Robert Reinick (1805-1852) - Liebesgedichte

Robert Reinick



Robert Reinick
(1805-1852)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Liebchen, wo bist du?

Zaubrer bin ich, doch was frommt es?
Denn mein Lieb ist eine Fei,
Höhnt mich mit noch ärgerm Zauber,
Ruf' ich freundlich sie herbei:
Liebchen, wo bist du?

Heute noch in Feld und Garten
Ging ich, sie zu suchen, aus;
Plötzlich lacht' aus einer Rose
Glühend roth ihr Mund heraus:
Liebster, da bin ich!

Ich nun ward ein schneller Zephyr,
Küßt' im Flug die Rose schon.
Ach! nur eine Rose küßt' ich,
Liebchen war daraus entflohn.
Liebchen, wo bist du?

Sieh, da schaut sie aus der Sonne,
Eingehüllt in Strahlen ganz,
Und doch blinkten ihre Augen
Mir durch all den Himmelsglanz:
Liebster, da bin ich!

Ich, zum klaren See mich wandelnd,
Fing mir schnell den Sonnenschein;
Ach! nur Sonnenstrahlen fing ich,
Liebchen saß nicht mehr darein.
Liebchen, wo bist du?

Horch, da sang am Waldes-Ufer
Plötzlich eine Nachtigall;
Wohlbekannt war mir die Stimme,
Und sie sang mit süßem Schall:
Liebster, da bin ich!

Schnell zum Abendstern gewandelt,
Blickt' ich durch die grüne Nacht;
Ach! ein leeres Nest erblickt' ich,
Liebchen hatt' sich fortgemacht.
Liebchen, wo bist du?

Und so treibt sie's alle Tage,
Läßt mir eben jetzt nicht Ruh',
Während dieses Lied ich singe,
Ruft sie unsichtbar mir zu:
Liebster, da bin ich!

Liebchen, mach' dem Spiel ein Ende,
Komm nun endlich selbst herbei,
Glaub', ein einz'ger Kuß ist schöner,
Als die ganze Zauberei!
Liebchen, wo bist du?
(S. 18-20)
_____



Malers Klage

Aeuglein so freundlich,
Wangen so roth,
Machet dem Maler
Kummer und Noth.

Wangen! wo find' ich
Farben für Euch?
Sind doch die Röslein
Neben euch bleich!

Bitt' ich die Aeuglein:
"Seht mich doch an!"
Hierhin und dorthin
Schweifen sie dann.

Ach und im Herzen
Nun erst die Pein:
Daß ihr so lieblich
Und doch nicht mein!

Bleibet nur immer,
Bringt mir's auch Noth,
Aeuglein, so freundlich,
Wangen, so roth.
(S. 21-22)
_____



Zwiegesang

Im Fliederbusch ein Vöglein saß
In der stillen schönen Maiennacht,
Darunter ein Mägdlein im hohen Gras
In der stillen schönen Maiennacht.
Sang Mägdlein, hielt das Vöglein Ruh',
Sang' Vöglein, hört' das Mägdlein zu,
Und weithin klang
Der Zwiegesang
Das mondbeglänzte Thal entlang.

Was sang das Vöglein im Gezweig
Durch die stille schöne Maiennacht?
Was sang doch wohl das Mägdlein gleich
Durch die stille schöne Maiennacht?
Von Frühlingssonne das Vögelein,
Von Liebeswonne das Mägdelein.
Wie der Gesang
Zum Herzen klang,
Vergess' ich nimmer mein Leben lang!
(S. 24)
_____



Frühling ohn' Ende

Nun brechen aller Enden
Die Blumen aus grünem Plan;
Wo ich mich hin mag wenden,
Da hebt ein Klingen an!
Möcht' dir ein Sträuslein binden,
Möcht' dir ein Lied erfinden.
Wo aber fang' ich an?

