Karl Christian Reckert (1739-1800) - Liebesgedichte

 

 

Karl Christian Reckert
(1739-1800)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Das Bienchen

Könnt' ich oft ein Bienchen seyn,
O wie wollt' ich mich erfreun!
Um den Beeten wollt ich schwärmen,
Und als wie ein Stutzer lärmen.
Nur die Rose wollt ich wählen,
So die Mädchens gerne stehlen.
Nur die schönste, zart und fein,
Diese sollte ganz allein
Meine kleine Wohnung seyn.
Gienge Doris dann hinaus
In ihr stilles Gartenhaus,
Lust und Freude zu geniessen,
Oder Blumen zu begiessen;
Gienge alsdann, zu begleiten,
Ihr ein süsser Herr zur Seiten;
O dann lärmt ich um ihn her,
Und ich stäche ihn so sehr,
Dass er voll von Beulen wär.
Würd ich Doris aber sehn
Ganz allein im Garten gehn;
Hört ich sie dann leise sprechen:
Diese Rose will ich brechen,
Diese schönste will ich pflücken,
Sie soll meinen Busen schmücken;
O wie würd ich mich dann freun,
Mit an Doris Brust zu seyn!
Leise kröch ich dann hinein.
(S. 6-7)
_____



An die Nachtigall

Du kehrst vergnügt zum Hayne wieder,
Geliebte Sängerinn!
Und singst voll Anmuth deine Lieder,
Da ich so traurig bin.

Oft sangst du froh in meine Saiten,
Ein Lied das Honig süss;
Wenn ich mein Herz voll Zärtlichkeiten
Der Liebe überliess.

Doch ach! wo ist dies sanfte Feuer,
Sonst liebte Doris mich;
Itzt ruhet die verliebte Leyer
Und sie, sie grämet sich.

Sonst floh ich oft zu jenen Linden,
Wo ich, an Doris Hand,
Den Frühling in den stillen Gründen
Empfindungsvoll empfand.

Wie klopfte mir der frohe Busen
Von Lieb und Zärtlichkeit;
Hier fanden Gratien und Musen,
Mich ihrem Scherz geweiht.

Hier sang ich dann ein Lied im Kühlen,
Erhitzt von Fantasie;
So wird, wenn frohe Dichter spielen
Das Herz voll Harmonie.

Nun wallt kein Scherz mehr im Gemüthe,
Seit Doris von mir flieht;
Flieh ich den Lenz, die Silberblüte,
Und Philomelens Lied.

O Doris! möchtest du es wissen
Wie Damon sich betrübt;
Den Mund, den Rosenmund zu küssen,
Der vormals mich geliebt.

Ich will zum finstern Walde schleichen,
Wo nie der Tag erscheint;
Hier soll dein Bild nicht von mir weichen,
Bis ich den Gram verweint.

Dort, dort will ich den Schmerz erzählen,
Den du so oft besiegt;
Bis mich das Lied von Philomelen
In sanfte Träume wiegt.
(S. 14-16)
_____



An Doris

O Doris! lass uns lieben,
Eh unsre Jugend flieht;
Willst du die Zeit verschieben,
Die sich um uns bemüht?

Was hilft dir deine Güte
Dein Mund, der Rosen weich?
So flieht, die schönste Blüte
An Reiz und Anmuth reich.

Noch lacht von deinem Munde
Ein holdes Morgenroth,
Gebrauche doch der Stunde,
Die zu entfliehen droht.

Du hegst noch in dem Herzen,
Gefühl und Zärtlichkeit;
O Doris! lass uns scherzen,
Da es die Zeit gebeut.

Komm, komm die Lust zu fühlen,
Die dir der Tag verspricht;
Noch ist es Zeit zu spielen,
O Doris! säume nicht.
(S. 20-21)
_____



Der Jüngling

Wie ändern sich die Zeiten;
Da ich noch Knabe war,
Da durft ich dreiste küssen,
Und lief niemals Gefahr.

Dass mich die alte Tante
Bewachte, als ein Dieb;
Nein, damals war sie gütig
Und hatte mich recht lieb.

Da durft ich scherzen, lachen,
Es gieng nach meinem Sinn;
Und mich im Schrank verstecken
Mit Fieckgens Nachbarinn.

O das war eine Freude,
Für mich ein süsses Spiel!
Wenn ich das Mädchen haschte,
Der ich recht wohl gefiel.

Ach! wenn ich da die Liebe
So wie anitzt gefühlt;
Dann hätt ich nicht wie Knabe
Ein kindisch Spiel gespielt.

Nunmehro bin ich klüger,
Doch wer stellt sich das für;
Die alte schlaue Tante
Sitzt immer neben mir.

Sie wird noch täglich schlimmer,
Kaum geh ich vor die Thür;
Und seh nur auf die Gasse,
Dann folgt sie hurtig mir.

Und spricht: du loser Bube,
Du schleichst, wo willst du hin?
Ich sag es deinem Vater,
Du liebst die Nachbarinn.

Wie kömmts? sonst warst du frömmer,
Sprich, wer hat dich verführt?
Der Lehrer soll dich strafen,
So wie es sich gebührt.

Mit Thränen in den Augen
Küss ich die Hand ihr dann;
Und spreche: liebe Tante!
Und schmeichle, was ich kann.

Zwar gehts mir nicht von Herzen,
Doch was begeht man nicht;
Um schöner Mädchen willen
Und reizenden Gesicht.

Und lockt der holde Abend,
Zu Scherz und Zärtlichkeit;
Da schläft die sichre Tante,
Mit ihr der blasse Neid.

Dies sind die schönsten Stunden
Für mich, wenn sie zur Ruh;
Dann eil ich Fieckchens Armen
Schnell, wie ein Vogel, zu.

