Rosa Pontini (1844-1899) - Liebesgedichte

 

 

Rosa Pontini
(1844-1899)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:







Du sollst es ihm nicht zeigen

"Du sollst es ihm nicht zeigen
Der elend dich jetzt verließ!"
So spricht die Vernunft die kühle,
Ob auch das Herz zerriß.

Und gern möcht' ich gehorchen
Und zeigen möcht' ich es nicht,
Trüg' ich den Tod nicht außen
Schon auf dem Angesicht.

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 324)
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Ich sah dich nur einmal wieder

Ich sah dich nur einmal wieder,
Nach langen Zeiten einmal, -
Schaut' tief versteckt im Dunkel
Des schönsten Auges Strahl.

Und sah die dunkeln Locken,
Das stolze schöne Gesicht -
Mein Herz, das bebte, das weinte,
Vergessen kann es nicht!

Und noch im Dunkel lehnt' ich
Das Antlitz, das blasse, zur Wand -
Ich barg es noch und wußte,
Er hätt's doch nimmer erkannt!

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 324)
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Wie einst

Durch die off'nen Fenster fluten
Alte, liebe Frühlingslüfte,
Lieblich weh'n aus Blumenherzen
Ach, wie einst, die linden Düfte.

Mondenlicht umgleitet leise
Wundersam die stillen Auen,
Und vom nahen Hain die Lieder
Klingen weich beim Abendtauen.

Klingen mir in's öde, öde
Kämmerlein so lustbefangen,
Und mir dämmert auf ein altes,
Längst verwehtes Glutverlangen.

In die Ferne lauschend, zittert
Mir das Herz in mächt'gen Schlägen,
Will, wie einst, des Liebsten Nähe
Nach dem Klang der Schritte wägen.

Und mit stummem Händefalten
Fühl ich, ach, ein stummes Sehnen,
Einmal noch das Haupt, das müde,
Weinend an sein Herz zu lehnen.

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 325)
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Waldeszauber

Umwebt vom Zauber duft'ger Waldesnacht
Weil' ich geschützt vor glüher Tagespracht;
Von grünem Laubdach traulich überspannt,
Ist in ein Friedensreich der Sinn gebannt.
Als ob geheimer Geist ihr Spiel belebt,
So Licht und Schatten ineinanderwebt;
Wie Goldgeäder glüht's auf moos'gem Grund,
Traumhaft von fern erklingt ein Quellenmund;
Der bunten Käfer schillernd Flügelkleid,
Es spreitet sich zu lustigem Tanze weit;
An stillen Blumen rühren Lüfte fein
Duftselig säuselnd in dem grünen Hain;
Und - wundersam! - es rührt verwandter Hauch
Leis an den Tiefen meiner Seele auch;
Aufleuchtet allmachtvoll Erinnerung
Und weckt geheimnisvollen Geistesschwung.

Ein Ton verjüngten Lebens wieder klingt
Zu seligsüßer Harmonie beschwingt.
Abfällt der Daseinssorgen Schwergewicht,
Es taucht der Blick, wohin er schaut, in Licht,
Dem Herzen kehrt ein Lustmoment zurück,
Der fast so schwer wiegt wie ein ganzes Glück.
Im vollern Strom die Lebensquelle rauscht,
Da Einst und Jetzt ihr wundersam vertauscht.
Und reiner ist des Frömmsten Beten nicht
Als ein Erglüh'n vor solchem Traumgesicht! -
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Verklär'nder Schein das Laubgeäst umfließt,
Hindurch gedämpft sein Licht der Himmel gießt;
Und leis erschauert wie von Lust durchbebt
Das grüne Reich, des Odem mich belebt. -
Auch Dich, o Wald, durchdringt der Liebe Hauch,
Du stehst im Zauber und verzauberst auch! -

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885 (S. 180)
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Morgengefühl

Es bebt mein Herz, da leis vom Himmel funkelt
Das junge Morgenlicht, das hell umglüht
Die Bergeshöh'n und in die Kluft versprüht
Den sel'gen Strahl, wo noch der Nebel dunkelt.

Es bebt mein Herz bei diesem Flammensegen,
Der um ein Weltall seine Glorien flicht,
Die schöne Glut in jeder Welle bricht,
Millionen Leben tränkt im Strahlenregen! -

Es bebt mein Herz, da junge Kräfte steigen
Urewig neu stets aus dem Born der Zeit,
Ursach' und Wirkung durch die Ewigkeit,
Draus sich gestaltet der Geschichte Reigen.

Es bebt mein Herz und zieht auf leisen Schwingen
In Näh' und Fern' - hier wallt ein Trauerflor,
Dort singt zum Brautzug wohl ein Jubelchor,
Mißton und Wohllaut ineinanderklingen! -

Es bebt mein Herz bei ahnungsvollem Lauschen,
Als spräch geheimnisvoll der Weltengeist,
Der die verzagte Frage schweigen heißt,
Die duftgetränkten Morgenlüfte rauschen. -

Es bebt mein Herz, will zum Gebet sich heben
Umtaut von Thränen, doch von Glut umloht,
Drängt neubeglückt empor aus Erdennot,
Im Göttertraum sein inn'res volles Leben! -

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885 (S. 180)
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Lebensmai

O einzige, traute, holdselige Zeit,
Da fröhlichen Sinnes die Welt ich umfieng,
Mein Herze die Gaben des Lenzes empfieng:
Das Glühen und Blühen voll Herrlichkeit
Im wonnigen Lebensmai! -

Wie lachte der Himmel in Huld mich an,
Die schönste der Sonnen durchstrahlte das Rund,
Es hielt mit der Klaren die Seele den Bund,
Getragen auf Flügeln der Liebe hinan
Im herrlichen Lebensmai! -

Und scholl's von gefiederten Sängern im Hain,
Wie gieng zu Gemüte der lockende Klang!
Das gab wohl ein Echo dem Vogelgesang;
O zärtliches Sehnen, du wonnige Pein
Im seligen Lebensmai! -

Und strahlten die Nächte in funkelnder Pracht,
Zog leuchtend der Mond im unendlichen Kreis,
Da glänzte der Sterne schönster mir leis
Im Busen, süß klangen die Stimmen der Nacht
Im herrlichen Lebensmai! -

O einzige, traute, holdselige Zeit,
Und schwandest dahin du gleich blinkendem Schaum,
Wen einst du bezaubert, dem winkt noch im Traum
Dein Glühen und Blühen voll Herrlichkeit,
Du wonniger Liebesmai! - -

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885 (S. 181)
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Biographie:

Pontini, Rosa, Ps. Constanze Monter, geboren am 4. Dezember 1844 in Franzensbad.

- Gedichte Franzensbad 1874

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898

 

 


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