Adolf Pichler (1819-1900) - Liebesgedichte

 

Adolf Pichler
(1819-1900)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Erhebung

O laß mich längst Entschwundenes erneuen
In leichten Zügen rein und luftig klar,
Wie einst zu klagen, wieder mich zu freuen: -
Mir wird das Leben nur als Dichtung wahr!
Doch diese wird sich ewig jung bewähren,
Und bittres Leid Erinnerung verklären!

Weißt du es noch? Wir wandelten im Garten,
Es wogte Nebel flockig durch das Tal,
Von Licht umzittert neigten wie Standarten
Die schlanken Pappeln sich dem Morgenstrahl,
Die braunen Knospen schienen aufzuleben,
Im Tale rings ein träumerisches Weben.

Es kündete von frischem Grün umschränket
Des Frühlings Sieg der Bach geschwätzig laut,
Du horchtest hin und bargst das Haupt gesenket,
Das Aug' von einer Träne sanft betaut.
Ich mochte nicht um dein Geheimnis fragen,
Und mein Geheimnis wagt' ich nicht zu sagen.

Doch diese Trän', als wäre sie geflossen
Einst mit des Paradieses goldner Flut,
So volle Keime hat sie mir erschlossen,
Die kaltem Stolz verborgen lang geruht:
Ein Frühlingsbrüten traurig und voll Ahnung,
Und wonnig doch als wie der Zukunft Mahnung.

Da war's zuerst, wo schauernd ich empfunden
Das große Wort, das lebend Leben schafft,
Und das zu hören, hält sie schmerzgebunden,
Die Welt empor sich ringt mit letzter Kraft,
Denn wo sie quillt der Liebe warme Träne,
Neigt der Erlöser sich zur Magdalene.

Weißt du es noch? - schon dunkelten die Blätter
In Sonnenglut, es war der Lenz vorbei,
Am Himmel ferne grollend stieg ein Wetter,
Es schlug der Sturm den Fittich wild und frei.
Wir wandelten im Wald auf schmalem Steige,
Die Blitze zuckten feurig durch die Zweige.

Mild lächelnd schlangest du im leichten Bogen
Dann einen Lärchenzweig und tratst zu mir:
"Die Locken zähm' ich, die im Winde wogen,
Und fess'le sie mit dieses Kranzes Zier!"
Du sahst im Auge nicht die Träne steigen,
Die ich zerdrückte weggewandt mit Schweigen.

Du sahst sie nicht - und keine war so bitter,
Die jemals noch von meinem Auge rann,
Du weihtest mich für harten Kampf zum Ritter:
Einsam die Eiche, einsam auch der Mann!
Der Eiche wird die Myrte nie sich einen,
Laß mich die letzte Abschiedsträne weinen.

Doch ob dämonisch Kräfte sich entfalten,
Sie fügen sich in schöner Harmonie,
Zerstörend nicht, wie vorher stets, zu walten,
Weil deine Hand im Kranz den Sieg verlieh.
Es legen sich die Königin zu grüßen
Der Wüste Leu'n gebändigt dir zu Füßen.

Weißt du es noch? - Ich stand bei dir am Flieder,
Zur Nische war um dich gewölbt der Strauch,
Es wehte kalt, die Blätter fielen nieder,
Von Purpur rot, zerstreut von Herbstes Hauch,
Du wiesest auf die Astern, späte Blüten,
Als sollten sie das Grab des Lenzes hüten.

"Mit deinem Namen will ich diese nennen,
Die sich auf schlankem Schafte wieget hier!"
Ich mußte mich - verbannt für immer - trennen,
Gebrochen reichtest du die Blume mir,
Du sprachest: "Zieht der Frühling in die Ferne,
So streut er scheidend auf die Erde Sterne."

"Und sieh' nur, wie sie freudig rings entsprossen,
Sie fragen nicht, ob nah' der Winter schon?
Sie steh'n wie Helden todeskühn entschlossen,
Und sprechen seinem kalten Sturme Hohn.
Was einmal blühte, bleibt uns unverloren,
Was einmal liebte, wird stets neu geboren!"

So hast entfremdet du mein tiefstes Wesen,
Doch nur, daß ich in dir es schöner fand,
In deiner Seele Spiegel konnt' ich lesen,
Was ich in Lebenswirrung nicht verstand:
Was flüchtig war und nebelgleich zerronnen,
Es hat Gestalt und Form durch dich gewonnen.

Wie soll ich einsam nun das Leben tragen,
Wenn fern geschieden blieb ein Leben mir,
Soll meine Klage an den Himmel schlagen? -
Es ist umsonst, mein Himmel ist bei dir!
Ich kann nicht seine Sterne ihm entraffen,
Und eine Welt mir neugestaltend schaffen.

