Ludwig Pfau (1821-1894) - Liebesgedichte

Ludwig Pfau

 

Ludwig Pfau
(1821-1894)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



 

Des Liebchens Schmuck

Ach! Gold und Perlen möcht' ich gleich
Um Haupt und Hals dir, Süße, legen;
Doch Dichter, weißt du, sind nicht reich,
Das thut mir wehe deinetwegen.

So nimm denn, den ich selber schmied',
Den Schmuck, von Steinen nicht noch Erzen;
Der schönste, deucht mir, ist ein Lied,
Das kommt aus einem treuen Herzen.

Drin leuchten Perlen feierlich,
Und Steine helle Strahlen zücken -
Was könnte, Liebchen, schöner dich
Als deines Dichters Lieder schmücken?

Wohl manche Brust, so stolz beschwert,
Möcht' ihrer goldnen Pracht entsagen,
Wär’ sie wie du, lieb Herze, wert,
Solch edlen Dichterschmuck zu tragen.
(S. 27)
_____
 

Liebesfriede

Da kommen sie und sagen,
Du seist so weit von hier,
Und Städt' und Berge ragen
Wohl zwischen mir und dir.
Mich stört nicht Ihr Beginnen,
Ich schau nur in mein Herz -
Da bist du ja tief innen,
Du bist nicht anderwärts.

Da kommen sie und klagen
Und fordern Thränen ein,
Ich weiß kein Wort zu sagen
Zu aller ihrer Pein.
Ich geh' in stiller Wonne
Vorbei an Tag und Nacht -
Hab' eine eigne Sonne,
Die mir im Herzen lacht.

Da kommen sie und fragen,
Warum ich froh allein?
Wie soll ich stehn und klagen,
Wie kann ich traurig sein?
Ich trage dich im Herzen,
So süß, so mild, so klar -
Seitdem bin ich von Schmerzen
Erlöst auf immerdar.
(S. 20)
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Gute Nacht

Die Erde schloß die Augen zu,
Die Sterne halten Wacht,
Und alle Thäler stehn voll Ruh -
Mein Liebchen, gute Nacht!

Die Wasser rauschen fort von hier,
Die Lüfte ziehn mit Macht;
Sie bringen meine Grüße dir:
Mein Liebchen, gute Nacht!

Schlaf süß und wohl, mein fernes Kind!
Auf deinem Kissen wacht,
Auf deine Augen sinket lind
Des Liebsten gute Nacht.
(S. 17)
_____

 

Begrabene Liebe

I.
Einst hat vor deines Vaters Haus
Gesäuselt die Traubenblüte;
Die Liebe hat wie ein Rosenstrauß
Geduftet in meinem Gemüte.

Die Trauben wurden zu Wein seit lang,
Die Rosen sind abgefallen;
Der alte Duft, der alte Klang,
Die mußten verwehn, verhallen.


II.
Und wenn ich dich jetzt wieder seh',
Bewegt mein Herz sich kaum;
Da thut mir's in der Seele weh
Daß alles Glück nur Traum.

Wie wir geliebt einst und geglüht,
Vergessen hätt' ich's bald;
Dein schönes Antlitz ist verblüht,
Ach! und mein Herz ist kalt.

Bedenk' ich wie in Lust und Schmerz
Du mein warst und ich dein,
Da könnt' ich weinen daß ein Herz
Kann gar so treulos sein.


III.
Sind das die Augen, kinderhaft,
Die mich so oft entzückt?
O schau' mich an mit jener Kraft,
Die mir den Sinn verrückt.

Wohl funkeln sie so prächtig her,
So mächtig wie zuvor -
Doch finden sie das Schloß nicht mehr
An meines Herzens Thor.


IV.
Ist das der Mund, der süße Mund
Der mich so oft geküßt?
Mir ist, ob ich zu dieser Stund'
Ihn wieder küssen müßt'.

Umsonst reichst du die Lippen her
Die sonst mich schier verbrannt -
Die Lippen kennen sich nicht mehr
Die sich so gut gekannt.


V.
Armes Herz! nicht länger wühle
In der Asche der Gefühle;
Von der Flammen stolzem Prunken
Blieben nur Erinn'rungsfunken.

Ach! wir mußten uns entfernen
Und allein zu leben lernen,
Lernen uns allein zu laben -
Lieben heißt sich nötig haben.


VI.
Eine Locke hab' ich noch von dir,
Die du mir in schöner Nacht gegeben;
Ist mir doch, als könnte ich an ihr
Alte Zeiten aus dem Grabe heben.

Wie ich gleich die alte Lust und Qual
In des Herzens tiefstem Grunde spüre,
Wenn ich diese Locke nur einmal
Mit den Fingerspitzen leis berühre!

Kind! Dein Haar ist doch so reich und licht,
Aber wenn ich das lebend'ge fasse,
Weckt es die begrabne Liebe nicht
Wie die Locke, die verstorbne, blasse.


VII.
Schau' mich nicht an
Mit Augen voll Versprechen,
Es heilt kein Wahn
Das Bündniß das zerriß;
Es hält kein Erz
Die Ketten, die zerbrechen,
Es gleicht kein Herz
Dem Herzen das man ließ.

An meiner Brust
Kannst du nicht wieder blühen,
Die alte Lust
Verscheucht das junge Glück;
Der Rosenstrauß
Muß seinen Duft versprühen,
Er haucht ihn aus
Und nimmt ihn nicht zurück.


VIII.
Unsre Liebe ist nun ausgeträumt,
Seel' um Seele haben wir gegeben;
Wohl uns! daß wir keinen Kuß versäumt,
Eh' wir's dachten, faßte uns das Leben.

Klage nicht! es kann nicht anders sein -
Unsre Lust war eine strenge, herbe;
Manche Blume weckt ein Frühlingsschein,
Daß vom Reif der nächsten Nacht sie sterbe.

Mit der Freiheit schwanger geht die Zeit,
Und sie wird im Sturmgeheul entbunden;
Wo der Geist im Kampfe sich befreit,
Da empfängt das arme Herz die Wunden.

Neues Leben leb' in neuer Welt!
Sieh', der Liebe Maß ist vollgerüttelt;
Kämpfe gibt's, wo selbst das Weib ein Held,
Wenn die Menschheit ihre Ketten schüttelt.


IX.
Nun liegst Du tief im Grunde
Und schlummerst Nacht und Tag -
Es traf mich diese Kunde
Als wie ein Keulenschlag.

Und glaubt' ich dich verloren,
Vergessen lange Frist -
Scheinst du mir neu geboren,
Seit du gestorben ist.

Du warst in fernen Landen,
Jetzt bist du ganz verreist -
Jetzt hab' ich erst verstanden,
Ach! was verlieren heißt.


X.
Nun blick' ich unabwendig
In die Vergangenheit,
Da wirst du mir lebendig
In deiner Lieblichkeit.

Dies Lächeln, dies Erröten,
Und dieses Leides Pracht -
Natur! wie kannst du töten
Was du so schön gemacht?


XI.
Nächtlich oft in wachen Träumen
Steiget vor mir auf dein Bild,
Schaut mich an so tief und innig
Mit den Augen braun und mild.

Mit den großen Kinderaugen,
Die ich oft dir zugeküßt;
Und mir ist als ob ich wieder
Sie mit Küssen schließen müßt'.

Als sie langsam untergingen
In der Flut der Todesnacht,
Hast du wohl, nach Osten schauend,
Noch einmal an mich gedacht.

Ach! nicht ich hab', als du starbest,
Weinend mich herabgebückt,
Und die treuen Augen dir zum
Ew'gen Schlummer zugedrückt.

Wie! nun können sie nicht schlafen,
Die nicht Liebe zugethan;
Und sie öffnen sich und schaun mich
Vorwurfsvoll und bittend an.
 

XII.
Du liegst im fernen Westen
Am stillen Ozean
Bei fremden Todesgästen
Im grünen Uferplan.
Ich kann dein Grab nicht sehen,
Ob Weiden über ihm wehen,
Ob Lilien auf ihnen stehen
Und Rosmarin und Thymian.

Ich sende die kleinen Lieder
Den blauen Himmel entlang,
Sie lassen sich singend nieder
Auf deinen Grabeshang.
Sie schluchzen laut und weinen,
Und werden sie still, die kleinen,
Singt über deinen Gebeinen
Das große Meer den Klaggesang. 
(S. 37-44)
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Reichtum

Im Banne deiner Augen
Verweilt' ich manche Stund',
Doch hast du nie geschauet
In meiner Seele Grund.

Nie hast du dich gebeuget
Über meines Herzens Weh,
Dein Bild darin zu sehen
Wie in tiefer dunkler See.

Nie hat an meinem Busen
Dein liebes Haupt gelauscht,
Wie heimlich in der Tiefe
Die Liebe klingt und rauscht.

Die Perle ruht im Meere,
Der Edelstein im Schacht -
Kehr ein, du Heißgeliebte,
In meines Busens Nacht!

Ihm ist von allen Tiefen
An Reichtum keine gleich -
In meinem Herzen, da liegt dir
Von Liebe ein Königreich.
(S. 4)
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Dichtung und Wahrheit

Jetzt, deucht mir, ist es ausgesungen,
Seitdem dich ganz mein Arm umflicht;
Die Lippen, die im Kuß verschlungen,
Die haben Zeit zum Singen nicht.

Was soll ich dir von Liebe singen,
Wenn Aug' dem Aug' so deutlich spricht?
Was soll das Lied mir? das hat Schwingen,
Und ich will in die Ferne nicht.

Du blühst ja in lebend'ger Schöne
An meiner Brust so wahr und schlicht:
Und fänd' ich auch die reinsten Töne,
Ich fügte doch kein solch Gedicht.

Nichts braucht's, als dir die Hand zu geben
Und dir zu schaun ins Angesicht -
Seit das Gedicht uns ward zum Leben,
Wird uns das Leben zum Gedicht.
(S. 28)
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Fassung

Kaum ruhte ich in ihren Armen
Wie nach dem Sturm im Hafen aus,
So reißt die Welle ohn' Erbarmen
Mich wieder in die See hinaus.

So tobt denn, Winde! heule, Brandung!
Ihr wilden Fluten meint es gut -
Nur nach dem Sturme freut die Landung,
Und nur im Kampfe reift der Mut.
(S. 15)
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Erste Wünsche

Könnt' ich zu Dir, mein Licht,
Nur einmal, einmal dringen!
Von deinem Angesicht
Nur einen Strahl erschwingen!

Könnt' ich an dein Gewand
Nur einmal, einmal rühren!
Und deine kleine Hand
Mit süßem Schauer spüren!

Könnt' ich an deinem Mund
Nur einmal, einmal hangen!
Und dann vergeh'n zur Stund'
In wonnevollem Bangen!
(S. 3)
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Ständchen

Mein Lieb! all ihre Grüße
Schickt dir die Frühlingsnacht:
Schlaf wohl! du Wundersüße,
Du Süße!
Gehüllt in deine Pracht.

Es kommt aus Kelch und Dolde
Ein Duft dir zugefacht:
Schlaf wohl! Du Wunderholde,
Du Holde!
Du Glut der kühlen Nacht.

Und zarte Liebestöne
Umschweben dich sanft und sacht:
Schlaf wohl! Du Wunderschöne,
Du Schöne!
Du Herz der stillen Nacht.

Und Sterne mit mildem Scheine,
Sie winken von hoher Wacht:
Schlaf wohl! Du Wunderreine,
Du Reine!
Du Trost der dunkeln Nacht.

Du Lieb! all ihre Grüße
Schickt dir die Frühlingsnacht:
Schlaf wohl! Du Wundersüße,
Du Süße!
Gehüllt in deine Pracht.
(S. 12)
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Nachtbalsam

Mein Lieb! du sollst gesunden,
Sieh, kommen ist die Nacht,
Und alles ist verschwunden,
Was Tags dir bange macht.

Die bösen Zungen schweigen,
Die deiner Liebe drohn,
Und milde Sterne steigen
Herauf am Himmel schon.

Die stillen Lande liegen
So groß und feierlich,
Und helle Wasser schmiegen
Durch dunkle Täler sich.

Und alle Gründe lauschen,
Ein Wehn geht übers Feld,
Und alle Wipfel rauschen -
Das ist der Geist der Welt.

Der zieht ob dem Getriebe
Des Lebens ernst einher;
Die Herzen voller Liebe,
Die schönen, segnet er.
(S. 25)
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Abendfeier

Mein Lieb! Schau, wie hinab die Sonne
Die uralt festen Gleise fährt
Und doch mit einem Kranz der Wonne
Der Erde dunkles Haupt verklärt.
Sieh, wie sich schon die Ferne teilet,
Durchbrochen von ergoßner Glut;
Und über alle Gipfel eilet
Der holden Kräfte goldne Flut.

Es wandelt durch entstandene Weiten
Des ew'gen Schaffens Trunkenheit;
Und jede Seele glaubt zu schreiten
Empor aus ihrer Endlichkeit.
O selig! Aller Last entladen,
Getaucht ganz in der Liebe Licht,
Im Strom der Schöpfung sich zu baden
Mit dir, du Engelsangesicht!
(S. 10)
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Sei stolz, mein Lieb

Mein Lieb! wenn dir die schnöde Welt
Mit Thränen netzt die süßen Wangen,
So kehr' in dich und denke mein,
Bis all dein Leid in Lust vergangen;
Denn wie mit Lorbeerschmuck ein Held
Kannst du mit deiner Liebe prangen -
Sei stolz, mein Lieb, du darfst es sein!

Gleich einer Krone trag' den Hohn,
Und hast du alles hingegeben,
So hat dir Niemand zu verzeihn,
Du würfelst um dein eignes Leben.
Die Liebe hat den höchsten Thron,
Die uns so herrlich will erheben -
Sei stolz, mein Lieb, du darfst es sein!

Das steht in keines Menschen Macht,
Das lebt in uns, was uns beglücket;
Und waltender Gestirne Schein,
Der wandelt ob uns unverrücket.
Daß uns kein König gleicht an Pracht,
So hat die Liebe uns geschmücket -
Sei stolz, mein Lieb, du darfst es sein!
(S. 26)
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Liebeswege

Nachts wandl' ich auf den Wegen,
Die wir so oft gewallt;
Da rauscht es wie ein Segen,
Der leis' im Wind verhallt.

Die alten Bäume singen
Von alter Zeit im Traum;
Bis an mein Herz ein Klingen
Kommt durch den Himmelsraum.

Das kommt von meiner Süßen,
Das kennt mein Herze leicht;
Das ist der Liebe Grüßen,
Die nachts auf Erden schleicht.
(S. 16)
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Trennung

Noch einen Blick voll Liebessegen,
Noch einen Kuß, bevor wir gehn!
Als lichten Schatz auf dunkeln Wegen,
Als Zehrung bis zum Wiedersehen.

Ob wir auch enger uns umfassen,
Die Arme schlingen wie ein Band:
Es gilt zu scheiden und zu lassen,
Und nicht zu ketten Hand in Hand.

So wandle denn die Bahn der Schmerzen,
Und weine nicht und denke mein;
Leb wohl, leb wohl! Reiß Herz vom Herzen!
Die Liebe wird Dein Engel sein.

Sie schütze dich auf deinen Wegen,
Daß ich dich fröhlich wiederseh'-
Noch einen Blick voll Liebessegen,
Noch einen Kuß, und nun Ade!
(S. 13)
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Abschied

Noch einmal laß an deine Brust mich sinken!
Noch einmal laß an meine Brust dich fallen!
Laß deine Locken aufs Gesicht mir wallen
Und mir die Thränen von der Wange trinken;
Laß deine Augen, deine treuen, braunen,
Die kinderhaft aus ihren Wimpern staunen,
Noch einmal tief in meine Augen dringen,
Daß die Gefühle sich wie Wellen türmen,
Daß alle Saiten meiner Seele schwingen
Von Wonneschmerzen, die in ihnen stürmen.

Genug - halt ein! daß deine Zauberaugen
Sich tiefer nicht in meine Seele saugen,
Nicht länger mehr kann ich dein Auge tragen,
Wie's Kind die Mutter will es meines fragen:
Wie oft, wie oft noch solch ein schmerzlich Scheiden?
Muß, was sich ewig liebt, sich ewig meiden?
Und welche Antwort hab' ich ihm zu sagen?

Genug - halt ein! umstricke mich nicht enger,
An meinem Busen ruh' dein Haupt nicht länger!
Von seinem Kissen muß ich auf es jagen,
Von seiner Heimat immer wieder treiben
Muß ich dein teures Haupt in Flucht und Bann;
Ich kann, mein Kind, ich darf nicht bei dir bleiben -
Die Welt ist groß, sieh, und ich bin ein Mann.

Die Welt ist groß, doch groß ist auch dein Herz;
Dein Herz, o Mädchen! ist ein tapfrer Held.
Du richtest auf dein bleiches Angesicht -
Wohl zuckt um deinen Mund der heiße Schmerz,
Der deine Brust zu wilden Wogen schwellt,
Doch deine Lippen, Starke, klagen nicht.
Aufs neu verstoßen in die weite Welt,
Ziehst Du von deiner Liebe still ergeben,
Einsam und fremd hinaus, du junges Leben!

Die Welt ist groß! - Sieh, wie durch Himmels Weiten
So traumhaft ferne jene goldnen Sterne
Auf unsichtbaren Wegen emsig schreiten.
Auf diesem großen Meere ohne Schranken,
Da ziehen auch die menschlichen Gedanken;
Sie wandeln rastlos, eine ew'ge Kette,
Und suchen mit den Sternen um die Wette
Durch Gottes Welt die Wege ohne Wanken.

Die Welt ist groß! - Sieh! Die gewölbte Erde,
Wie hier, auf seinem mächt'gen Feuerherde
Der Menschengeist sich Formen schmilzt und gießt,
Daß Bau um Bau stolz aus dem Grunde schießt,
Und neues Leben aus dem alten sprießt.
Wie tausend Keime sich im Lenze regen,
Ist hier ein ew'ges Wachsen und Bewegen,
Und unsichtbare Geisterhände legen
Sich Hand in Hand zu einem großen Bunde:
"Es werde Licht"! - Rasch rinnet Stund' um Stunde,
Und jede ruft mir in das trunkne Ohr:
Das Leben eilt, tritt, junger Kämpfer, vor!
Ich habe meine Welt noch zu gewinnen,
Für dich und mich - Ade! ich muß von hinnen;
Der Dienst der Wahrheit ist ein strenges Los:
Ade, mein Lieb, ade! - die Welt ist groß.
(S. 34-36)
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Zum letzten Mal

Nun muß ich dich, du Teure, lassen,
Und blieb mir keine andre Wahl,
So laß noch einmal dich umfassen -
O einmal noch, zum letzten Mal!

In deinen Armen laß mich liegen
Und, wie der Kelch im Sonnenstrahl,
In deinem holden Blick mich wiegen -
O einmal noch, zum letzten Mal!

An deinen Busen laß mich sinken
Und durst'ge Küsse ohne Zahl
Von deinen süßen Lippen trinken -
O einmal noch, zum letzten Mal!

Laß mich ins tiefste Herz dich drücken,
Mit dieser Stunde sel'ger Qual
Will ich mein ganzes Leben schmücken -
O einmal noch, zum letzten Male!
(S. 36)
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Dornröschen

O Röslein, schön und jugendlich,
Auf deinem Dornenreise!
Gleich einer Biene schwebt um dich
Mein Lied und flüstert leise:

Ich liebe dich mit Weh und Lust,
Du Blume meiner Schmerzen!
Die Rose trag' ich an der Brust
Und ach! den Dorn im Herzen.
(S. 5)
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Erhörung

O sel'ger Tag! O sel'ge Lust!
Mein bist du! Wie ein junger Held,
So lieg' ich stolz an deiner Brust,
Als läg' ich an der Brust der Welt.

Stumm darf ich ruh'n an deinem Mund,
Bis ich versinke ganz in dir;
Das Meer der Lust ist ohne Grund
Und schlägt zusammen über mir.
(S. 7)
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Bitte

O wende dich nicht ab von mir,
O schau mich wieder freundlich an!
Nur einen solchen Blick von dir,
Wie er mir sonst so wohlgetan!

Ich will ja folgen wie ein Kind,
Ich will ja schweigen wie das Grab,
Mit keinem Wörtlein, noch so lind,
Gestehn, daß ich so lieb dich hab'.

Gern will ich tragen jede Pein,
Nur sei mir wieder gut und mild!
Ach! Ohne Hoffnung kann ich sein,
Nicht ohne dich, du süßes Bild!
(S. 5)
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Nähe der Fernen

Oft bei Tage möcht' ich weinen,
Daß ich dir so ferne bin,
Seh' ich weit die Sonne scheinen
Über Berg und Thale hin.

Aber kommt die Nacht gegangen,
Hehr und mild, mit leisem Schritt,
Nimmt der Tag die hohen, langen
Berg und Thäler alle mit.

Und die Erde ist verschwunden,
Nur der Himmel ist noch da;
Alles Ferne ist verbunden,
Alles Liebe ist sich nah.

Und ich fühle ganz den Segen
Deiner Näh' in stiller Lust;
Und mir ist, als ob wir lägen
Beid' an einer Mutter Brust.
(S. 19)
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Wiedersehn

So bist du's wirklich, holdes Leben?
Du ruhst in meiner Arme Bann?
Noch dröhnt mein Herz von tiefem Beben,
Weil es sein Glück nicht glauben kann.

Wohl glänzen deine dunkeln Sterne
So treu mich an, doch wie im Traum;
Ich hab' dich wieder, süße Ferne!
Ich hab' dich und begreif' es kaum.

O halte mich so fest umschlossen
An deiner Brust und sprich kein Wort!
O bleib in heil'gem Kuß ergossen
An meinem Munde fort und fort!

Kein Sehnen ist mehr und kein Streben,
Versunken ist die wirre Welt;
Ich bin ein Gott, der über'm Leben
In Armen still den Himmel hält.
(S. 21)
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Unmut

So hat sie wirklich mich verlassen?
Sie ging hinweg und kehrt nicht mehr?
O Gott! Wie ist die Welt so leer!
Ich wanke heim die düstern Gassen.

Ich wanke heim die düstern Gassen;
O Gott wie ist die Welt so toll! -
Kann sie zwei Herzen, liebevoll,
Nicht ruhig bei einander lassen?
(S. 15)
_____

 

Spiegelung

Sonst schaut' ich in den See so gern:
Aus seinem Grunde, wunderbar,
Blickt auf zu mir so nah und fern,
So nah und fern,
Der ganze Himmel tief und klar.

Doch als ich in dein Auge sah,
Da war kein Wunder diesem gleich:
Entgegen kommt so fern und nah,
So fern und nah,
Mir auch ein ganzes Himmelreich.

Und steigt der Abendstern herauf,
Entzündet sich des Sees Nacht -
So geht im Aug' ein Stern dir auf,
Ein Stern dir auf,
So oft mein Aug' in deines lacht.

Laß, wie der Stern im Seee ruht,
Mein Auge über deinem stehn -
So lang, so tief, so hellgemut,
So hellgemut,
In seines Glückes Spiegel sehn!
(S. 9)
_____

 

Erkenntnis

Was einst mein Herz erquickte,
Der Himmel Stern an Stern,
Seit in Dein Aug ich blickte,
Wie lass' ich ihn so gern!
Nach einem Zauber heb' ich
Mein Aug', nach einer Zier:
Ah! alle Schönheit geb' ich
Um einen Blick von dir.

Was einst mein Leben schmückte,
Des Wissens goldner Kern,
Seit ich ans Herz dich drückte,
Wie miss' ich ihn so gern!
Nach einem Glücke streb' ich,
Nach einem Trostpanier:
Ach! alle Weisheit geb' ich
Um einen Kuß von dir.
(S. 8)
_____

 

Sicherheit

Wer Liebe trägt in tiefer Brust,
Der ist ein sel'ger Mann -
Er ist es sich so klar bewußt,
Daß nichts ihn schrecken kann.

Was auch an seinem Busen schlägt,
Er geht mit frohem Schritt -
Wer seinen Himmel in sich trägt,
Der fürcht't die Hölle nit.
(S. 7)
_____

 

Liebesboten

Wer treulich liebt, ist nicht verlassen,
Sei er auch einsam und allein:
Es wird ihn alles lind umfassen,
Es will ihm alles Bote sein.

Die Thäler blühn, die Wipfel klingen,
Die Auen grüßen, wo er zieht;
Und manche trauten Orte singen
Von Liebe ihm ein heimlich Lied.

Und wo er wandelt auf den Wegen,
Lauscht seinem Wunsch das stille Land
Und bringet Blumen ihm entgegen
Zu einem süßen Liebespfand.

Und Vögel tragen seine Lieder
Auf ihren muntern Schwingen fort;
Und seine Grüße hallen wieder
Zum fernen Lieb von Ort zu Ort.

Und Windes Wehn und Waldes Rauschen,
Die bringen tausend Küsse mit;
So kann er Liebeskunde tauschen
In weiter Welt auf jeden Schritt.

Und selbst des Himmels goldne Sterne
Sind seiner Liebe zugethan
Und ziehen in die dunkle Ferne
Von Herz zu Herzen lichte Bahn.

Und alles will ihn lind umfassen,
Und alles will ihm Bote sein -
Wer treulich liebt, ist nicht verlassen,
Sei er auch einsam und allein.
(S. 18-19)
_____

 

Untrennbar

Wie lang ach! warst du in der Ferne!
Zog auch mein liebend Herz mit dir,
Du standest nur, gleich einem Sterne,
In meinen Träumen über mir.

Doch, deucht mir, warst du bei mir immer,
Seh' ich dir jetzt ins Angesicht -
Weil ganz der alten Liebe Schimmer
Aus einem treuen Auge bricht.

Und hältst du mich so lind umfangen
Mit unverlernter Zärtlichkeit -
Ist mir, als wären wir gegangen
So Hand in Hand die ganze Zeit.

Vergessen ist nun alles Scheiden,
Daß wir einst fern, wir glaubens kaum:
Beisammen sind wir stets, wir beiden,
Und nur die Trennung war ein Traum.
(S. 22)
_____

 

Du Liebe du!

Wohl sagt' ich dir einmal im Scherzen
Dies Wort mit seinem trautem Schall;
Nun klingt mir's fort und fort im Herzen,
Und schlägt wie eine Nachtigall -
Das trillert ohne Rast und Ruh':
Du Liebe du!

Gern möcht' ich dir es öfter sagen,
Dies holde Wort, das lacht und weint;
Gar lockend ist's, mit süßem Zagen
Zu wagen, was verboten scheint -
Vergönne, daß ich's wieder tu':
Du Liebe du!

Dürft' ich dich so im Ernste nennen!
Dürft' all mein Ich im Du vergehn!
Im freien, freudigen Bekennen,
Wie gut sich Herz und Herz verstehn -
O laß mich sagen immerzu:
Du Liebe du!
(S. 6)
_____


Alle Gedichte aus: Gedichte von Ludwig Pfau.
Dritte Auflage und Gesamtausgabe
Stuttgart 1874


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Pfau

 

 

 


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