Da küssen wir voll Wonne,
Es drückt sich Mund auf Mund;
Das Herz voll treuer Liebe,
Macht jeder Seufzer kund.

Ach! forderte der Himmel
Die Tante doch zur Ruh;
Ich drückte ihr aus Liebe,
Die Augen hurtig zu.
(S. 22-26)
_____



Der May

Nichts ist schöner wie der May,
Und wie seine Freuden;
Nun ist alles jung und neu,
Und die Heerden weiden.
O wie klagt der Schäfer schon
In dem schönsten Flötenton
Doris seine Leiden!

Sieh! wie weiss der Kirschbaum trägt
In den stillen Gründen;
Und wie Philomele schlägt
Hier in diesen Linden!
Sieh! wie sanft die Zephyrs wehn,
Und die holden Grazien
Blumenkränze winden!

Froher lacht die Gegend dort,
Die mich ganz entzücket;
Freund! wie schön ist dieser Ort,
Den der Frühling schmücket.
Komm! geniess die reine Luft,
Und der Blumen Balsamduft
Dass er dich erquicket.

Hier, Freund, will ich mich erfreun,
In den Abendstunden;
Wo mich Daphne oft allein,
Ganz entzückt gefunden,
Die ich jüngst beym Mondenschein
Durch ein sanftes Lied im Hayn
Zärtlich überwunden.
(S. 27-28)
_____



An eine junge Schöne

Junger Engel, schön von Minen,
Lass dich doch von mir bedienen;
Lass es mich nur einmal wagen,
Dir von Küssen vorzusagen!
Wenn die Jahre dich besiegen,
Dann wird niemand dich bekriegen:
Aber, da auf deinen Wangen
Noch die jungen Rosen prangen,
Und dein Mund zum Kuss bereitet,
Mit dem schönsten Purpur streitet;
O! so wirst du es erlauben,
Dir den ersten Kuss zu rauben.
Kind! wie wirst du es bedauren,
Wenn sich unter Gram und trauren,
Deine Reize von dir wenden,
Und die Runzeln dich verschänden!
Willst du dich der Welt entziehen?
Küsse, denn die Jahre fliehen;
Liebe, denn die kurzen Stunden
Sind wie Blitz und Rauch verschwunden.
Scherze, denn die Augenblicke
Kehren nie zu uns zurücke.
Komm: itzt winken dir die Freuden;
Lass die Mutter dich beneiden.
Dort will ich auf jenen Höhen
Mit dir voller Freude gehen.
Dort will ich bey Scherz und Küssen,
Kind, mit dir den Lenz geniessen.
Komm, du sollst am Quell dort stehen,
Und dein Bild entzückend sehen.
Komm, mein Kind! dich zu vergnügen,
Auf Violen sollst du liegen.
(S. 44-46)
_____



Die Grazien und Phyllis

Die Grazien, die Huldgöttinnen,
Vermissten Phyllis in dem Hayn;
Wo ist sie? sollte sie entrinnen?
Nein, Schwestern, dieses kann nicht seyn.

Sie wird vielleicht bey jenen Buchen
Ihr reizend Bild im Wasser sehn;
Und Blümchen für den Busen suchen,
Vom Morgenthau noch frisch und schön.

Ach eilt! sie sitzt gewiss alleine;
Sprach Thalia, was zaudern wir?
Itzt giengen sie durch stille Hayne,
Und junge Nymphen folgten ihr.

Hier wars, wo Amor in den Hecken
Den weissen Arm um Phyllis schlang;
Die Nymphen waren voller Schrecken,
Als er aus dem Gebüsche sprang.

Lebt wohl! sang er: ihr seyd betrogen,
Die junge Phyllis liebet mich;
Zur Tugend habt ihr sie erzogen,
Kein Schäfer liebt so treu, wie ich.

Lebt wohl! rief er, ich bin beglücket;
Das schönste Kind, was euch entflieht,
Hat Götter im Olymp entzücket;
Lacht, Grazien, lacht in mein Lied!

Und singet: Phyllis müsse leben!
Eh noch der Frühling wieder blüht,
Soll sie euch eine Tochter geben;
Lacht, Grazien, lacht in mein Lied!
(S. 56-58)
_____



An Dafne
Nach der achten Ode (Anakreon)

Voll von Wein
Schlief ich ein
Und mein Kind! da träumte mir
Holder Engel! jüngst von dir.

Kaum schlich ich
Leise mich
Hin zu deinem Schlafgemach,
Und da wurd ich plötzlich wach.

Holder Traum,
Du hast kaum
Mich im sanften Schlaf erfreut,
Voller Lust und Zärtlichkeit.

Da nimmst du
Mir die Ruh
Konntest du so grausam seyn?
Nie werd ich dir das verzeihn.

Komm zu mir
Wieder hier
Sieh, mit dieser Flasche Wein
Lad ich dich aufs neue ein!
(S. 76-77)
_____



An Amor
Nach der ein und sechzigsten Ode (Anakreon)

Amor, loser kleiner Gott!
Du, du bist mein Lied;
Lange trieb ich meinen Spott
Mit dir im Gemüth.

Aber, was für grossen Schmerz
Hast du mir erregt?
Blutig, blutig ist mein Herz,
Das den Pfeil noch trägt.

Geht mein Schmerz dir noch nicht nah,
Der mich ganz verzehrt:
Amor! sieh, ich liebe ja,
Und bin itzt bekehrt.
(S. 94)
_____



An Dafne
Nach der zwey und sechzigsten Ode (Anakreon)

Dafne! lass dir sagen
Meinen bittern Schmerz;
Amor, hör die Klagen,
Fuhr mir jüngst ins Herz.

Seine rothen Wangen,
O wie schön, wie schön!
Wie die Rosen prangen,
War er anzusehn.

Um die glatten Stirne
Trug er einen Kranz,
Mit der schönsten Dirne
Tanzt er einen Tanz.

Da wollt ich ihn kriegen,
Fasste mir ein Herz:
Wie die Pfeile fliegen
Flog er mir ins Herz.

Schaffe mir den Knaben
Wieder aus dem Herz:
Ich will ihn nicht haben,
Seinen Höllenschmerz.
(S. 95-96)
_____



Amazonenlieder


Lied einer Amazone
bey dem Ausmarsche an ihren Geliebten

Ha! itzt ruft der Posaunenklang
Zu Waffen und Gewehr;
Bey Pauken, Lärmen und Gesang
Erscheint das Heldenheer.

Geübt in Waffen und im Streit
Droht es dem stolzen Feind,
Das keinen Schmerz, den Tod nicht scheut,
Ihn schlägt, eh er es meynt.

Dort steht mein Held, wie furchtbar ist
Sein braunes Angesicht!
Mit Inbrunst hab ich ihn geküsst,
Und er, er weinte nicht.

Nein, mit gesetztem Heldenmuth,
Die Waffen in der Hand,
Wagt er sein Leben, Leib und Blut,
Für dich, o Vaterland!

Wie rühmlich ist der Helden Tod,
Wenn er im Kampfe fällt!
So stirbt ein edler Patriot,
Fürs Vaterland, ein Held.

O schlag die Feinde die uns drohn,
Und komm mit Sieg und Glück,
Geliebter! wenn der Feind geflohn,
In meinen Arm zurück!
(S. 99-101)
_____



Lied an ihren Geliebten
da das Heer das Lager verlässt

Glück auf ins Feld, mein schönster Freund!
Zu einer neuen That;
Verwunde muthig deinen Feind,
Du kriegrischer Soldat!

Sey tapfer und vergiess dein Blut,
Mit einer Heldenhand;
Und stirb mit edlem kühnen Muth,
Voll Ruhm fürs Vaterland.

Dort steht der Feind und spricht euch Hohn,
Verschanzt, dort steht er da;
Und in Gedanken singt er schon
Triumph, Victoria!

Soll er euch schlagen, und dabey,
Als Sieger und als Held,
Euch führen in die Sklaverey,
Der Schande ausgestellt?

O wie unrühmlich, welchen Tod,
Wählt ich mir nicht dafür!
Den schrecklichsten, als Patriot,
Stürb ich ihn willig hier!

Nein, nein ihr Helden, ihr besiegt
Den Feind mit Löwenmuth;
Heil mir! wenn er zur Erde liegt,
Voll Schmerzen und voll Blut.

Wo bleibt alsdann sein Stolz und Hohn,
Wenn er die Fesseln trägt?
Der Ueberrest davon geflohn,
Der Groll im Herzen hegt.

Dann streu ich junge Palmen dir,
Und sing ein Jubellied;
Und jeder freuet sich mit mir,
Wenn er euch wiedersieht!
(S. 102-104)
_____



Lied an ihren Geliebten
im Felde

Wirst du nicht müde von dem Streit,
Und von der Waffen Last?
Die du, mein Held, schon lange Zeit
Mit Ruhm getragen hast?

Noch flammt dein Herze voller Wuth,
Den Feind, der sich dir stellt,
Zu stürzen in sein eigen Blut,
Zu siegen wie ein Held.

Heil sey dir! wenn es dir gelingt,
Der Ruhm wird dir nicht schwer;
Dass man dir einst entgegen singt,
Dort kömmt der Sieger her!

Dann jauchzet niemand mehr, als ich,
Wenn dieser Tag erscheint;
Der uns zum Glück, wie freu ich mich!
Voll Zärtlichkeit vereint.

O streite mit genervter Hand,
Sey tapfer, wie Achill;
Der wundervoll fürs Vaterland
Noch siegte, eh er fiel!

Ihn krönet noch ein später Ruhm,
Denn wer voll Wunden fällt,
Der hat des Himmels Eigenthum,
Er stirbt, als wie ein Held!
(S. 105-106)
_____



Lied über das Verlangen
nach der Wiederkunft ihres Geliebten

O fliesst ihr Thränen vom Gesicht,
Rollt fort auf meine Brust!
Noch kömmt, noch kömmt mein Liebling nicht,
Er, meine Freud und Lust!

Schwarz wie die Nacht, die um mich wohnt,
So finster ist mein Schmerz;
O wenn er nur den Feind nicht schont,
Dann hüpft für Lust mein Herz!

O wenn er nur nicht von dem Heer
Sich gar zu weit verirrt;
Sein Leben wagt, es ohngefähr,
Durch seinen Muth verliert!

Wie blühte nicht sein Angesicht,
Wie schön, wie schön war er;
Vielleicht zeigt er die letzte Pflicht,
Und stirbt von Wunden schwer.

Vielleicht, - doch nein, mit Ruhm und Glück
Kömmst du bald aus dem Streit,
Und kehrst zu meiner Brust zurück,
Die deiner Lust geweiht!
(S. 107-108)
_____



Lied bey Erblickung ihres Geliebten

Wie seh ich ihn, er ist es ja,
Der Freund, der schöne Held!
Dort steht er, dort, Victoria!
In Reih und Glied gestellt!

Wie glüht sein Angesicht, wie sehr
Hat er mein Herz erschreckt!
Willkommen mir, o Heldenheer,
Mit Schweis und Staub bedeckt!

Mein Liebling sieht mich, ach! er eilt
Zu mir, sein Herze bebt;
Wie lange, Freund! hast du verweilt,
Und nur nach Ruhm gestrebt!

Noch fühlet, ja, noch fühlt dein Herz
Des Krieges schwere Last;
Vergiss, vergiss, o Held! den Schmerz,
Den du erlitten hast.

