Orientalische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

 


Firdausi (Firdusi)
(um 940-1020)


Aus: Firdusi als Lyriker
(Neun Lieder Firdusis in Text und Übersetzung)


1.
Als in letztverfloss'ner Nacht mir durch den Hauch des Frühlingswindes
Ward vom moschusstreu'nden Dufte meines Geistes Hirn durchtränkt,

Als gleich Wolken frisch mein Wesen vom Gewinn der Feuchte glänzte,
Gleich als ob auf sie der Lenzhauch Gottes Gnadenguss gesenkt,

Als die Seele mir zu stärken Crocus rechts der Ost verstreute,
Und zur Linken Wohlgerüche um mich breitete der Nord -

Da aus Gram ob Liebchens Scheiden hatte in den Kleiderbausch just
Reihergleich mein Haupt gesenkt ich einsam an entleg'nem Ort;

Durch des Abschieds Leidensbürde sank mein Leib in Staub des Elends,
Während Seufzerbrand in's Herz mir durch der Trennung Brandmal drang,

Seelenmüde, dass mein Wünschen so durchkreuzt des Abschieds Stunde,
Satt des eig'nen Lebens war ich, dass sein Wunsch dem Feind gelang!

Tausend Mal wohl auf die Lippe trat die Seele mir aus Pein schon,
Seufzend: "soll mich lang noch quälen solcher Trennung Bitterkeit?"

Möglich wohl, es eint sich einst noch feurig heiss ein and'res Lieb mir,
Möglich auch, der Abschied heute, - er erspart mir künft'ges Leid -

Jetzt doch hatt' er meine Seele tief gepackt - nicht todt, nicht lebend,
Nicht berauscht, nicht nüchtern war sie, sorgte um sich selbst nicht mehr;

Ja! so weit schon war's gekommen, dass ich niedersass im Winkel,
Dass dem Auge Blut entströmte, dass von Blut das Herz mir schwer!

Doch - entschwand mir denn die Seele? nein! zum Körper jach kehrt heim sie,
Trat mein Lieb cypressenschlank doch, silberwangig selbst jetzt ein.

Sieh mein süsses Blut nun fliessen - Wunden mit des Zornes Bogen
Schlägt ja meinem Geist das Bild schon ihres Schelmenblicks allein!

Auf den Glauben feindlich lauert dieser Blick - die Locken dräuen,
Schaust du ihre Wang' und Lippe, ist dir Fried' und Ruh entflohn,

Ach! wohl tausend freie Seelen schlug' ihr krauses Haar in Banden,
Ihres Schmachtens Pfeil zur Beute fielen tausend Engel schon.

Birgt im seelenvollen Reiz auch hundert Seelen Stoff die holde
Sie zu schau'n weckt hundert Leiden, da von Blut ihr Blick sich nährt,

Und ich selbst - nicht unterschied ich Haupt und Turban, Fuss und Schuh mehr,
So vom Uebermass der Sehnsucht war ich leidenschaftverzehrt!

Dennoch blickt' ich, als sie eintrat, weg von ihr, denn wunden Seelen
Wird so wenig Trost wie Allen, die der Gram der Liebe quält,

Auch nicht Freude bot's genug mir, sah ich deutlich gleich, wie bitter
Selber sie's empfand, dass Trennung sie freiwillig sich erwählt.

Schien ihr Lächeln friedersehnend - bot dem Glauben Krieg ihr Zürnen,
Alle Ruhe stört kokett sie, stellt der Würde schelmisch nach,

Schweigend zwar, doch kalten Seufzers hundertfach Verzeihn erbittend
Raubt den Zügel sie dem Herzen, dessen Leitseil längst schon schwach.

Tausendmal zum Opfer fiel ich ihrem Blick - und wider Willen
War's, dass Flehen um Vergebung sich auf meine Zunge stahl,

Schaamroth ward ob meiner selbst ich - doch, wenn machtlos ganz auch, dennoch
Buhlte ich um ihre Wimpern tausend, abertausend Mal!

Ihrer Wange Maal umbuhlte meine Seel' in tausend Kreisen,
Wie um einen einz'gen Punkt stets sich der Cirkel dreht im Kreis,

Tausend Mal auf Hand und Fuss ihr sank ich nieder - gab' ich gern doch
Im Erstreben ihrer Lippe ihrem Fuss mein Leben preis!

Wenn mir's gleich die Sitt' erlaubte, sie zu küssen, hielt' die Wang' ich
Hundertfach voll Sehnsucht doch nur auf ihr Füsschen hingebückt,

Ach! als kaum mein Aug' am zarten ich gerieben, ward die Seele
Von der Schärfe ihrer Wimpern tausendfach mir wundgedrückt.

Aber endlich höchster Huld voll setzte sie vor mir sich nieder.
Und es frug mich laut der Lippe perlendes Rubinenpaar:

"O mein Freund du, der von Neidern Lästerungen viel erfahren,
Der soviel schon preisgegeben der Verläumder Tadel war,

Sei dein Herz dem Leib entflattert in Erinn'rung süsser Stunden,
Sei nach Liebchens Anblick seufzend deine Seele nah dem Fliehn,

Warum willst im Winkel einsam deine Tage du verbringen?
Warum durch dein Herz den Körper der Gesundheit auch entziehn?

Was erringst du denn durch Trennung? was durch Einigung? wird Ruh' dir,
Sehnst du ewig dich - nur giebst du preis dich selber, lebst du dann?

Weshalb hast du denn statt meiner der Entfremdung Schwur geleistet?
Nichts verhehle mir, sag' offen alles Wort für Wort mir an!"

Als nun so von ihren Lippen mir zu reden ward verstattet,
Schloss mein Herzensband ihr Anblick auf nur ihrer Reize Macht,

Und ich barg ihr nichts von Allem, was ich tief da drinnen hegte,
Nicht den Schmerz des Trennungstages, nicht das Leid der finstren Nacht!

Was von Fremden und Bekannten über Lieb' ich je vernommen,
Was mir Freunde, was mir Kinder über Trennung je erzählt,

Alles sagt' ich ihr und wusste, meinem Selbst entrückt, es selber
Nicht, wie viel ich ihr verrathen, nicht, wie viel ich ihr verhehlt.

Was und wie's geschehn, ein Räthsel war's, doch schwand der Trennung Leid mir,
Ihres Grames Herrschaft machte mich wie Babek stark und reich,

Seufzend ob des Feuers Qualen, das erfasst sie wider Willen,
Goss sie aus dem Auge Thränen, dem Gewölk des Frühlings gleich.

Auf ihr Antlitz niederrannen soviel heilsam süsse Zähren,
Gleich als wenn ein Strom von Wasser sich ergiesst durch Rosenau'n -

Und um mich vor Schaam erröthend und vor Schaam ihr Köpfchen senkend
Schwur sie Treue mir, und nimmer durft' ich diesem Schwur misstrau'n!

Alles gut macht ihr Versprechen - frohe Kunde beut ihr Wort mir,
Trost ihr Lieben, wenn ihr Huldblick alle Ruh mir auch entrafft;

Welch Gelöbnis hätt' ein Herz nicht neu dem Liebesglück geweiht schon?
Welcher Treuschwur wär' auf's Neu nicht schon erblüht in frischer Kraft?

Und so an der Ein'gung Tafel weilten wir beisammen wieder,
Und vom Weine munter schlürfend nahm sie ihn, dem Lust entquoll,

Nahm den Becher in die Hand sie, tulpengleich das Herz voll Lächeln,
Sass beim Liebsten sie, die Lippe knospengleichen Lächelns voll!

Doch - das Feuer der Begierde war noch kaum entbrannt im Herzen,
Kaum des süssesten Genusses Markt so recht in Schwung gebracht,

Da - durch feindlichen Geschickes doppelzüngig neidisch Walten,
Durch des harten Himmels Kreislauf, der auf Ränke stets bedacht,

Brachen, während sonst dem Dorn wohl Rosen plötzlich sich entwinden,
Mir aus lustvertrauten Rosen nichts als Dornen nun hervor,

Jach das Haupt umflog auf einmal mir des Himmelskreises Wecker,
Wie des Krankens Haupt der Engel, der die Seelen trägt empor.

Und an tausend Orten liess er seiner Stimme Ruf erschallen,
Wie am Rechnungstag lebendig alles wird, was längst schon todt,

Und als das mein Herz erschaute, brach auf's Neu ihm auf die Wunde,
Und des Auges Pfad entquellen liess es Thränen blutigroth.

Gleichwie in des Weines Becher ward mein Herz gesenkt in Blut nun,
Grimmem Lachen glich die Klage, die der Lippe sich gesellt.

Und so ward mir, dass zu sterben ich vor Kummer ach! begehrte,
Und so ward mir, dass der Schmerz ach! selbst das Seufzen mir vergällt!

Ja! so ob sich selbst erbittert war mein Herz, dass es sich sehnte,
Seines eig'nen Selbst zur Strafe ledig ganz und los zu sein;

Zu vergehn vor inn'rem Schmerze, Seufzer nicht entlockt's dem Busen,
Was denn ist's auch? so von Staub ja wird des Himmels Spiegel rein! -
(S. 287-296)
_____


2.
O könnt' ich eine Nacht nur ruhn am Busen Dir,
Zum Himmel streckte auf mein stolzes Haupt ich schier;

Das Schreibrohr wohl zerbräch' ich in der Hand Merkurs
Und von des Mondes Haupt raubt' ich den Kopfschmuck mir!

Ich überragt' an Werth den neunten Himmelskreis,
Der Sphären Scheitel rieb' ich mit der Ferse hier.

Und wär' zu eigen mir nur deiner Schönheit Glanz,
Und wär' es möglich je, die Rollen tauschten wir,

Mitleidig nähm' ich wohl mich der Verlass'nen an,
Die Bettler schmückt' ich all' mit reicher Gaben Zier!
(S. 297)
_____


3.
Ob um den Himmel Wolkenschleier hangen,
Ob ihn des Adlers Fittiche umfangen,

Nie rühm' dich deines Thuns, soviel du recht auch
Gemacht, soviel hast Fehler du begangen,

Verübst du Böses, trägst den Lohn du mit dir,
Des Schicksals Aug' ist nimmer schlafbefangen.

Hoch über Schlössern strahlt noch Bischens Name,
Hielt auch Afrasiabs Kerker ihn gefangen!
(S. 298)

Bischen, der Sohn Giws, dessen Liebesgeschichte mit Menische,
Afrasiabs, des Königs von Turan, Tochter, eine der
reizendsten Episoden des Schahname bildet, ward von eben diesem
König lange Zeit in einer Höhle gefangen gehalten,
bis ihn Rustem befreite.

_____


4.
Feuer hat versengt Firdusis Herz, seit fern von dir er weilt,
Brand und Thränenfluth die Brust ihm zwischen Gluth und Nass getheilt.

Denkt er dein, so dünkt ihm Labsal der Vergeltung Tag sogar noch,
Denn er brennt, als ob zur Strafe schon die Hölle ihn ereilt!
(S. 303)
_____


5.
Dass ich einmal doch, ich Sklave, Gunst und Gnade bei ihr fände,
Liess sie's gestern klar mich schauen, wie man Huld und Güte spende.

Aller Sünden sprach sie los mich und ergriff dann meine Hand,
Schlang sie endlich um den Hals sich, lächelnd, lächelnd ohne Ende.
(S. 303-304)
_____


6.
Wie lange machst du denn dein Herz durch Leid und Gram dir schwer,
Um weisses Silber, gelbes Gold zu häufen mehr und mehr?

Bevor dein warmer Odem kalt geworden noch, verzehr
Es mit dem Freund, denn sonst macht einst dein Feind sich drüber her!
(S. 304)
_______



übersetzt von Hermann Ethé (1844-1917)

Aus: Hermann Ethe Firdusi als Lyriker (Neun Lieder Firdusis in Text und Übersetzung)
In: Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Classe
der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München Band II. Jahrgang 1872

 

 

 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite