bist ein Traum, der mitten uns im Schlummer
Dem sorgenschweren licht und sonnig grüßt,
Ein Engel, der den fluchbelad'nen Kummer
Und lächelnd von der trüben Stirne küßt.

So weilst du hier, so segnest du im Stillen,
Beglückst die Welt und nennst beglückt sie dein -
Dein bin ich ganz: so soll um deinetwillen
Auch diese Welt von mir gesegnet sein.
(S. 54-56)


XIII.
Wie gut du bist! du zwingst mit lieber Macht
Mein müdes Haupt an deine Brust zu legen,
Die bleiche Stirne küssest du mir sacht,
Wie Mütter Abends mit den Kindern pflegen,
Die sich im Spiele wild und fessellos
Müdtobten und schlaftrunken steh'n und lallen,
Um endlich auf der Mutter treuem Schooß
Des Schlummers süßem Banne zu verfallen.

Müd' bin auch ich. Bei Gott, es war kein Spiel;
Das war ein harter, heißer Kampf ums Leben -
Nicht um ein eitel, aberwitz'ges Ziel,
Nein, um das Sein, das ich mir nicht gegeben;
Ein Kampf um eine überschwere Last,
Nur aufgedrungen, wie dem niedern Sclaven,
Und rings, soweit ich kam, nicht Eine Rast,
Kein Land, soweit ich sah, kein Bord, kein Hafen.

Die Wogen rollten windgejagt und schwer,
Sie leckten gierig an des Kahnes Wänden.
Wer wagt den Sprung, der ihm vielleicht das Meer
Versöhnt? - Das Elend würd' er sicher enden.
Oft sehnt' ich mich nach einem stillen Hain,
Nach einem Haus, das noch kein Blitz getroffen,
Nach einem Freund, nach holdem Sonnenschein -
Da fand ich dich und ich begann zu hoffen.

So wenn tagüber aus des Himmels Thor
Herbstlich die Stürme rasten über Haiden,
Theilt spät am Abend sich der Wolken Flor:
Die goldne Sonne lächelt beim Verscheiden
Des müden Tags; mit reicher Farbenpracht
Füllt sie die Luft, bald blitzt ein Regenbogen
Und durch ihn kommt die Königin der Nacht,
Des Todes Schwester, schweigend eingezogen.

Wär' das mein Loos? Wär' mir dein frommer Blick
Ein letzter Gruß nur an des Lebens Grenze?
Müd' ist mein Haupt, ein mitleidlos Geschick
Versagte meiner Jugend Spiel und Tänze.
Was kommen mag, ich trag' es still. Denn dein
Gedenken soll hinüber mich geleiten,
Den Sternen gleich, die ihren Silberschein
Mild auf die Nacht und auf die Gräber breiten.
(S. 57-58)


XIV.
Frag' nicht das Auge thränenvoll
Dem Ende nach und nicht dem Schluß -
Es kommt gewiß, was kommen soll,
Es kommt gewiß, was kommen muß.

Und zagst du, weil noch jeder Tag,
Noch jedes Licht versank in Nacht?
Und weil den Nachtigallenschlag
Des Herbstes Weh'n verstummen macht?

Und weil noch jeder Frühling floh
Mit seiner Pracht, so bebst du still,
Wenn dich die Liebe jugendfroh
Mit Rosen überschütten will?

Bedenk': ein Blick, ein Kuß, ein Wort,
Das treue Liebe gab und sprach,
Wirkt tief im Herzen fort und fort
Mit immer neuem Segen nach.

Die Liebe waltet götterlicht
Erhaben über Raum und Zeit,
Und fluthet, wenn die Schale bricht,
Unsterblich hin in Ewigkeit.
(S. 59)


XV.
Noch ist mir's wie ein Traum;
Ich stand betäubt, zerschlagen,
Wie blitzumloht ein Baum
Hinsinkt in jungen Tagen:
Mir war, ich müßt' zur Stund'
Auf immer von dir gehen
Und dennoch sprach mein Mund:
Lebwohl auf Wiedersehen.

O liebgewohnter Gruß,
Wenn du dich zu mir neigtest
Und mir die Stirn zum Kuß,
Zum Abschiedskusse reichtest.
Du schlangst um mich den Arm
Mit einem Blick voll Flehen
Und sprachst so treu und warm:
Lebwohl auf Wiedersehen.

Und nun? Gewiß, ich soll,
Ich muß dich ewig meiden -
Und doch, da ohne Groll
Ich konnte von dir scheiden,
Möcht' aus der Götter Schooß
Ein Zeichen drin ich sehen,
Daß ich sprach willenlos:
Lebwohl auf Wiedersehen.

So möcht' ich fort und fort
Stets neuem Wahn mich fügen;
Doch nein, es sei dieß Wort
Mein letztes Selbstbetrügen.
Es soll gleich deinem Schwur
Wie Staub im Winde wehen -
Ich sprach's im Traume nur:
Lebwohl auf Wiedersehen.
(S. 60-61)


XVI.
Nichts will ich mehr von dir verlangen,
Entsagen lernte früh mein Herz;
Das holde Band, das uns umfangen,
Zerbrachst du lächelnd, ohne Schmerz.
Du hast das Elend kaum ermessen,
Das deine Hand mir spielend bot;
So wag' ich's denn, dich zu vergessen:
Für mich sei todt.

Es muß. Du würdest mir den Glauben
Selbst an der Sonne holden Schein,
An Luft und Licht, an Alles rauben -
Vergessen sei! Es muß so sein.
Betrog mich nicht dein frommes Blicken?
Dann trügt auch Stern und Morgenroth;
Vergessen sei! Es muß sich schicken:
Für mich sei todt.

Oft wohl besuchst du mich in Träumen,
Dein süßer Klang bestrickt mein Ohr,
Doch fort! du darfst bei mir nicht säumen,
Elender wär' ich, denn zuvor.
Drum schone mein; das süße Sehnen
Zeugt neuen Kummer nur und Noth;
Genug ist's wahrlich nur der Thränen:
Für mich sei todt.

Stets soll die Schönheit dich umfließen,
Die einst entzückt mein Auge trank,
Und alles Glück sollst du genießen,
Das mir mit deinem Bild versank.
Reich wie ich arm soll nie dich kränken
Ein Schmerz, wie mir dein Falsch ihn bot -
Dieß sei mein letztes Deingedenken:
Für mich sei todt.
(S. 62-63)


XVII.
Nachklang
Zur Zeit der Dämm'rung war es und der Träume,
Daß deine Liebe ich gewann, mein Kind;
Da irrte durch die eisumstarrten Bäume
Ein wilder Bursche der Novemberwind.
Der Winter ging und als mit Keim und Sprossen
Sonnüberblitzt sich neu die Welt umsäumt,
Da war auch uns'rer Liebe Spiel beschlossen,
Das holde Wintermärchen ausgeträumt.

Ein Märchen nur! Und doch! Selbst jetzt, da quellend
Würzreicher Duft aus Blumenkelchen dringt
Und aus dem Strauch von Rosen dort sich schwellend
Das Lied der Nachtigall zum Ohr mir schwingt,
Selbst jetzt, da lockend sich des Monds Gefunkel
Durch Lindenzweige Pfad sucht ins Gemach -
Selbst jetzt noch sinn' ich in der Nächte Dunkel
Dem schönsten Märchen meines Lebens nach.

In dichten Wolken, wie ein Heer Unholde,
Großflockig kam von wüstem Sturm geschnellt
Der Schnee gewirbelt, endlos schied, als wollte
Zu ew'gem Schlaf begraben er die Welt.
Erstorben schien der Schöpfung heilig Feuer
Und da der Wind emporgeschreckt vom Ried
Das Feld durchklagte und des Thurms Gemäuer,
Pfiff er ein wahres Todtengräberlied.

Uns aber schuf er wahrlich keine Sorgen:
Umwogt von Winters wüthendem Gebraus
Umschloß uns, wie von Feenhand geborgen
Und eingezaubert, eng ein schirmend Haus.
Du wiegtest dich - ein Lied einst von der Amme
Gelernt hinsummend - lässig am Kamin
Im Schauckelstuhl und blicktest in die Flamme,
Die dein umlocktes Angesicht beschien.

Von hoher Decke aus krystallner Schale
Floß matte Helle, wie das ew'ge Licht
Vor dem Altare nur mit halbem Strahle
Auf Christi Bild durch Weihrauch dämmernd bricht.
Doch mich umschlang hell wie die weiße Rose
Im Mondschein bebt dein Arm so weich und rund,
Daß eifersüchtig mir auf deinem Schooße
Die Zähne wies Bagat, dein kleiner Hund.

Und wie behaglich ist es zu erzählen,
Fährt zum Kamin manch Windstoß jäh herein!
Nicht ruht' ich, um Geschichten dich zu quälen
Von deiner Mutter und vom Schwesterlein,
Vom Heimathhaus - denn immer wieder gerne
Hört' ich von dir die Streiche keck und toll
Und war entzückt, wenn dir, du Stern der Sterne,
Solch süß Geplauder von den Lippen quoll.

Gewiß, ein Kobold haust' in dir, ein ächter,
Auf übermüth'ge Possen nur bedacht -
Wie lieblich klang dein tönendes Gelächter
Wenn rückerinnernd du dich selbst belacht.
Und plötzlich Thränen? Ei, wer wird die Leiden,
Die And'rer Bosheit neidvoll schafft, gesteh'n?
Ein Mädchen bist du, herrlich zum beneiden,
Und soll die Bosheit dir vorübergeh'n?

Wozu der Schmerz? Ein tolles Abenteuer
Ist all das Leben nur ... Doch raschen Grimms
Hinstießest du die Zange in das Feuer
Und stampftest mit den Füßchen das Gesims.
Hoch loderten die aufgeschürten Flammen
Und hinter uns wie ein Gespensterchor
Neigten die Schatten flüsternd sich zusammen
Und stiegen dräuend an der Wand empor.

Wie zur Beschwörung schien's, wenn in die Kohlen
Duftkörner deine kleine Hand dann goß,
Daß aus dem Rauch mit muntern Capriolen
Ein Schwarm von Liebesgöttern uns umfloß.
Und lächelnd beugte sich dein Haupt hernieder
Zum Herzen mir, so reich an Seligkeit -
O Zeit der Liebe, goldne Zeit der Lieder,
Des Glückes und der Weltvergessenheit!

Dazwischen klang's von Schlitten wie Geläute,
Wie Flötenlärm und lust'ger Peitschenknall,
Durch volle Straßen jubelte die Freude
Und weckte den tagmüden Wiederhall.
Hier schöne Frau'n, gehüllt in Pelz, die Wangen
Vom Frost geröthet und vom Fackelglanz -
Dort bunte Masken, Blumen, Flitterprangen,
Fanfaren, Gläserklang und Spiel und Tanz.

Hui wie sie sausten, all die Schlitten, Wagen!
Und wie der Rosse wohlgeschärfter Huf
Hinflog! Laß seh'n, ob sie das Glück erjagen,
Das uns ein Gott hier in der Stille schuf.
Was Mummenschanz! Ist's nicht der Liebe Feier,
Die uns den Raum mit holden Bildern füllt?
Schlag' deine Augen auf, o heb' den Schleier,
Der neidisch meiner Sonne Glanz verhüllt .....

Doch einmal war's - du ruhtest mir zur Seite,
Leicht schlummernd - als ein wunderbarer Laut
Das Herz uns traf, verhallend, aus der Weite,
Wie nie gehört und seltsam doch vertraut.
So klingen oft nach vielen, vielen Jahren
Im Ohr uns halbvergess'ne Melodien
Der Kinderzeit, die, daß wir glücklich waren,
Wehmüthig mahnend unsre Brust durchzieh'n.

Jäh fuhrst du auf, ich sah zu dir erschrocken
Empor; du aber lauschtest lang und lang,
Dann jauchztest du und schütteltest die Locken:
Hinaus, hinaus, das war der Lerche Sang!
Wie siegverkündend klangen ihre Töne!
Hinsank die Nacht - die Lerche rief's - und Zeit
Ist's endlich, daß die Erde sich bekröne
Mit neuer Lust und junger Herrlichkeit.

Den Laden auf! Wie blitzte dir das Auge!
Und Frühling ward es wie mit Einem Schlag,
Daß das Gewölk gerührt vom leichten Hauche
Der Sonne strahlendes Gestirn durchbrach.
Zur Erde blicktest du: da sproßten Blüthen,
Befreit vom Eise rauscht' der Wasserfall,
Der Flieder duftete, die Rosen glühten
Und fern im Land schlug eine Nachtigall.

Ich stand geblendet - herrlich anzuschauen
Gingst du von dannen, Göttin an Gestalt,
Mit mildem Blicke segnend Feld und Auen,
Von Himmelslicht und Sonnenglanz umwallt.
O komm zurück, mein Frühling, Born der Lieder,
Mein Lenz, der winterlang bei mir gesäumt!
Umsonst - dich rief die Welt, du kehrst nicht wieder:
Das schönste Märchen, ach, ist ausgeträumt.
(S. 64-69)
_____



Der Liebe Born

Wohl wähnt' ich, wenn Treue und Liebe vorbei,
Wie man grollen und hassen müsse
Und wie nur heißer das Hassen sei,
Je heißer gewesen die Küsse.

Doch als du mir neulich vorübergewallt,
Umwogt von den blonden Locken,
Du falsche, blauäugige Engelsgestalt,
Da fühlt' ich das Blut mir stocken.

Hoch schlugen die Flammen an mich heran,
Aufbrachen die alten Wunden
Und eh' ich mich wieder auf mich besann,
Warst du schon längst verschwunden.

Und wieder strömten mir in das Herz
Die alten vergeblichen Klagen
Und wieder neigt' ich dem süßen Schmerz
Mein Haupt wie in früheren Tagen.

Und am Boden lag und zerbrochen mir
Das Schwert, das ich zürnend getragen
Und das ein einziger Blick von dir
Mir aus der Hand geschlagen.
(S. 70)
_____



Liebe

Und wenn auch Nichts mein eigen bliebe,
Als nur der Schmerz,
Noch immer weht ein Ton der Liebe
Mir durch das Herz.

Der Lerche Sang, ein Blick in Thränen,
Der Sterne Lauf
Regt neue Neigung stets und Sehnen
Im Busen auf.

Ein Funken ist's von jener Liebe,
Die Rings die Welt
In glutumwalltem Flammentriebe
Zusammenhält.

Es ist ein Hauch von jenem Wüthen
Und Schöpferdrang,
Dem einst mit Dornen und mit Blüthen
Das All entsprang.

Ein Stern ist's, der durch Nebelschleier
Sanft leuchtend geht,
Und wirkt wie fromm zur Sonntagsfeier
Ein still Gebet.
(S. 72)
_____



Mir die Rose, dir das Lied

Mir die Rose, dir das Lied?
Schlimmern Tausch kannst du kaum haben;
Doch wie Götterhand beschied,
Jeder gibt von seinen Gaben.

Du, da deine Stirne mild
Lieb' und Lieblichkeit umschweben,
Gibst der Schönheit schönstes Bild
Und das frische, volle Leben.

Aber ich - und säng' ich auch
Melodien sonder Gleichen -
Würde nie der Rose Hauch,
Ihren Zauber nie erreichen.

Nur dein Lob denn voll und rein
Will ich in die Verse gießen,
Wie von sonnenklarem Wein
Goldne Becher überfließen.

Nimm es hin das kleine Lied
Und so preis' ich meine Loose -
Jeder gibt, wie Gott beschied,
Ich das Lied und du die Rose.
(S. 83)
_____



Lied

Ich harre längst schon fruchtlos auf ein Glück,
Einsam und freudlos zieh' ich meine Pfade;
Ich hoffe Nichts, ich blicke kaum zurück
Und selbst das Licht der Sonne ist mir Gnade.
Ich hoffe Nichts, ich will vergessen bleiben,
Kein holdes Ziel bethört mir mehr den Sinn -
Die Wellen mögen meinen Nachen treiben
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.

Einst war es anders. Um das lock'ge Haupt
Des Knaben wehten stolzerdachte Träume;
Ich war geliebt und hatte stets geglaubt,
Daß einst der Ruhm auch mir die Schläfe säume.
Wer glaubt es nicht? Wer gab nicht weinend wieder
Die Täuschung hin und fluchte dem Gewinn?
Es reißt der Sturm die schönsten Träume nieder
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.

Ich seh' es noch, das Landhaus hell und licht,
In Rosen liegt's, von Gärten rings umgeben,
Manch Schlinggewächs wölbt sich zur Laube dicht
Und am Spaliere ranken sich die Reben.
Kühl weht die Luft, die duft'gen Blüthen schwellen,
Des Mondes Schimmer weckt die Sehnsucht drin,
Aufrauschen mild des Mains krystallne Wellen
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.

Heiß war mein Sehnen, ungestüm und wild,
Ein Kind noch war ich trotzig im Begehren -
Sie kaum zur Jungfrau aufgeblüht, ein Bild
Voll stolzer Schönheit, werth es zu verehren.
Ich seh' sie noch die Locken, seh' die Wangen,
Das dunkle Auge und das runde Kinn;
Oft sind wir Hand in Hand am Strom gegangen
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.

Auf meinem ersten Lied ward ich ertappt
Und ausgelacht, eh' man es halb gelesen;
Die Füße freilich haben kaum geklappt
Und herzlich schlecht ist mancher Reim gewesen.
Seitdem hab' ich manch bessern Vers gesungen
Und doch bewahr' ich jenen treu im Sinn,
Der liebesfroh sich heilig mir entrungen,
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.

Beglücktes Schwärmen, ahnungsvolles Leid,
Das mächtig durch das Herz des Knaben tobte,
Der sich in Lust, in Eifersucht und Neid,
In Liebesraserei so früh erprobte.
Das Lied verklang, das damals ich gedrechselt,
Doch ob ich auch seit damals weiser bin -?
Das Ziel nur ist es, das man launisch wechselt,
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.

Jüngst sah ich erst den Garten und das Haus
Nach Jahren wieder, öde dagelegen,
Der Wind pfiff herbstlich, blies die Bäume aus
Und welke Blätter lagen auf den Wegen.
Aufblüh'n und welken, strahlen und zerschellen
Muß alles Schöne seit Weltanbeginn -
Dumpf rauscht dazu das Klaglied aus den Wellen
Und mit den Wellen fließt die Liebe hin.
(S. 84-86)
_____



Ein Traum von dir

Denk' ich so recht aus Herzensgrund
An dich, mein Lieb, zu mancher Stund',
Ist mir, als wogt ein Blüthenmeer
Rings um mich her.

Ein wundersamer, holder Duft
Durchweht und wallt die blaue Luft,
Da neigt mein Haupt sich wie im Traum,
Ich acht' es kaum.

Und Worte wohlbekannt durchzieh'n
Mein Herz wie süße Melodien,
Ich höre deiner Stimme Laut
So lieb und traut.

Und deine Schönheit, deine Pracht
Steht hell vor mir - doch hab' ich Acht
Daß Nichts den Traum mir scheuchen will,
Und lächle still.

Denn schöner, schöner mag Nichts sein,
Als solch ein Traum voll Sonnenschein,
Ein Frühlingszauber ist er mir,
Ein Traum von dir.
(S. 87)
_____



Wer es wüßte

Stillen Wegen geh' ich nach,
Drauf das Licht des Mondes sprühet,
Und die Sehnsucht hält mich wach,
Die in Frühlingsflammen glühet.
An ein Mädchen denk' ich leis,
Das gleich mir heut gerne küßte,
Heimlich und verstohlner Weis' -
Wer es wüßte.

Aus dem Fenster blickt sie still
Sinnend zu dem schönsten Sterne
Und sie weiß nicht, was sie will,
Und sie sehnt sich in die Ferne.
Aus dem Dunkel tret' ich vor -
Wie, wenn ich sie sacht begrüßte?
Neigte sie mir wohl ihr Ohr?
Wer es wüßte.

Manches Holdes fiel' mir ein,
Dinge, die in diesen Tagen
Fliederduft und Mondenschein
Längst zu ihrem Herzchen sprachen,
Wenn sie gleich es kaum verstand.
Ob ich es wohl frevelnd büßte,
Reicht' ich kecklich ihr die Hand -?
Wer es wüßte.

Endlich schwing' ich mich hinauf
Zu dem Fenster aus der Tiefe,
In das Zimmer spring' ich drauf -
Ob sie wohl um Hülfe riefe?
Ihre Lippen küßt' ich wund,
Wie ich möchte, wie ich müßte -
Zürnte wohl ihr schöner Mund?
Wer es wüßte.

Morgens eh' es grauen will,
Vor dem Klang der ersten Lieder
Wacht sie schon und lächelt still:
Wär' es doch schon Abend wieder!
Sprich, wo bist du, Kind, mir gleich,
Das wie ich heut gerne küßte,
Ahnungsvoll und sehnsuchtweich?
Wer es wüßte.
(S. 95-96)
_____



Denkst du noch jener Nacht?

Denkst du noch jener Nacht? Im Spätherbst war es schon,
Die Rose war verglüht, die Schwalbe war entflohn
Nach einer Heimat warm und milde;
Sogar das ernste Kind, die Aster, lag im Staub
Und nur die Dahlie noch, des Herbstes letzter Raub,
Stand einsam prangend im Gefilde.

Mit allem Schmucke ging zu Ende jäh das Jahr
Und dennoch floß die Luft so weich, so wunderbar
Und warm vom blätterleeren Hügel,
Als hab' zum zweitenmal ein Lenz verheißungsvoll
Zur Erde sich verirrt, die neu erblühen soll
Im vollen Weh'n thauschwerer Flügel.

Denkst du noch jener Nacht? Ein Meer von Sternen floß
Bewegt am Himmel hin; aufblitzend, zitternd goß
Der Glanz sich auf die Erde nieder.
In blauer Wölbung lag der Himmel ausgespannt,
Dem Silberschilde gleich, den eines Riesen Hand
Ausstreckt zum Schutz der müden Glieder.

Viel tausend Lichtern gleich und wechselvollen Scheins
Zog Stern um Stern dahin und wieder doch in Eins
Schlug all die Strahlensaat zusammen.
Und um uns tiefe Nacht, als sei die Erde nichts
Als nur der dunkle Grund von jenem Meer des Lichts,
Das oben wogt in ew'gen Flammen.

Da plötzlich zuckt's im Ost empor am Tannenhag,
Ein Silberstreif erglüht, als käme schon der Tag,
Als wollt' das Licht das Licht verdrängen.
Und herrlich steigt es auf - so zieht ein König ein -
Und ungehemmt ergoß der reiche Vollmondschein
Sich zu den waldbekränzten Hängen -

Und sank ins Thal. Doch dort, wie hinter einem Flor,
Hob sich in Duft gehüllt die alte Stadt empor
Mit Giebeln, Mauern, Thurm und Zinnen.
Der Brücke stolzes Joch schien in die Luft gebaut,
Nur an die Pfeiler schlug mit geisterhaftem Laut
Des Stromes unablässig Rinnen.

Ein holdes Spiel begann. Denn auf den Wellen war
Ein Glitzern, Funkeln, Sprüh'n, als ob der Sterne Schaar
Hinabgetaucht sei in die Fluthen;
Und aus den Häuserreih'n den Strand entlang durchbrach
Manch grelles Licht die Nacht und auf den Wassern lag
Der Wiederschein der rothen Gluten.

Und feiernd schlief die Welt; kein Hauch schlug an das Ohr,
Tiefschweigend lag die Flur, die sich zuletzt verlor
In graue, dämmerhafte Fernen,
Bis plötzlich in das Lied, das rauschend kam vom Strom,
Einfiel ein ernster Klang hoch von Sankt Peters Dom,
Ein Nachtgruß zu den bleichen Sternen.

Hinzitterte der Schall - denkst du noch jener Nacht?
Den zagen Druck der Hand erwiedertest du sacht,
Von holder Röthe übergossen.
Und all der Zauber rings, so wundersam und weich,
Und all der Märchenduft kam doch nicht jenem gleich,
Den deine Liebe mir erschlossen.
(S. 99-101)
_____



Paraphrase

Ach, wer hat es nicht erfahren,
Daß ein Blick, ein Ton, ein Duft
Was vergessen war seit Jahren
Plötzlich vor die Seele ruft.
Geibel

Wer hat es nicht an sich schon selber oft erfahren,
Daß unversehens ihm nach vielen, vielen Jahren
Ein Blick, ein Ton, ein Strahl, ein Duft
Was längst vergessen schien, versunken und vergangen,
Neukräftig, lebensfrisch, wie in dem ersten Prangen
Vor die erstaunte Seele ruft.

Ohnmächtig ist der Mensch. Das es mit stolzem Munde
Gepriesen noch, das Glück fällt schon der nächsten Stunde
Zum Raub, ereilt von altem Fluch:
Denn auf das lichte Grün der Tage sinkt bedeckend
Rings die Vergessenheit - ein Grau, das sich erschreckend
Ausbreitet wie ein Leichentuch.

Wehmüthig sah auch ich manch holdes Glück entfliehen,
Kaum hielt ich es so lang als süßen Melodien
Ein Wandrer lauscht im grünen Wald,
Wenn fern ein Horn ertönt in sehnsuchtsvoller Klage,
Die Luft durchzittert und zuletzt wie eine Sage
In leichten Schwingungen verhallt.

Das ganze Leben scheint nur Eine Todtenfeier -
Wie durch ein Zauberwerk hebt plötzlich sich der Schleier,
Der auf dem längst Vergang'nen lag.
Es war ein Ton, ein Duft! Und was du einst genossen,
Taucht herrlich vor dir auf, von Dämmerlicht umflossen
Und schöner als am ersten Tag.

Laut jubelte dein Herz und daß es nicht verschwände
Das Glück, das vor dir stand, ausstrecktest du die Hände,
Wie nach dem Weihnachtsbaum ein Kind,
Umsonst! Sie weichen schon, die lieblichen Gestalten:
Du darfst nur selig schau'n, umarmen nicht und halten,
Die gleich geschied'nen Seelen sind.

An ihrem Anblick nur darfst du dich ganz berauschen,
Nur ihrem Flüstern darfst du hingegeben lauschen,
Das dich durchschauert wie Gebet.
Sei froh, doch wie im Traum: es neigt sich zu dir nieder
Und auf den Lippen fühlst der Küsse Glut du wieder,
Die einst dich Glücklichen umweht.

Wer hat es nicht an sich schon selber oft erfahren,
Daß unversehens ihm nach vielen, vielen Jahren
Vergess'nes auftaucht aus der Nacht.
Es war ein Ton, ein Duft - ein Gruß aus weiter Ferne,
Vielleicht von fremden Strand, vielleicht von einem Sterne,
Wo eine Seele dein gedacht.
(S. 102-103)
_____



Theodote

Kreitton logou to kalloV thV gunaikoV

I.

Ob du daran wirst Wohlgefallen tragen,
Wenn ich dein Lob vor aller Welt verkünde?
Ich weiß es nicht; doch eh' ich es ergründe,
Beginn' ich schon und will nicht länger fragen.

Unmöglich kannst du ja zu zürnen wagen
Und es ein Unrecht nennen oder Sünde,
Wenn ich an deinem Anblick mich entzünde -
Dem Dichter kann das Schöne nur behagen.

Und du bist schön! Schön wie das Licht der Sterne,
Schön wie der Rose kaum erblühte Pracht,
Schön wie ein Frühlingsahnen aus der Ferne.

Und alle diese nahm ich schon in Acht:
Von Rosen sang ich und vom Frühling gerne,
Wie hätt' ich preisend nicht auch dein gedacht?
(S. 115)


II.
Ich weiß: du lächelst, wenn du diese Zeilen
Im Flug durchirrst, von andern Bildern voll,
Und jedes Wort, das warm der Brust entquoll,
Verfolgst du mit des Spottes scharfen Pfeilen.

Es sei. Nicht länger laß den Blick verweilen
Auf diesem Blatt; keck schilt mich, schilt mich toll -
Ich thu', was ich aus tiefstem Drange soll,
Und so mag dein Verdammen mich ereilen.

Doch lob' ich dich, selbst da du mich gescholten,
Und dieses Lob wird nicht wie Spreu zerstieben,
Wenngleich du nur mit Spott es mir vergolten.

Noch immerdar ist jung und neu geblieben
Der Dichter Lob, wie auch die Jahre rollten,
Da sie das Göttliche im Schönen lieben.
(S. 116)


III.
Wie schön du bist, ich wag' es nicht mit Bildern,
Mit Worten nicht zu sagen, die gleich Funken
Vereinzelt sprühend, bald in Nacht versunken
Dich nie so ganz, wie du erscheinest, schildern.

Der Lippen feines Lächeln, den bald mildern,
Bald stolzern Blick, dran ich mich krank getrunken,
Die edle Stirn, als dächtest du zu prunken
Mit hundert ruhmbedeckten Ahnenschildern -

Wer schildert das? Doch ja, vor langen Jahren
Wagt' einer seine Kunst ganz zu beweisen
An deinem Blick und Wuchs und seidnen Haaren.

Noch heut sind sie vereint, dein Bild zu preisen,
Und Rubens war's, der deinen Reiz erfahren
An ihr, die einst Helen' Froment geheißen.
(S. 117)


IV.
Kaum möglich ist mir's mehr, mich selbst zu kennen,
Der sonst gewohnt, in glücklichem Verlangen
An schönen Lippen liebefroh zu hangen,
Auf schöne Stirnen Kuß um Kuß zu brennen.

Dich lieb' ich nun und weiß dich kaum zu nennen,
Ich suche dich, um stets in gleichem Bangen
Vor dir zu fliehen, wo du kommst gegangen,
Wie ew'ge Normen Nacht und Morgen trennen.

So schweb' ich zwischen Seligkeit und Pein,
So schweb' ich zwischen Fürchten und Begehren,
Machtlos, von diesem Bann mich zu befrei'n.

Er ist mir neu. Und doch, ein endlos Währen
Wünsch' ich ihm fast; denn süß däucht mir zu sein,
In solchem Schmerz nach dir mich zu verzehren.
(S. 118)


V.
Jüngst sah ich dich zur Zeit der Mittagsstunden,
Du schrittest leicht dahin gleich einer Fee,
Ich folgte dir und hatte deiner Nähe
Vielholden Zauber nie so warm empfunden.

Der Strahl der Sonne schien an dich gebunden,
Als ob die Welt um dich in Flammen stehe -
Da plötzlich warst du, eh' ich näher gehe,
In eines Hauses dunklem Thor verschwunden.

So sinkt ein Stern, den kaum die Nacht geboren:
Mir war, als sei mein Loos hier zugemessen,
Als hätt' ich nun auf immer dich verloren.

In laute Klage brach ich aus. Indessen
Es war die eitle Klage eines Thoren -
Verlieren kann ja nur, wer schon besessen.
(S. 119)


VI.
Ich höre die erregte Menge lärmen
Und hör' vom Markt den Hader der Partei'n,
Da Volk und Adel sich so heiß entzwei'n,
Daß schon der Trotz beginnt sich zu erwärmen.

Sie mögen's thun, ich will mich drum nicht härmen -
Freiheit, Gesetz - ich bitte, theilt euch drein!
Doch mich mit meiner Liebe laßt allein
Und gönnt mir heut, für sie allein zu schwärmen.

Säh't ihr sie nur, der jeder Reiz verliehen!
Säh't ihr sie nur, von Anmuth ganz umfah'n,
Die Trägerin der schönsten Harmonien.

Volk, Adel - freudig stauntet ihr sie an,
Bewundernd läg't ihr Alle auf den Knien
Und eure Zwietracht wäre abgethan.
(S. 120)


VII.
Es wohnt wie Spott in deinen schönen Zügen,
Die doch bestimmt, so ganz uns zu bestricken,
Daß wir gleich Vögeln, die nach Früchten picken,
Uns gern dem Netze deiner Reize fügen.

Wer ist auch frei von eitlem Selbstgenügen?
Schienst du nicht leicht, ganz leicht ihm zuzunicken?
Er sieht den Schalk nicht, der aus deinen Blicken
Aufblitzend warnt, uns selbst nicht zu betrügen.

Ihr Schelmenaugen! Eure Pfeile ritzen
Nicht nur - sie dringen bis zum Quell des Blutes,
In lichter Fieberglut es zu erhitzen.

Wie lieb' ich euch! Ihr spottet? Thut, o thut es!
Der Jugend Kraft seh' ich darin, das Blitzen
Des heitern, sieggewohnten Uebermuthes.
(S. 121)


VIII.
Wer schilt mich Träumer, weil ich lieb' und schweige?
Nein, eine Tugend nenn' ich das Entsagen
Und groß, im Herzen treu das Bild zu tragen,
Vor dem ich mich aus freier Ehrfurcht neige.

Zwar dann und wann wohl wünscht' ich mir, es zeige
Ein einz'ger Blick, ein Lächeln nur das Tagen
Selbst einer flücht'gen Neigung - doch ertragen
Will ich des Zweifels Marter bis zur Neige.

Und wie der Mönch, der in der stillen Zelle
Zur Mutter Gottes brünstig fleht im Staube
Und um ihr Haupt sieht fließen Himmelshelle -

So bet' auch ich, gewiß, daß Niemand raube
Mir dieses Glückes göttlich reine Quelle,
Dich, Holde, an und hoff' und lieb' und glaube.
(S. 122)


IX.
Wie? Hätt' ich wirklich Großes denn verbrochen,
Hätt' ich einmal das keimende Verlangen
Erfüllt und hätte, wenn auch unter Bangen,
Dich einmal nur, nur einmal angesprochen?

Nur aber schwanden Stunden, Tage, Wochen,
Verschwendet, jenen Träumen nachzuhangen,
Die schmeichlerisch mir meinen Sinn befangen
Und allen Muth mir weichlich schier bestochen.

Wag' ich es nun? Schelt' ich die Träume Grillen?
Ermann' ich mich und flehe nur um einen,
Nur einen Blick, ein Lächeln, mir zu Willen?

Nein, nein! Ich könnte allzu keck erscheinen -
Dazwischen freilich beb' ich auch im Stillen,
Du möchtest stolz mir meinen Wunsch verneinen.
(S. 123)


X.
Das ist der Schönheit zauberreichster Segen,
Daß, wo sie strahlend sich den Blicken beut,
Sie alle Herzen wundersam erfreut
Und Licht und Lichtglanz weiß um uns zu legen.

Wir bringen ihr die Huldigung entgegen,
Die nur das Volk den Königinnen streut -
Denn Königinn ist: die sich stets erneut,
Die Schönheit nur uns jetzt und allerwegen.

Die Schönheit sehen ist: ein Glück gewinnen;
Es ist, wie Gottes Nähe uns umweht
Und uns durchschauert in den tiefsten Sinnen.

Sie stumm anstaunen ist wie ein Gebet
Und ruhig bleiben wir, zieht sie von hinnen,
Da ewig schön ihr Abbild in uns steht.
(S. 124)
_____



Holdes Treiben

Von jetzt gehör' ich ganz zu deinen Knechten;
Ich ließ den Kreis der heitersten Genossen,
Die sorglos oft mit mir und unverdrossen
Vom Abend bis zum frühen Morgen zechten.

Sollt' ich mit dir, mein blondes Kind, drum rechten?
Was kümmern mich der Freunde tolle Glossen?
Dir hab' ich mich für ewig angeschlossen
Und will mein Schicksal in das deine flechten.

Der strengen Arbeit hab' ich mich entschlagen;
Sonst mocht' ich wohl mit Kennermiene sichtend
Durch alter Folianten Text mich plagen.

Nun blättr' ich gern auf Aeschylus verzichtend
Im Liebesfrühling und in Werthers Klagen,
Dazwischen selbst auch manche Verse dichtend.
(S. 126)
_____



Der Augen Schwur

Wir liebten uns schon längst, doch nur vom Sehen,
Und Aug' in Auge schlossen wir den Bund,
Der unbezeugt vom wandelbaren Mund
Die wandelbare Zeit soll überstehen.

Die Zunge kann manch Wort gefällig drehen,
Ein voller Blick erschließt des Herzens Grund;
Drum soll ein Schwur, ein Eid zu keiner Stund'
Entweihend über unsre Lippen gehen.

Der Glaube soll uns aus dem Auge stammen,
Drin sich die Seele herrlich mag bespiegeln,
Wie in dem See der Sonne ew'ge Flammen.

Doch ängstlich, nun die Lippen aufzuwiegeln,
Weil wir zur schnöden Ruhe sie verdammen,
Laß sie der Augen Schwur im Kuß besiegeln.
(S. 127)
_____



Neues Leben

Ich sollte dir es nimmermehr verzeihen,
Daß mich dein Reiz um jenen Bann betrog,
Den einst mit strenger Hand ich um mich zog,
Dem Segen mich der Einsamkeit zu weihen.

Es galt, von jenem Fluch mich zu befreien,
Der Freud und Leid des Daseins zürnend wog
Und Gift und Haß aus allen Quellen sog,
Die brausend Leben rings der Welt verleihen.

Nun werd' ich wieder hin und her getrieben,
Nach deinen Launen völlig mich zu drehen,
Der kalt und ruhig ach so lang geblieben.

Doch bin ich froh und lass' es gern geschehen:
Mir ist, mein Hoffen sollte und mein Lieben
Nun doch an dir noch in Erfüllung gehen.
(S. 128)
_____



Ernst ist die Liebe

Ernst ist die Liebe. Gern an leichten Scherzen
Mag Liebeständelei sich rasch vergnügen,
Vielleicht auch um das Leben sich betrügen,
Wie sich der Falter an dem Licht der Kerzen.

Doch wenn das Herz sich heißer schmiegt zum Herzen
Und das Verlangen lodert in den Zügen,
Daß es kein Scherz vermag hinweg zu lügen,
Wogt durch die Brust ein wilder Strom von Schmerzen.

Kein Lächeln blüht mehr auf dem stummen Munde,
Der tiefste Ernst umdüstert all' Empfinden,
Der Nacht gleich, die sich senkt vom Himmelsrunde.

Die Schöpfung schweigt. Da rauscht's in Busch und Linden,
Aufflammt der Blitz und wüthend sucht zur Stunde,
Die Welt sich von dem Bangen loszuwinden.
(S. 129)
_____



Verhängniß

Bot deine Liebe nicht ein Ziel dem rauhen,
Unseligen Verhängniß ganz und gar,
Das von der Wiege zugesellt mir war
Und manches Mal mir schlug mit scharfen Klauen?

Doch oft, sagst du, wenn froh, mich froh zu schauen,
Du mir am Herzen ruhst, der Wünsche baar,
Erschreckt's dich traumhaft plötzlich wie Gefahr
Und deine Seele überkommt ein Grauen.

Du fliehst vor mir, dich packt ein wildes Zagen,
Was Ungeheures dränge jäh sich ein,
Das du vermöchtest nimmermehr zu tragen.

Größer als meines muß dein Leiden sein:
Du weißt, wärst du im Stand, dich loszusagen,
Ich bräch' zusammen unter solcher Pein.
(S. 130)
_____



Das höchste Glück

O schilt mich nicht, daß ich in deiner Nähe
So gerne weile und so gerne träume!
Unmöglich ist, daß Bess'res ich versäume,
Da deines Herzens Tiefen ich durchspähe.

Frommt es, begierig, daß ihm Nichts entgehe,
Dem Geist, zu jagen durch die fernsten Räume?
Gott winkt der Fluth, daß sie ihn überschäume,
Und weckt den Sturm, der ihn zum Abgrund wehe.

Wohl Manchen reizt solch thörichtes Beginnen -
Ich lieb', in deinen Blick mich zu versenken,
Und lieb' es, deiner Schönheit nachzusinnen.

Lenzblüthen gleich erschließt sich all mein Denken,
Drum klag' ich nur, wie rasch die Stunden rinnen,
Die mir ein Glück so rein und sicher schenken.
(S. 131)
_____



Unvergleichlich

An dich, Geliebte, muß mich's immer mahnen,
Ward auch dein Bild mir zu des Unheils Zeichen;
Mein Auge brennt und sucht dich zu erreichen,
Doch du, mein Stern, folgst treulos fremden Bahnen.

Dir schwur ich zu und deiner Schönheit Fahnen
Und will auch jetzt nicht von dem Schwure weichen
Sah ich vor dir doch Reize schon erbleichen,
Die uns an Frau'n von Hellas' Ufern mahnen.

Welch Auge blickt so herrlich wie das deine,
Wenn du hinwallst in fürstlich stolzer Ruh'?
Wer wagt den Kampf mit dir, du einzig Eine?

Ja, dir in Allem fiel das Höchste zu:
Solch Anmuth, Gang und Wuchs und Blick hat Keine
Und Keine ein so falsches Herz wie du.
(S. 132)
_____



Vorbei!

Mit einem Blick glaubst du mich zu versöhnen,
Mit einem Lächeln im Vorübergehen?
O unbegreiflich großes Mißverstehen,
In dem die Seelen auseinander tönen.

Ich bot ein Herz dir, voll des ewig Schönen,
Begeistert, ganz dein eigen es zu sehen,
Du Worte, die gleich Spreu im Winde wehen,
Und Schwüre, die die Treue lächelnd höhnen.

Nun gähnt sie vor uns, die uns stets muß scheiden,
Die dunkle Kluft, umschrie'n von heisern Raben,
Und Keines kann zum Andern von uns beiden.

Du flehst? Umsonst! Du wolltest es so haben -
Mir brach aus jener Kluft ein Strom von Leiden
Und meine Liebe hab' ich drin begraben.
(S. 133)
_____



Sulamith

Ich bin allein in nächt'ger Stunde,
Wo ist, den meine Seele liebt?
Daß er die Glut von diesem Munde
Mit Küssen scheuche, die er gibt.

Ich will ihn suchen auf den Gassen,
Bis matt mein Fuß zusammenbricht,
Ich bin allein, ich bin verlassen -
Wo ist er, meiner Seele Licht?

Ich will, bis es beginnt zu tagen,
Die Wächter, die am Thore steh'n,
Mit freundlich süßem Worte fragen:
Habt ihr mein Kleinod nicht geseh'n?

Gewiß, ihr lagt in trägem Schlummer,
Da schritt er stolz und unbedacht,
Mein einzig Glück, mein ganzer Kummer,
Zum Thore durch die dunkle Nacht.

Bringt ihn zurück, ihr müßt ihn finden,
Wo er auch ruhe, nehmt ihn wahr;
Ich küss' ihm, will er sich entwinden,
Die Wangen und das seidne Haar.

Sagt, ich will Myrrhen ihm bereiten
Und Wein ihm mischen liebetoll,
Daß er in meinen Gärten weiden,
Von meinen Rosen brechen soll.

Geht, endet meiner Sehnsucht Jammer,
Laut ruft es in die Welt hinaus,
Es stehe bräutlich meine Kammer
Und prange dufterfüllt mein Haus. -

Er naht! ich kenne seine Stimme,
Wie Glocken silbernes Getön',
Und wie ich neu in Glut erglimme
Erzittr' ich - ach, er ist so schön.

Der Locken Pracht die kranzumlaubte
Schmiegt kühl an meinen Busen sich,
Die Linke unter meinem Haupte,
Und seine Rechte herzet mich.

Ihr saht mein Leid, saht meine Wonne,
Senkt, Sterne, nieder euren Lauf!
Ein Freudentag voll Glanz und Sonne
Geht blendend meiner Seele auf.
(S. 214-215)
_____


Aus: Gedichte von Hermann Oelschläger
München Carl Merhoff's Verlag 1869

 


Biographie:

Hermann Oelschläger, geboren am 19. November 1839 zu Schweinfurt, studierte an der Universität zu München Philosophie und Rechtswissenschaft, diente in den Kriegsjahren 1859 und 1866 als bayerischer Offizier, widmete sich alsdann ausschließlich dem schriftstellerischen Berufe, promovierte, lebte abwechselnd in Leipzig, Cannstatt und Weimar, wo er ins Kuratorium für das Goethe-National-Museum berufen wurde. Von seinen Werken seien hervorgehoben: „Gedichte“, der humoristische Roman „Wunderliche Leute“, die „Novellen in Octaven“, die erzählende Dichtung „Engel Kirk“, auf dem Gebiet des Dramas das Schauspiel „Die Kunst im Hause“ und von Übertragungen „Ovids Elegien der Liebe“ und „Des Musäos Gedicht von Hero und Leander“.



 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite