Gustav Pfizer (1807-1890) - Liebesgedichte



Gustav Pfizer
(1807-1890)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Nachsommer

Lieder, die ich einst gedichtet,
Hoffnungsreich und himmelklar,
Als mein Herz, von dir gelichtet,
Deines Auges Spiegel war,
Treten frisch vor meine Seele,
Und manch Bild taucht neu empor,
Und von alter Zeit erzähle
Ich mir selbst mit Wehmuth vor.

Nicht in alte Bande schlagen
Möcht' ich dies befreite Herz!
Nicht zurück zu jenen Tagen,
Die so reich an Lust und Schmerz!
Ausgeschöpft ist jene Quelle,
Die ich bodenlos geträumt,
Matt und traurig schleicht die Welle,
Die mir bis an's Herz geschäumt.

Armes Mädchen! dessen Güte
Ueber kargen Schatz gebeut!
Das mit kindischem Gemüthe
Seine Habe bald zerstreut!
Was dein süsses Aug' versprochen,
Deine Seele hielt es nicht;
Und mit stolzem Sinn zerbrochen
Hab' ich meiner Liebe Pflicht.

Könnt' ich aus der Armuth Ketten,
Aus der schweren dunkeln Nacht
Hilfreich deine Seele retten!
Führen in des Lichtes Pracht!
Könnte dich die Luft erquicken,
Die so geistig weht um mich!
Spiegelte in deinen Blicken
Auch ein inn'rer Himmel sich:

O dann bliebe ohne Wanken
Mir mein Bild in's Herz gedrückt,
Und den Göttern wollt' ich danken,
Dass sie dich so reich geschmückt:
Da nur ist des Lebens Feyer,
Wo das Höchste noch versteckt;
Wo des Auges heil'ger Schleier
Noch ein süss'res Räthsel deckt!

Doch als jüngst in stiller Stunde
Ich Erinn'rungsspiele trieb;
Da vernahm ich eine Kunde,
Wie so bleich du seyst und trüb;
Wehmuth schwillt mir im Gemüthe,
Und ich ahne, dass der Gram
Dich, die einst so lieblich blühte,
In die kalten Arme nahm.

Immer sind mir nun die Sinne
Von dem blassen Kind erfüllt;
Und ich werd' es trauernd inne:
Welchen Schatz der Gram enthüllt,
Wie nur Wehmuth, nicht Entzücken,
Von den ächten Perlen thaut,
Und aus Schmerzgedämpften Blicken
Geistiger die Seele schaut.

Alte liebe Zeiten spüret
Meine Seele wunderbar,
Und du hast mich neu gerühret,
Wenn es auch nicht Liebe war;
Trotzig hat sich dir entwunden
Ungestillt einst dieses Herz,
Aber neu zu sel'gen Stunden
Hat gewonnen mich dein Schmerz.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 121-123)

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Rückblick

Willst du's, o Herz! dir nicht gesteh'n:
Du weidest dich noch immer
In stillen Stunden, ungeseh'n,
An alter Liebe Schmerzen?

Die Abgebrannten, die mit Noth
Sich retteten - voll Härmen
Sieht man bei'm kühlen Morgenroth
Am heissen Qualm sich wärmen;

Auch mir war einst in Liebesglut
Das reiche Herz ergossen,
Doch lang schon ist die Flammenfluth
In dunkle Nacht zerflossen.

Doch, wenn ich oft mit meinem Stab
Im Schutte weinend wühle:
Ist mir, als ob noch aus dem Grab
Ein bleiches Flämmchen spiele.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 124)

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Erinnerungen

I.
Von Midas sagt man: dass durch sein Berühren
Sich jedes Ding sofort verkehrt zu Golde;
Der Strom, drin er sich wusch, metallen rollte,
Und golden starrte, trat er ein, die Thüren.

So hast nun du mit mächtig inn'rem Rühren
(Nicht weiss ich, welcher Zauber dir im Solde)
Zum Spiegel mich gemacht, du Liebe, Holde!
Der anders nichts als nur dein Bild kann führen.

Weit fühl' ich meine Seele wie den Himmel,
Doch du erfüllst sie ganz mit deinen Sternen;
Es wogt in mir ein seeliges Gewimmel;

Doch ach! wie hell der Liebesstern entglommen -
Ihn trennen von der Erde ew'ge Fernen
Und beide dürfen nie zusammenkommen.


II.
Der Liebe wollt' ich schon die Brust verschliessen;
Wozu in's Herz, das schon so gährend glüht
Und ohne Nahrung wilde Funken sprüht,
Noch Oel, und wär's von Rosen auch, zu giessen?

Ich schwankte lang in Hin- und Wiederfliessen -
Da sah' ich Dich! ein wellenlos Gemüth,
Durch das der stille Schwan der Freude zieht,
Und Lilien drin ihr zartes Bild begrüssen.

Nein! du entzündest keine wilde Gluten!
Du kühlest wie in leichtem Aetherbade;
Gestärkt entsteig' ich deinen Silberfluthen;

Getröstet sez' ich fort die Bahn auf Erden;
Ich bin gereinigt durch den Born der Gnade
Und darf im Feuer nicht geläutert werden.


III.
Begünstigt hast du eines Freiers Trachten!
Nicht kann ich Tugenden an ihm erkennen,
Um die ich ihm dich Holde! möchte gönnen,
Und seinen Werth, wenn dir er naht, nicht achten.

Ob seine Gluten Glut in dir entfachten?
Mich würd's erkälten, könnt'st du für ihn brennen!
Doch nicht im Wunsch möcht' ich das Bündniß trennen,
Ich will, was in mir lebt, als Traum betrachten.

Doch dich soll meine Seele stets begleiten!
Wie ich von meines Traumes reichem Leben
Wohl manches Jahr gedenke noch zu zehren;

O möchten so auch dich die künft'gen Zeiten
Wie leichte luft'ge Träume nur umschweben
Und dich, Erwachte, Ketten nie beschweren!


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 126-128)

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Todten-Wache

I.
Jezt will ich recht, mein Liebling! um dich klagen!
Die ganze Nacht dein liebes Bild beschauen;
Die Augen, ach! die einst so himmelblauen;
Ich will, o Gott! das Zärtlichste dich fragen!

Ich ahne, was du mir willst Antwort sagen;
O kannst du mir kein einzig Wort vertrauen?
Ganz leise, leise, wie durch Blumenauen
Die Düfte wecken in den Sommertagen!

Ein einzig Wort möcht' ich von dir erpressen!
Für meine Nacht nur Einen Sonnenfunken;
Ich wollt' es ewig, ewig nicht vergessen;

Weh' mir, von welcher Höh' bin ich gesunken!
Verwegnes Glück! dich hab' ich einst besessen!
Drum bin ich jezt vom Schmerzenskelche trunken.


II.
Die Kerzen in wehmüthigem Verlangen
Mit weichem Glanz das holde Kind umweben;
Sie würden selbst dem Tod nicht widerstreben,
Könnt' es dadurch des Auges Licht empfangen!

Die Rosen, die im blonden Haare prangen -
Wie gern verhauchten sie ihr junges Leben,
Könnt' es die frische Röthe wieder geben
Den kalten Lippen, den erbleichten Wangen!

Ist nicht des Lebens Blüthe hier gefallen?
Ist nicht die Jugend selbst in Tod gesunken?
Mein Kind, du blühtest einst so schön vor Allen!

Trost fliesset nur aus eines Traumes Pforten:
Es sey, von meinem Kinde liebestrunken,
Der Tod ein Kind - welch süsses Kind - geworden.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 129-130)

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Sonette
An die Frauen

I.
Euch, edle Frauen, deren tief Gemüth
Dem Grössten stets, dem Herrlichsten gewogen,
Manch' köstlich Reis im Stillen gross gezogen,
Das jezt als Baum in goldner Fülle blüht:

Die ihr am heim'schen Heerd euch treu bemüht,
Wenn Männer schwanken auf des Meeres Wogen,
Doch deren Ruhm durch keine Siegesbogen
In's stolze Pantheon der Nachwelt zieht:

Die mit der Demuth stillem Geisteswalten
Unsichtbar lenken die bewegte Zeit;
Die, Königinnen, mit den Herzen schalten,

Die thatenlos und doch in mächt'gem Streit
Die Welt nach ihrem schönen Bild gestalten -
Den edeln Frauen sey mein Lied geweiht!


II.
Im Gartenhain, auf einem Silberthrone,
Von Gluten, die dem sel'gen Aug' entflossen,
Den strengen Ernst der Züge weich umgossen,
Hebt sich in seel'ger Hoheit die Matrone,

Enthoben ist dem müden Haupt die Krone;
Doch seh' ich solche Glanzesblüthen sprossen,
So kühn der Stirne Adel aufgeschlossen -
Verkündigend, welch' hoher Geist hier wohne.

Ich nahe mich der Herrlichen mit Schweigen,
Und dämpfe ehrfurchtsvoll der Harfe Klänge,
Die Kniee muss ich willenlos ihr beugen.

Sie rührt mich an, da rauschen die Gesänge!
Sie steigen flammend zu des Himmels Ferne,
Und steh'n ob ihrem Haupt als blaue Sterne.


III.
Die Sonne glüht. In träumendem Ermatten
Irr' ich umher. Ha! welch' ein seel'ges Schauen!
Es weilet eine holde Schaar von Frauen
In eines Haines düftereichem Schatten.

Treu wahrend in der Brust die fernen Gatten,
In schöner Eintracht seeligem Erbauen.
Die Sonne weilet schwebend hoch im Blauen
Und Kinder spielen auf den grünen Matten.

Es hat der Pflicht geheimnissvolles Band
Die Anmuth selbst um ihre Brust geschlungen.
Aus ihrer süssen Nähe ist verbannt,

Wem nicht der Sieg der Grazie gelungen:
Hier kühlt sich selbst der heissen Sonne Brand,
Und heilig ist das Lied, das ich gesungen.


IV.
Am Sommermorgen auf dem Blumenplan
Hat mich ein süsses Wunder überkommen:
Jungfrau'n, wie Rosenblumen halb entglommen,
Sah' ich in edlem Tanze schwebend nah'n.

Wie Traum war mir. Sie lächelten dem Wahn,
Den sie im trunknen Auge wahrgenommen.
Sich traut umschlingend sah'n sie mit den frommen,
Den klaren Engelsaugen still mich an.

Da hub ich an, ein Mährchen zu erzählen,
Von Ahnung reich und farbenvollem Lichte.
Leicht war's, die bunten Bilder auszuwählen:

Ich las sie aus der Kinder Angesichte.
Da staunten sie, die jugendlichen Seelen -
Nicht ahnend selbst zu dichten im Gedichte.


V.
Um Gold nicht, noch um irdisch hohe Ehren,
Die sich dem Ruhme schmeichlerisch gesellen,
Und schwachen Seelen goldne Netze stellen;
Es treibt mich nicht solch' eiteles Begehren.

Der Busen brennt. Aus schmerzenvollem Gähren
Los ringen sich in wildem Ueberschwellen
Des Liedes heilig rothe Glanzeswellen -
In Träumen schwelgend lass' ich sie gewähren.

Mir wird so wohl! der Seele trüber Dunst
Verkläret sich zu lichten Aetherfarben;
Ich wache auf im heil'gen Feld der Kunst,

Klang füget sich zu Klang in goldnen Garben,
Und einen Kranz reicht mir der Frauen Gunst:
"Wir sind dir hold, so wirst du nimmer darben!"


VI.
Wem ziemt's, des Geist's, des werdenden, zu pflegen?
Den Frauen, die an weichen Mutterbrüsten,
Dem zarten Kind das schwanke Leben fristen
Und lenken seinen Schritt auf Blumenwegen.

Sie neigen sich dem Zagenden entgegen
Wenn fühllos die Barbaren auf den Küsten,
Zum Kampf sich mit dem schönen Fremdling rüsten;
Als Priesterinnen winken sie ihm Segen.

Da fällt ihm von der Brust des Bangens Last;
Seit ihrem holden Schutze er geglaubt,
Hat nimmer Gram ihn, nimmer Schmerz erfasst.

Die Rosen glüh'n; der Lorbeer dicht belaubt,
Beut eine Gabe für den stillen Gast,
Und gütig kränzen sie sein schlummernd Haupt.


VII.
Du sahst ihn nie, der Priesterinnen Chor?
Du willst ob eitler Täuschung mich verhöhnen?
Glaub' mir, dass ich nicht mit den süssen Tönen
Betrügen wollte ein besonnen Ohr!

Bist du so klug? Ich bin beglückt, ein Thor!
Ich wohne in dem Wunderland des Schönen;
Das Leben kann mich nicht dem Wahn entwöhnen,
An welchen ich berauscht mich selbst verlor.

Die Gegenwart, ist sie an grossen Frauen
So arm? So steigen aus der Vorwelt Tagen
Vor meinem Blick hellleuchtende Gestalten;

Die Zukunft öffnet ihre Blumenauen,
Und Bilder seh' ich selbst auf Thespis Wagen
Das Leben überbietend, sich entfalten.


VIII.
Lebt wohl, ihr Hohen! ich muss weiter geh'n.
Ihr habt den Blick, den trüben, mir gelichtet,
Mit Götterhuld des Herzens Streit geschlichtet;
Ihr liesset Palmen kühl um's Haupt mir weh'n.