Vergiss, mein Herz ist ewig dein,
Die fürchterliche Schlacht;
Ach! diese Wunde, - welche Pein,
Hat sie dir nicht gemacht!

Vielleicht gab sie dir eine Hand,
Voll mörderischer Wuth;
Und er vergoss im gelben Sand
Gewiss dafür sein Blut.

O nimm den Kuss entzückt von mir,
Mein Herz wird mir zu schwer;
Es klopft, es brennet für Begier,
Nie war es zärtlicher!

Willkommen mir, o Tag! du bist,
Wie glücklich bist du mir;
Den Freund, den ich so lag vermisst,
Den bringst du wieder hier!
(S. 109-111)
_____



Lied über die Genesung
an ihren Geliebten

Heil mir! so seh ich noch einmal
Den besten Freund, den Held;
Willkommen hier ins grüne Thal,
Willkommen aus dem Zelt!

Wie lange, o wie lange Zeit,
Grämt ich mich, Freund, um dich;
Doch glücklich kömmst du aus dem Streit,
Und dieses freuet mich!

Zwar trägst du, ach! hie ist sie, hie,
Die Wunde auf der Brust;
O lass mich, denn ich küsse sie,
Mit Innbrunst und mit Lust!

O lass mich, diese Thräne soll
Sie nezzen, denn du bist
Mein Kriegesgott und mein Apoll,
Den ich mit Schmerz vermisst!

Wohl mir, mein zärtlicher Gesang,
Du sollst Entzücken seyn;
Nun will ich ohne Waffenklang,
Mich mit dem Helden freun.

Nun will ich, freudiges Gefühl,
Mich dir, o Liebe! weihn;
Und bey dem süssen Saitenspiel
Nicht ferne traurig seyn!
(S. 112-113)
_____



Lied einer Amazone
die ihren Geliebten bewundert

In einer See von Glanze steht
Mein edler junger Held;
Als Menschenfreund, nicht aufgebläht,
Vom Ruhm, den er erhält.

Mein Auge sieht entzückt ihn an,
Wie Schwert und Panzer blitzt;
O dass er auf der Siegesbahn
Der Feinde Blut verspritzt!

O dass er in dem blutgen Streit,
Sein Leben nicht verliert;
Dass man sein Bild, nach kurzer Zeit,
Mit Lorberkränzen ziert!

Wie lockigt liegt sein schwarzes Haar,
Ihm um den Scheitel her!
Wer stürzt sich muthger in Gefahr,
Wer ist wohl reizender!

Wie blüht sein holdes Angesicht,
Sein rother Mund wie schön!
Nein, liebender war Paris nicht,
Auch nicht der Gott Hymen!

O schont, ihr Götter! schon ihn mir,
Dass sein Blut nicht versprützt;
Mein Leben gäb ich gern dafür,
Wenn ihr ihn nur beschützt!

Führt ihn mit Sieg gekrönt zurück,
In meinen Arm voll Ruhm;
Dann ist die Welt, o welch ein Glück,
Für mich, Elysium!
(S. 114-116)
_____



Lied an ihren sterbenden Geliebten

O Held! was für ein Todesschmerz,
Entstellt dein Angesicht;
Mir fährt ein Schrecken durch das Herz,
Da dir dein Auge bricht!

Du reichst mir sterbend noch die Hand,
Ach! was entzückt mich mehr;
Aus Liebe für das Vaterland,
Ist sie von Wunden schwer.

Du drückst sie noch voll Innbrunst mir,
Geliebter! welch ein Schmerz;
Empfindet meine Seele hier,
Wie blutet mir das Herz!

Sprich, wer gab dir voll Wuth den Stich,
Den deine Brust hier trägt?
O wüsst ich ihn, ich rächte mich,
So wahr mein Herze schlägt!

Doch ach! du schweigst, o wie wird mir!
Die Seele trennet sich;
Er stirbt, der Helden schönste Zier,
Der einer Rose glich!

So soll ich dann sein Angesicht
Nie küssen, nie mehr sehn?
Die Purpurrothen Lippen nicht,
Die jüngst so frisch und schön?

So soll ich bey dem Waffenklang
Sein Lied nie hören, nie?
Wenn er Triumph und Schlachten sang,
In süsser Harmonie?

Auf ewig, ach! auf ewig schliesst,
Sein braunes Auge sich;
Den Mund, den ich so oft geküsst,
Wird Staub und fürchterlich.

Ich will bey stiller Abendzeit
Zu seinem Grabe gehn;
Mit Blumen sey es überstreut,
Vom Thau noch frisch und schön.

Da fliessen Thränen um den Held,
Vom Auge strömend fort;
Bis mich ein Schaudern überfällt,
An diesem heilgen Ort!
(S. 117-119)
_____



Lied einer Amazone
an ihren Bräutigam vor der Schlacht

Triumph! der Tag bricht schon heran,
Triumph! bald ist er da.
Zu siegen, schlagen Ross und Mann,
Er kömmt, Victoria!

Er kömmt, er kömmt, o niemand sey,
Voll banger Furchtsamkeit;
Bellona fleht den Helden bey,
Und geht mit uns in Streit!

Auf! frisch, beseele deinen Muth,
So tapfer und so kühn;
Wie Ajax, Pollus voller Wut,
Wenn sie zu Felde ziehn.

Nun schone den, der schon besiegt,
Und dich um Gnade fleht;
Voll Wunden auf der Erde liegt,
Halb sterbend im Gebet.

Dem andern aber, der sich nicht,
Ergeben will, mit Wut;
So wie ein wilder Löwe ficht,
Für seine junge Brut:

Den schlage schrecklich, bis er sich,
Für dich im Staube krümmt;
Bis ihm dein Säbel fürchterlich
Das harte Leben nimmt.

Dann sey ein Sieger mit dem Heer,
Dem man die Palmen streut;
Und froh, nach tapfrer Gegenwehr,
Triumph, entgegen schreyt!
(S. 120-122)
_____



Lied an ihren Bräutigam
den sie nach der Schlacht vermisst

Wo find ich ihn, den besten Freund?
Vielleicht ist er nicht mehr;
Mein Auge, welches um ihn weint,
Ist noch von Thränen schwer.

Hier stand er, ach! hier war es, hier,
So ganz empfindungsvoll,
Ich küsse dich, und sage dir,
Sprach er: dies Lebewohl!

Fürs Vaterland geh ich ins Feld,
Die Feinde mehren sich;
Und sterb ich einst, so stirbt ein Held,
So rühmlich als wie ich.

Soll ich der letzte Kämpfer seyn?
So kennt ich nicht die Pflicht;
Kein Held muss für dem Tod sich scheun,
Nein, diesen fürcht ich nicht.

Dies sprach er: ach! wie vielen Schmerz
Empfand ich durch dies Wort;
Noch fühl ich es, mein treues Herz
Wird von dem Gram durchbohrt.

Wo find ich ihn, o sagt es mir,
Ihr Helden! wenn ihrs wisst;
Ich habe den Geliebten hier,
Den besten Freund vermisst!

Wohl mir! wohl mir, dort steht er ja,
Als Sieger unter euch!
Triumph! Triumph! Victoria!
Der Tag ist freudenreich!

Doch niemand freudiger als mir,
Und günstiger am Glück;
Den Helden bringt er wieder hier,
In meinen Arm zurück.
(S. 123-125)
_____



Lied an ihren Bräutigam
den sie nach der Schlacht wiedergefunden

Nun kehrt sie wieder ins Gemüth,
Die Freude, die geflohn;
Ertöne, sanftes Jubellied,
In einem süssen Ton.

Mein Freund lebt noch, o welche Lust,
Er lebt, und ich mit ihm!
Für Lieb und Treu schmilzt mir die Brust,
Und alle Klagen fliehn.

Auf einmal fort, die mich so sehr
Gekränkt ohn Unterlass:
Nun machen keine Thränen mehr
Die Wangen bleich und nass.

Nun wölket sich die Stirne nicht
Für Kummer und für Schmerz;
Die Sorge flieht, die Freude spricht
Mir wieder in das Herz.

Heil mir! wie glücklich ist der Tag,
Der mir ihn wieder giebt;
Den besten Freund, kein traurig ach!
Macht künftig mich betrübt.

Komm, Liebster! komm, du bist mein Ruhm,
In meinem Arm du bist;
Mein bester Freund, mein Eigenthum,
Den ich voll Schmerz vermisst.
(S. 126-127)
_____



Lied eines Helden
der das Schlachtfeld betrachtet

Hier liegen sie, die Helden hie,
Die für das Vaterland
Gestritten, und mit vieler Müh,
Den Sieg uns zugewandt.

Voll Wunden, und von Blut noch roth,
Den Säbel in der Hand;
Starb dieser Held den schönsten Tod,
Den Tod, - fürs Vaterland!

Und dieser Jüngling? ach! wie fällt
Der Schweiss ihm von der Stirn!
Er stirbt, er stirbt, als wie ein Held,
Viel Wunden am Gehirn.

Vielleicht beweint ihn schon die Braut,
Die Ahndung sagt es ihr;
Er wird mir niemals angetraut,
Und kömmt nie wieder hier.

Auch dieser Reuter, der hier liegt,
Sein Säbel raucht noch Blut;
Wie tapfer hat er nicht gesiegt,
Wie gross war nicht sein Muth!

So siegete Ulysses nicht,
Wie dieser Held gethan;
Das Blut, das von der That noch spricht,
Fliesst auf der Siegesbahn.

O schlafet sanft in diesem Sand,
Ihr Helden, ruhet hier!
Ich sterb auch einst fürs Vaterland:
So rühmlich, als wie ihr!
(S. 128-130)
_____



Lied einer Amazone
an das siegende Heer

Heil euch, ihr Helden! Heil dem Klang
Der Waffen, den man hört!
Ertöne, freudiger Gesang,
Den mich die Muse lehrt.

Willkommen, Helden! o ihr seyd
Mit Lorber schön geschmückt;
So glorreich ist noch nie ein Streit,
Beendigt und erblickt!

Wie voll von Leichen liegt das Feld,
Viel tausend liegen da!
Heil jedem Streiter, jedem Held!
Heil uns, Victoria!

So singen wir nicht stolz und kühn
Im höchsten Jubelton;
Heil sey den Helden! o sie ziehn,
In unsre Thore schon!

Triumph! Triumph! für Freud und Schmerz
Schmilzt mir die frohe Brust!
Ein jedes Patriotenherz
Sey heut entzückt für Lust!

Triumph! erschallt die ganze Stadt,
Dem Lande Glück und Wohl!
Triumph! Triumph! wer Thränen hat,
Der weine Jubelvoll.

Und singe: froher Lobgesang,
Heil sey dem Heer, dem Staat!
Gott aber sey vorzüglich Dank,
Der uns geholfen hat!
(S. 131-133)
_____



Lied eines Helden
über den Verlust seines Freundes

Noch weint mein Auge um den Freund,
Den es voll Schmerz vermisst;
Es hat die Thräne nie geweint,
Die es um ihn vergiesst.

Hier ist die Stelle, wo er fiel,
Hier sank sein schwaches Knie
Zur Erde; ach! sein Lebensziel
Beschloss sich viel zu früh.

Es ist zwar rühmlich, wenn man fällt,
Jung auf der Siegesbahn;
Allein, zu früh fiel dieser Held,
Er starb noch nicht als Mann.

So mäht der Tod oft in der Schlacht
Den Vater mit dem Sohn;
Den Prinzen, der nicht dran gedacht,
Stürzt er vom güldnen Thron.

O weine nicht mein Auge mehr
Um den geliebten Freund;
Die Traurigkeit wird mir zu schwer,
Ich habe gnug geweint!

Er starb als wie ein alter Held,
Den Feind ein Wiederstand -
Heil dem, der rühmlich wie er fällt,
Den Tod fürs Vaterland!
(S. 134-135)
_____



Lied eines Helden
an seine Braut

Willkommen mir, gewünschter Tag!
Wie freudig bist du mir!
Es fliehe Klage, Schmerz und Ach,
Sie fliehen weit von hier!

Willkommen, o willkommen ist
Die Stunde, die mich führt
Zu dir, die ich voll Schmerz vermisst,
Die meine Seele rührt.

Nun will ich athmen freye Luft,
Und mich bey dir erfreun;
Und wenn das Heer mich wiederruft,
Getreu ihm dienstbar seyn.

Zwar stehet noch die Thräne mir
In meinem Auge still;
Als jüngst mein Freund im Treffen, hier,
An meiner Seite fiel.

Doch ach! vergiss, vergiss mein Herz!
Den Kummer und die Schlacht;
Des Freundes Tod, was hilft der Schmerz,
Der dich nur blutend macht?

Bald rückt der frohe Augenblick,
Bald, bald rückt er heran;
Wo mich die Braut, o welch ein Glück!
Umarmt, als Freund und Mann.

Da will ich voller Zärtlichkeit,
Mich ganz der Liebe weihn;
Vergessen Wunden, Schlacht und Streit,
Und treu der Liebe seyn.

Dann Hymen! Hymen! lösche mir
Nicht deine Fackel aus;
Ich lade dich gewiss dafür
Auf meinen Hochzeitschmauss!
(S. 136-138)
_____



Lied einer Amazone an ihren Geliebten
nach Beendigung des Feldzuges

Ha! ha! er kömmt, o welche Lust
Entzückt mein wallend Herz!
Es schmilzet mir die frohe Brust,
Für Liebe und für Schmerz!

Willkommen sey der Waffenklang,
Und auch das Heldenheer;
Das seinen stolzen Feind bezwang
Mit tapfrer Gegenwehr.

Mit ihm kömmt auch mein Held zurück,
O wie will ich mich freun!
Er wird, vergnügter Augenblick!
Nicht weit entfernt mehr seyn.

Von Schweiss und Staube überdeckt,
Werd ich ihn nun bald sehn;
Dort kömmt er, o die Lust erweckt
Mir Thränen, die so schön!

Doch ach! was seh ich? bin ich nicht
Für Schrecken ganz entsetzt?
Mit Wunden ist sein Angesicht
Bedecket und zerfetzt.

Verflucht sey jene Mörderhand,
Die deinen Feind geschützt!
Du hast mit Ruhm fürs Vaterland
O Held! dein Blut versprützt.

Nun ruhe dich an meiner Brust,
Nach einer schweren That;
Was ist das Leben, ohne Lust,
Dem Krieger, dem Soldat?

Komm, Freund! sie sey dir itzt erlaubt,
Mein Herze triumphirt;
Mit Rosen sey dein siegreich Haupt
Von meiner Hand geziert!
(S. 139-141)
_____



Lied eines Helden
an seine Amazone

Sanft, in dem schönsten Freudenton,
Ertöne itzt mein Lied:
Nun ist der stolze Feind geflohn,
Der noch vor Rache glüht.

Nun geh ich zu der Freundinn hin,
Die mich so oft entzückt;
Heil mir! dass ich ihr Liebling bin,
Dem sie entgegen blickt.

Heil mir! dass nun an ihrer Brust
Das Leben mir verfliesst;
Willkommen mir, du süsse Lust!
Die ich bis itzt vermisst.

Dort will ich in dem jungen Hayn
An ihrer Seite gehn;
Und bey des Mondes sanftem Schein
Ihr Lob mit Macht erhöhn.

Hier sing ich nicht des Helden Grab,
Der blutig niederfiel;
Hier wisch ich nicht die Thränen ab
Bey meinem Saytenspiel.

Nein, rausche mir, o Silberklang,
Itzt sanftre Harmonie;
So zärtlich sey noch kein Gesang,
Voll süsser Melodie!
(S. 142-143)
_____



Lied eines Helden
der sich nach Ruhe sehnet

Von Schlachten, oder Mordgeschrey,
Singt itzt die Muse nicht;
Triumph! sie ist nunmehr vorbey,
Der Feind bezwang uns nicht!

Er stritt mit rechtem Löwenmuth,
Dem Tode zu entgehn;
Umsonst, umsonst, wie floss sein Blut,
Betrübt wars anzusehn!

Er floh, und überliess das Feld,
Dem Sieger, der mit Macht
Gekämpfet hatte, und als Held
Den Ruhm davon gebracht.

Nun will ich mich der Lebenszeit
Als wie ein Weiser freun;
Und müde von dem Kampf und Streit,
Ein Herr, mir eigen seyn.

Nun soll der junge Frühling mir,
Der schön belaubte Hayn;
Beym Blumenduft, in dies Revier,
Der Muse Wohnung seyn.

Nun soll mein Arm nicht mehr voll Wut,
Sich rüsten zu der Schlacht;
Nicht strömen mehr das Menschenblut,
Bis in die späte Nacht.

Nein, Menschenliebe, sanft Gefühl,
Soll meine Seele seyn;
Die Muse und das Saytenspiel,
Soll mir das Herz erfreun.

Hier singe sie von Lieb und Scherz,
Ein fühlbar sanftes Lied;
Es dringe in ein jedes Herz,
Das nicht die Liebe flieht!
(S. 144-146)
_____



Lied eines Helden
an seinen Hayn

Willkommen mir, o dunkler Hayn!
Der Anmuth Lustrevier;
Du bist, wie lange wird es seyn?
Mein bestes Hauptquartier!

Voll Schmerz hab ich dich oft vermisst,
Du buntes Veilchenthal;
Den Silberbach, der murmelnd fliesst,
Das Lied der Nachtigall.

Itzt leg ich meine Waffen ab,
Die ich so freudig trug
Fürs Vaterland, und oft mein Grab
Sah, und die Feinde schlug.

Nun will ich, da der Frühling lacht,
Der Einsamkeit mich freun;
Von Siegen, und von Blut und Schlacht,
Entfernt und zärtlich seyn.

O säh ich doch mein Mädchen hie,
In diesem Hayne gehn!
Zur Abendzeit dann pfleget sie,
Den Ort oft zu besehn.

Wo ich voll Zärtlichkeit und Pflicht,
Den letzten Kuss ihr gab;
Wie flossen da die Thränen nicht,
Von unserm Aug herab!

Wer singt den Gram mit leichtrer Müh,
Von meiner Stirne dort!
Wer küsst so schön, so sanft wie sie,
Wie süss ist jedes Wort!

Heil mir! heil mir! dort kömmt sie her,
Mit holdem Angesicht!
Die Mine lächelt, reizender
Ist keine Göttinn nicht.

Wie fliegt die braue Locke ihr,
Schön um die Schulter her;
Der Busen wallet für Begier,
Das Herz klopft heftiger.

Nun läuft sie in die Arme mir,
Mit thränenvollem Blick;
O Liebesgott, ich danke dir,
Für dieses süsse Glück!
(S. 147-149)
_____



Abschiedlied eines Helden
an seine Amazone

Auf Brüder auf! der Feind ist da,
Ha! muthig in das Feld!
Wir schlagen ihn, Victoria!
Ein jeder sey ein Held!

Schon lärmt der Pauk und Trommeln Klang!
Dort ziehn die Fahnen her;
Man bläst zum Marsch, zum Kriegsgesang
Und greift schon zum Gewehr.

O waffnet herzhaft eure Hand,
So muthig wie Achill;
Und sterbet für das Vaterland,
Das eure Hülfe will!

Ich gürte mich, hier ist mein Schwerd,
Mein tödtendes Geschütz;
Das wütend auf die Feinde fährt,
Geschwinder wie der Blitz.

Ich will mit dir, o Heldenheer!
Dem Feind entgegen gehn;
Was ist der Tod? o mir ist er
Nicht schwer zu überstehn!

Er bringt den Held zur Götterzahl,
Willkommen sey er mir!
O lebe wohl! zum letztenmal
Nimm diesen Kuss von mir!

Vielleicht drückst du, ach! weine nicht,
Mir, Kind! dies Auge zu!
Das noch voll treuer Liebe spricht,
Wer liebt mich mehr, wie du.

Dann sage dir ein Seufzer noch,
Der schwach den Mund entfärbt;
Ich liebe dich, im Tode noch
Wirst du von mir verehrt.

Nur ach! itzt wisch die Thränen ab,
Die dir im Auge stehn;
Und weine sie einst auf mein Grab,
Wenn sanfte Zephyr wehn!
(S. 150-152)
_____



Klagelied einer Amazone
über den Verlust ihres Geliebten

Er ist nicht mehr! ach! welch ein Schmerz
Durchbohrt die Seele mir!
So voller Gram war nie mein Herz,
Hier küsst ich ihn jüngst hier!

Auf dieser Stelle, ja sie ist
Mir ganz von Freude leer;
Ihr Thränen klagt, die ihr itzt fliesst,
Sagt: ach! er ist nicht mehr!

O klag es, trauriger Gesang!
Dem Thal, dem Hayne vor;
Dass ich im Lärm, beym Waffenklang
Den besten Freund verlohr!

Wie voller Liebe war sein Herz,
Wenn Lipp' auf Lippe lag;
Und holder angenehmer Scherz
Von seinem Munde sprach!

Da warst du, anmuthsvolle Flur!
Von Blumen schön und bunt;
In seinem Arm, ich weine nur,
Mir stets ein Amatunt.

Doch ach! nunmehro flieh ich dich,
Du Blumenthal, du Hayn!
Denn seit mein treuster Freund verblich,
Werd ich stets traurig seyn!
(S. 153-154)
_____



Lied einer Amazone
über die Flucht der Feinde

Triumph! im hohen Schlachtgesang,
Triumph! so singt mein Lied!
Im Donner, Lärm und Waffenklang,
Da itzt der Feind entflieht!

Voll Hochmuth sah er sich umher,
Von seinem Felsensitz;
Und dünkte sich ein Jupiter,
Mit rächerischem Blitz.

Allein, wie schrecklich stürzte er
Von dieser Felsenbank;
Als man mit Säbel und Gewehr
Ihm in die Flanke drang.

Da floh er schändlich durch das Feld,
Durch Berge, Flur und Hayn;
Voll Wunden liegt hier noch ein Held,
O wer mag er wohl seyn?

Nicht so unkennbar ist er mir,
Doch wie, ich muss ihn sehn:
Er winselt, ach! bald ist es hier,
Um diesen Held geschehn!

Wie blutig ist sein Angesicht,
Er lallt und starrt mich an;
Wer ist er? ach! sein Auge bricht,
Er ist, er ist mein Mann!

Er stirbt, er stirbt nicht unerkannt,
Ihr Thränen fliesst um ihn;
Noch reicht er zitternd mir die Hand,
Und nun sinkt er dahin.

So muss ich voller Kummer, voll,
Ihn hier itzt liegen sehn?
Mit diesen Wunden, ach! ich soll
Mit ihm nicht sterben gehn?

O stürzt vom Auge nur herab,
Ihr Thränen voller Schmerz!
Ihr tröstet, fallt nur hin aufs Grab,
Mein blutend mattes Herz.

So soll ich, welch ein Donnerschlag,
Ihn niemals wieder sehn?
O trauriger, verwünschter Tag;
Möcht ich dich überstehn!

Ich will, gleich will ich seinen Tod,
Hier rächen mit dem Stahl;
Und sterben als ein Patriot,
Voll Ruhm, wie mein Gemahl!
(S. 155-157)
_____



Lied einer jungen Amazone
nach erfolgtem Frieden

Nicht jenes stolze Waffenspiel,
Besinget mein Gedicht;
Wie jener Held zu Boden fiel,
Dies singt die Muse nicht!

Triumph! Triumph! die Ruhe wohnt
In unsrer Länder Schooss;
Das Menschenblut wird itzt verschont,
Das sonst wie Ströme floss.

Aus einer goldnen Wolke lässt
Sich Delius herab;
Und feyrt mit uns das Friedensfest,
Und Janus schliesst das Grab.

Heil sey dem Lande! Heil dem Staat!
Dem Fried und Ruh gefällt,
Und wo die Eintracht im Senat,
Der Bürger Wohl erhält.

Da blühet auch der Völker Glück,
Der Reichthum füllt das Land;
Heil! dieser Tag kehrt izt zurück,
Beglücktes Vaterland!

Wo Ruhe und Zufriedenheit
Das ganze Reich beglückt;
Und Liebe, Treu, und Einigkeit,
Die Hand einander drückt.

Nun wird der Jüngling mit der Braut
Im Lieben nicht gestört;
Die Felder werden itzt gebaut,
Die sonst der Krieg verheert.

Nun freuet sich der Ackermann,
Der seine Frucht geniest;
Und jeder fromme Unterthan,
Der diesen Tag begrüsst.

Auch ich, auch ich will mich erfreun,
Dass uns der Krieg verlässt;
Und Majoran und Myrten streun,
An diesem Friedensfest.

Und Kränze winden, mir das Haar
Durchflechten, fröhlich seyn;
Oel giessen auf den Brandaltar
Dass sich die Götter freun.

Heil sey uns jungen Mädchen, Heil!
Mit Rosen schmückt das Haupt;
Der Jüngling wird uns nun zu Theil,
Den uns sonst Mars geraubt!

Kommt, eilet, tretet izt hervor,
Singt freudig Hand in Hand:
Und jauchzt im frohen Jubelchor,
Heil sey dem Vaterland!
(S. 158-160)
_____


Aus: K. K. Reckerts vermischte Schriften erster Thel
Münster und Hamm bey Perrenon 1770

 


Biographie:

Reckert, Karl Christian, * 1739 Minden, † 20.2.1800 Berlin. - Lyriker, Idyllen- u. Gelegenheitsdichter.
Von dem gebürtigen Westfalen, der seine Heimat gegen die Schmähungen des französisch schreibenden Georg Ludwig von Bar (1701 bis 1767) verteidigte (vgl. Beantwortung eines Briefes An mein Vaterland. In: Vermischte Schriften. Bd. 1, Münster 1770, S. 241 ff.), ist nur bekannt, daß er als Stadtsekretär in Spandau, dann bis zu seinem Tod als Homburgischer u. Hohenzollerischer Geheimer Legationsrat in Berlin lebte.
In rascher Folge erschien ab 1765, zunächst anonym, eine Reihe von Duodez- u. Kleinoktavbändchen (1770-1773 immer bei Perrenon in Münster), in denen R. den berühmtesten Kleinmeistern seiner Zeit nacheiferte (Kleinigkeiten. Bln. 1765. Scherze. Bln. 1766. Amazonenlieder. 1770. Kleine Lieder. 1770. Ein kom. Epyllion in Gleimschen Chevy-Chase-Strophen, Der junge Held, in vier Gesängen. 1770. Idyllen. 2 Tle., 1771-73. Sinngedichte. 1773). Diese Werke übernahm R., teils auswählend, meist aber unverändert in seine Vermischten Schriften (1770 bis 1773). Wahrscheinlich weil seine Veröffentlichungen von der zeitgenöss. Kritik kaum beachtet wurden, beschränkte sich R. im Alter im wesentlichen auf Gelegenheitsdichtungen (Huldigungsgedichte auf Friedrich II. u. Mitglieder des preuß. Königshauses), die er in Berlin als Einzeldrucke erscheinen ließ.
R. besaß eine gewandte Feder, blieb aber in Form u. Gehalt unselbständig. Seine Vorbilder (Hagedorn, Rost, Gleim, Götz, der Lessing der Kleinigkeiten von 1751, Weisse oder Gessner) kann man nicht nur an den Titeln seiner Sammlungen erkennen, er scheute sich auch nicht, viele Vorlagen verflachend nur zu variieren, gelegentlich auch wörtlich zu übernehmen. R. wird damit zum wertvollen Zeugen der unbedenkl. Rezeption von Vorbildern in den 60er u. 70er Jahren, an dem man den weit verbreiteten frühempfindsamen u. vor allem rokokohaften Zeitstil der zweiten Jahrhunderthälfte bes. gut studieren kann.
Aus: Autoren- und Werklexikon: Reckert, Karl Christian, S. 2. Digitale Bibliothek Band 9: Killy Literaturlexikon, S. 15828 (vgl. Killy Bd. 9, S. 326)

 


 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite