Robert Prutz (1816-1872) - Liebesgedichte

Robert Prutz

 

Robert Prutz
(1816-1872)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 

Rascher Wechsel

Abschied zu nehmen kamest du,
Der letzte sollt' es sein für immer!
Matt wie erloschner Sterne Schimmer
Schien mir dein thränend Auge zu;
Du reichtest zögernd mir die Hand
Und zogst sie fort und hast sie dennoch mir gelassen,
Wie über eines Grabes Rand
Sich liebe Hände scheidend fassen.

Wir sprachen von vergangner Zeit,
Von Tagen, welche längst begraben,
Wie Herzen sich verloren haben,
Bestimmt einst für die Ewigkeit;
Wie neckend sich, voll holder Scham,
Die jungen Seelen flohn und, ach, sich dennoch fanden,
Von Küssen, die die Lippe nahm,
Eh' sie zu küssen noch verstanden.

Und leise, wie aus offner Gruft
Sich sehnsuchtvolle Schatten heben,
So fühlten nah' und näher schweben
Wir längst verrauschter Wonnen Duft.
O Gott, wie wehten sie uns an!
Wie süß, wie flammenheiß! wie brannten ihre Funken,
Bis flammend dem geliebten Mann
Du in die Arme bist gesunken!

Und sprangst empor – und wolltest gehn –
Und hingst aufs neu' an meinem Munde!
O wonnevolle Abschiedstunde,
Der Abschied ward zum Wiedersehn!
Die lange trübe Nacht verschwand,
Ein neues Leben winkt mit goldnem Strahl uns beiden
Und nichts mehr kann die Seelen scheiden,
Die Gott zum zweitenmal verband!
(S. 149-150)
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Ungeküsste Küsse

Ach, ihr ungeküßten Küsse,
Meiner Sehnsucht Traumgedanken,
Die gleich halb erschlossnen Knospen,
Gleich dem Wehn der Morgenröthe,
Das dem jungen Tag vorangeht,
Ihr die Lippe mir umfächelt;
Saget doch, wann kommt die Stunde,
Die verschwiegne, mitternächt'ge,
Da der Glutkelch eurer Wonnen,
Flammensprühend, lebenspendend,
Sich erschließt dem durst'gen Munde?
Immer jetzt, wohin ich schaue
Und wohin mein Fuß sich wendet,
In des Marktes rohem Lärmen,
In des Stübchens trauter Stille,
Immer seh' und überall ich,
Jungen Rosen gleich im Dickicht,
Zwei geliebte Lippen glühen,
Sehe, Sternen gleich am Himmel,
Leuchten zween holde Augen.
Fühl' den Athem meiner Süßen,
Wie er, keusch gleich Kinderathem
Und so frisch wie Thau des Morgens,
Der auf Rosenblättern glitzert,
Flammensprühend, lebenspendend,
Durch die Adern mir, die trunknen,
Durch die Seele sich ergießt!

Liebe, böse, arme Küsse,
Die ihr schwebt gleich irren Schatten,
Denen strenger Götter Ausspruch
Eine Seele hat verweigert,
Daß sie flattern, daß sie fliegen,
Halben Flugs, mit schwerem Fittich,
Und dann still, mit leisem Girren,
In die leere Luft zerrinnen –
Laßt mich los, ihr holden Schatten!
Gebt mich frei, ihr süßen Träume!
Schwere Tage, bange Nächte
Bringt ihr flücht'gen mir getragen;
Ach ihr stört der Seele Frieden,
Meine Ruhe mordet ihr!

Sitz' ich einsam, still verschlossen,
Zwischen Büchern und Scripturen,
Meines Herzens Brand zu löschen
In der Weisheit kaltem Bade
Und mit Bücherstaub, dem garst'gen,
Meiner Seele Glut zu dämpfen:
In den Büchern, den Scripturen,
Horch, was fängt sich an zu rühren?
Durch die alten Pergamente,
Die vergilbten, moderduft'gen,
Geht ein Wehen, geht ein Flüstern,
Gleich dem Wehen warmer Lippen,
Wenn sie leis zum Kuß sich neigen;
Ach und aus verblichnen Lettern,
Sinnbethörend, herzverstrickend,
Lacht der Liebsten Bild mich an!

Nein, das mag ein Andrer tragen!
Auf, hinaus! und rasch ins Freie,
Wo Natur, die ewig milde,
Leis mit mütterlichen Händen
Balsam gießt in meine Wunde!
Sei gegrüßt, du blauer Himmel!
Seid gegrüßt, ihr grünen Bäume!
Ja, hier wird mein Herz genesen –
Nein, auch hier nicht! Mitverschworen
Ist Natur, die ewig milde!
Seh' ich wo zwei Blumen schwanken,
Festgerankt an einem Stengel,
In der Abendluft sich wiegend,
Muß ich denken an die Lippen,
Die im Kusse sich begegnen;
Vögel, die im Nest sich schnäbeln,
Schmetterlinge, die sich haschen,
Kleine Käfer, goldig schimmernd,
Die sich suchen, die sich finden
In der Erde dunkeln Gängen –
Alles, alles weckt aufs neue
Meiner Sehnsucht Traumgedanken!
Küsse haucht der Kelch der Rose,
Küsse schmelzen in dem Liede
Schwermuthvoller Nachtigallen,
In den Zweigen rauschen Küsse,
Küsse wehen in den Lüften,
Ja, die Sonne selbst, die ew'ge,
Wie sie prächtig, purpurstrahlend,
In des Meeres Schoß hinabsteigt,
Ist ein Gleichniß meiner Schmerzen,
Meines Glückes, meiner Qual!

Und sie ist hinab gestiegen;
Holde Nacht, o sei willkommen!
Mit den mohnbeträuften Fingern
Kühle du die heißen Schläfen,
Seliges Vergessen flöße
In die Seele mir, die wilde,
Daß ich ruhe bis zum Morgen,
Ohne Sehnsucht, träumelos!

Aber wie ich harrend liege,
Auf der Diele, horch, was knistert,
An der Thüre, horch, was raschelt?
Aufrecht sitz' ich in dem Bette,
Und auf zierlich leiser Zehe
Näher jetzt und immer näher
Kommt's gegangen, kommt's geschlichen,
An des Lagers Falten streift es,
Und mit duftig weicher Locke,
Ueber mich hinab gebogen,
Weht's mich an wie Liebesathem;
Hell durch nächt'ge Finsternisse
Weiße Schultern seh' ich leuchten,
Seh' geliebte Augen funkeln,
Mild und klar, in süßen Gluten,
Und in flammenheißem Kusse
Senkt auf Lippe Lippe sich ….

Laßt mich los, ihr holden Schatten!
Gebt mich frei, ihr süßen Träume!
Schwere Tage, bange Nächte
Bringt ihr flücht'gen mir getragen;
Ach ihr stört der Seele Frieden,
Meine Ruhe mordet ihr!

Aber nein, ich lieb' euch dennoch!
Bleibet bei mir, schmiegt euch dichter
An die Seele mir, die wunde,
Meiner Sehnsucht Traumgedanken,
Arme, ungeküßte Küsse!
Durch des Lebens Dornenwüste,
In des Marktes rohem Lärmen,
In des Stübchens trauter Stille,
Bleibt mein tröstendes Geleite!
Schmerzen schafft ihr mir und Qualen,
Doch ich liebe diese Schmerzen
Und ich segne diese Qualen.
Immer ist's ein Glück, zu lieben;
Kann ich nicht der Liebe Wonnen,
Will ich doch ihr Wehe kosten.
Harre nur, bald naht die Stunde!
Einmal öffnet sich die Knospe,
Einmal singt auch dir das Brautlied
Nachtigall aus duft'gen Zweigen!
Ja, schon dämmern leise Schatten,
Und wie Götter ungesehen
In der Menschen Kreise treten,
Also naht sich, still und heimlich
Naht die Stunde sich, die süße,
Der mein Herz entgegenschmachtet!
Treue Sterne führen sicher
An die Brust mich der Geliebten –
Ha, schon fühl' ich ihre Nähe,
Weiche Hände, schlanke Arme
Fühl' ich zärtlich mich umranken,
Heißer duftet, wonnevoller
Mir der Liebsten Mund entgegen,
Und von all den Millionen,
Millionmal Millionen
Langer, heißer, sel'ger Küsse,
Die gleich halberschlossnen Knospen
Mir die durst'ge Lippe fächeln,
Sinnbethörend, herzverstrickend,
Bleibt nicht Einer ungeküßt!
(S. 217-223)
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Kunst der Liebe

Alles – also in den Sternen
Steht's von Götterhand geschrieben –
Alles muß der Mensch erst lernen,
Alles – auch sogar zu lieben.

Jüngling, dem die braunen Haare
Dicht und voll die Stirn umwehen,
Glaube nicht, die echte, wahre
Kunst der Liebe zu verstehen!

Ziellos, ohne Mast und Steuer,
Taumelst du, ein Spiel der Wogen,
Blitze sind dein ganzes Feuer –
Und ein Blitz ist rasch verflogen.

Doch wie aus der Erde Schlünden
Rastlos strömen ew'ge Fluten,
Also, nimmer zu ergründen,
Sind des Mannes treue Gluten.

Wie das Weltmeer sonder Ende
Um die Erde sich ergossen,
Also halten Herz und Hände
Die Geliebte fest umschlossen.

Herrlich ist's, in Fesseln schlagen
Eine Seele, die uns eigen;
Doch im Dulden, im Entsagen
Wird sich echte Liebe zeigen.

Jünglingsherz, du kannst nur stürmen
Keck wie Phaeton zur Sonne;
Die Geliebte treu zu schirmen,
Ist des Mannes höchste Wonne.

Hangend an dem süßen Munde,
Ohne Grollen, ohne Zagen,
Ruhig harret er der Stunde,
Die ihr Auge ihm wird sagen.

Weiß er doch, daß nie auf Erden,
Wie er ringe, nie und nimmer,
Frauenhuld verdient kann werden,
Freie Gabe bleibt sie immer.

Jünglingsliebe muß sich nähren,
Oder ach, sie bricht zusammen;
Das Verweigern, das gewähren
Schüret gleich des Mannes Flammen.

Aber wenn die Spröde mälig
Schmilzt in lächelndem Erbarmen,
O wie hält er dann so selig,
Hält sie fest in starken Armen! –

Liebste, der die ersten Gluten
Meines Herzens ehmals brannten,
Sieh die Götter, sieh die guten,
Wie sie es so gnädig wandten!

Glühend liebte dich der Knabe,
Ach, und machte doch dir Schmerzen;
Wandellos nun bis zum Grabe
Ruhst dem Manne du am Herzen!
(S. 146-148)
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Nachtigall

Als von des Schmerzes Uebermacht bezwungen,
Zusammen brachen meine müden Glieder,
Da mit dem süßen Wohllaut ihrer Lieder
Hat mich die Nachtigall in Schlaf gesungen.

Nun bin ich frisch vom Lager aufgesprungen,
Den Garten eil' ich suchend auf und nieder;
Allein umsonst, auf flüchtigem Gefieder
Hat sich die Sängerin empor geschwungen.

Tief innen nur in meiner Seele Grunde,
Da tönt mir noch ein Echo ihrer Klänge
Und träuft wie Balsam leis in meine Wunde.

Gleichgiltig geh' ich durch die taube Menge,
Denn mit den Göttern fühl' ich mich im Bunde,
Und von der Lippe perlen mir Gesänge.
(S. 115)
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Weltuntergangs-Sonette

I.
Am Tage, da die Welt sollt' untergehen,
Berührt vom Flammenschweife des Kometes,
Wie es verheißen kundige Propheten,
Die mehr als andre in den Sternen sehen;

Da, unter Weinen, Jammern, Schluchzen, Flehen,
Beim nahen Schall der Weltgerichtstrompeten,
Indeß die Einen fluchen, Andre beten,
Da ist der Wunder köstlichstes geschehen.

Nicht fraget, was! Nie wird aus meinem Munde
Ein sterblich Ohr die Kunde je erlangen
Von dem Geheimniß jener süßen Stunde.

Nur so viel wißt: indessen, furchtbefangen,
Die alte Erde bebt' in ihrem Grunde,
Ist eine neue Welt mir aufgegangen.


II.
Ja, es versank die altgewohnte Erde,
Dies Schattenthal, wo nichts als Thränen fließen,
Wo stets die Reue folgt auf das Genießen,
Der Nebelball voll Kummer und Beschwerde.

Durch neue Himmel lenkt die Flammenpferde
Der Sonnengott, in neuen Ufern fließen
Die Ströme jetzt, und neue Blumen sprießen,
Die nie verblühn, auf neues Schöpfungswerde.

Wie aber hat sich dieses zugetragen?
Wer hat, o sprecht, dies Wunder angerichtet?
Ein lächelnd Kind – nichts weiter darf ich sagen.

Der Seele Himmel hat sie mir gelichtet,
Daß wiederum, wie in der Jugend Tagen,
Mein jauchzend Herz in Tönen denkt und dichtet.


III.
Brich denn herein! Laß deine Donner rollen,
Weltuntergang! Ich lache deiner Schrecken,
Der Flammen lach' ich, die begierig lecken,
Als ob sie Erd' und Meer verschlingen wollen.

Was kümmert mich der Sterne zürnend Grollen?
Der Arm der Liebe, weiß ich, wird mich decken,
Ein treuer Wächter, wird sie mich verstecken
In ihrem Schoß, dem süßen, wonnevollen. –

Und so geschah's! Der Sturm, der uns bedrohte,
Zum Zephyr ward er; mit verkohlten Gluten,
Verschämt entwich der feur'ge Todesbote.

Und duftend hob aus neugestillten Fluten
Ein Eiland sich, verklärt vom Morgenrothe,
Darauf zwei Liebende in Schlummer ruhten.


IV.
Und war es wirklich keine falsche Kunde,
Und haben die Propheten nicht gelogen,
Und brechen wirklich heut' des Himmels Bogen,
Und Flammen schlagen aus dem finstern Schlunde:

Gegrüßt auch du, des Erdballs letzte Stunde!
Von der Geliebten süßem Hauch umflogen,
Verschränkten Armes, Mund an Mund gesogen
Im Wonnerausch, wie gern' geh' ich zu Grunde!

Rast, Stürme, rast! Entweicht, ihr goldnen Herden,
Die ihr am Himmel weidet! Brich zusammen
Im tiefsten Kern, du morscher Bau der Erden!

Versiegt, o Sonnen, ihr urew'gen Ammen!
Zum Brautbett muß das Chaos selbst uns werden,
Indeß als Hochzeitfackel Welten flammen!


V.
Nein, höhnt ihn nicht, den Aermsten, den Kometen,
Weil er sich heimlich machte auf die Socken!
Vor meiner Liebsten ist er so erschrocken,
Daß er es vorzog, gar nicht aufzutreten.

Das blaue Auge sah er, süß betreten,
Das flammende, vor dem die Pulse stocken,
Es sah von fern das Wallen ihrer Locken,
Wie sie gleich einem Schleier sie umwehten;

Und sprach zu sich: O welche holde Tücke!
Mit diesem Weib fürwahr kann ich nicht streiten,
Vor ihrem Glanze zieh' ich mich zurücke.

Sprach's und versenkte sich in Dunkelheiten,
Gebannt von meiner Liebsten süßem Blicke,
Als blasser Mond die Erde zu begleiten.


VI.
Nicht zürne mir, daß ich vermag zu scherzen
Und Lieder reime mit verwegnem Munde
Von jenem Tage, da zu ew'gem Bunde
Sich in einander gossen unsre Herzen.

Laß dich mein übermüthig Spiel nicht schmerzen!
Du weißt ja, Liebste, was mir diese Stunde,
Und wie in meiner Seele tiefstem Grunde
Nun ewig leuchten ihre heil'gen Kerzen.

Es giebt ein Glück, so über alle Grenzen,
Daß, während dankerfüllt die Lippen beten,
Die Augen doch von süßer Lust noch glänzen.

Solch Glück, solch sel'ges, gabst du dem Poeten,
Und wie man Heil'ge schmückt mit bunten Kränzen,
So nimm auch du die Lieder vom Kometen!
(S. 108-113)
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Das Mädchen spricht:

Das grosse Kind

Da fliegt er hin, der stolze Knabe,
Rasch trägt sein Rößlein ihn vom Ort;
Dem ich mich ganz ergeben habe,
Mein süßer Schatz, schon ist er fort!
Die Stunde schlug, von meinem Herzen
Riß er sich zögernd, riß sich los,
Und lächelnd bald und bald mit Schmerzen
Sprach er: "Ade, 's ist Mannesloos!"

O Mannesloos, o Traum der Ehre,
Von Männern allzuhoch geschätzt!
Ich wollt', daß er ein Kindlein wäre,
Und mein Geliebter doch wie jetzt;
Auf meinem Schoß wollt' ich ihn wiegen
Mit süßem Tändeln, warm und lind,
In meinen Armen sollt' er liegen,
Mein großes, mein verliebtes Kind.

Ei ja, das wären süße Sorgen,
Das wäre liebe Mutterlust!
Wohl jeden Abend, jeden Morgen
Hielt' ich ihn fest an meiner Brust;
Mit meinem Kuß wollt' ich ihn tränken,
Nach dem er sonst so durstig war,
Und wollte ihm zum Spielwerk schenken
Mein aufgelöstes schwarzes Haar.

Ich würd' ein Märchen ihm erzählen
Von dem verirrten Königssohn,
Der, sich der Hirtin zu vermählen,
Das Reich vergessen und den Thron;
Mir in die Augen würd' er sehen
Mit hellen Blicken stolz und groß,
Und würde lächelnd mich verstehen,
Und risse dennoch sich nicht los!
(S. 97-98)
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Heiligung

Das ich mit Seufzern lang' vermißt,
Des innern Friedens selig Glück,
Wie kehrt' es mir so schnell zurück,
Seit du die Meine wieder bist!

Wohin ich blicke, allerwärts
Seh' ich der Gottheit milden Gang,
Und das noch jüngst in Zweifeln rang,
Beruhigt klopft das wilde Herz.

Du bist sein fester Ankergrund,
Die Sonne bist du, die es nährt,
Der Schild, der allen Schrecken wehrt,
Und bist sein Balsam, wenn es wund.

Und schelten sie mich glaubenlos,
Was kümmert mich ihr plumper Spott?
In dir, Geliebte, lieb' ich Gott
Und lieb' in dir, was gut und groß!
(S. 163)
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Treue Liebe

Das ist der Liebe schönstes Recht,
Daß sie verzeihet und vergißt;
Der liebt nicht treu, der liebt nicht echt,
Der diese Tiefe nicht ermißt.

Und schmerzt die Wunde noch so sehr,
Die der Geliebten Hand dir schlug,
Von der Geliebten kommt sie her,
Das sei des Trostes dir genug.

Und wenn sie gar nicht heilen will,
Wohlan, so stirb; doch stirb so still,
Daß nie ein Mensch errathen kann,
Selbst die Geliebte nicht, woran.
(S. 81)
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Das ist nicht Liebe

Das ist nicht Liebe, die das Herz
Mit Adlerschwingen nicht erhebt,
Die jeden Kummer, jeden Schmerz
In süß Vergessen nicht begräbt.

Die Liebe gleicht dem Sonnenschein,
Der hoch vom Himmel niederfließt,
So mild, so warm, daß selbst der Stein
Von neuem jungen Leben sprießt.

Da blühen Blumen überall,
Von mütterlichem Kuß erweckt,
Und schmetternd singt die Nachtigall,
Von grünen Zweigen überdeckt.

So, holde Liebe, liebst du mich,
Mein Adler du, mein Sonnenschein,
So, holde Liebe, lieb' ich dich –
Und also soll es ewig sein!
(S. 168)
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Sicheres Glück

Das, Liebste, dünkt der beste Theil
Von unserm Glück mich allezeit,
Der Anker das, dran unser Heil
Gegründet liegt für Ewigkeit;

Daß, ob wir brennen noch so heiß,
Und ob wir lieben noch so sehr,
Doch jeder fühlt, doch jeder weiß,
Es liebt der Andre ihn noch mehr.
(S. 174)
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Im Glück

Dem Schmerze konnt' ich Worte geben,
In Liedern sang ich meine Qual;
Doch seit mein herbstlich ödes Leben
Durch dich erblüht zum zweitenmal,
Und seit in meiner Seele Gründen
Ein neuer Frühling Wunder thut,
Da weigert sich mein Mund zu künden
Des Herzens sel'ge Wonneglut.

Nur deine Hände kann ich fassen,
Die treu an meinem Glücke baun,
Erröthen kann ich und erblassen
Und fragend in dein Auge schaun;
Mein Haupt zu deinem kann ich neigen
Und zärtlich pressen Mund auf Mund –
Da thut mein Kuß mit frommem Schweigen
Dir meiner Brust Geheimniß kund.

Kein irdisch Auge kann ertragen
Der Sonne volle Strahlenpracht;
So kann dir auch mein Lied nicht sagen,
Was meine Seele jauchzen macht.
Drum siehst du sprachlos mich erbeben,
O frag', Geliebte, nicht warum:
Dem Schmerze konnt' ich Worte geben,
Doch meine Seligkeit ist stumm.
(S. 188-189)
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All

Du bist das keusche Mondenlicht,
Das still und klar durch Wolken bricht,
Und bist der Sonne Feuerstrahl,
Der Blumen weckt in Berg und Thal.

Der fromme Abendstern bist du,
Der lächelnd winkt zu sel'ger Ruh',
Und bist der Blitz, der, gottentstammt,
Der Seele Dunkel mir durchflammt.

Doch – "Namen sind nur Rauch und Schall!"
Sei, wie du bist, du bist mein All!
In deine Seele schließ' mich ein,
Die Meine du, ich ewig dein!
(S. 190)
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Einsame Rose

Du bist die einsam blühende Rose
In des Thales schattigem Grund;
Dich grüßt der Himmel, der wolkenlose,
Dir winkt der Sterne nächtiges Rund.

Ich lausche von nahem, ich lausche von ferne,
Du duftest und prangest in funkelndem Thau;
Ich segne den Himmel, ich segne die Sterne,
Ich segne dich selbst, o du liebliche Frau!
(S. 164)
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Du fragst, wozu das Küssen tauge?

Du fragst, wozu das Küssen tauge,
Und was es eigentlich will sagen?
Um sich zu blicken Aug' in Auge,
Und Seel' um Seele zu befragen.

Wenn Auge sich in Auge spiegelt
Und sich zu Seele Seele findet,
Dann wird im Kusse rasch besiegelt,
Was treue Herzen ewig bindet.

Drum willst du je dich küssend neigen,
So giebt es Eines, das bedenke:
Daß leis in andachtvollem Schweigen
Auch Seele sie in Seele senke.

Wo nur die Lippen sich berühren,
Da wirst du bald verschmachten müssen;
Der Liebe Wonnen ganz zu spüren,
O lerne mit der Seele küssen!
(S. 216)
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Holdes Räthsel

Du mit der schwanenweißen Brust,
Berauschend wie der Duft der Traube,
Du meine flammenheiße Lust
Und keusch und züchtig wie die Taube;
Aus deines Auges milden Sternen,
So lockend und so fromm dabei,
Wann werd' ich je zu Ende lernen
Der Liebe süße Litanei?

Holdselig Räthsel, kalt wie Schnee,
Und sengend wie des Aetna Gluten,
Du linde Qual, geliebtes Weh,
Dran Herzen lächelnd sich verbluten;
Du schürest Flammen stolz und prächtig
Und gießest zündend Oel darein,
Daß hoch gen Himmel loht, allmächtig,
Wie Weltenbrand, ihr dunkler Schein.

Mit Lächeln ziehst du mich zu dir
Und weisest mich zurück mit Lächeln,
Es schweigt die flammende Begier
Vor deines Kusses Maienfächeln;
In Asche sinkt mein wildes Sehnen
Vor deiner Unschuld Majestät,
In meine Küsse fließen Thränen,
Und mein Entzücken wird Gebet.

Der hat die Liebe nie gekannt,
Der nicht in schüchternem Erbangen,
Von der Geliebten Blick gebannt,
Erstickt sein heißestes Verlangen.
Es herrschen Lieb' und Unschuld beide,
An Macht sich und an Stärke gleich;
Ein lächelnd Kind im Flügelkleide
Ist König in der Liebe Reich!
(S. 169-170)
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Eines ist, das mich verdrießt

Eines ist, das mich verdrießt,
Darf ich's Dir gestehen?
Daß ich muß so ungeküßt
In mein Bette gehen;
Daß kein Hauch von liebem Mund
Mich zu Nacht umschmeichelt,
Daß kein Händchen, weich und rund,
In den Schlaf mich streichelt.

Alles will ich, alles gern
Dulden und ertragen,
Seh' ich nur der Liebe Stern
Durch das Dunkel tagen;
Flicht mir nur mit leiser Hand
Nach der Stürme Tosen,
Nach des Tages Sonnenbrand
Liebe ihre Rosen.

Schwebet ihr denn still und leis
Durch die Finsternisse,
Kühl wie Thau, wie Flammen heiß,
Ungeküßte Küsse!
Pochet an das Fenster sacht,
Wo die Liebste weilet,
Daß sie träumend, halb erwacht,
Eure Gluten theilet.

Zeigt im Spiegel alter Zeit
Ihr vergangne Stunden,
Wie sich hat in Lust und Leid
Herz zu Herz gefunden;
Aber laßt sie, ahnungsvoll,
Auch den Morgen spüren,
Der in ihre Arme soll
Mich noch einmal führen!

Ja, der Morgen dämmert schon,
Mit verlöschten Kerzen
Steigt die Nacht von ihrem Thron,
Und es tagt im Herzen;
Träge Stunden eilen sich
Nach der Götter Schlüssen,
Und bald lodern du und ich
Neu in neuen Küssen!
(S. 266-267)
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Eine Locke

's war Mitternacht, früh Morgens sollt' ich scheiden,
Wir saßen stumm, ein träumerisches Paar;
Von ihrem Haupt ein Löckchen wollt' ich schneiden,
Sie wehrte nicht, sie löste selbst das Haar.
Da schlug mein Herz, der blöde Wunsch ward freier,
In tausend Küssen kühlt' ich meine Glut,
Und über uns, ein süß geheimer Schleier,
Floß ihrer Locken dunkelbraune Flut.

Wie lang' doch ist es, seit ich das erfahren?
Ich sinne nach und dennoch find' ich's kaum;
Hätt' ich die Locke nicht von ihren Haaren,
Ich meine wohl, das alles wär' ein Traum.
Denn für das Haar, das ich ihr schnitt vom Haupte,
Schnitt sie der Liebe goldnes Band entzwei,
Und ach, sie wußte, daß, was sie mir raubte,
Kein Härchen nur, daß es mein Leben sei! –

So schieden wir. Ich sah sie nimmer wieder,
Als nur im Traum; sie, mein' ich, sah mich nie,
Vergessenheit sank auf mein Antlitz nieder,
Der bleichen Stirn warum gedächte sie?!
Die Locke nur, sie hat mir bleiben müssen,
Ich trug sie treu – und schau' nur her, mir däucht,
Als wäre sie noch warm von unsern Küssen,
Als wär' sie noch von unsern Thränen feucht!

Ob wohl noch heut', wie tausend junge Schlangen,
So mild, so braun wie eine Sommernacht,
Der stolzen Frau um Hals und Stirn und Wangen
Herniederfließt der Locken weiche Pracht?
Und wer wohl heut' mit übermüth'gem Finger,
Wie ich einst that, in diesen Locken wühlt,
Und sich, gleich mir, dabei um nichts geringer,
Als wie ein König beider Indien fühlt?

Und horch, ich hör's wie Geisterstimmen säuseln;
's kommt eine Zeit, sie kommt, du stolze Frau,
Da wird dein Haar sich minder üppig kräuseln,
Die braune Locke, glaub' mir, sie wird grau!
Du wirst umsonst die schlanken Arme breiten
Nach einem Herzen, dich zu wärmen dran,
Kalt wird die Welt an dir vorüberschreiten –
O, nicht mein Bild, nicht meines, schaue dann!

Vergiß mich ganz! und sei der ernste Schnitter
Vor Vielen dir mit einem Lächeln hold!
Stirb sanft, stirb rasch! Es ist ja schon so bitter,
Allein zu sterben; das hast du gewollt.
Eins quält mich nur: von deinem Haupt dies Härchen,
Im Tode selbst ein Kleinod bleibt es mir –
Doch dann, o dann von all' den goldnen Märchen,
Sprich, stolze Frau, o sprich, was bleib dann dir?
(S. 70-72)
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Frühlingsliebe

1.
Es hat die Rose dich verklagt,
Um dich zergrämt sie sich zu Tod,
Sie hat es der Nachtigall gesagt,
Daß deine Wange rosenroth.

Die Nachtigall hat es der Nacht gesagt,
Die arme Sängerin ist krank,
Sie hat dich bei der Nacht verklagt,
Um deiner Stimme süßen Klang.

Dem Himmel hat es die Nacht gesagt,
Mit ihrer ganzen Sternenschaar
Hat sie beim Himmel dich verklagt,
Daß schwarz wie Nacht dein Lockenhaar.

Der Himmel hat es dem Meer gesagt,
Er will sich kleiden schwarz und grau,
Beim Meere hat er dich verklagt
Um deine Augen himmelblau.

Das Meer hat es dem Stein gesagt,
Mit dumpfen Murren zog's daher,
Beim Steine hat es dich verklagt,
Daß du so falsch bist, wie das Meer.

Der Stein hat es dem Baum gesagt,
Er meint, es wäre gar nicht fein,
Und hat beim Baume dich verklagt,
Daß du ein Herz hast, hart wie Stein.

Der Baum zuletzt hat mir's gesagt,
Hoch aus dem Blütenwipfel her
Hat leise flüsternd er geklagt,
Daß du verwelken mußt, wie er.

Nun, Liebchen, hab' ich's dir gesagt,
Du aber hörst ja nicht auf mich:
Doch hab' ich nirgend dich verklagt,
Denn ach, du weißt, ich liebe dich!


2.
Ich will's dir nimmer sagen,
Wie ich so lieb dich hab',
Im Herzen will ich's tragen,
Will stumm sein wie das Grab.

Kein Lied soll dir's gestehen,
Soll flehen um mein Glück,
Du selber sollst es sehen,
Du selbst – in meinem Blick.

Und kannst du es nicht lesen,
Was dort so zärtlich spricht,
So ist's ein Traum gewesen;
Dem Träumer zürne nicht.


3.
In Wasser hast die Rose du gesetzt,
Die ich dir gestern Abend hab' gebracht,
Und heut' schon hat die Knospe sich erschlossen.
Ach, meine Liebe hab' ich wohl genetzt
Mit tausend Thränen früh bis Mitternacht.
Und dennoch will mir keine Blüte sprossen.


4.
Wohl hundertausend Thränen
Hab' ich geweint um sie,
Doch Wasser löscht dies Sehnen,
Löscht dieses Glühen nie.

Wohl höhnt mit kalten Blicken
Mein Schatz mich unverwandt,
Doch kann kein Frost ersticken
Des Herzens heißen Brand.

Ach, ist dies Feu'r zu zähmen
Nicht Frost, nicht Wasser gut,
So müßt ihr Erde nehmen;
Schwarze Erde dämpft die Glut.


5.
Wohlan, ich will wandern,
Wohlan denn, ich geh'!
Schatz, such' dir 'nen Andern,
Ich sag' dir ade!
Mag länger nicht klagen
Vergebliche Pein,
Mag's länger nicht tragen,
Dein Narre zu sein.

Will wandern und singen
Das Reich entlang.
Meine Leier soll klingen
So lieblichen Klang:
Daß die Frauen mich grüßen
- Du grüßtest mich nie!
Daß die Mädchen mich küssen
- Dann küsse wie sie!

In Reim will ich bringen,
Wie du mich gequält,
Daß die Knaben es singen,
Daß die Welt sich's erzählt!
Sie sollen dich hassen,
Du eisernes Herz,
Sie sollen dich lassen
In einsamem Schmerz!

Dann such' dir nur Einen,
Der so treu ist wie ich,
Und findest du Keinen –
Schatz, rufe nur mich!
Wär' ich weitweg von dannen,
Tausend Meilen von hier,
Will die Flüglein aufspannen,
Will fliegen zu dir!

Will dich halten und küssen,
O du liebliches Kind,
Und die Welt soll es wissen,
Wie gut wir uns sind!
Schatz, laß mich nicht wandern
Nicht ziehen durch's Reich,
Du find'st keinen Andern –
O rufe mich gleich!


6.
(Das Mädchen spricht:)
Mond, hast du auch gesehen,
Wie mich mein Schatz geküßt?
Frei muß ich dir gestehen,
Daß mich das sehr verdrießt.

Auch weiß ich nicht, wie eben
Es gestern Abend kam,
Ob ich ihn ihm gegeben,
Ob er den Kuß sich nahm.

Du mußt's nicht weiter sagen,
Ich bitte dich darum,
Wenn dich die Leute fragen,
O lieber Mond, sei stumm!


7.
Daß ich im Frühling scheiden soll,
Das macht das Herz mir schwer:
Ich wär' nicht halb so kummervoll,
Wenn's nur nicht Frühling wär'.

Allüberall ist Maienlust,
Hell klingen Thal und Hain,
Ach, und allein in meiner Brust
Wird's still und öde sein.

Wem soll ich klagen meine Pein?
Die Rose blüht so roth,
Die Lerche wirbelt aus und ein –
Wem klag' ich meine Noth?

Ach, soll's einmal geschieden sein,
So sei's in Winterzeit,
Da tragen Lerche, Flur und Hain
Mit mir dasselbe Leid.

Da klagen all' zusammen wir
Um Ein entschwunden Glück,
Und alle träumen sie mit mir
Von neuem Sonnenblick.

Und wenn die Rosen wieder blühn,
Kehrt auch der Liebste dein;
Drum nicht im Frühling laß mich ziehn,
Im Winter soll es sein!


8.
Wohl küßt' ich dir vom Rosenmunde
Viel süße Küsse sonder Zahl,
Und dachte nicht der bangen Stunde,
Da ich dich küss' zum letzten Mal.

Nun wir den letzten Kuß uns geben,
Ach, dünkt's dich nicht, du Engel mein,
Als wär's der erste Kuß im Leben?
Und dieser soll der letzte sein?!
(S. 43-50)
_____


Das Wort

Es summt ein Wort mir rastlos in den Ohren,
Ganz leise nur, mit ungewissem Klang,
Und will ich's nennen, hab's schnell verloren,
So lockt und neckt mich's wie Sirenensang.

Ich kann nicht sagen, was darin enthalten,
Es ist nicht Frühling, Rose, Sonnenschein,
Doch will der Himmel sich zum Wort gestalten,
Der ganze Himmel, muß es dieses sein.

Es ist ein Klang aus jenen flücht'gen Stunden,
Da eine schöne, liebe Heuchlerin
Mit weichen Armen zärtlich mich umwunden,
Mir ganz bethörend Herz, Gemüth und Sinn.

Da hab' ich oft von ihrem Rosenmunde
Mit gier'gem Ohr dies Wörtchen abgelauscht,
Und spielend haben manche lange Stunde
Wir dieses Wörtchen kindisch ausgetauscht.

Wenn sie es sprach, wie bebt's mir in den Sinnen!
's war mehr als Flöte, mehr als Lerchensang,
Ein Paradies voll Seligkeit lag drinnen,
Ich konnt' es hören Tag' und Monde lang.

Es war ein Spiel! Des Spieles ward sie müde
Und hat sich ruhig, lächelnd abgekehrt;
Doch mit ihr wandte sich mein Glück, mein Friede –
Sie war so schön, sie war so liebenswerth!

Auch jenes Wörtchen hab' ich längst verloren,
Denn mit dem Zauber schwand das Zauberwort;
Nur leise, leise summt's mir in den Ohren,
Vergessen möchte' ich's, dennoch summt es fort!

Und wenn im Frühling sich die Blätter regen,
In Thal und Wald die Erde sich belebt,
Dann klopft mein Herz mit ungestümen Schlägen
Laut möcht' ich nennen, was mich leis durchbebt.

Es ist umsonst, ich find' es nimmer wieder,
Es ist nicht Frühling, Rose, Sonnenschein,
Doch mehr als Flöte, mehr als Lerchenlieder –
Es muß ein Wort für Glücklichere sein.
(S. 62-63)
_____


Giess in meine Seele deine

Gieß in meine Seele deine,
Meine hast du längst getrunken,
Wie im Morgensonnenscheine
Untergehn der Sterne Funken:

Daß mit wonnevollen Schmerzen
Gleiche Flammen uns durchwühlen!
Daß wir beide tief im Herzen
Eines Blutes Pulsschlag fühlen!
(S. 155)
_____


Allgegenwart

Gleich wie das Eine große Licht,
Der Urquell alles Guten,
Sich hell in tausend Strahlen bricht,
Das Weltall zu durchfluten;

Und wie der Farben bunte Pracht,
Das Dunkle wie das Helle,
Das deine Sinne trunken macht,
Nur Eines Stromes Welle;

So hat der Eine Gott sich auch,
Der alles hält umschlossen,
Mit Schöpferdrang, mit Liebeshauch
Weit durch das All ergossen.

Du siehst in jeder Creatur,
Rings durch das Weltgetriebe,
Von seiner Allmacht eine Spur,
Ein Denkmal seiner Liebe.

Er ruft dir zu, er treibt dich an
Aus hunderttausend Pforten,
Sein tiefster Grund liegt aufgethan
In Werken und in Worten.

So fühle nun mit ihm dich eins
Und eins mit allem Leben,
So wirst du in der Flut des Seins
Als Tropfen gern verschweben.

In jeder Blume, jedem Stern
Erblickst du Gottes Zeichen.
In jeder Seele nah und fern
Erkennst du deinesgleichen.

Und wie der Schöpfung großer Ring
In innigstem Vereine
Umschlossen hält jedwedes Ding,
Das Große wie das Kleine:

So halte du in Liebe auch
Den Himmel wie die Erde,
Daß deines Athems schwacher Hauch
Ein Sturmwind Gottes werde:

Allüberall ein einzig Meer
Der Liebe zu entzünden,
Und laut durch Thaten ringsumher
Den Ew'gen zu verkünden!
(S. 10-12)
_____


Hat dir die Rose nichts gesagt?

Hat dir die junge Rose nichts,
Die einsam blühende, geklagt?
Der Silberstrahl des Mondenlichts
Dir nichts bei Nacht ins Ohr gesagt?

Vernahmst du nicht die Nachtigall,
Wie sie, in Blüten dicht versteckt,
Mit ihres Liedes süßem Schall
Das Echo deiner Seele weckt?

Sahst du auch nicht die Sterne gehen
Unwandelbar in ew'gem Rund?
Und fühltest du nicht Flammen wehn
Von Aug' zu Auge, Mund zu Mund?

Es singt und klingt die Welt entlang,
Durch Land und Meer, durch Wald und Flur,
Ein tausendstimmiger Gesang,
Und Liebe tönt er, Liebe nur!

Von Liebe glänzt der Tropfen Thau,
Der an dem Kelch der Blume schwebt,
Von Liebe strahlt das feuchte Blau,
Draus mir dein Herz entgegenbebt.

So öffn' auch du, getrost und froh,
Ihr deiner Seele Heiligthum,
Und denk', die Götter wollten's so,
Zur Freude dir und sich zum Ruhm!
(S. 15-16)
_____


Liebe

Hat je der Liebe treue Hand
Durch Nacht und Dornen dich geführt,
Hast in des Lebens Sonnenbrand
Du jemals ihren Hauch verspürt:

O fühle, daß dich Gott geweiht,
So oft ein lieber Mund dich küßt,
Und daß dir nun für alle Zeit
Ein himmlisch Glück zu eigen ist.

Wie sich dein Schicksal wenden mag,
Und was du leidest auch fortan,
Es blühte dir ein Frühlingstag,
Der nimmermehr verwelken kann.

In Glück und Noth, in Lust und Pein
Umfächelt dich sein linder Duft,
Die Liebe wiegt dich lächelnd ein
Und streut dir Rosen auf die Gruft.
(S. 248)
_____


Ruhe

Herrlich ist's, voll Glutverlangen
In den Armen dir zu hangen,
Fühlen, sanft herabgezogen,
Deines Busens stürmisch Wogen,
Deinen süßen Athem trinken,
Ganz in Wonne untersinken!

Aber süßer noch, ohn' Ende
Halten deine lieben Hände,
In die Augen dir, die blauen,
Spiegel deiner Seele, schauen,
Wortelos, mit frommem Schweigen,
Fühlen, wie du ganz mein eigen.
(S. 153)
_____


Die Liebste schreibt

Ich bin der Bach, das wilde Kind,
Der schäumend über Klippen rinnt,
Von grünen Wipfeln überdacht,
Einsam und still, in Waldesnacht.

Der Vogel du im Schattendach,
Der seine Lieder singt dem Bach;
Es tönt das Lied, die Welle rauscht,
Vom Ohr der Menschen unbelauscht.
(S. 156)
_____


Die Liebste wünscht

Im Arm dir möcht' ich hangen,
Hinausgehn über Feld,
Wenn, noch von Nacht umfangen,
In Schlummer liegt die Welt;
Still ist's auf Flur und Wegen,
Nichts regt sich allerwärts,
Es pocht mit lauten Schlägen
Der Schöpfung ew'ges Herz.

Möcht' stehn mit dir und lauschen,
Andächtig, athemlos,
Der Quellen heimlich Rauschen
Tief in der Erde Schoß;
Das Lüftchen hört' ich säuseln,
Das dir die Wange küßt,
Und säh' den Bach sich kräuseln,
Der über Blumen fließt.

Und tausend Stimmen schweben
Süß flüsternd durch die Nacht –
O Herz, wer hat dies Leben,
Dies ew'ge, angefacht?
Wohin ich auch mich wende,
Der Welle gleich im Meer,
Dies Wogen sonder Ende,
O Lieber, sprich, woher?

Es ist derselbe Meister,
Der alles dies erschuf,
Der Herzen auch und Geister
Erweckt durch seinen Ruf;
Die dieses Weltgetriebe
In sicherm Gang erhält,
Es ist dieselbe Liebe,
Die uns den Busen schwellt.

Von deinem Arm umfangen,
In stiller Mitternacht,
Gelehnt an deine Wangen,
Von deinem Aug' bewacht;
Hinaus wohl möcht' ich treten
Ins dämmernde Gefild',
Und möchte mit dir beten –
Du weißt ja, wem es gilt!
(S. 161-162)
_____


In der Liebe goldnen Fluten

In der Liebe goldnen Fluten
Bade dich gesund, o Herz!
Angeweht von ihren Gluten,
Kühlt und lindert sich dein Schmerz;
Neue Sonnen läßt sie tagen,
Leuchtend über Berg und Thal,
Knospen, die der Sturm zerschlagen,
Blühn durch sie zum zweiten Mal.

Denk' der liebelosen Zeiten,
Die du einsam hast verlebt,
Eh' mit ihren Seligkeiten
Fromme Liebe dich durchbebt;
Deines Herzens junge Triebe
Sehnten sich nach Lust und Licht,
Liebe wollt'st du, nichts als Liebe,
Und man bot dir starre Pflicht.

Aber nun aus Himmelshöhen,
Ungesucht und unerkannt,
Ja, ein Wunder ist geschehen,
Das den Sinn dir umgewandt:
Leis im tiefsten Herzensgrunde
Eine Stimme mahnte dich,
Und es neigt sich Mund zu Munde,
Neigt zu Seele Seele sich.

Junge Rosen auf den Wangen,
Auf der Lippe Kuß um Kuß,
O du wonniges Umfangen,
O du sel'ger Liebesgruß!
Menschen- nicht, nur Götterhände
Konnten dieses Glück verleihn,
Und so wird, ich weiß, das Ende
Golden wie der Anfang sein.

Alles Schöne, alles Gute
Ist der Liebe fromme Saat;
Folge denn mit kühnem Muthe
Gern und willig ihrem Pfad!
Freue dich der stolzen Wonnen,
Die du nimmst und die du giebst –
Ach, bald ist der Sand verronnen,
Und du lebst nur, wenn du liebst!
(S. 253-254)
_____

 

Sommerliebe

In des Frühlings jungen Tagen,
Wenn die Nachtigallen schlagen
Durch die Thäler nah und weit,
Mögt ihr seufzen, mögt ihr klagen
Von der Liebe süßem Leid;
Aber zieht der Sommer golden,
Ganz bekränzt mit Blütendolden,
Im Triumph die Welt entlang,
Dann zu Füßen eurer Holden
Singet jubelnden Gesang.

Blöde Jugend mag sich härmen,
Mag mit Grollen, mag mit Lärmen
Wandern durch die weite Welt,
Oder mag auch nächtlich schwärmen
Einsam unterm Sternenzelt:
Doch der Mann, bedacht und weise,
Weiß, wie kurz die Lebensreise,
Keiner, keiner kehrt zurück,
Und so hält er, stark und leise,
Fest den flücht'gen Augenblick.

Holder Sommer meines Lebens,
Nein, du strahlst mir nicht vergebens,
Neuer Muth entflammet mich,
Und die Knospe meines Strebens
Oeffnet deinen Gluten sich!
Was ich ehmals litt und lernte,
So das Nahe, das Entfernte,
Alles sproßt auf meinem Pfad,
Und es reift zu goldner Ernte
Meines Lebens stolze Saat!
(S. 185-186)
_____


Abends

In dieser Stunde denkt sie mein,
Ich weiß, in dieser Stunde!
Die Vögel schlafen groß und klein,
Es schlafen die Blumen im Grunde.
An blauem Himmel hell und klar
Stehn tausend Sterne wunderbar,
Sie schaut hinauf und denket mein,
Ich weiß, in dieser Stunde.

Sie sitzt wohl einsam und allein,
Ich weiß, in dieser Stunde,
Und flüstert wohl den Namen mein
Halbleise mit schüchternem Munde.
Sie schickt mir Grüße lieb und schön
Und winkt mir zu, als könnt' ich's sehn,
Sie weint, in dieser Stunde.

Gute Nacht und schließ' die Aeugelein,
Gute Nacht in dieser Stunde!
Ich will im Traume bei dir sein
Mit fröhlicher, seliger Kunde:
Von einem Tag, o träume du,
Wo ich in deinen Armen ruh',
Ja bis dahin gedenke mein,
Jetzt und in jeder Stunde!
(S. 54-55)
_____


Mai

I.
Ja wohl, nun wird's noch einmal Mai,
Die Vögel singen wieder,
Und aus der Seele, kühn und frei,
Erblühen neue Lieder;
Die sollen sich vor deinen Fuß
Wie junge Blumen breiten,
Und sollen leise wie ein Kuß
In deine Seele gleiten.

Wohl war es eine schwere Zeit,
Die Du und ich erduldet,
Viel Unrecht hab' ich, vieles Leid
Ertragen und verschuldet.
Nun aber, da, ein Stern bei Nacht,
Dein Auge neu mir lächelt,
Nun fühl' ich, wie mit Jugendmacht
Genesung mich umfächelt.

Bedenk' es wohl: du bist das Licht,
Zu dem mein Blick sich wendet,
Es ist dein liebes Angesicht,
Das Trost und Kraft mir spendet;
In deinen Adern schäumt das Blut,
Von welchem ich mich nähre,
Aus deinem Busen quillt die Glut,
In der ich mich verzehre.

So zieh' noch einmal, kühn und frei,
Mich an dein Herz, das treue,
Daß unsers Lebens Wonnemai
Noch einmal sich erneue!
Schon fühl' ich, wie die Seele mir
Von neuen Liedern sprühet,
Und seh', wie Mund und Wange dir
Von neuen Küssen glühet!


II.
O Frühlingsluft, o Maienwinde,
O Sommerhimmel licht und klar,
Wie sprengt ihr endlich nun die Rinde,
Von der mein Herz umschlossen war!
Und wie der Erde junge Säfte
Aus tausend Quellen schäumend sprühn,
So schäumen meines Geistes Kräfte
Und wollen frisch in Thaten blühn.

Wohl war's im Winter öd' und strenge,
Die liebe Sonne war verbannt;
Inmitten einer kalten Menge,
Wie stand ich einsam, unerkannt!
Nach offnen Seelen, warmen Herzen
Verlangend sucht' ich rings im Kreis,
Doch alles steinern, alles erzen –
Da ward auch meines starr wie Eis.

Nun aber, da mit stolzem Prangen,
Geführt von milder Götter Gunst,
Ein neuer Lenz mir aufgegangen,
Der Lenz der Liebe und der Kunst;
Nun kenn' ich fürder kein Ermatten,
Nicht ängstigt mich der Tage Flucht,
Denn sieh, schon reift in Blätterschatten
Die köstliche, die Lebensfrucht!
(S. 271-273)
_____


In der Ferne

Jetzt wird sie wohl im Garten gehen,
Der blüht und glüht im Sonnenlicht,
Und in die Ferne wird sie spähen,
Mich aber, ach, mich sieht sie nicht.

Und eine Rose wird sie brechen,
Mit stummer Wehmuth im Gesicht,
Und meinen Namen wird sie sprechen,
Ich aber, ach, ich hör' es nicht!
(S. 53)
_____


Fiametta

Lächle nicht,
Lächle nicht,
Zauberisches Angesicht!
Deine Thränen, deine Schmerzen,
Kalt, mit ungerührtem Herzen,
Kann ich schweigend sie erdulden;
Aber ach, vor deinem Lächeln,
Wie der Schnee vorm Maienfächeln,
Schmilzt dein Unrecht, dein Verschulden –
Lächle nicht,
Lächle nicht,
Zauberisches Angesicht!

Lächle nicht,
Lächle nicht,
Zauberisches Angesicht!
Weinend hab' ich dich gesehen
Und verzweifelnd vor mir stehen,
Schönste dich von allen Frauen:
Doch dies Lächeln auf dem Munde,
Noch in meiner Todesstunde
Dieses Lächeln werd' ich schauen –
Lächle nicht,
Lächle nicht,
Allzutheures Angesicht!
(S. 64-65)
_____


Trost

Laß der Erde ihre Sorgen,
Und der Liebe laß ihr Glück!
Jede Nacht hat ihren Morgen,
Und die Sonne kehrt zurück;
Angestrahlt von ihrem Scheine,
Fühlst du Flammen dich umwehn –
Glaub', das Niedre und Gemeine
Ist nur da, um zu vergehn!

Wird das arme Herz dir bange
In den Kämpfen klein und groß,
Deiner Seele tiefstem Drange
Gieb dich kühn und fessellos!
Ist doch Eines dir geblieben
In des Lebens Wüstenei:
Habe nur den Muth, zu lieben,
Und die Liebe macht dich frei!

Daß dein Mißgeschick sich wende,
Lege muthig, unverzagt
In der Liebe treue Hände
Jeden Kummer, der dich nagt.
Schon mit himmlischen Gesichten
Fächelt dich Begeisterung,
Und in Küssen, in Gedichten
Wird dein Herz noch einmal jung!
(S. 13-14)
_____


Sommernacht

Leise Stimmen in den Lüften,
In den Blättern, in den Zweigen,
Welch' ein Blühen, welch' ein Düften,
Wonnevoller Liebesreigen!
Ganz in Seligkeit versunken,
Ruht die Welt und athmet kaum,
Und der Sterne goldne Funken
Glitzern leise, wie im Traum.

Löse deiner Locken Fluten!
Einen Schleier, laß sie sinken,
Daß der Augen nächt'ge Gluten
Heimlich nur dazwischen winken!
Mich verbrennt ihr süßes Leuchten,
Mich verzehrt ihr holder Strahl –
Augen, ach, ihr tiefen, feuchten,
Ach, was macht ihr mir für Qual!

Aber sieh, mit milden Armen,
Wie ich schmachte, wie ich flehe,
An den Busen, an den warmen,
Ziehst du sanft mich in die Höhe.
Leuchtet weiter, holde Sonnen,
Schleudert eurer Pfeile Brand,
Denn ein Ocean der Wonnen
Hält die Seele mir umspannt!
(S. 144-145)
_____


Letzter Blick und letzter Gruss

Letzter Blick und letzter Gruß,
Herz, wer kann es fassen?
Letzter Seufzer, letzter Kuß,
Und dann dich verlassen;
Lassen dich aus diesem Arm,
Der dich oft umfangen
In der Mainacht lind und warm,
Da die Knospen sprangen!

Lassen dich von dieser Brust,
Die mit heißen Schlägen
In unendlich süßer Lust
Deiner schlug entgegen;
Aus dem Auge lassen dich,
Sonne mir und Leben,
Und in finstre Ferne mich
Freudelos begeben!

Aber aus der Seele, nein,
Nicht aus meinem Herzen!
Das ist Balsam in der Pein,
Das ist Trost in Schmerzen;
Daß, wie auch die Tage sich
Rasch und wechselnd treiben,
Ewig dennoch du und ich,
Ewig wir uns bleiben.

Können meine Arme sich
Nicht mehr um dich ranken,
Halten doch umklammert dich
Sehnende Gedanken!
Und dem Aug' entschwunden zwar,
Glänzt doch alle Stunde
Mir dein Bildniß hell und klar
In der Seele Grunde. –

Letzter Blick und letzter Gruß,
Herz, wer wollte weinen!?
Einen Blick noch, einen Kuß
Und noch einmal einen;
Bleibst du mir und bleib' ich dir,
O, so ist's kein Leiden,
Bleib' ich dir und bleibst du mir,
O so ist's kein Scheiden!
(S. 103-104)
_____


Nachts

Löscht, o löscht, ihr Himmelslichter,
Die ihr wandelt durch die Nacht,
Schließ' in deinen Arm mich dichter,
Liebste du, in Zauberpracht:
Daß ein seliges Vergessen
Mir die heißen Schläfen kühlt,
Alles, was ich sonst besessen,
Weit mir aus der Seele spült.

Nur ein einz'ger Stern soll leuchten,
Mächtig wie der Sonne Glühn;
Deine Augen sind's, die feuchten,
Die in holden Flammen sprühn!
Und wenn sich die Lider neigen,
Leis von Schlummer übermannt,
Sagt dein Kuß mir noch mit Schweigen,
Was der Mund nur halb gestand!
(S. 141)
_____


Himmel auf Erden

Mein Frühlingshauch, mein Rosenduft,
Mein Morgenthau an grünen Zweigen,
Du lindes Säuseln in der Luft,
Wenn sich der Tag beginnt zu neigen,
Du goldner Becher übervoll,
Den milde Götter mir kredenzen,
Der mir nun ewig schäumen soll
In ewig neuen, jungen Lenzen!

Und wieder drück' ich dich ans Herz,
Wie in der Jugend sel'gen Tagen,
Und wieder muß ich himmelwärts
Die frohbewegten Blicke schlagen:
Von wannen alles Gute kommt,
Der Sonne Glanz, der milde Regen
Und alles, was den Menschen frommt
In millionenfachem Segen.

Du bist mein Himmel, holde Frau,
In deinem Blick, dem tiefen, feuchten,
Seh' ich des Himmels goldnes Blau
Und sehe Mond und Sonne leuchten;
Gleich wie des Himmels weites Rund
Die Erde liebend hält umfangen,
So ruht in deiner Seele Grund
Mein innerst Hoffen und Verlangen.

Wohl senkt vom Sternenhimmel her
Ins Herz sich seliges Genügen,
Mir aber quillt ein Wonnemeer
Aus der Geliebten stolzen Zügen.
Nicht neid ich, Mond, dein Silber dir,
Zerstreuet euch, ihr goldnen Herden;
In der Geliebten wurde mir
Der ganze Himmel schon auf Erden.
(S. 191-192)
_____


Der Liebsten Namen

Nach dem Namen der Geliebten fragen laut sie und im Stillen;
Nun wohlan, ihr Neubegier'gen, euren Wunsch will ich erfüllen.
Sonne heißet meine Liebste; denn mit sonnenhaftem Prangen,
Sonne meines Lebens, ist sie mir am Himmel aufgegangen;
Ueberall, wohin sich senken ihres Auges süße Strahlen,
Sprossen Blumen, tönen Lieder, blühen Wonnen mir und Qualen.
Mond und Sterne sind ihr Name: wie der Mond so süß beschaulich,
Wenn er Nachts am Himmel gleitet, wie die Sterne mild und traulich;
Frühlingsrose: denn so lieblich ist der Lippen rosig Lächeln;
Maienlüftchen: denn so würzig ihren Athem fühl' ich fächeln.
Schwan, mein Schwan, so soll sie heißen: denn wie eines Schwans Gefieder
Wogt ihr Busen süß und duftig, leuchten ihre weißen Glieder;
Taube unschuldvoll und schüchtern; Adler, mächtig und gewaltig;
Lamm und Löwe, süßes Wunder, unaussprechbar, vielgestaltig;
Königin, der alle Herzen sich in Demuth beugen müssen –
So, nun wißt ihr ihre Namen, schweigen laßt mich nun und küssen.
(S. 151-152)
_____


Frage nicht!

O frage nicht,
Was auf des Auges stillem Grunde
Mir oft wie eine Thräne bebt,
Was schüchtern oft von meinem Munde
Wie ein verstohlner Seufzer schwebt!
Es ist ein Wort, unausgesprochen,
Ein selig goldnes Traumgesicht,
Und nur mein Blick, mein Herzenspochen
Verräth es dir – o frage nicht!

O frage nicht,
Was ruhelos in deine Nähe
Mich wie ein Zauber mächtig bannt,
Warum ich dennoch seitwärts stehe,
Wenn du mich lächelnd kaum erkannt!
Von Schmetterlingen rings umgaukelt,
Genährt vom ersten Sonnenlicht,
Ein Röschen du, vom West geschaukelt,
Entblättert ich – o frage nicht!

O frage nicht,
Zu welcher frühen Sonnenwende
Mein kurzes Leben sich gesenkt,
Zu welchem Abgrund, welchem Ende
Mein milder Fuß hinunterlenkt!
Dir sei die Welt ein ew'ger Morgen
Voll Maienglanz und Duft und Licht,
Was Schmerzen sind, dir sei's verborgen,
Leb' wohl, vergiß – und frage nicht!
(S. 60-61)
_____


O hochgebenedeit der Mann

O hochgebenedeit der Mann,
Der, wenn ihm schon der Scheitel bleicht,
Und träger schon das Blut ihm schleicht,
Sich treue Liebe noch gewann!

Zum Himmel schaut er stolz und frei,
Und schaut zur Erde still beglückt,
Die sich für ihn mit Blumen schmückt,
In immer neuem, jungem Mai.

Jetzt lacht ihm erst der Sonne Strahl,
Der Sterne Glanz in stiller Nacht;
Ihn rührt der Rose junge Pracht,
Als säh' er sie zum ersten mal.

Kein Sehnen hält, kein wirrer Traum
Die klaren Sinne ihm gebannt;
Mit festem Schritt und sichrer Hand
Für seine Thaten schafft er Raum.

Den Strom der Tage sieht er ziehn
Gelassnen Muthes, sonder Harm;
Es trägt der Liebe starker Arm
Hoch über Sturm und Klippen ihn.

Vergangne und zukünft'ge Zeit
Liegt klar vor seinem innern Blick;
Denn endlos, weiß er, wie sein Glück,
Ist seiner Liebe Ewigkeit.
(S. 171-172)
_____


Der Jugend

O Jugend, liebe! lieb' und küsse,
Eh' dir der goldne Lenz entweicht!
Doch immer liebe so, das wisse,
Daß letzter Kuß dem ersten gleicht!
Drum liebe züchtig, liebe weise,
Wie es der Grazie Dienst dich lehrt,
Daß Liebe noch dereinst dem Greise
Das letzte Abendroth verklärt!

Denn wie der arme Mensch mag ringen,
Vom wüsten Drang der Welt umrauscht,
Er kann es doch nicht weiter bringen,
Als daß er Lieb' um Liebe tauscht;
Das ist der Anfang und das Ende,
Das ist der Aufgang und der Schluß,
Und aller Götter reichste Spende
Ist Liebesblick und Wort und Kuß.
O köstlich Altern, selig Sterben,
O holdes Wagen, stolz und kühn,
Wenn silbern sich die Locken färben,
Drin noch der Liebe Rosen glühn!
Das ist der wahre Jugendbronnen,
Daß man sich liebt und wieder liebt,
Ja, der nur hat sich selbst gewonnen,
Der ganz der Liebe sich ergiebt!
(S. 4-5)
_____


Morgens

O Morgen still und feierlich!
O Berge ganz in Duft versteckt!
Der bleiche Mond verfinstert sich,
Von Morgenwölkchen überdeckt.

Ich aber schreite froh daher,
An meine Liebe denke ich,
Dem Morgen gleich so still, so hehr,
So friedevoll und feierlich!
(S. 181)
_____


Letzte Sommertage

O Sommer, dein letzter, dein scheidender Blick,
Wie leuchtet so warm er, so sonnig!
Verspätete Rosen, verspätetes Glück,
Wie duftet ihr beide so wonnig!
Und färbt sich auch bald mir das flatternde Haar,
Und bleichen die schwellenden Wangen,
Doch halten wir spät verbundenes Paar
Uns nur um so inn'ger umfangen!

Die einst mir als schüchterne Knospe gelacht
Aus halb erschlossenem Laube,
Nun leuchtest du mir in üppiger Pracht,
Du reife, du goldene Traube!
Ich aber, in heiliger Trunkenheit,
Ich halte den schäumenden Becher,
Und selbst der Wermuth vergangener Zeit
Wird Nektar dem seligen Zecher.

So sprudle denn fort in unendlicher Lust,
O Liebe, du himmlische Quelle!
Es heilet die Wunde, frei athmet die Brust,
Das dämmernde Auge wird helle.
Wohl brauset der Kampf durch das staubige Feld,
Wohl mühen sich ringende Hände:
Wir aber, den ewigen Göttern gesellt,
Wir lieben und küssen ohn' Ende!
(S. 199-200)
_____


Neue Gluten

O Stern der Liebe, längst versunken,
Verloschen hatt' ich dich geglaubt;
Was wirfst du heute deine Funken
Noch einmal auf mein alternd Haupt?
Aus Wetterwolken mitternächtig
Nahst du voll finstrer Majestät,
Wie ein Komet, verderbenträchtig,
Sein flammend Haupt zur Erde dreht.

Ich aber steh' und fühl' erschrocken
Und selig dennoch deinen Strahl:
O nicht auf mich, auf braune Locken
Gieß' deiner Gluten süße Qual!
Hab' Mitleid mit dem müden Herzen,
So viel geprüft von Gram und Noth,
Es hat verlernt, wie lang! zu scherzen,
Und wenn es liebt, so liebt's zum Tod.

Umsonst, umsonst! Schon nah und näher
Wälzt sich das gier'ge Element,
Und höher steigt und immer höher
Die holde Glut, die mich verbrennt;
Ich will entfliehen, kann nicht wenden
Den Fuß, gebannt von Qual und Lust,
Und drücke selbst mit beiden Händen
Den Flammenpfeil mir in die Brust!
(S. 135-136)
_____


Liebesmacht

O wundervolle Liebesmacht,
Die alten Flammen neu entfacht,
Daß aus der Asche stumm und kalt
Dir neue Glut entgegenwallt!

Fühllos war meine Brust, wie Erz,
Gestorben wähnt ich längst mein Herz,
Einförmig rann der Tage Fluß,
Ich lebte, weil ich leben muß.

Da, wie aus Wolken dumpf und schwer
Herniederflammt ein Feuermeer,
So in die Seele mir hinein
Brach deines Auges Flammenschein.

Und wie im Lenz der Sonne Strahl
Das Leben weckt in Berg und Thal,
So sproßt aus meines Herzens Schacht
Ein neuer Mai in Blütenpracht.

Schon zittert leise durch die Brust
Ein Widerschein mir künft'ger Lust,
Schon tönen Lieder aus und ein;
Ich fühl's, noch kann ich glücklich sein.

Doch weißt du auch, daß auf den Mai
Der Sommer immer kommt herbei?
Doch ahnst du auch, o ahnst du schon,
Was diese Flammen noch uns drohn?!

Sei's - ! Ob zu Asche brennt dies Herz,
Gesegnet dennoch, süßer Schmerz!
Ja wenn die Glut mich tödten soll,
Auch solch ein Tod ist wonnevoll!
(S. 137-138)
_____


Liebe übers Grab

Ob kalt und stumm, sie leben doch,
Die wir ins stille Grab versenkt,
So lang' Ein Herz auf Erden noch
In Liebe ihrer treu gedenkt;

So lang' ihr liebes bleiches Bild
Nur Einem Auge noch erscheint,
So lang' in Sehnsucht, ungestillt,
Noch Eine Thräne um sie weint.

Wie aus der Erde finsterm Schacht
Der Lenz die Blumen lockt hervor,
So schwingt sich aus des Grabes Nacht
Der Liebe Fittig kühn empor.

Und jeder Gruß und jedes Wort,
Das der geliebte Mund einst sprach,
Wie Engelstimmen, fort und fort,
Im tiefsten Herzen tönt es nach;

Und weht uns an, so süß, so still,
Gleich wie der Rose Duft im Mai,
Und wenn der Muth uns sinken will,
Die lieben Todten stehn uns bei. –

Drum lindre, Liebe, deinen Schmerz!
Die wir ins stille Grab versenkt,
Sie sind nicht todt, so lang' ein Herz
In Liebe ihrer treu gedenkt:

So lang' ihr liebes bleiches Bild
Nur Einem Auge noch erscheint,
So lang' in Sehnsucht, ungestillt,
Noch Eine Thräne um sie weint.
(S. 27-28)
_____


Lenz und Licht

Rosenduft, du machst mich trunken,
Gleich wie Duft von edlem Wein;
Sonne, deine goldnen Funken
Sprühn mir tief ins Herz hinein!

Duft der Liebe, still und leise
Fächelst du mich nah und fern;
Ziehe leuchtend deine Kreise,
Lebenssonne, Liebesstern!
(S. 17)
_____


Schön ist die Liebste

Schön ist die Liebste, wenn ihr Mund,
Der lächelnde, von Küssen glüht,
Wenn aus des Auges feuchtem Grund
Verliebte Schalkheit Funken sprüht.

Doch schöner, wenn die Wetternacht
Des Zorns von ihrer Stirne droht.
Aus ihrer Blicke Flammenpracht
Vernichtung dir entgegenloht.

Am schönsten, wenn, wie Mondeslicht
Sich schaukelt auf verschwiegner Flut,
Auf ihrem süßen Angesicht
Der Kindheit sel'ger Friede ruht.
(S. 159)
_____


Sei nicht so schön

Sei nicht so schön! Nicht diese Funken
In meine Seele schleudere du!
Die heißen Sinne machst du trunken
Und mordest meines Herzens Ruh'!
Es träuft ein seliges Erbangen,
Es weht ein wonnevolles Weh
Vom Rosenschimmer deiner Wangen,
Von deiner Schulter duft'gem Schnee.

So war es, da zum erstenmale
Dein Herz besiegt an meines sank,
Da ich zuerst die volle Schale
Des Glücks von deiner Lippe trank;
So ist es all die Zeit geblieben
Und bleibt so jeden Augenblick –
Mit deinen Küssen wächst mein Lieben,
Mit meiner Sehnsucht wächst mein Glück.

O holdes Feu'r, das still verborgen
In zween getreuen Herzen glüht,
Das jeden Abend, jeden Morgen,
Aufs neue seine Funken sprüht!
Es strahlt ein ewig blauer Himmel
Vom Auge meiner Königin,
Und lächelnd schreiten durchs Gewimmel
Der Menschen wir gleich Göttern hin.

Und kommt des Alters Frost geschlichen,
Dem ersten Reife gleich bei Nacht,
Und ist der Wange Schmelz erblichen,
Der jetzt so süß, so lockend lacht:
Wir bleiben dennoch, die wir waren,
Da dich mein Aug' zuerst gesehn,
Und prächtig soll zu grauen Haaren
Der Liebe Rosenkranz uns stehn!
(S. 210-211)
_____



Und hast du je einmal geliebt

Und hast du je einmal geliebt,
Und weißt du, was für Seligkeiten
Die Liebe ihren Treuen giebt,
Bist du beglückt für alle Zeiten.

Es kann das Dornenreis der Pflicht
Die müden Schläfen dir zerwühlen,
Unglücklich aber kannst du nicht,
Nicht ganz verlassen je dich fühlen.

Von jedem Kummer, jeder Pein
Läßt dich Erinnerung genesen,
Und kannst du nicht mehr glücklich sein,
So weißt du doch, du bist's gewesen.

Wie tief im Wald ein Vogel singt,
Tönt dir ein tröstend Lied im Herzen,
Und was die Zeit nun immer bringt,
Mit Lächeln kannst du es verschmerzen:

Seitdem der Liebe Lust und Qual
Dein bebend Herz zuerst verspürte,
Seit ihres Heil'genscheines Strahl
Zuerst dein junges Haupt berührte.
(S. 31-32)
_____


Erinnerung

Und hast du recht geliebt einmal,
Sei dir's zur Freude, sei's zur Qual,
O halte das Gedächtniß fest,
Auf daß es nimmer dich verläßt!

Gieb ihm, als deinem besten Schatz,
Im tiefsten Herzen einen Platz,
Gleich wie ein liebes Grab man pflegt
Und es mit Blumen eng umhegt.

Und jeden Gruß, den du geschickt,
Und jeden Kuß, der dich erquickt,
Und selbst der Trennung bittern Schmerz,
O schließ' es alles treu ins Herz!

Auf daß, wenn einst nach Jahren spät
Der Frost des Alters dich umweht,
Du an verschwundner Tage Glück
Noch laben magst den müden Blick.

Und wie von Weines edlem Naß
Den Duft bewahrt das leere Faß,
So spielt um dich Erinnerung
Und macht das alte Herz dir jung. –

Die Rose welkt wohl über Nacht,
Vergänglich ist der Erde Pracht,
Nur was du liebst, o Herz, ist dein;
Das soll dein Trost im Sterben sein.
(S. 23-24)
_____


Vertrauen

Und ist das Herz dir kummerschwer,
Und wenn dich bange Zweifel nagen,
O neig' dich, Liebste, zu mir her,
Mir alles, was dich quält, zu sagen.

Das ist nicht Liebe, die allein
Am Rausch der Freude sich entzündet;
Die Thräne ist der Nachtmahlwein,
Der treue Herzen eng verbündet.

Wie mag dein wonnig Lächeln doch
Die müde Seele mir erfrischen!
Doch süßer ist und heil'ger noch
Ein Kuß, in den sich Thränen mischen.
(S. 187)
_____


Erneute Wonnen

Und wieder halt' ich dich umfangen,
Du meines Lebens liebstes Gut,
Und wieder leuchten deine Wangen
Von meiner Küsse Wonneglut;
Es hüllen deine duft'gen Locken
In holde Dämmerung mich ein,
Und wieder fühl' ich, froh erschrocken,
Wie süß es ist, geliebt zu sein!

Die dich durch Wetternacht und Wogen
In meinen Arm zurück geführt,
Die Sterne haben nicht gelogen,
Mein heißes Flehn hat sie gerührt;
Es stillen sich die bittern Thränen,
Die in der Ferne dich gesucht,
Und meinem Hoffen, meinem Sehnen
Blüht der Erfüllung goldne Frucht.

So stiegst du einst nach trübsten Jahren,
Ein segenspendend Meteor,
Aus Schuld und Irrthum und Gefahren
An meinem Himmel mir empor;
So zeigst du dich auch heute wieder
Dem staunenden, dem trunknen Blick,
Du bringst mir Küsse, bringst mir Lieder,
Bringst meine Jugend mir zurück!

Die Götter haben wollen zeigen,
Was Liebe kann, was Treue heißt,
Drum gaben sie mir dich zu eigen,
Die du so süß zu lieben weißt;
In deiner Unschuld Heil'genscheine,
In deiner Güte tief und klar,
Du bist, o Herz, die einzig Eine,
Wie nimmer eine Zweite war!

Und hüllen jetzt noch Nebelstreifen
Der Zukunft ungewissen Pfad,
Die Knospe der Verheißung naht!
So reich' noch einmal mir die Hände
Und neig' noch einmal mir das Haupt!
Es kommt gewiß zu gutem Ende,
Wer an der Liebe Wunder glaubt!
(S. 276-277)
_____


Liebesuhr

Wann ist zum Küssen die rechte Stunde?
Wenn der Morgen, von purpurnen Wolken bedeckt,
Sich hebt aus dämmerndem Sunde,
Dann rasch die Geliebte mit Küssen geweckt,
Dann koste, wie süß solch Morgenbrot schmeckt
Von dem rosig knospenden Munde!

Wann ist zum Küssen die rechte Stunde?
Wenn der Mittag auf dampfenden Feldern ruht,
Die Sonne brennt in der Runde,
Dann rücke du näher, dann liebt es sich gut,
Dann kühle mit Küssen das schäumende Blut
In der heißen, der lässigen Stunde.

Wann ist zum Küssen die rechte Stunde?
Wenn der Abend von blühenden Zweigen thaut,
Die Nachtigall flötet im Grunde,
Dann hältst du im Arme die schüchterne Braut,
Dann kost es, dann küßt sich's noch einmal so traut
In wonniger Dämmerstunde.

Wann ist zum Küssen die rechte Stunde?
Wenn die Sterne erglänzen in nächtlicher Pracht,
Mit dem Mond, dem getreuen, im Bunde;
O liebliches Dunkel, o selige Nacht!
Nichts rührt sich, nichts regt sich, die Liebe nur wacht,
Die Sterne machen die Runde.

Dann ist zum Küssen die rechte Stunde,
Wenn das Herz dich treibt, wenn die Sehnsucht glüht
Auf dem lieblich schwellenden Munde;
So liebe und küsse mit frohem Gemüth,
So lange das Leben, das goldne, dir blüht,
Es enteilet die flüchtige Stunde!
(S. 214-215)
_____


Liebeskalender

Wann ist zum Lieben die beste Zeit?
Wenn der Frühling sich schwingt in den Lüften,
Wenn der Kuckuck ruft so weit, so weit,
Wenn die Bäume blühen und düften;
Du aber am Arme der lieblichsten Frau,
Du wandelst mit Neigen und Grüßen
Und windest zum Kranze die Blumen der Au' -
O seliges Lieben und Küssen!

Wann ist zum Lieben die beste Zeit?
Wenn der Sommer lächelt, der holde,
Es stehen die Fluren in festlichem Kleid,
Die Ähren prangen im Golde.
Da sitzt die Geliebte im blühenden Feld,
Du ruhest ihr kosend zu Füßen,
Und über euch dämmert das wogende Zelt -
O seliges Lieben und Küssen!

Wann ist zum Lieben die beste Zeit?
Wenn der Herbst sich neiget zu Ende,
Wenn die Buche sich färbt und das Rebhuhn schreit,
Es färbt sich der Wein am Gelände.
Die Kleine, die Feine, die hat sich versteckt,
Sie wirft dich mit Trauben und Nüssen,
Du aber, du hast sie im Fluge entdeckt -
O seliges Lieben und Küssen!

Wann ist zum Lieben die beste Zeit?
Wenn der Winter knirscht auf dem Eise;
Die Wälder begraben, die Wege verschneit,
O süße beschwerden der Reise!
Nun sitzt du im Stübchen so traulich und warm,
Es labt dich die Liebste mit Küssen,
Sie hält dich, sie wiegt dich im schwellenden Arm -
O seliges Lieben und Küssen!

So ist zum Lieben jedwede Zeit
Die echte, die rechte, die beste,
So halte, o Herz dich immer bereit,
Zu empfangen die himmlischen Gäste!
Und hast du die flüchtige Stunde verträumt,
Mit Thränen wirst du es büßen,
So leere den Becher, solang' er dir schäumt -
O seliges Lieben und Küssen!
(S. 212-213)
_____


Unersättlich

Warum dein Kuß, so warm, so süß,
Doch meiner Seele Durst nicht stillt?
Weil immer neu der Liebe Born
Mir aus der tiefsten Seele quillt;

Weil unter meines Kusses Glut
Stets ros'ger deine Lippe blüht,
Dein Auge mir, dein lächelndes,
Stets leuchtender entgegen sprüht.

So zündet Stern an Stern sich an
Am Himmelsdom in nächt'ger Zeit,
Und brausend gießt dir in das Herz
Sich flammende Unendlichkeit.
(S. 193)
_____


Bei der Nacht

Warum duften doch die Rosen
So viel schöner bei der Nacht?
Warum schmecken doch die Küsse
So viel süßer bei der Nacht?
Wenn durch braune Dämmerungen
Hell der Liebsten Auge lacht,
Und wie eines Schwanes Fittich
Leuchtet ihrer Glieder Pracht.

Ja, der Tag gehört den Menschen,
Aber Gottes ist die Nacht!
Klar und mild, wie Auge Gottes,
Tausend Sterne sind erwacht;
Durch die Thäler, durch die Höhen
Weht's wie Mailuft mild und sacht,
Und den Saum von seinem Kleide
Hörst du rauschen durch die Nacht.

Was die Seele dir belastet,
Was dein Auge weinen macht,
Leg' es ab denn, müder Wandrer,
In den frommen Schoß der Nacht.
Knospen werden sich erschließen,
Früchte reifen über Nacht,
Und die Thränen sind getrocknet,
Ehe du noch aufgewacht.

Darum duften auch die Rosen
So viel schöner bei der Nacht,
Darum schmecken auch die Küsse
So viel süßer bei der Nacht:
Wenn durch braune Dämmerungen
Hell der Liebsten Auge lacht,
Und du fühlst an ihren Küssen:
Gott und deine Liebe wacht.
(S. 197-198)
_____


Liebe

Was die Liebe kann begehren,
Liebe darf es frei gewähren.

Was von Liebe ward verschuldet,
Gern von Liebe wird's geduldet.

Alles Fehlen, alles Irren,
Liebe weiß es zu entwirren;

Trägt mit seliger Geberde
Alle Noth und Schuld der Erde;

Am Geliebten jeden Flecken
Weiß sie sorgsam zu verdecken;

Ja, ihn völlig freizusprechen,
Lächelnd theilt sie sein Verbrechen.
(S. 182)
_____


Dämmerstunde

Was hauchst du, braune Dämmerstunde,
Du Trost dem müdgehetzten Mann,
Gleichwie ein Kuß von liebem Munde
Die fieberheiße Stirn mir an?
Du senkst dich leis mit lindem Schmeicheln
In mein verschlossnes Herz hinein,
Wie treuer Hände sanftes Streicheln,
Wie Kinderathem süß und rein.

Du holde Zeit versteckter Wonnen,
Da alle Blumen duft'ger blühn,
Indessen flammend mir als Sonnen
Die Augen der Geliebten glühn!
In ihre weichen Arme sink' ich,
Von Tages Last und Qual befreit,
Von ihrer ros'gen Lippe trink' ich
Den Balsam deiner Einsamkeit.

O säumet euch, ihr goldnen Sterne,
Verzögre dich, geliebter Mond!
In dieser Dämm'rung bleib' ich gerne,
In der die Liebe sichtbar thront;
Von ihrem weichen Netz umsponnen,
Von ihrem süßen Hauch umschwebt,
Sind Erd' und Himmel mir zerronnen,
Und einzig meine Liebe lebt!
(S. 195-196)
_____


Sommernacht

Was ist das für ein Düften
Die blühende Welt entlang!
Es jubelt in den Lüften
Wie Nachtigallensang;
Die rothen Rosen glühen,
Hoch steht der Lilien Pracht,
Und ihre Kelche sprühen
Und leuchten durch die Nacht.

Ihr schlagenden Nachtigallen,
Du blühender Lindenbaum,
Was soll dies Wogen und Wallen?
Ich wandle wie im Traum.
Von allen Zweigen bebt es,
Als ob es Funken thaut,
Um meine Lippen schwebt es
Wie Kuß vom Mund der Braut.

O wohl, das ist die Stunde,
Wo Lieb' an Lieb' sich schmiegt,
Indessen tief im Grunde
Die Welt in Schlummer liegt;
Nun schlafen alle Schmerzen
In treuen Armen ein,
Nun lernen junge Herzen,
Wie süß es ist zu Zwei'n.

O komm herab, du Holde,
Der meine Seele brennt!
Schon steht im Abendgolde
Das nächt'ge Firmament;
Rosen und Lilien blühen
Die düftende Welt entlang,
Und meine Lippen sprühen
Von Küssen und Gesang!
(S. 208-209)
_____


Drei Sonette

I.
Was wol die schwerste sei von allen Plagen,
Die Götterzorn dem Liebenden kann schicken?
Mit zweien Worten wag' ich's auszudrücken:
Auf stumme Bitte schweigendes Versagen.

Ein Nein thut weh, doch läßt es sich ertragen,
Wird es versüßt von mitleidsvollen Blicken;
Doch kalt und stumm mit Eis die Glut ersticken,
Das macht zuletzt das treue Herz verzagen.

Bedenk' es wohl: es flieht die rasche Stunde,
Nie wird, was du versäumt, dir wiederkehren,
Und ungestillt verblutet sich die Wunde.

Drum laß, o Herz, ein andres Wort dich lehren,
Es heißt – und also küss' es mir vom Munde: -
Auf stumme Bitte lächelndes Gewähren.


II.
Es ist die Lieb' ein Kind, nach Kinderweise
Lehnt sie die Wange gern an liebe Wangen,
Läßt gern von weichen Armen sich umfangen,
Spielt gern in duft'gen Locken lind und leise.

Auch liebt sie, gleich den Kindern, süße Speise;
Hat sie zu küssen einmal angefangen,
So bleibt sie fest am Purpurmunde hangen,
Gleich wie ein Stern sich wiegt in ew'gem Gleise.

Und doch, wiewohl ein Kind in allen Stücken,
Erträgt sie muthig Kummer und Beschwerden
Und würgt, ein Herkules, der Feinde Tücken.

Es ist kein Held, kein König ist auf Erden,
Der nicht, demüth'ger Sclav', sich müßte bücken
Vor dieses Kindes lächelnden Geberden.


III.
Und läßt du, daß die Lieb' ein Kind ist, gelten,
So muß sie auch als Kind sich dürfen zeigen;
Drum wenn sie plaudert, heiße sie nicht schweigen,
Und weint sie, tröste sie, so weint sie selten.

Auch sollst du nicht Verschwenderin sie schelten;
Holdsel'ger Leichtsinn ist der Kindheit eigen,
Sie liebt, sich zu den Sternen zu versteigen,
Und spielt, als wären Kiesel es, mit Welten.

Doch ist auch nichts, was Lieb' nicht kann entbehren,
Freiwillig, die Geliebte zu beglücken
Und ihres Herzens Wunsch ihr zu gewähren;

Sie läßt die Rose, ohne sie zu pflücken,
Den Becher läßt sie, ohne ihn zu leeren,
Und selbst das Elend wird ihr zum Entzücken.
(S. 116-118)
_____


Gesetz der Liebe

Wenn du dein Herz der Liebe willst ergeben,
So acht' auf Eins: daß es sich völlig giebt
Und ungetheilt; es lebt nur, wer da liebt,
Drum klingt so ähnlich lieben auch und leben.

Drum wenn du liebst, so habe nichts daneben,
Woran dein Herz noch hängt; die Welt zerstiebt
Der Seele, die sich innigst weiß geliebt,
Und welche selbst in Liebe will verschweben.

Wer aber unter des Geliebten Küssen
Noch ängstlich seitwärts nach den Leuten schielt,
Was sie wol meinen, denken, sagen müssen,

Der ist, wie fromm er sich auch sonst verhielt,
Rebell zuwider göttlichen Beschlüssen,
Und eitel Täuschung ist, was er erzielt.
(S. 114)
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Atlantis

Wer sie zu finden wüßte,
Glückseligster Pilot,
Die wundervolle Küste,
Wo uns kein Schmerz mehr droht!
Wo nimmer Mund vom Munde,
Vom Herzen Herz sich reißt,
Wo keine letzte Stunde
Uns bittern Abschied heißt!

Wo nicht das Flügelrauschen
Der Zeit uns mehr erschreckt,
Kein Spähen mehr, keine Lauschen
In unserm Glück uns neckt;
Wo wie in Meeresgrunde,
Versteckt von tiefster Flut,
Unendlich ew'ge Stunde
Mein Herz an deinem ruht!

Es ist kein falsch Gelüste,
In eitlem Hirn erdacht,
Die wundervolle Küste,
Sie ist kein Traum der Nacht;
In deinem Aug' und Mienen,
Da fand ich ihre Spur,
Da ist sie mir erschienen,
Die Paradiesesflur!

Herz, breite deine Schwingen!
Es gilt ein köstlich Gut,
Zu kämpfen und zu ringen,
Wohlauf und habe Muth!
Gieb dich getrost den Winden,
Nicht scheue Sturm und Riff,
Du wirst dein Eden finden;
Führt Liebe doch dein Schiff!
(S. 90-91)
_____


Offenbarung der Liebe

I.
Wie auch das spröde Herz mag widerstreben,
Und wie er vor sich selber sich verstelle,
Es kann der Mensch nicht ohne Liebe leben.

Die Liebe ist die große Lebensquelle,
Daraus des Daseins ew'ge Ströme fließen,
Endlos, unstillbar, wie des Meeres Welle.

Sie läßt die Blumen auf dem Felde sprießen,
Die Lerchen lehrt sie und die Nachtigallen,
Daß sie in Wohllaut jubelnd sich ergießen.

In todten Steinen, fühllosen Metallen
Läßt sie verborg'ne Lebensfülle wogen
Und blüht empor in leuchtenden Krystallen.

Ja droben selbst am blauen Himmelsbogen,
Die ew'gen Sterne selbst, die milden, guten,
Sie fühlen wie von Liebe sich gezogen.

Es brennt der bleiche Mond in keuschen Gluten,
Er spiegelt sich im Meer und zwingt die Wellen,
In Liebesdrang zu ebben und zu fluten. –

Strömt Liebe so aus hunderttausend Quellen,
Wie willst denn du, o Mensch, von allen Wesen
Nur außerhalb dich ihres Zaubers stellen?

O du, von Gott zum Ebenbild erlesen
Und doch gesetzt in dieses Thal der Leiden,
Wie willst du ohne Liebe je genesen?

Du kannst mit Erz die starre Brust umkleiden
Und kannst dein Selbst in schnöde Fesseln schlagen,
Doch kannst du nie von Liebe ganz dich scheiden.

Wie lang' es währt, einst muß der Morgen tagen,
Wo dich erfaßt ein schmerzlich süßes Sehnen
Nach einem Ohr, dem du kannst alles klagen,

Nach einer Brust, dich schweigend dran zu lehnen,
Nach weichen Armen, die dich mild umfassen,
Nach einem Aug', das weint in deine Thränen!

Und bist du dann von aller Welt verlassen,
Indessen rings im Schatten grüner Buchen
Verliebte Paare zärtlich sich umfassen:

Dann wirst du einst, gieb Acht, dir selber fluchen
Und wirst bei Blumen, Vögeln, Katzen, Hunden,
Armsel'ger Thor, nach jener Liebe suchen,
Die nie ein Menschenherz bei dir gefunden!


II.
Vernehmt die köstlichste von allen Lehren,
Die je sich offenbart hat ird'schen Sinnen,
Und neiget euch, sie dankbar zu verehren!

Willst du, o Mensch, dich selber recht gewinnen,
Mußt du dich erst in Liebe ganz verlieren;
Es liegt der Weisheit tiefster Kern darinnen.

Drum will dein Herz sich selber recht regieren,
So mußt der Liebe du die Zügel geben;
Mit milden Händen leitet sie die Ihren.

Stets klebt der Erde Staub an ird'schem Streben,
Doch hast du dich in Liebe rein gebadet,
Wird leicht und frei der Fittig sich erheben.

Drum preise sich jedweder hoch begnadet,
Der aus der Liebe heil'gem Born darf trinken;
Es giebt für ihn kein Gift mehr, das ihm schadet.

In reinerm Glanz sieht er die Sterne blinken;
In öder Nacht, durch Finsterniß und Grauen,
Hört er es leis wie Geisterstimme winken.

Es hat Natur in liebendem Vertrauen
Vor seinem Blick der Schleier sich entkleidet,
Er darf sie frei in nackter Schönheit schauen.

Und was kein Witz des Forschers unterscheidet,
Der Weltenuhr tiefinnerstes Getriebe,
Er kennt es, ungesucht und unbeneidet.

Denn dieses ist die Wunderkraft der Liebe,
Daß sie dem Geist verleihet neue Schwingen
Und weckt im Herzen ungeahnte Triebe.

Drum alles Große, das die Dichter singen,
Und alles Edle, das die Menschen preisen,
Die Liebe war's, sie lehrte es vollbringen.

Den Helden waffnet sie, sie lehrt den Weisen;
Wer ohne sie im Dunkeln stets geblieben,
Den hebt sie zu des Ruhmes lichten Kreisen.

Denn also steht's von Götterhand geschrieben:
Hast du nur erst dich Einem recht ergeben,
So lernst du bald die ganze Menschheit lieben.

Kalt ist und fremd die Welt, voll Kampf das Leben;
Kein Lorber wird die Schläfe je dir krönen,
Als den die Hand der Liebe dir gegeben.

Drum sollst du früh das starre Herz gewöhnen,
Den Widerstreit feindseliger Naturen
In ihrem keuschen Dienste zu versöhnen.

Wohl sehn wir Gott in allen Kreaturen,
So weit der Schöpfung linder Athem fächelt:
Doch findest du die reinsten seiner Spuren
Im Weibe, das in Lieb' und Schönheit lächelt.


III.
Von allem, was da ist und lebt auf Erden,
Ist nichts so fromm und heilig im Gemüthe
Und nichts so keusch und lieblich von Geberden:

Als wie ein Weib in seiner Schönheit Blüte,
Daß sich dem Manne will zu eigen geben,
Aus Liebe halb und halb aus milder Güte.

Denn ja, sie liebt ihn, heißer als ihr Leben,
Und doch ein Etwas flammt in seinen Blicken,
Das macht die Seele heimlich ihr erbeben.

Was will er nur? Was fehlt, ihn zu beglücken?
Ihr wär's genug, zu sitzen lange Jahre
Zur Seite ihm in schweigendem Entzücken,

Mit leisem Finger streicheln seine Haare,
Nach Kinderart an Wange Wange lehnen
Und in das Aug' ihm sehn, das sonnenklare.

Doch höher wogt sein ungeduldig Sehnen,
Sie fühlt den Gluthauch seines Kusses wehen
Und duldet ihn, halb lächelnd, halb in Thränen. –

Wem dies auf Erden einmal ist geschehen,
Der fühlt beglückt sich für sein ganzes Leben,
Weil er der Menschheit Köstlichstes gesehen:

Selbstlose Liebe, die ihr ganzes Streben,
Ihr ganzes Wollen richtet auf das Eine:
Sich dem Geliebten völlig hinzugeben.

Und solche Liebe, solche innigst eine,
Als sichre Zuflucht bei der Stürme Tosen,
Beut nur das Frauenherz, das starke, reine.

Drum streut das Schicksal Dornen in die Rosen
Und bleicht der Schmelz der jugendlichen Wangen,
Berührt vom Frost der Zeit, der mitleidlosen:

So sollst du doch, ob Jahre auch vergangen,
Unwandelbar in deiner Seele Grunde
An dem Gedächtniß dieses Tages hangen.

Vergiß es nie, daß einst an diesem Munde,
Dem knospenden, der ach, so früh verblühte,
Du dich berauscht in wonnevoller Stunde!

Dies Auge, müd' von Thränen jetzt, es sprühte
Von Wonnen einst, die du hast angezündet,
Da noch dein Herz in erstem Feuer glühte!

Und hast du dies im Geiste recht ergründet,
So wirst du dir auch selber müssen sagen,
Daß du dich ihr auf ewig hast verbündet,

Und daß in guten wie in bösen Tagen,
Und wie der Neid der Götter dich mag hetzen,
Du alles für sie dulden mußt und wagen.

Nie kann, und wär' es mit des Nabobs Schätzen,
Ja gäb' er selbst die Sterne ihr zu eigen,
Ein Mann der Frau, was sie ihm gab, ersetzen.

Ihm bleibt nur Eines, sich dankbar zu erzeigen:
Daß er die Liebe lerne recht erwidern,
Gerührten Sinns, mit andachtsvollem Schweigen,
Doch ist's ein Dichter, preis' er sie in Liedern.
(S. 33-40)
_____


Weihnacht

Wie sonst zu frohem Weihnachtsfeste
Das Haus von Lichtern sich erhellt,
Da tönt Gesang, da jubeln Gäste,
Da jauchzt die sel'ge Kinderwelt;
Die Kinderwelt, die, gleich den Dichtern,
Den Himmel noch im Herzen führt
Und noch an Tand und bunten Lichtern
Ein köstliches Behagen spürt.

Heut' du und ich im dunkeln Hause,
Kein Dritter soll uns nahe sein –
Heut' du und ich in stiller Klause,
Von allen wir, wir ganz allein!
Die sonst mit mir dies Fest begangen,
Sie sind nicht da, sind weit von hier,
Dich halt' ich, meine Braut, umfangen,
Mein Alles dich – nichts fehlet mir.

Laß flammen denn die Weihnachtskerzen!
So golden flammt die Sonne kaum,
Als stolz und froh in unsern Herzen
Der Liebe goldner Weihnachtsbaum!
Und wie sonst Naschwerk, bunte Nüsse
Man von des Baumes Zweigen pflückt,
So haben Blicke, haben Küsse
Uns unsern Weihnachtsbaum geschmückt.

Nur du und ich! O laß sie glühen,
Die Kerzen nicht, die Herzen auch
Laß flammen, glühen und zersprühen,
Das ist der Liebe Festgebrauch!
Nur du und ich! In unsre Mitte
Nie dränge sich ein fremder Fuß,
Stets zwischen dir und mir der Dritte
Sei unsrer Liebe Genius!
(S. 101-102)
_____


Lied

Wol viele tausend Vögelein
Wohnen und singen im grünen Hain,
Sie haben all' zwei Flüglein schön,
Zu fliegen über Land und Seen,
Sie haben alle süßen Mund,
Zu singen hell aus Herzensgrund –
O bitt' euch, liebe Vögelein,
Will keins von euch mein Bote sein?

Ich will euch senden in ein Thal
Mit lust'gen Quellen ohne Zahl,
Da blühen Blumen süß und lind
Und wiegen sich im Abendwind;
Ich will euch senden vor ein Haus,
Da lacht der Frühling selbst heraus –
O bitt' euch, liebe Vögelein,
Will keins von euch mein Bote sein?

Am liebsten flög' ich selber hin,
Und sagt' ihr, wie so treu ich bin,
Und klagt' ihr meine lange Pein,
Daß ich von ihr muß ferne sein;
Da läg' ich auch an ihrer Brust,
Und Kuß um Kuß und Liebeslust –
O bitt' euch, liebe Vögelein,
Will keines mir zwei Flügel leihn?
(S. 56-57)
_____


Amor als Arzt

"Wundgeküßt" – so klagte jüngst die Liebste –
"Wundgeküßt von deinen Flammenküssen
Ist die Lippe mir, du Lieber, Böser!
Kommt der West, der lose, angegaukelt,
Will es treiben, der verliebte Schwärmer,
Wie er es von dir gesehn, du Wilder,
Muß ich zucken wie von Nadelstichen;
Schmerzen macht sogar das kühle Naß mir,
Das krystallhell ich vom Brunnen schöpfe;
Will ich aber sprechen, zieh' ich Mäulchen,
Daß die Leute, die mich ansehn, lachen;
Und nur daß ich dich, du Heißgeliebter,
Liebe, liebe über alle Maßen,
Dies allein kann ohne Schmerz ich sagen.
Heile denn, den du hast angerichtet
Heile du den Schaden, Lieber, Böser,
Heile mir die wundgeküßte Lippe!"

Ich darauf: "Was du verlangst, ist billig,
Heilen muß ich dir die wunde Lippe,
Und der Künste, glaub' mir, bin ich Meister.
Doch nicht helfen Balsam hier und Salben,
Noch was weise Frauen künstlich doctern;
Helfen kann allein hier, dieses wisse,
Was zuerst den Schaden angerichtet.
Hast am heißen Herd, geschäftig waltend,
Wie es ziemt dem immer flinken Weibchen,
Du verbrannt das Fingerchen, das zarte;
Rasch noch einmal dem verruchten Eisen
Näherst du den liebe weißen Finger,
Klüglich mit dem Brand den Brand erstickend.
Gleicherweise heil' ich deine Lippe!
Ward sie wund von meinen Flammenküssen,
Flugs aufs neue, Liebste, laß uns küssen,
Endelos und stets von neuem wieder,
Und der Künste, glaub' mir, bin ich Meister.
Küsse laß uns tauschen, mild und schmelzend,
Wie die Rose duftet im Verscheiden;
Süßer, denn der Fleiß der kleinen Biene;
Länger ach und heißer, sehnsuchtvoller,
Als die Nacht zween Liebenden dahinschleicht,
Welche ferne von einander schmachten;
Zahllos, wie die Regentropfen fallen,
Wenn des Himmels Schleusen aufgezogen; -
Solch ein Regen, Liebste, wird erfrischen
Deines Mundes holde Zwillingsknospen,
Daß sie frischer denn zuvor erblühen –
Küssen laß uns, immer neue Küsse,
Küssen nur heilt wundegeküßte Lippen."

Sprach's – und in die Arme, schalkhaft lächelnd,
Sank die Liebste mir mit holdem Beben,
Durch des Mundes brennende Korallen
Sah ich hell die weißen Zähnchen leuchten;
Heißer, tiefer, süßen Wahnsinns trunken,
Wühlten in einander sich die Seelen –
Und mit Küssen, immer neuen Küssen
Heilten wir die wundgeküßte Lippe.
(S. 165-167)
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Alle Gedichte aus: Robert Prutz Buch der Liebe
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1869

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Eduard_Prutz

 

 

 


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