So ist es tiefe Nacht ringsum geworden,
Ich finde nirgend Stütze mehr noch Ziel,
Dem Schiffer ähnlich, dem vom hohen Norden
Sein Stern verlöschend, untergehend fiel;
Es läßt des Leidens Schwere mich empfinden,
Was du mir warest, Trost kann ich nicht finden.

Doch nein! - es regt der Geist die kühnen Schwingen,
Der phönixgleich der Asche sich entrafft,
Zu fühlen tiefsten Schmerz, mit ihm zu ringen
Ist einzig Maß von hoher Götterkraft:
Der Heros litt und in dem Schmerzensbrande
Zerschmolzen, die gefesselt ihn, die Bande.

Ist's Täuschung nur? - Auch du nahst freundlich wieder,
Wie dich das Aug' der Liebe einst geschaut,
Die Wolken wogen sanft um deine Glieder,
Die Brücke steht aus Sternen hell gebaut,
Aus starrem Eise sprudeln Lenzesquellen,
Die Zweige wehen und die Knospen schwellen.

Du nahst mir, so freundlich anzuschauen,
Daß eins mit dir sich fühlet mein Gemüt,
Und dann so hehr und groß wie an dem blauen
Gewölb' des Himmels eine Sonne glüht;
Daß mir in eig'ner Brust nichts dunkel bliebe,
Sollt' es in dir verklären reine Liebe!

Du schwebst vor mir im hellen Ätherlichte, -
Wie du gewesen immer gut und rein,
Vor Geistes Freiheit wird der Schmerz zunichte,
Das Wahre blieb, was unterging war Schein,
Und was die Brust mir innerst rief durchklungen,
Hab' ich zu ewigem Besitz errungen!

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 7-11)

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Sturmesode

Frei brause durch die Wolkennacht,
Stürm' her in wilder Kraft,
Bis deinem Odem blätterlos
Sich beugt der alte Schaft.

Verwirble nur das gelbe Laub
Im Kreise durch die Luft,
Zerrissen, zarter Liebe Schmuck,
Streu's auf der Erde Gruft.

Es hat der holde Lenz ihr nicht
Gelöst sein Blumenwort,
Er steht am Berg und ziehet weit,
Weit mit den Schwalben fort.

Schwingst du den Wolkenmantel Sturm
Hoch über Berg und Tal?
Ein weites Grab nur! - singe du
Des Totesamts Choral.

Ich schaue durch den Wolkenriß,
Da strahlet klar und mild, -
Du reißest es vom Himmel nicht, -
Der Dioskuren Bild.

Da strahlt und strahlt in Ewigkeit
Das hehre Jünglingspaar,
Da strahlt die Krone, - raff' sie fort, -
Aus Sternen licht und klar.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 11-12)

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Vorfrühling

Ein leises Frühlingsahnen weht
Mit unsichtbarem Flügel,
Es schmilzt das Eis, der Schnee zergeht,
Das Veilchen keimt am Hügel.

Zerrissen ist das Nebelgrau
Wie eine Knospenhülle,
Vom Himmel klar und wonnig blau
Strömt neue Lebensfülle.

Auch mir erwacht in tiefster Brust
Wie mit der Schwalbe Schwingen
Des Wanderns sehnsuchtsbange Lust:
Ins Weite fortzudringen.

Schneeglocke hebt die Blüte fein
Am Hag aus grünem Moose,
Ich werde in der Fremde sein,
Bricht auf die erste Rose.

Und wenn das letzte Blatt entfliegt
Verweht von Herbstes Winden,
Mag dein Gedanke sturmgewiegt
Mich auf dem Meere finden.

Und schwimmt das letzte Blatt vorbei
An meinem Kiel, dem schnellen,
So frag' ich wohl: was treuer sei:
Ob Lieb', ob Meereswellen?

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 12-13)

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Diebstahl

O dürft' ich ich dich küssen
Mein herziges Lieb
In duftiger Laube
Verstohlen ein Dieb!

Doch hast du als Wächter
Die Äuglein bestellt,
Die Hand dann die feine
Mich ferne stets hält.

Wenn schlummernd du lägest,
Ich schliche hinzu,
So leis nur ein Traum je
Umspielt deine Ruh.

Ich wollte dich küssen
In schweigender Lust,
Die Wange lind neigen
Hinab auf die Brust.

Und wärst du erwacht dann,
Du sagtest zu mir:
Mein Trauter! es träumte
Mir eben von dir.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 24-25)

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Folgerung

Auf den Samstag der Sonntag,
Aufs Äuglein ein Kuß
Ist längst schon im Brauche
Wie's Laden beim Schuß.

Drum weg mit dem Finger
Von Wange und Mund,
Sonst strafe ich lügen
Dein Äuglein mit Grund.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 25)

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Schützenliebe

Mein trautes Liebchen glaubst du wohl,
Daß ich dich einzig frei'?
Es gibt noch, was ich lieben muß,
Des Schönen mancherlei.

Siehst du den Stutzen an der Wand
Mit stahlgezognem Rohr?
Er ist's, dem ich weit früher noch
Als dir die Treue schwor.

Mein Stab, mein Freund, gefällt er dir
Du holde Schützenbraut?
Er schlief so manche Nacht im Wald
An meiner Seite traut.

Siehst du die Berge schneebedeckt
Umhüllt von Wolkenflaum?
Sie hüteten gar väterlich
Des Knaben Wiegentraum.

Nun trete würdig ich als Sohn
Vor ihre Stirne hin,
Ja würdig, stark an Sehnenkraft,
An freiem Mannessinn.

Und steig ich zu der Alpe auf,
Sie streuet Blumen mir,
Ich bücke mich und pflücke sie
Zum Strauß mein Liebchen dir.

Den senden dir die Berge zu
Als einen frohen Gruß,
Drum, daß ich anders liebe, gib
Auch du den Sühnungskuß!


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 25-26)

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Die Zeugen

Es liegt dein Haupt auf Lilien,
Auf Rosen schlummerst du,
Ich schleiche hin und beuge mich,
Du schläfst in holder Ruh.

Ich neige mich und breche still
Die Lilie, die Ros',
Ich küsse sie und lege dann
Sie sanft auf deinen Schoß.

Du lächelst wohl, wenn du erblickt
Die Blumen ausgestreut,
Streckst deine weißen Hände aus,
Und nimmst sie still erfreut.

Doch hör der Rose süßes Wort
Aus vollem Purpurmund,
Neig deine Stirn der Lilie,
Blick in des Kelches Grund.

Die Rose spricht von Liebe viel,
Doch Zeugen braucht es zwei;
Drum liegt als Zeuge fromm und rein
Die Lilie dabei.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 27)

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Mondnacht

Draußen legt sich Nacht und Stille
Auf die schwarzen Giebel schwer,
Droben bricht die Wolkenhülle
Mondesschimmer klar und hehr.

Und verloren still in Sinnen
Steh am Fenster ich allein,
Seine milden Strahlen spinnen
Tiefer mich in Träume ein.

Wie sie wallen, wie sie fließen,
Bauen sie um mich ein Zelt,
Holde Silberblumen schließen
Einen Bogen glanzerhellt.

Durch den off'nen Bogen blinken
Himmelsblau und Sternenschein,
Deine Augen seh ich winken,
Und du schwebst zu mir herein.

Tausend Strahlen weben, schließen
Sich zur Wölbung still und kühl,
Und die Silberblumen sprießen
Schwellend uns zum Hochzeitspfühl.

Wie sie steigen, wie sie wallen,
Zieht Gewölk am Himmel blau,
Ach die Silberblüten fallen,
Duft und Luft verschwimmt der Bau.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 28)

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Emma
Entschuldigung
1848

Es schwand die Zeit, wo Lieb' mit süßem Bangen
Zur bleichen Mondesscheibe seufzend schaute,
Wo sie noch horchte, wie die Vögel sangen
Und ihren Schmerz den Veilchen anvertraute.

Die Freiheitsmütze trägt sie wild und blutig
Jetzt auf dem Haupt mit trotzigen Geberden,
Ihr Auge schleudert Blitze todesmutig,
Sie ruft: "Es soll ein Tag der Rache werden!"

Sei's immerhin! sie wird euch stets berücken,
Sie bleibt ja doch die Königin der Herzen,
Ihr müßt euch stumm vor ihrem Throne bücken,
Verhängt sie Wonnen oder bitt're Schmerzen.

Und fallen endlich ab der Kette Glieder, -
Was bleibt zurück dann, als die kalte Trauer?
Drum heft' ich still entsagend diese Lieder
Als Weihgeschenk an ihres Tempels Mauer.
(S. 30)


1847
I.
Was liegt daran, ob sie auch tückisch grollen
Und uns zu trennen zieh'n die schwere Kette,
Den herben Trunk, den sie uns keltern wollen,
Sie schlürfen ihn noch selbst, - es gilt die Wette!

Sie haben nie vom Geiste was vernommen,
Wie sollten sie? das ist verlor'ne Kunde!
Sie wissen nicht: wo Liebe treu entglommen,
Daß Geister Zeugen sind dem festen Bunde.

Laß sie's nur wagen, sind mit mir verschworen
Die Erde und des Himmels weite Räume!
Die Nachtigallen flöten tauben Ohren,
Dir bringen sie des Liebsten Frühlingsträume.

Und wärest du im tiefsten Turm verschlossen,
Ich hieße dann den Efeu aufwärts ranken;
Die Blätter lispeln, die ums Gitter sprossen
Und künden meine innersten Gedanken.

Und muß der Efeu ihrem Messer weichen,
So werden dir die Sterne Botschaft bringen,
Was wissen sie von diesen hehren Zeichen,
Den Harmonien, welche Sterne singen!

Und würden sie den Himmel dir verhängen
Mit schwarzem Flor, so wird mein Lied erklingen
Und des Verlieses dunkle Wände sprengen,
Dir meiner Liebe Friedensgruß zu bringen.
(S. 30-31)


II.
Wie ist das Leben reich an Gegensätzen,
Die keine Weisheit je vermag zu klären!
O, glücklich jener, den sie nicht verletzen,
Dem milde Götter leichten Sinn gewähren!

Der rauhe Kiesel hält das Licht gebunden,
Das edle Gold verlarven schlechte Erze,
So hab' ich meine Lilie gefunden
In einem Sumpfe mir zum bitt'ren Schmerze.
(S. 31-32)


III.
Ich weiß es wohl, sie streuen ihre Samen
Und pflanzen Kraut mit wohlverstand'ner Pflege,
Die Beete schließt der grüne Buchs als Rahmen,
Die kahle Mauer zieht sich ums Gehege.

Sie dulden da und dort auch eine Blume,
Wie sie die Liebe dulden in dem Leben.
Die knappe Wirtschaft rechnen sie zum Ruhme;
Die Blüte kann ja später Heu noch geben.

Ich seh' es wohl, wie sie bedenklich schweigen,
Weil ich gelernt nicht, ihnen mich zu fügen,
Es mögen aufwärts meine Keime steigen,
Ich mag sie nicht um ihren Lenz betrügen.

Aus meinem Herzen soll die Liebe blühen,
Wie an des Lavaberges heißen Räumen
Der wilden Rebe volle Beeren glühen,
Daß die Pokale von dem Feuer schäumen.
(S. 32)


IV.
Sie drohen schweren Fluch und lange Reue,
Wenn du noch ferner wagest mich zu lieben,
Doch unerschüttert fest bleibt deine Treue,
Sie ist kein Spruch, auf Schiefer hingeschrieben.

Nichts ahnen sie von deiner Seelengröße,
Sonst würden sie vor dir im Staub sich neigen;
Doch nur Geduld, in ihrer ganzen Blöße
Wird deines Herzens Lauterkeit sich zeigen.
(S. 32-33)


V.
Dieselbe Sonne weckt das Ungewitter,
Die aus der Erde lockt des Veilchens Blüte,
O schilt mich nicht, erschein' ich herb und bitter,
Wenn dich beseelen Harmonie und Güte.

Durch uns ist unser Wesen nicht geworden,
Der Zufall bildet es aus tausend Quellen!
Es fließt dein Strom an lichten Blumenborden,
Der meine braust in sturmgejagten Wellen.
(S. 33)


VI.
Als ihre schwersten Flüche dir erklangen,
Erhobest du gleich einem Heil'genbilde
Die Hände zum Gebete, riefst mit Bangen:
"Verschone Gott die Ungerechten milde!"

O sage mir, wie kann ich dich verehren?
Ich lege meine Waffen dir zu Füßen,
Du brauchst sie nicht, ein Strahl kann dich verklären
Und Engel werden dich als Freundin grüßen.
(S. 33)


VII.
Je heftiger geschwungen wird der Hammer,
So stärker wird er ab vom Amboß prallen;
Ihr Drohen macht mir schwerlich großen Jammer,
Es wird ein Nichts vor meinem Ohr verhallen.

Doch eines ist's, das fürcht' ich stets mit Beben:
Sie treffen dich mit ihres Bannes Strahlen,
Da bin ich jeder Wunde bloßgegeben
Und nichts beschützet mich vor Todesqualen.
(S. 33-34)


VIII.
Sie haben recht, daß sie mich schuldig nennen
Und mir den Stab mit strengem Urteil brechen,
Wenn sie das Schandmal auf die Stirn mir brennen,
Ich werde, stolz und kalt, nicht widersprechen.

Zu keck bin ich auf anderm Weg gegangen,
Als den sie spröd' mit strenger Sitte zogen,
Wo sie ans Pförtchen pochen scheu mit Bangen,
Hab' ich die Schranken frevelnd überflogen.

Wenn sie mich scheltend einen Sünder heißen -
Mir liegt nicht viel am Lobe und am Tadel,
Nur eines will mir fast das Herz zerreißen:
Daß sie beflecken deiner Seele Adel!
(S. 34)


IX.
Dämone fliehen vor des Kreuzes Zeichen,
Die Geister werden von dem Geist gebunden,
Wo aber wird die Waffe, der sie weichen,
In diesem schweren Kampfe wohl gefunden?

Es ist umsonst, mich wider sie zu stellen;
An ihrer Roheit, ihr Herzens Härte
Muß jede Klinge hoffnungslos zerschellen, -
Sie greifen nach dem Kot, statt nach dem Schwerte.
(S. 34)


X.
O schweiget still von Edelmut und Güte,
Daß euch der Gott der Liebe nicht verdamme!
Wenn ihr von allen Zweigen streift die Blüte,
Was bleibt wohl übrig noch dem nackten Stamme?

Euch zu versöhnen, soll ich ihr entsagen,
Von ihrer Huld wie Kain mich flüchtig wenden,
Nicht darf sie hören meines Liedes Klagen,
Ihr wollt ja Trost mit zartem Wort ihr spenden!

Ob dieses mir nicht Edelmut verkünde?
Man möchte fast für Spott die Frage nehmen!
Ich werde nie verleugnen meine Sünde,
Doch eures Edelmuts würd' ich mich schämen.
(S. 35)


XI.
Sie haben mich im tiefsten Schmerz gesehen,
Das Auge feucht von ungewohnten Zähren,
Sie wandten höhnisch sich von meinem Flehen
Und mochten keine Schonung dir gewähren.

Ich dacht', wie jener rief mit bleichem Munde:
Mein Gott, mein Gott, was hast du mich verlassen!
Und seufzte still in dieser schweren Stunde:
Ich will sie deinetwegen nicht mehr hassen.
(S. 35)


XII.
Sie hetzten mich aus deiner trauten Nähe;
Ich zählte fliehend nicht der Wand'rung Stunden,
Ich habe eines nur: der Trennung Wehe,
Doch nicht des Körpers Müdigkeit empfunden.

Die Sohle blutig und das Kleid zerrissen
Saß ich am Tisch, vom Schmerz ein satter Zecher,
Die Wirtin stellte auf den kargen Bissen
Und Alpenwasser in dem Zirbelbecher.

Ich konnte nicht die starren Blicke wenden
Im Winkel dort von des Erlösers Bilde,
Gebräunt von Rauch, mit ausgespannten Händen
Neigt' er zu mir voll Gnade sich und Milde.

Da ist der Sinn davon mir aufgegangen:
Daß nur der Dulder fasse Christi Lehren,
Ich deckte mit den Händen meine Wangen
Und mochte nicht den heißen Tränen wehren.
(S. 35-36)


XIII.
Wann bat ich euch, ihr sollet mich beraten,
Wie zu bezwingen meine herben Qualen?
Ihr rechnet mit der Liebe nach Dukaten
Und wollt die Lust, den Schmerz mit Gold bezahlen.

Nur jener Mann der Bibel konnt' es fühlen,
Was ihr mit eurem Trost nicht wißt zu fassen:
Er sah die Schweine in den Trebern wühlen
Und seine Perle mußt' er ihnen lassen.
(S. 36)


XIV.
Es stieg die Nacht vom Sternenhimmel nieder,
Auf Erden ihres hehren Amts zu walten,
Der Schlummer schloß auch mir die matten Lider
Und öffnete das Tor den Traumgestalten.

Auf einer Heide, traurig und verlassen,
Schritt ich dahin, du schwebtest mir entgegen,
Ich wollte freudig deine Hände fassen,
Doch wie gefesselt konnt' ich mich nicht regen.

Da gingest du mit leisem Gruß vorüber,
Ich sah dir nach, durchzuckt von wildem Leide,
Zu Häupten ward der Himmel trüb' und trüber
Und düst'rer noch erschien die braune Heide.
(S. 36-37)


XV.
(1850)
Wie viele Stunden sind seitdem entflogen,
Als ich voll Schmerz die Verse hingeschrieben,
Beruhigt sind der Leidenschaften Wogen, -
Vorüber alles! - nur das Lied geblieben!

Gleich einem Schatze will ich es behalten,
Die Schlacke ist's von einem heißen Leben,
Wird trüb' das Aug' und will das Herz erkalten,
So mag es von Vergang'nem Kunde geben.

Und auch dein Bild, von Duft und Glanz umwoben -
O daß es nie vor meinem Sinn verblasse,
Ward auch die Mauer zwischen uns geschoben
Erbarmungslos von ihrem feigen Hasse!

Es steh'n auch sie gezeichnet in dem Liede,
Und dieses sei des Dichters ganze Rache:
Der Jungfrau Haupt umspielen Licht und Friede,
Doch ihr zu Füßen liegt der Höllendrache!
(S. 37)

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906

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Maria

I.
Noch einmal möcht' ich fühlen Schmerz und Lust,
Wie sie einst wild durchwogten meine Brust,
Noch einmal möcht' ich in dein Auge seh'n,
Dann will ich gern in die Verbannung geh'n.

Dort ragt ein Fels so starr und wettergrau
Empor in deines Himmels lichtes Blau,
Doch wenn im West' die Sonne still erglüht,
Ist er von Flammenrosen hell umsprüht.

Zur Seite dir umfließt der Abendtau
Ein Rosenknöspchen in der grünen Au,
Es dehnt sich schwellend, bis die Hülle springt
Und in den Kelch die Frühlingssonne dringt.

Noch einmal möcht' ich fühlen Schmerz und Lust,
Wie sie einst wild durchwogten meine Brust,
Noch einmal möcht' ich in dein Auge seh'n,
Dann will ich gern in die Verbannung geh'n.
(S. 38-39)


II.
Oft folgten meine Blicke deinem Gang
Und Wehmut füllte meine Seele bang':
Du bist ein Strahl aus einer andern Welt,
Der freundlich durch Gewitterwolken fällt.

Die ruhende Lawine an der Wand
Ruft auf zum raschen Sturz ein Körnchen Sand:
Was längst in meiner Brust entschlummert war,
Das weckt dein blaues Auge tief und klar.

Oft frag' ich mich im stillen: "Ist's ein Traum?" -
Die Antwort wag' ich dann zu geben kaum,
Ein schmaler Strich trennt Ideal und Sein:
Die Wonne kurz, zu lang' nur währt die Pein!

O, eine Träne nur! du ahnst es nicht,
Warum sie plötzlich aus dem Auge bricht:
Laß dieses Lied die Nachtviole sein,
Du bleib' mein Stern am Himmel klar und rein!
(S. 39-40)


III.
Wär' mir geschenkt doch jener Zaubersang
Mit dem der Grieche die Natur bezwang,
Daß Feld und Berg in schöner Harmonie
Sich willig ihm zu treuem Dienste lieh!

Da rief' ich schnell durch diese Wundermacht
Die Edelsteine aus des Berges Schacht,
Den Blumen rings geböt ich auf der Flur,
Zu blüh'n allein auf deines Weges Spur.

O, wär' mir dieser Zaubersang verlieh'n,
Die Sterne selbst würd' ich vom Himmel zieh'n,
Als Schmuck zu flechten dir ums blonde Haar,
Ein Diadem aus Sternen licht und klar.

Und wo du wandelst, soll mit lautem Schall
Begrüßen dich das Lied der Nachtigall,
Die Lerche, die entschwebt dem grünen Mahd,
Laut jubelnd dich begleiten auf dem Pfad.
(S. 40)


IV.
Die Nachtviole sendet ihren Duft
Des Abends wie ein Opfer in die Luft,
Die Sterne glänzen ernst und still herab,
Doch morgens fällt verwelkt die Blüte ab.

Du wandle unberührt vom Erdenstaub,
Wird dieses Herz der bitt'ren Qualen Raub;
Wenn mir kein banger Seufzer auch entwallt,
Steh' ich am Morgen stumm vor dir und kalt.
(S. 40-41)

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906

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Der Adler

I.
Der Adler schwingt im Felsengrunde
Sich von der toten Gemse auf,
Die Wolke dämmert dunkel, dunkler,
Es sprüht der Blitz am Felsenknauf.

Er zuckt und greift ins Glanzgefieder
Dem Aar mit kecker Roblerhand,
Und wirft ihn flammend aus den Wolken
Zur Gemse an der Felsenwand.

Es strömt herab auf beide Leichen
Der Alpenregen kühl und fein;
Ich dachte nachher oft im stillen:
Wohl möchte ich der Adler sein!


II.
Es greift der Blitz ins Prachtgefieder
Dem Aar mit kecker Roblerhand
Er sinkt und stürzt aus Himmelsnähe
Getroffen nieder auf das Land.

O könnt' ich jemals diesem gleichen, -
Ein Tod so frisch - voll Jugendmut!
Eh in den Adern noch des Greifes
Beginnt zu stocken träg das Blut.

Sei's immerhin, den Kuß der Liebe
Möcht' ich dafür entbehren gern,
Doch nein! Untreue will ich niemals
An dir begeh'n, mein holder Stern.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 41-42)

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Spätes Finden

Ich habe dich erst spät gefunden
Nach mancher Lust, die mich entzückt,
Nach mancher Spur von alten Narben,
Die mir das Leben eingedrückt.

Schon ging ich einsam und verschlossen
Auf grauer Tage öder Bahn,
Da ward es Licht: die Blumen knospen,
Du blickst mich hell und freundlich an.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 42-43)

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Die schönste Blüte

Und hab' ich dich auch spät gefunden,
Nicht schelt' ich meines Lebens Fahrt,
Daß ich das Höchste ganz erkenne,
Blieb bis zuletzt es aufgespart.

Des Juli Sonne sengt die Blüten,
Das welke Gras bedeckt der Staub,
Oft grüßt im Herbst die schönste Blume
Bescheiden dich aus grünem Laub.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 43)

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Am Bergsee

Verborgen in des Waldes Mitte
Ein Alpensee so kühl und rein;
Der Nebel schwand, die Sonne glänzte
Aus seiner Flut mit hellem Schein.

Seelilie stieg auf vom Grunde
Im weißen Kelche lichtes Gold:
Da mußt' ich freundlich deiner denken,
O meine Liebe treu und hold!

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 43)

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Die Lawine

Es senkt sich auf die Felsenzinnen
Der Himmel wie ein ehern Dach,
Die Sonne küßt mit Flammenatem
Die donnernde Lawine wach.

Sie stürzt und braust im Riesensprunge
Gleich einem Sieger stolz und groß,
Bis sie auf Veilchen und Narzissen
Sich ruhig legt in Tales Schoß.

Und ihre kalten Eiskristalle
Zerfließen sanft zu klarem Tau,
Was lockte sie von ihren Höhen
Herab, herab zur grünen Au?


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 44)

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Im Felde

Auf grüner Wiese steht die Primel
Die bunte Anemone blüht,
Und fern vom klaren Abendhimmel
Das Gold in tausend Rosen sprüht.

Ja Frühling, Frühling ist es worden,
Es tönt sein Ruf so laut und rein,
Es stimmt in freudigen Akkorden
Der Chorgesang der Vögel ein.

Und du auch wandelst mir zur Seite
Umschlingst mich mit den Armen weich;
Wo Lenz und Liebe im Geleite
Da öffnet sich das Himmelreich.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 46)

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Botschaft

Ich sandte dir den Sonnenstrahl
Als raschen Boten zu,
Er suchte dich in Wald und Tal,
O sprich, wo weilest du?

Drauf zog die Wolke sturmgejagt
Dahin vor meinem Blick,
Ich hab ihr einen Gruß gesagt,
Sie bracht' ihn nicht zurück.

Drauf schimmerte das Abendrot
Von Berg zu Berg gespannt,
Was ich zu sagen ihm gebot,
Es blieb dir ungenannt.

Und jetzt der Sterne holdes Licht -
Ja ja, die trafen dich!
Sie winken heimlich mir Bericht,
Daß still du liebest mich.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 48)

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Seefahrt

Es schäumt und braust die Welle
Und trägt dahin mein Schiff,
Die Liebe lenkt das Steuer,
Wo Klippe droht und Riff.

Doch sind die Fluten ruhig,
So schwebet hehr und mild,
Gleich einem weißen Schwane
Vor mir dein holdes Bild.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 48-49)

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Auf der Wanderung

O Schwalbe reg' die Schwingen
Und zieh nach Süden fort,
Der Trauten sollst du bringen
Des treuen Wand'rers Wort.

Und ist sie heiter, sag ihr
Von meiner Wiederkehr,
Dann glänzt verklärt von Freude
Ihr lichtes Aug' noch mehr.

Und ist sie traurig, zwitschre
Von Lust und Liebesglüh'n,
Bis ihre bleichen Wangen
Wie rote Rosen blüh'n.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 49)

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Herbstlieder

I.
Der Winter naht, die Berge blinken
Vom jungen Schnee am Sonnenstrahl,
Die letzten Blumenkronen sinken,
Das letzte Blatt verweht im Tal.

Wie soll die Tage ich verbringen,
Die langen Nächte freudeleer?
O nahe du mit Zauberschwingen
Und gieße Frühling um mich her!

Dein Sänger ruft dich, Liebe! wieder,
Was zauberst du? o nahe schnell!
Er ruft dich mit dem Bann der Lieder,
Schmück' ihm die Halle farbenhell.

Laß trunken Blick in Blick ihn senken,
Wenn Nebel jeden Stern versteckt,
Von linden Armen ihn umschränken,
Wenn starrer Frost die Blumen deckt.

Und küßt er wie die Biene lose
Zwei volle Lippen rot und weich,
Mög' er vergessen, daß die Rose
Vom Strauch gesunken todesbleich.

Mög' er vergessen, was im Kreise
Von Erd und Himmel - Lust und Pein,
Spinn mit Marienfäden leise
Ihn bis zum Lenz in Träume ein.


II.
Falsch hat die Liebe mich verlassen,
Eh noch verstummt des Dichters Lied,
Eh noch die dunkeln Locken blassen,
Eh noch von mir die Jugend schied.

Vergebens harr ich, Stund um Stunde
Schleicht mir vorüber träg und matt,
Wie langsam zu des Waldes Grunde
Im Herbste sinket Blatt um Blatt.

Wohlan es sei! ich laß dich fließen,
Kehr nimmermehr mein schönster Traum,
Nie wag ich, dich zurück zu ziehen
Von deiner Himmelswolke Saum.

Blieb eines doch! füllt mir den Becher
Bis an den Rand mit dunklem Wein,
Er spiegle jetzt dem stillen Zecher
Die alten Bilder klar und rein.

Von deiner Lippe Funk' auf Funken
Trank ich der Liebe Feuerkraft,
So wie ich jetzt in mich getrunken
Mit langem Zug den Rebensaft.

Der Becher leer, du bist geschieden,
Und einsam zieh ich meine Bahn;
Wie immer auch, geh hin im Frieden,
Mir aber füllt den Becher an!


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 50-52)

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Der Regenschirm

Blitze flammten, Donner rollten,
Nieder goß des Himmels Flut,
Unter meinem Regenschirme
Fanden wir uns wohlgemut.

"Siehst du, Mädchen, Schillers Hütte
Brauchen heut' wir beide kaum:
Unter diesem seid'nen Dache
Haben wir zum küssen Raum."


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 70)

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Auf dem Joche

Ich bin emporgestiegen,
Da ward der Himmel klar,
Wo jetzt die Wolken fliegen
Um Stirne mir und Haar.

Und wie die Wolken trübe,
So ist mir Herz und Sinn,
Es ist für mich die Liebe,
Die Liebe ist dahin.

Und wenn die Wolken fliehen,
So ist es klar und mild,
Doch durch die Seele ziehen
Mir Träume schwer und wild

Die Wolken ja verwehen
Zur schönen Sommerszeit,
Dich werd' ich nie mehr sehen
In alle Ewigkeit.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XIII: Marksteine
München und Leipzig bei Georg Müller 1906 (S. 70-71)

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Verzaubert
(5.8.1899)

Du hast dich mir gegeben, -
Das war in dunkler Nacht,
Wohl denk' ich dessen immer,
Ward auch ein Jahr vollbracht.

Und hast du dich gewendet
Gleichgiltig von mir dann,
Wir bleiben doch gebunden
Auf ewig durch den Bann.

Der wunderbare Zauber,
Daß wir uns angehört, -
Verfließen Ewigkeiten, -
Er wird von nichts zerstört.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XV: Spätfrüchte
München und Leipzig bei Georg Müller 1907 (S. 85)

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Maß

Du bist mir eingesiegelt
Im tiefsten Herzensgrund,
Dein helles blaues Auge,
Dein rosenroter Mund.

Die Mienen froh und heiter,
Das Lächeln süß und hold,
Und auf der Stirn die Löckchen
Als wie gesponnen Gold.

Und wenn ich prüfe, seh ich,
Daß jedes Mädchen weicht,
Kein Messen gilt, als wenn man
Dich mit dir selbst vergleicht.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XV: Spätfrüchte
München und Leipzig bei Georg Müller 1907 (S. 86-87)

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Abend

Stieg der Himmel in die Tiefe?
Beugst du aus dem leichten Kahn
Dich hinab, der durch das Dunkel
Friedlich sucht die stille Bahn?

Soll das Morgen uns bekümmern?
Was es bringe, frage nicht,
Bis der Blitz um jene Zacken
Seine Flammenkrone flicht.

Eines bleibe zugeschworen,
Daß du mein und daß ich dein!
Wechselt auch die Welt von außen,
Fest soll sie im Herzen sein.

Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XV: Spätfrüchte
München und Leipzig bei Georg Müller 1907 (S. 87)

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Gedanken

Wie glüht der erste Kuß, den wir
Am Abend spät getauscht,
Der letzte sei es, wie die Flut
An uns vorüberrauscht.

Für mich gibt's weder Halt noch Rast,
Ein Pilger bin ich ja,
Und in die Ferne rückt mir heut,
Was gestern mir so nah.

Gedenken sollst du meiner jetzt,
Wenn auch die Zeit entfliegt,
Doch bleibst du rein vom Erdenstaub,
Der sich ans Höchste schmiegt.

Mit gold'nem Zeiger mag die Uhr
Begleiten deine Bahn,
Daß du am Tor der Ewigkeit
Nicht klagst um falschen Wahn.

Dort reiche lächelnd mir die Hand,
Es sei mein erster Gruß,
Und auf die Stirne hauche dann
Zum Willkomm einen Kuß.


Aus: Adolf Pichler Gesammelte Werke
Vom Verfasser für den Druck vorbereitet
Band XV: Spätfrüchte
München und Leipzig bei Georg Müller 1907 (S. 89)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Pichler



 

 


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