Jezt muss ich einer andern Probe steh'n:
Streng wird und ernst jezt über mich gerichtet,
Wer weichlich immer nur um Lob gedichtet,
Wird zweifelnd selbst zulezt das Lob verschmäh'n.

Vom Haupte nehm' ich ab den Kranz der Gunst.
Die Meister richten streng; mit stillem Weinen
Seh' Blatt auf Blatt ich welk zur Erde fallen.

Da spricht ein Greis: es ist nicht unsrer Hallen
Freudlos Geschäft, das Schöne zu verneinen:
Ein Blatt giebt dir geweiht zurück die Kunst.


IX.
Des Meisters Spruch senkt mich in tiefes Sinnen:
Die Kränze blühen nicht auf blum'gen Matten,
Die unverwelkt ein edles Haupt umschatten;
Ein kühn'res Wagen gilt's, sie zu gewinnen,

Als thatenlos um holde Blicke minnen.
Es muss das Leben mit dem Lied sich gatten,
Festhalten musst in sichern Farbenschatten
Das Licht du, soll es eitel nicht zerrinnen.

Die bunt're Blüthe geht der Frucht voran.
Wer ist der Thor, und sammelt schon die Blüthen?
Wir schau'n mit trunkner Wehmuth nur sie an,

Wir müssen uns sie zu berühren hüten.
Aus Blüh'n zur Frucht soll geh'n des Dichters Bahn,
Und reicher Herbst des Frühlings Tod vergüten.


X.
Und selbst auf Meisterspruch ist kein Verlassen;
Doch wenn die Nacht, gewiegt vom Purpurflügel
Ihr Sternenantlitz kühlt im Meeresspiegel,
Und mächt'ges Blau besiegt die Wolkenmassen:

Wenn sich die Seele selbst strebt zu erfassen,
Die Selbstsucht sich begiebt der straffen Zügel,
Und was nicht trägt der ew'gen Schönheit Siegel,
Das Herz nicht hebet an sich selbst zu hassen:

Wenn da den Geist, der hoch in kühnen Bahnen
Am Tage sonnentrunken sich geschwungen,
Ergreifet ein noch gränzenlos'res Ahnen,

Wenn er im Nachtblau heil'ger Dämmerungen
Entfaltet hoch noch seine Siegesfahnen:
Dann ist der Kampf, der grösste, ihm gelungen.


XI.
Die Nacht ist eine wunderbare Frau,
Oft bin ich ihrer Herrlichkeit erschrocken,
Wenn sie mir nahte mit den Rabenlocken,
Und doch das Aug' so himmlisch mild und blau.

Mit Mährchen, die von Blüth' und Düften lau,
Weiss sie den Sinn so heimlich zu verlocken;
Und blanke Silberfäden aus dem Wocken
Spinnt sie dazu herunter auf die Au'.

Und wunderbar hat sie mich oft gefangen,
Die Locken wurden schnell zu schwarzen Ringen;
Die Mährchen, die als goldne Töne klangen,

Sie flochten mit den Silberfäden Schlingen;
Und ach! mich überkam so süsses Bangen,
Als sollt' ich nimmer dieser Haft entspringen.


XII.
Voraus der Zeit eilt meine Fantasei;
Ich sehe mich am Ziele meiner Tage,
Die Jugend abgebleicht wie eine Sage;
Doch blieb der Sinn mir jugendlich und neu,

Nur eines stimmt die Brust mir trüb und scheu:
Ach ihnen, die nun ruh'n im Sarkofage,
Den Blumen des Geschlechts tönt meine Klage!
Und Eine Götterfrau nur blieb mir treu.

Mit reinem Sinn hab' ich die Frau'n verehrt,
Sie haben nie das Herz mir wild entzündet,
Drum seh' ich jezt so himmlisch sie verklärt.

In Einem Bild ist jeder Reiz verbündet,
In Einem Blick ist jede Gunst gewährt,
Und nur der Name ward mir nie verkündet.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 133-144)

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Gespräch

"Geliebte, wie? dein schönes Auge feucht?
O eile zu entdecken mir dein Grämen!
Ob es vielleicht ein Liebeswort verscheucht,
Wo nicht, mein Theil daran hinweg zu nehmen!"

""Ach! kindisch ist, was traurig mich gemacht,
Kaum darf ich es dir, mein Geliebter! nennen;
Mich faßte plötzlich des Gedankens Nacht:
Daß wir uns hätten niemals finden können!""

"Du seltsam Herz! was suchst du hier für Trost?
Was zitterst du, umfaßt von meinem Arme?
Was uns beglückt, - wir haben's ja erloost!
Wem's nicht gelang, der lebe seinem Harme!"

""O schilt mich nicht ob meiner Liebe Wahn!
Der Zweifel lockt den Geist auf seine Wogen;
War's möglich nicht, daß wir auf naher Bahn,
Verwandten Blickes, uns vorbeigezogen?""

"Wohlan, so glaube, daß ein Genius
In goldnen Höhen unsre Schritte leitet,
Und daß der Erdenpilger folgen muß,
Wie jener Bruder ihm die Bahn bereitet."

""Erschrecke mich mit solchem Schutzgeist nicht
Der meiner Liebe heißes Herz entseelet!
Ich höre wie es mächtig in mir spricht:
Ich selbst, ich selbst, ich habe dich gewählet!""

"So glaube, daß des eignen Herzens Kraft
Die ganze Welt sich dienstbar unterwerfe,
Der Sehnsucht Blick, los von des Körpers Haft,
Sein Kleinod suche mit des Adlers Schärfe."

""Ich trage nicht so hoch vermeßnen Sinn!
Und möchte nicht die Nemesis erwecken;
Die güt'ge Macht, der ich verpflichtet bin,
Strebt brünstig meine Seele zu entdecken.""

"So willst du frei seyn und doch unterthan?
Was, lieblichste Sofistin! kann dich heilen?
Du siehst mich, holde Seele, lächelnd an,
Und über deine Wangen Thränen eilen?"

""O laß es ruhn! Du bist ja mein, ich dein!
Wenn auch der Weisheit Tiefen sich erschlössen -
Ist nicht der Tag, das Leben selbst zu klein
Der Liebe ew'ges Räthsel aufzulösen?""

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 46-47)

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Das Pfand

Geliebte! gönne mir ein Pfand
Von dieser Stunde Lust,
Daß sich der Furcht vor Unbestand
Entschlage meine Brust.

Schilt mich nicht fühllos oder hart,
Nicht wähne dich gekränkt,
Wenn in so süßer Gegenwart
Mein Sinn der Zukunft denkt.

Ich denke der Vergangenheit,
Die schmerzlich mich belehrt:
Daß unverbürgte Seligkeit
So rasch vorüberfährt.

Ein Pfand erbitt' ich jezt von dir,
Das, wenn die Liebe stirbt,
Durch der Erinn'rung Zauber mir
Dein Herz zurück erwirbt;

Das jede bittre Regung stillt
Und immer frisch belebt,
Mein halb versunknes Schattenbild
Zum Thron der Liebe hebt.

Gib mir zum Pfand die Lilie dort,
So bleich wie Liebesgram,
Die jedes leisgehauchte Wort
Und jeden Kuß vernahm.

Doch ach! die Blume ist kein Pfand!
Verwelkt, ruft sie das Glück -
Ein Gleichniß selbst vom Unbestand -
Dem Herzen nicht zurück.

Gib mir den wunderrothen Stein,
Der wie ein Herze flammt;
Ihm mag wohl aufgetragen seyn
Der Treue Wächteramt.

Doch, hält ein fliehendes Gefühl
Der arme Ring wohl hin?
Ach wohl! so gut ein Herz wird kühl,
Erblaßt auch ein Rubin.

Ha! ich erkenne: jedes Pfand
Verkehrt sich mir zum Spott;
Ein Thor nur wähnt, mit ird'scher Hand
Zu binden einen Gott.

Nicht kann ein Pfand entflohner Zeit
Bestechen das Geschick;
Frisch zeuge seine Seligkeit
Sich jeder Augenblick.

Seh' ich dein Aug' so himmelklar,
Sogleich mein Wunsch mich reut!
Thu', Mädchen, jezt und immerdar,
Wie dir dein Herz gebeut!

Es wehre nimmer Pfand und Schwur
Dem möglichen Verlust!
Mich trug ja auch ein Wunder nur
Empor an deine Brust.

Mein Kleinod deine Liebe sey!
Doch nicht als Recht und Pflicht!
Nur wenn sie immer frisch und frei
Aus freud'ger Seele bricht!

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 48-50)

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Treue

Hand in Hand!
Nie zerrissen in des Volks Gedränge,
Nie geschieden durch des Pfades Enge,
Ueber blassen Schnee und glühnden Sand -
Hand in Hand!

Mund an Mund!
Selbst dem Wort, dem irdischen, mißtrauend,
Heimlichere Zeichen uns erbauend,
Schlürfen wir aus Quellen ohne Grund -
Mund an Mund!

Herz an Herz!
Lassen wir in göttlichem Vertrauen
Uns in unsrer Seelen Tiefe schauen
Freud' um Freude tauschend, Schmerz um Schmerz,
Herz an Herz!

Grab an Grab!
Gleichest, strenger Gott, du nur dem Schlummer?
Weckst du einst uns wieder? Rede, Stummer!
Grünet wieder der verdorrte Stab? -
Grab an Grab!


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 63)

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Die Abschiedsstunde

Oft denk' ich an des Abschieds Stunde:
Der Himmel war für uns verhängt,
Tief innen blutete die Wunde,
Wir saßen, Herz an Herz gedrängt.

Noch wollten wir uns Alles sagen,
Die Sprache war so todt, so arm,
Die wir in unsers Glückes Tagen
Mitfühlend oft genannt und warm.

Dein süßes Bild mir einzuprägen,
Fest heftet' ich den Blick auf dich;
Doch als dein Aug' ihm kam entgegen,
Verdunkelte das meine sich.

So war für uns in Eine Stunde
Der langen Zukunft Weh gepreßt;
Ich saugte mit begier'gem Munde
Mich an dem bittern Kelche fest.

Und nun - warum ruf' in der Ferne
Von so viel Stunden, reich an Glück,
Ich vor die Seele stets so gerne
Gerad' die bitterste zurück?

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 64)

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Das Finden

Mein Mädchen wollt' ich finden
Die mich zu sich entbot,
Doch mußt' ich wohl empfinden
Viel Ungemach und Noth.

Nacht war herabgesunken,
Der Himmel schien voll Gram;
Der Fuhrmann war betrunken
Und seine Rosse lahm.

In dichten Finsternissen
Der Weg vor uns verschwand;
Dem Zeiger war entrissen
Die recht' und linke Hand.

Bald waren wir verschlungen
Vom allerdicksten Wald
Und machten nothgedrungen
Vor einer Hütte Halt.

Ich trat ins niedre Stübchen,
Darin zu wärmen mich; -
Und sieh - da war mein Liebchen!
Sie war verirrt wie ich.

Mit holdester Verwirrung
Begrüßte mich ihr Mund;
Die doppelte Verirrung,
Sie führte doch zum Fund!

Und war der Weg abscheulich
Und eng der Hütte Raum:
So war die Rast erfreulich,
Die Nacht ein Göttertraum.

Auf jener sondern Reise
In jener holden Nacht
Hab' ich erkannt und preise
O Eros, deine Macht!

Der du das Pfand der Gnade
Dem treuen Priester schenkst
Und die verirrten Pfade
Zum schönsten Ziele lenkst!

Der Nacht ins Herz geschlossen,
Hast du den Freudenstrahl,
Und fährst mit blinden Rossen
Ein in des Himmels Saal!

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 65-66)

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Geisterstunde

Welches heil'ge Schweigen!
Laß dem Sternenreigen
Mich, des Zeitstroms Rauschen,
Deinem Herzschlag lauschen
Und dem Hauch der Nacht!

Mädchen, bist erschrocken,
Ob dem Schlag der Glocken,
Die mit ehrnen Munde
Uns die Geisterstunde
Rufen in das Ohr?

Wie, wenn plötzlich kämen
Hager, blasse Schemen,
Die um alte Schulden
Noch Verbannung dulden,
Traurig gehen um?

Würd'st du wohl vergessen
Mich ans Herz zu pressen,
Und der Liebe Kosen?
Welkten wohl die Rosen
Von den Wangen dir?

Würde bittre Trauer
Kalter Todesschauer,
Wie der Frost die Triften,
Dir das Herz vergiften,
Das jetzt freudig glüht?

Liebchen laß dir sagen:
Finstre Geister wagen
Sich mit ihrem Jammer
In die seel'ge Kammer
Unsrer Liebe nicht.

Wenn sie draußen lärmen:
Sollten wir uns härmen?
Enger soll sich flechten
In den Polternächten
Unsrer Seelen Bund.

Vor der Sonne Lichte
Wird im Nu zu Nichte
Was aus Nacht geronnen -
Heller schwingt als Sonnen
Fackeln unser Gott!


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 67-68)

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Der verschüttete Bergknappe

Laut durchtönt das Gerücht die zerstreuten Hütten der Thalschlucht:
"Schaut! sie haben entdeckt einen verschütteten Mann!"
Eilig strömt auf den Ruf neugierig die Menge zusammen,
Wo auf erhöheten Pfühl man den Gefundnen gelegt.
Staunend betrachteten Alle die Tracht aus älteren Zeiten;
Aber das Haar war blond, jugendlich war die Gestalt.
Tückisch hatte ein Sturz überrascht den strebenden Knappen,
In der erstarrten Hand hielt er das Fäustel noch fest.
Wunderbar hatte der Schacht, Egyptens Künste beschämend,
Vor der Verwesung Grau's sorglich die Leiche verwahrt.
Spurlos schwankten der Männer Vermuthungen; aber die Weiber
Weinten dem herben Geschick reichliche Thränen noch nach.
Mühsam schleppte herbei sich eine gebrechliche Greisin,
Die im trüben Gemach zitternd die Kunde vernahm.
Und jetzt sah sie die Leiche, die Tracht und den Wuchs und die Züge,
Sah am Finger den Ring, der ihn noch locker umschloß;
Ueber den Leichnam stürzte sie hin; so lag sie bewußtlos,
Doch bald rang sich der Schmerz aus der Betäubung empor.
"Frido!" schwebte das erste Wort von den Lippen, den blassen,
Als der erschütterte Geist wieder Besinnung gewann;
"Frido! kommst du zurück? doch später, als du verheißen!
Siebenzig Jahre zu spät zu der verlassenen Braut!
O Geliebter! du hast zwei Menschenalter verschlummert,
Und im Rachen des Grabs bliebst du lebend'ger als ich.
Schämst du dich jetzt, o du, der noch ein Jüngling geblieben,
Dessen Locken noch blond, meiner, der Zitternden nicht?
Ach, im Trotze der Liebe verwegen, hattest den Goldring,
Als in die Grube du stiegst, du an den Finger gesteckt.
Und ich warnte vergebens: die Geister ertragen das Gold nicht;
Laß das Ringlein zurück, wenn du befährest den Schacht!
Kühn entgegnetest du: dieß Gold - ich hab' es erobert,
Und nun laß im Triumph ich mit der Beute mich seh'n!
Und du selbst, mein Mädchen, du müßtest ja zürnen dem Bräut'gam,
Der von dem heiligen Pfand ewiger Treue sich trennt!
Und mich freute dein Muth und die zuversichtliche Liebe,
Doch nicht wurde das Herz banger Besorgnisse los.
Tückische Geister, erzürnt vom Glanz des erbeuteten Goldes,
Hielten in gräulicher Nacht meinen Verlobten zurück.
Doch du rettetest dir im Tode die Farbe des Lebens;
Reichen die Zauber der Zeit nicht in die Tiefe des Bergs?
Mich, die Lebende, traf das traurige Loos der Verwandlung;
Kräftiger Jüngling! es trennt uns die entsetzlichste Kluft!
Diese noch frische Gestalt - sie könnte die Seele bereden,
Was sie niemals des Bachs spiegelnder Welle geglaubt:
Daß im Wechsel der Zeit aus der Welt das Wesen verschwunden,
Das dein freundlicher Mund "meine Sigunde" genannt.
Immer noch meinen die Menschen, von irrigem Wahne bestricket,
Daß nur Einmal der Tod raffe das Leben dahin.
Lang nun hab' ich gelebt, und tausendmal bin ich gestorben -
Glaubt ihr dem Zeugnisse nicht dieses verkümmerten Leibs?
Nicht die Hülle nur welkt; die gealterte Seele bekennet
Selbst zu der welken Gestalt als zu der ihrigen sich.
Und doch ruft aus der Tiefe der Brust eine mächtige Stimme:
Glaube! du bist es noch stets, die dieser Todte geliebt!
Schönheit und Kraft ist dahin, verwandelt sind Wunsch und Gedächtniß;
Doch ein beständiges bleibt kenntlich, die Treue, zurück.
Ja, ich bin's! Ich fühle, wie meine erloschene Seele
Süße Erinnerung stärkt, Röthe der Jugend entflammt!
Scheltet mich nicht, ihr Männer und Weiber! ein seltsames Schicksal
Reißt mich über das Maaß ängstlicher Sitte hinaus!
Eine Greisin seht ihr und höret ein zärtliches Mädchen;
Zweifel bewegen das Herz, welchem der Sinne ihr glaubt?
Scheltet mich nicht! es bricht der Jugend verschüttete Liebe,
Wie aus der Asche die Glut, flammend noch einmal hervor.
In zwei Hälften seh' ich mein eigenes Wesen getheilet,
Zwischen ehmals und jetzt schwankt der zerrissene Geist.
Ist nicht mein der Todte? Der Ring, der goldne, bezeugt es;
Diese verknöcherte Hand trägt den Genossen dazu.
Aber die schlanke Gestalt ist der zitternden Greisin entfremdet;
Seht, er schüttelt das Haupt vor dem gewaltsamen Bund.
Ach! so haben dich doch die Geister der Tiefe verblendet,
Haben im Herzen das Bild deiner Geliebten zerstört?
Gebet, o gebet den Jüngling dem Schooße der grünenden Erde,
Welche in gleichen Staub Greise und Jünglinge löst.
Aber der Staub wird wieder von göttlichem Hauche beseelet,
Und das Leben, verjüngt, wächst aus Verwesung hervor.
Alter und Jugend verschmelzen im Leibe der Wiedererstandnen,
Rastlos eilende Zeit biegt sich zum ewigen Ring."
Leuchtend strahlte die Stirn der Begeisterten; als sie geendet,
Sank sie plötzlich erschöpft über den Todten dahin.
Staunen und Schauer erfüllten die Herzen; heilige Stille
Schwebte, von Seufzern erschreckt, über dem trauernden Volk.
Glückliche Bräute bekränzten der Greisin Sarg mit der Myrthe;
Männer, viel jünger als er, trugen den Jüngling ins Grab.
Friedlich ruhn sie, gesellt in der sanft ausgleichenden Erde,
Tröstlich zu schau'n, doch selbst nimmer bedürftig des Trosts.
Aber der lebende Geist denkt nie gleichgültige Ruhe;
Leiseres Lebensgefühl ruft er im Todten noch an.
Und wir schelten ihn nicht - den holden, freundlichen Irrthum,
Der mit versöhnender Hand feindliche Marken verknüpft.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 215-221)

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Liebesgeständniss

Du sahest oft, in welchen Rausch ich sinke,
Wenn ich den Aether deiner Nähe trinke;
Ich nenne mich mit Wonne deinen Sclaven,
Mehr als Provinzen sind mir deine Winke;
Dein Wort beflügelt jeden meiner Schritte,
Daß gegen mich nur lahm erscheint der Flinke.
Dein Reiz entbehrt am besten jedes Schmuckes
Und deine Tugend jeder Tugendschminke;
Ich weiß es wohl, wie deiner Huld und Güte
Mein Lob in weiter Ferne nach nur hinke.
Wohl Niemand räth, daß mir in deinem Auge
Der sanfte Stern des höchsten Glückes blinke;
Ich schweige, wie das Grab: wenn meine Rechte
Dein Herz berührt, erfährt es nicht die Linke.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 357)

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Ungnade der Geliebten

O laß mich, Mädchen! wissen, für welche Schuld ich büße?
Warum mich nur so kärglich dein holdes Auge grüße?
Wenn du so leicht und eilig an mir vorüberstreifest,
So möchten gern dir folgen die ungeduld'gen Füße;
Doch steh' ich gleich gebannet von deinen strengen Blicken,
Als ob zur Stund' ich Wurzeln in Boden schlagen müsse.
Ich kann nicht mehr ertragen die rauhe Kost des Lebens,
Seit ich an deinen Tischen genossen alles Süße.
Mit deiner Huld verschwunden ist über Nacht der Frühling,
Der Herbst ist eingezogen im Garten der Genüsse.
Ich lege weg die Pfeile, die nie das Ziel verfehlten,
Weil du mich nicht befeuerst, nicht lobst die Meisterschüsse.
Ich wollte große Thaten zu deinem Preis verrichten,
Nun ist mein Muth gesunken, entnervt sind die Entschlüsse.
Der Himmel meiner Zukunft ist ganz geschwärzt von Wolken;
Aus Wolken strömt der Regen, vom Auge Thränenflüsse.
O Liebe, senke wieder in meine durst'ge Seele,
Erstarrt vor deinem Zorne, der Zärtlichkeit Ergüsse!
Daß roth die Wange wieder und roth die Lippe werde:
O gieb und dulde wieder die langentbehrten Küsse!

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 358)

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Der Liebesbote

Theurer Freund! ich bitte, theile meinen Schmerz!
Oder wenn dir's möglich, heile meinen Schmerz!
Ich verdanke jenes jugendlichen, kecken,
Schlimmen Bogenschützen Pfeile meinen Schmerz.
Willst du Botendienste einem Dulder leisten?
Sieh', ich legt' in diese Zeile meinen Schmerz.
Steige schnell zu Rosse, bringe der Geliebten
Buhlend mit des Adlers Eile meinen Schmerz.
Um die Zeit zu sparen, spare nicht die Sporen,
Denke dir bei jeder Meile meinen Schmerz.
Eifersucht und Sehnsucht toben mir im Busen,
Reißen auf wie ehrne Keile meinen Schmerz.
Mit geb' ich als Mahner, daß dich mit Geschwätze
Nicht der lust'ge Wirth verweile, meinen Schmerz.
Kehre bald mit guter Botschaft, sonst erhöhet
Zur Verzweiflung lange Weile meinen Schmerz.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 359)

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Liebesnacht

Hörst du Pfauenaugen schwirren?
Fast betäubend duften Myrrhen;
In der Liebe Labyrinthen
Ach, wie süß ist's, sich verirren!
Laß die Hand, die stets geschäft'ge,
Diese Locke noch verwirren!
Mädchen! deine Huld und Güte
Könnte einen Löwen kirren!
Ach, nun ist es Zeit zu scheiden -
Bleicher schon die Sterne flirren,
Vor der Dämmerung verstummet
Schon der Tauben zärtlich Girren.
Sieh der Horen Scharlachkleider,
Die des Phöbus Rosse schirren!
Nimm mein Schwerdt, denn auf dem Pflaster
Würd' es zu verräth'risch klirren,
Und es schleichen durch die Gassen
Der Spione viel und Sbirren.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 360)

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Alles schickt sich

Zum Küssen, Liebchen, ist dein Mund stets meinem Munde bequem;
Zum Küssen ist mir jeder Tag und jede Stunde bequem.
Wenn ich von dir getrennt muß seyn, bin ich dir doch nicht fern;
Denn mein Gedanke macht den Weg in einer Sekunde bequem,
Ich hab' dir vieles mitgebracht, ich habe schwer gepackt,
Denn wenn's für dich ist, trag' ich leicht auch viele Pfunde bequem.
Doch ward mir heiß; o suche Erdbeeren im Gebüsch,
Es fällt herab des Mondes Licht zu solchem Funde bequem.
Wie ist der grüne dunkle Wald, dieß abgelegne Haus,
Wie ist die heil'ge Einsamkeit der Liebe Bunde bequem!
Da lag ich träumend oft im Moos mit unbedeckter Brust,
Sie schien dem list'gen Gotte wohl zu einer Wunde bequem;
Das süße Gift durchglühet mich; o kühle meine Glut!
Ich leg' in deinen Schooß mein Haupt, daß ich gesunde bequem.
Und jetzt möcht' ich dich fesseln auch mit einem festen Band:
Ist deinem Finger dieser Ring, der goldne runde bequem?
O welch ein traulicher Verkehr! welch wonnevoller Tausch!
Mir ist der Lippen Rosenmarkt und dir der Kunde bequem.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 362-363)

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Der Jäger

Erjagen möcht' ich deines Herzens Reh!
Wer A gesagt, der muß auch sagen B.
Ich sah dich Einmal, drum begreifst du wohl,
Daß ich jetzt stets auf deiner Fährte geh'.
Zu finden glaubt' ich einmal eine Spur
Im frischgefallnen, glänzend weißen Schnee;
Von Sehnsucht angespornt, verfolgt' ich sie -
Vom Schimmer thun mir noch die Augen weh!
Und ach zuletzt, o Mißgeschick! verlor
Sie sich an einem tiefen tiefen See.
Und Schaden lief ich gar ein andermal,
Als durch ein schönes Feld ich sprang von Klee,
Und, rohen Hunnen gleich, Vernichtung trug
In eine Pflanzung von noch zartem Thee.
O daß mir doch das zarte, scheue Wild
Gebunden brächte eine milde Fee!
Sonst muß ich selbst, zum Schatten abgehezt,
Hinuntersteigen zur Persephone.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 364)

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Alles für Sie!

Hold möcht' ich seyn von Außen und Innen, um deinetwillen,
Geschmückt mit Allem, was besticht die Sinnen, um deinetwillen;
Obwohl für mich mit Wenigem zufrieden,
Möcht' ich doch gern des Mogols Schatz gewinnen, um deinetwillen.
Das Hofkleid legt' ich an, wenn dir's gefiele,
Als Bauer hüllt' ich mich in grobe Linnen, um deinetwillen.
Befiehl, so tauch' ich in des Meeres Tiefen,
Ersteig' im Sturm der Mauer dräu'nde Zinnen, um deinetwillen.
Vollbringen will ich Kustap's Abentheuer,
Am Rocken will ich wie Herakles spinnen, um deinetwillen.
Wo du verweilst, da möcht' ich ewig bleiben,
Doch ohne Murren zieh' ich auch von hinnen, um deinetwillen.
Für dich wollt' ich des Himmels Feuer stehlen,
In wildem Kampf besteh'n das Heer der Dschinen, um deinetwillen.
Für andre Schönheit bin ich blind geworden,
Verschworen hab' ich alles andre Minnen, um deinetwillen.
Ich bin verwandelt; Weisheit scheint mir eitel
Und klug das allerthörichste Beginnen, um deinetwillen.
Wie Meergrad sind verwirrt mir die Gedanken,
Und meines Herzens Blut fühl' ich gerinnen, um deinetwillen.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 366-367)

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Befriedung

Mich kümmern nicht der Feinde Ränke,
Wenn ich an die Geliebte denke,
Mich in das tiefe, blaue Meer
Der reinsten Zärtlichkeit versenke:
Korallen find' ich immerdar
Im tiefen Grund und Perlenbänke.
Ist's denn ein Wunder, wenn ich so
Ob keinerlei Geschick mich kränke
Und meine Aussicht, meinen Wunsch
Auf mein bescheidnes Reich beschränke?
Ein Kuß, ein Wort, ein Blick von ihr
Wiegt auf des Perserschachs Geschenke.
Es fügt sich Herz und Herz in Eins,
Wie eine Kette Goldgelenke.
Die Luft schon, die wir athmen, hat
Die Tugend alter Liebestränke.
Die Sehnsucht spornt der Rosse Lauf,
Wenn ich am Abend heimwärts lenke,
Und in der Ferne schon zum Gruß
Die weißen Straußenfedern schwenke.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 368)

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Alte Liebe rostet nicht

Verlieren konnt' ich, doch vergessen nicht;
Die Sehnsucht blieb, ob ich auch that Verzicht.
Nicht meine Lippe redet mehr zu ihr,
Doch ganz von ihr nur blühet mein Gedicht.
Von ferne schau' ich jetzt die Rose an
Und weiß nichts von dem Dorn, womit sie sticht.
Ich male in die stille dunkle Nacht
Und in des Himmels Blau ihr Angesicht.
Noch immer gehen Fluth und Ebbe fort,
Noch ist die Seele nicht im Gleichgewicht;
Melodischer dünkt mich der Stimme Ton,
Seit sie zu mir nicht mehr ein Wörtchen spricht.
Wohl ist die Freiheit süß, doch wehe dem,
Der auch die leichten Blumenfesseln bricht!
Aus Scherben schlürf' ich mühsam jetzt den Wein,
Weil mir zum Schöpfen der Pokal gebricht.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 385)

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Die Auserkorene

Manch tapfrer Kämpfer ficht vor dir,
Manch fert'ger Redner spricht vor dir;
Manch süßer Ton beschleicht dein Ohr,
Und manche Lanze bricht vor dir;
Doch Ritter, Redner insgesammt
Sie finden Gnade nicht vor dir.
Die Waffen scheut dein schüchtern Aug';
Ihr Wort hat kein Gewicht vor dir.
Ich bin dein Streiter und dein Held!
Es gilt nur mein Gedicht vor dir!
Und huldigend werf' ich mich hin,
O meines Lebens Licht, vor dir!
Ich leist' auf jede andre Gunst,
Wenn du mich liebst, Verzicht vor dir!
Mein Blut ist dein - ich sterbe gern
Im Dienste meiner Pflicht vor dir.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 391)

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Grossmuth der Geliebten

Seit du mein Herz in Pacht genommen
Hast du dem Schmerz die Macht genommen;
Du hast von dem verwünschten Haupt
Den Bannfluch und die Acht genommen!
Du hast des Hasses Zahn sein Gift,
Die Furchtbarkeit der Nacht genommen,
Dem Büßer ab die Sündenlast
Und seine Trauertracht genommen.
Vom Engel, der die Tugend bringt,
Hast du die ganze Fracht genommen.
Dein Auge hätt' aus Muley's Herz
Den schwärzesten Verdacht genommen,
Dein Palmenwuchs dem Salomos
Den Stolz auf seine Pracht genommen.
O Großmuth, daß solch Himmelsbild
Mich Armen hat in Acht genommen!


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 392)

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Die Linde

Als ich dich, entwachsen kaum dem Kinde,
Traf zuerst bei jener blühnden Linde:
Fühlt ich gleich: daß deines Wesens Bildniß
Nimmermehr aus meiner Seele schwinde;
Und des Tages heiliges Gedächtniß
Schnitt sogleich ich in des Baumes Rinde.
Zwar du standest damals mir nicht Rede,
Du enteiltest schüchtern, gleich dem Winde;
Aber doch hat dir das Herz im Busen
Wohl der Gott verwundet schon, der blinde!
Und ich sog im Duft der Lindenblüthe
Ein den Zauber, den ich noch empfinde.
Drum so oft ich ein Geschenk dir bringe
Schmückt ein Lindenblatt das Angebinde,
Um dein sanftes Herz an das zu mahnen,
Was zu sagen ich nicht Worte finde.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 393)

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Mein Glück

Der Vogel freut sich, wenn er fliegen darf,
Der Held, wenn streiten er und siegen darf;
Doch mir genügts, wenn ich mit Blumenketten
Gebunden dir zu Füßen liegen darf;
Mein Trost ist, daß ich zärtlich dich umfangen,
Wenn du vom stolzen Thron gestiegen, darf.
O Wonne, wenn ich mit den Fingern tändeln,
Sie öffnen, küssen, schließen, biegen darf!
Und seelig bin ich, wenn die Hand, die leichte,
Um deinen schlanken Wuchs sich schmiegen darf;
Ich fühl' ein Gott mich, wenn mein Haupt voll Ruhe
An deiner Brust sich lächelnd wiegen darf;
Wenn meine Kühnheit deiner scheuen Bitten
Ohnmächt'gen Widerstand besiegen darf.
O wäre doch verbürgt mir, daß die Quelle
Der Wonne nimmer mir versiegen darf!
Einst kommt der Tag noch, wo ich stolz bekennen,
Das Glück, das ich so lang verschwiegen, darf.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 396)

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Allmacht der Geliebten

Grüner sproßt das Gras von deinen Tritten,
Stolzer wird, wen siegreich du bestritten;
Muth'ger bäumet sich das Roß empor,
Das als Amazone du geritten;
Weißer wird und glänzender der Schnee,
Wenn darüber hingeeilt dein Schlitten,
Frischer, üpp'ger schwillt die Rose auf,
Welche du vom Strauche abgeschnitten.
Wie der Ostwind reinigt dumpfe Luft,
Sänftigt deine Nähe rohe Sitten;
Wem dein holdes Auge freundlich lacht,
Der vergißt, daß jemals er gelitten;
Deine Hoffnung winkt das Glück herbei
Und die Allmacht wohnt in deinen Bitten;
Himmel bringst du und das Paradies
In des Elends und der Sünde Mitten.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 397)

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Die Unentfliehbare

Dir konnt' ich mich nicht widersetzen,
Entrinnen nicht den goldnen Netzen!
Wo fände meine Seele Ruh,
Die deine Reize rastlos hetzen?
An einem Bache kniet' ich hin
Die dürren Lippen zu benetzen;
Da wichen mir die Wellen aus,
Verweigernd meinen Durst zu letzen;
Den Mantel rissen Dorne mir
Der Selbstgenügsamkeit in Fetzen.
Von fern seh ich die Jägerin
Das blanke, breite Messer wetzen.
Die weitre Flucht versperrt der Strom
Und meinen Fuß lähmt das Entsetzen;
Entschlossen liefr' ich mich dir aus,
Und du - du wirst mich nicht verletzen.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 398)

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Lebensbestimmung

Meinem Streben gabest du eine neue Wendung;
Liebe, fühl' ich, ist des Seyns Krone und Vollendung.
Falsche Lehrer äfften mich, bis ich dich gesehen,
Und mein ganzes Dichten war Thorheit und Verblendung.
Ueber Büchern saß ich stets; Müßiggang und Freude
Schalt ich, als der ernsten Pflicht frevelhafte Schändung.
Anders ist es jetzt mit mir: du nur bist mein Himmel;
Deiner sanften Seele gilt meiner Opfer Spendung.
Nicht um Ehre, Würden, Gold quäl' ich mich und Andre;
Nur dein Herzchen für mein Glück fleh' ich um Verwendung,
Leitstern meiner Pilgerfahrt ist dein lichtes Auge;
Dich zu lieben ist mein Ruhm, Küssen meine Sendung.
Meines Wesens tiefste Kraft strömt zu dir hinüber,
Denn der höchste Selbstgenuß ist des Selbst Verschwendung.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 399)

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Unüberwindlichkeit

Zärtlichkeit wächst kräftig unter Nöthen,
Sturm und Donner tönen ihr wie Flöten;
Liebe, fühlst du auch, daß Menschenhände
Nicht den Keim der Treue können tödten?
Glut und Hammer trennen nicht die Herzen,
Müssen fester sie zusammenlöthen.
Wollte uns der Haß der Feinde scheiden:
Engel helfend uns die Hände böten!
Dann verschwände rasch die arme Erde
Wie ein dunkles Traumstück der Erhöhten,
Und es würde uns die näh're Sonne
Feuriger nur Wang' und Lippe röthen.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 402)

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Die Retterin

Oftmals will mein kühner Geist seine Schranken überspringen
Und in der verworrnen Welt innerstes Geheimniß dringen;
Sinnend quält sich der Verstand mit geheimnißvollen Fragen,
Und es spannt die Fantasie aus zum Flug die breiten Schwingen;
Oft gelüstete mich's schon schwarze Geister zu citiren
Und dem lippenlosen Mund ein Geheimniß abzuringen:
Aber wenn ich hoffnungslos durch des Geistes Wüsten schweife
Und der finstre Zweifel mich in den Abgrund will verschlingen:
Dann erscheinst o Liebchen du! leuchtend in dem Kranz des Lebens
Und es löset deine Hand mir die zugezognen Schlingen.
Sprich, wer lehrte dich das Lied, das den Meersturm stillen könnte,
Da es meine Seele kann, wie ein Kind zur Ruhe singen?
Ja so tödlich ist kein Gift, aus dem schlimmsten Kraut gezogen,
Dessen sichre Heilung nicht deinem Kusse muß gelingen!
Dem Verirrten wirfst du hin einen starken seidnen Faden,
Welcher aus dem Labyrinth mich ins Paradies muß bringen.
Niemand der dich lächeln sieht, deine leichten, süßen Spiele,
Ahnte wohl, daß deine Macht kann den schlimmsten Dämon zwingen.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 403-404)

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Genügsamkeit

Dem frostgewohnten Bettler ist Ein Gewand genug,
Dem Schiffer, der gescheitert, der öde Strand genug;
Doch einem Geizhals wäre nicht Salomonis Schatz
Und nicht, in Gold verwandelt, des Meeres Sand genug.
Mich gerne zu bescheiden mit spärlichem Besitz
Gab mir dein holdes Lächeln, o Kind, Verstand genug.
In einem Blumengarten, an einem schmalen Feld
Steht meine ganze Habe; doch hab' ich Land genug,
Nicht hab' ich stolze Rosse, mich trägt der eigne Fuß;
Breit ist für mich zum Wandeln der Straße Rand genug.
Mich fest an dich zu binden braucht's goldne Ketten nicht -
Stark ist dazu von Seide das rothe Band genug.
Wenn in des Herzens Tiefe die ächte Freude wohnt:
Sie auf die Stirn zu locken ist jeder Tand genug.
Fern, sagt man, ist der Himmel: mir aber ist er nah;
Ihn zu umfassen ist mir die bloße Hand genug.


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 405)

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Im Winter

Der Berge Häupter deckt von Schnee die Haube;
Doch wie ergrimmt der wüste Nordwind schnaube:
Fest steht, daß meiner Liebe Paradies
Noch reich an Grün und Früchten sey, mein Glaube.
Zu dir, mein freundlich Mädchen, in der Noth
Des Winters sandt' ich aus die weiße Taube,
Und siehe da, sie kehret mir zurück.
Ihr rothes Füßchen trägt die Spur vom Staube;
Ja, sommerlich noch muß es seyn um dich,
Ich les' es aus dem saftig frischen Laube;
Auch schreibst du: "komm', hier wartet Alles dein!
Die Dattel reift, es färbt sich schon die Traube."
Ja, kommen will ich! doch mein Herz verlangt
O Kind nach einem noch viel süßern Raube!


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 409)

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Das Traumbild

Du, der ich tausend Reize lieh,
Bist nur ein Kind der Fantasie!
Doch bist du meinem Herzen werth,
Du Bild der Fantasmagorie!
Um dich zu schmücken leert' ich aus
Das Schatzgemach der Poesie!
Ich schaue deine Huldgestalt,
Im leichten Traum umfass' ich sie,
Die mächtig dir das Daseyn gab,
Sie bleibet kräftig - die Magie,
Ob mancher Ungeweihte auch
Das liebliche Gespenst beschrie.
Ich sehe Locken Wang und und Stirn
Und sinke süß berauscht aufs Knie;
Doch über deinen Wimpern hängt
Der Nebel der Melancholie,
Das Auge, ach! das Himmelsthor
Der Seele, öffnetest du nie;
Und fleh' ich dringend dich drum an:
Entfliehst du mir - ich weiß nicht wie?


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Neue Sammlung
Stuttgart 1835 Verlag von Paul Neff (S. 410)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Pfizer



 

 


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