Hier blühn Mariensterne,
Dort Primeln licht und bunt;
Bald ruft ein Horn zur Ferne,
Bald rauscht es im kühlen Grund.
Ganz wirr ist mir zu Sinne,
Weiß nicht, was ich beginne;
Mein Herz ist mir verwund't.

Ja, möchtest selbst du kommen,
Da wär's wohl gute Zeit,
All' Leid wär' mir benommen
Und lauter Seligkeit;
Die Blumen könnten blühen,
Die Klänge weiter ziehen,
Ist doch die Welt so weit.

Wenn sich zwei Augen gefunden,
Wer schaut die Blumen an?
Wenn sich zwei Mündlein runden,
Was braucht's der Lieder dann?
Wenn einig Herz und Hände:
Welch' Frühling ohne Ende
Hebt da zu blühen an!
(S. 25-26)
_____



Liebes-Hoffnung

Ich thöricht Kind
Ich liebe Dich,
Und weiß doch nimmer:
Liebst Du auch mich?
Ich fragte die Blumen
Groß und klein;
Ach leider die meisten
Sie sagten Nein. -
Die dummen Blumen
Sie wissen nicht
Was es heißt, was es heißt: "Er liebt mich nicht."

Ich thöricht Kind
Ich liebe Dich,
Und wähne immer:
Du liebst auch mich.
Ich fragte mein Herze:
"Was meinest Du?"
Das rief mir freudig
"Er liebt dich" zu.
O du mein Herze
Weißt sicherlich,
Was es heißt, was es heißt: "Er liebet mich."
(S. 27-28)
_____



Klage

Warum soll ich denn nicht schauen
Deiner Augen hellen Schein?
Seh' ich doch in Sonn' und Sterne
Und den lichten Mond hinein!

Warum soll ich denn nicht küssen
Deiner Lippen Rosenpaar?
Beut doch jede rothe Blume
Ihren Mund zum Küssen dar!

Warum willst du denn nicht hören,
Wenn mein helles Lied erklingt?
Hörst du doch auf jeden Vogel,
Der in deinem Garten singt!

Sprichst: du wärest nicht dein eigen,
Aug' und Lippe nicht mehr dein;
Und ich sollte nun verschließen
Still und stumm die Liebe mein?

Nein, das kann ich nicht ertragen,
Will es singen still für mich;
Stern' und Blume will ich grüßen,
Träumen nur, ich grüßte dich!
(S. 29-30)
_____



Des Mädchens Antwort

Wozu frommt dir nur das Schaun?
Thu' es lieber nicht!
Sieh, es kann der kleinste Stern
Auch aus weiter Himmelsfern'
Wieder mit Blinken
Freundlich dir winken, -
Ach, ich darf es nicht!

Wolltest küssen meinen Mund,
Woll' es lieber nicht!
Küssen will erwiedert sein;
Rosen laden wohl dich ein,
Freundlich zu grüßen,
Hold sie zu küssen, -
Ach, ich darf es nicht!

Möchtest singen mir ein Lied,
Sing' es lieber nicht!
Sieh, es kann die Nachtigall,
Können die Vöglein allzumal
Wieder mit Singen
Freude dir bringen, -
Ach, ich darf es nicht!

Und wohl sprach ich wahr zu dir:
"Wär' mein eigen nicht,
Aug' und Lippe nimmer mein."
Alles, Alles ist ja dein,
All' mein Leben
Möcht' ich dir geben, -
Ach, ich darf es nicht!

Und nun bitt' ich dich zuletzt:
Wähn', o, wähne nicht,
Daß zu tragen nicht dein Leid;
Kannst du es doch jederzeit
Singen und sagen,
Offen es klagen, -
Ach, ich darf es nicht!
(S. 31-32)
_____



Morgens als Lerche
Ständchen

Morgens als Lerche
Möcht' ich begrüßen der Sonne Strahl,
Mittags Libelle,
Küssen die Blum' im Blüthenthal,
Abends ein Schwan wohl
Schwimmen in funkelndem Sternenschein,
Möcht' in der Mondnacht
Leicht und lustig ein Elfe sein!

Sonne, wann endlich
Trittst du strahlend heraus zu mir?
Blume, o dürft' ich
Hier in den Blüthen ruhen bei dir!
Stern, und hörst du
Rauschen die Wasser? sie rufen dich.
Schön ist die Mondnacht,
Elfenkönigin, zeige dich!
(S. 33)
_____



Frohe Botschaft

Hielt die allerschönste Herrin
Einst mein Herz so eng gefesselt,
Daß kein Wort es konnte sprechen
Aus den engen Fesseln.

Sandt' es ab als flinke Diener
Feurig schnelle Liebesblicke,
Zu besprechen sich im Stillen
Mit der Herrin Blicken.

Sandt' es Pagen, fein und listig:
Heimlich schlichen hin die Finger
Schmiegten leise sich und bittend
An die schönsten Finger.

Sandt' es ab zwei kühne Boten
Sind die Lippen gar verwogen
An der Herrin Mund geflogen,
Botschaft sich zu holen.

"Nun, ihr Boten, Pagen, Diener!
Welcher Botschaft bringt ihr wieder,
Haben Augen, Finger, Lippen
Nichts mir zu verkünden?"

Und voll Freuden rufen Alle:
Juble, Herz! und laß das Zagen,
Deine Herrin sendet Gnade,
Deine Bande fallen!
(S. 34-35)
_____



Komm in die stille Nacht!
Ständchen

Komm in die stille Nacht! -
Liebchen, was zögerst du?
Sonne ging längst zur Ruh',
Welt schloß die Augen zu,
Rings nur einzig die Liebe wacht!

Liebchen, was zögerst du?
Schon sind die Sterne hell,
Schon ist der Mond zur Stell',
Eilen so schnell, so schnell!
Liebchen, mein Liebchen! drum eil' auch du!

Sonne ging längst zur Ruh'! -
Traust wohl dem Schimmer nicht,
Der durch die Blüthen bricht?
Treu ist des Mondes Licht.
Liebchen, mein Liebchen, was fürchtest du?

Welt schloß die Augen zu!
Blumen und Blüthenbaum
Schlummern in süßem Traum,
Erde, sie athmet kaum,
Liebe nur schaut den Liebenden zu! -

Einzig die Liebe wacht,
Ruft dich allüberall;
Höre die Nachtigall,
Hör' meiner Stimme Schall,
Liebchen, o komm in die stille Nacht!
(S. 36-37)
_____



Die Rosen

"Lieb Mädchen, brich mir die Rose,
Die so fröhlich im Busche dort hanget!" -
Und sie hat nach der Rose gelanget;
Da schau' ich im dunkeln Grün,
Vom Thaue perlend umflossen,
Ihre Finger, wie, eben entsprossen,
Fünft Rosenknospen blühn.

"Lieb Mädchen, gib mir die Rose!
Doch seh' fünf Knospen ich blicken,
Die will ich selber mir pflücken." -
Und ich hielt ihre liebe Hand.
Da hat sie mich schelten wollen,
Doch ihr freundlicher Mund zum Grollen
Kein einziges Wörtchen fand.

"Lieb Mädchen, schön sind die Rosen!
Doch seh' ich die schönsten noch blühen,
Nicht können sie fröhlicher glühen!
Und stächen mein Herze sie wund,
Doch muß ich die lieblichen küssen.
Es sind deine Lippen, die süßen!" -
Und ich küßte den blühenden Mund.
(S. 38-39)
_____



Keine Antwort

Wenn in dem Frühling die Erd' erwacht,
Wie mag's ihr zu Muthe wohl sein?
Und tritt ein Bächlein aus dunklem Schacht,
Was fällt ihm da wohl ein?

Der Rose, die sich über Nacht
Erschloß, was fällt ihr wohl ein?
Und wenn ein Mädchen zur Lieb' erwacht,
Wie mag's ihr um's Herze sein? - -

Ich fragte den Bach, die Rose dann,
Ich fragte die Erde drum;
Sie alle lachten mich selig an,
Und blieben doch alle stumm.

Und als mein Liebchen ich auch gefragt,
Die sonst so Vieles weiß,
Da hat auch sie kein Wort gesagt,
Und küßte mich still und heiß.

Ein Thränlein rann ihr die Wangen hin,
Selig schaute sie drein. -
Nun denk ich so in meinem Sinn:
Soll das eine Antwort sein?
(S. 40-41)
_____



Himmelsspiegel

Gern seh' ich in den blauen Strom,
Gern in dein blaues Augenpaar;
Der schöne weite Himmelsdom,
Er spiegelt sich im Strom so klar.

Doch klarer noch und reiner blinkt
Dein Aug', dein liebes Auge mir,
Draus mir der schönste Himmel winkt;
Ich flieg' hinauf und bin bei Dir!
(S. 42)
_____



Ganz nothwendig

Als ihr Bild ich neulich malte,
Waren beide wir allein;
Und das war auch ganz nothwendig,
Mußten ungestöret sein.

Als ich da nach Malersitte
Bei den Augen nun begann,
War es wieder ganz nothwendig,
Daß wir uns in's Auge sahn.

Als ich drauf zum Haar gekommen,
Viel zu modisch lag es noch:
Malerisch mußt' ich es locken;
Ganz nothwendig war es doch!

So gelangt' ich dann zum Munde,
Fand zum Malen ihn zu bleich,
Und da mußt' ich ganz nothwendig
Roth ihn küssen alsogleich.

Und so malt' ich manche Stunde,
Waren beide stets allein,
Und das war auch ganz nothwendig,
Mußten ungestöret sein.
(S. 43-44)
_____



Gartenliedchen

Im blühenden Garten
Sein Liebchen erwarten,
Von Buchen zu Buchen
Sie haschen und suchen,
Bis unter den Linden
Sie endlich zu finden,
Dann zwischen den Ranken
Ein wenig sich zanken
Und unter den Eichen
Sich wieder vergleichen,
Im hohen Gras,
Welche Lust ist das!
Und die Büsch' und die Sträucher und Hecken,
Die werden uns sicher verstecken.

Was willst vor den Blüthen
Du bange dich hüten?
Es lieben die Rosen
Das Küssen und Kosen,
Je länger, je lieber
Sich freuet darüber,
Und wenn die Tulpanen
Auch wirklich was ahnen,
Die klugen Narzissen
Gar manches auch wissen,
Und der Rosmarin:
Immerhin! Immerhin!
Ach nur die Vögel, die Vögel!
Die plaudern es aus in der Regel!
(S. 45-46)
_____



Zum Liebchen

Die Sonne, die schien so lustig draus,
Da ging ich zu meinem Liebchen aus,
Trala, trali,
Wie schön ist sie!
Trali, trala,
Bald bin ich da
Bei ihr in der kühlen Laube.

Und als ich kam in den grünen Wald,
Da sangen die Vögel mannigfalt:
Trala, trali,
Bleib hie! bleib hie!
Trali, trala,
Wie schön ist's da
Bei uns in dem grünen Walde!

Und als ich kam an den blauen Bach,
Da liefen und riefen die Wellen mir nach:
Trala, trali,
Bleib hie! bleib hie!
Trali, trala,
Wie schön ist's da
Bei uns unter dunkelen Erlen!

Und wie ich da sprach: das kann nicht sein,
Ich geh' ja zu der Herzliebsten mein!
Trala, trali,
Wie flogen sie,
Trali, trala,
Wie liefen sie da
Mir nach zu meiner Herzliebsten!

Nun sitz' ich in kühler Laube bei ihr,
Und Vögel und Wellen, die singen mit mir:
Trala, trali,
Wie schön ist sie!
Trali, trala,
Viel schöner ist's da,
Als im Wald und unter den Erlen!
(S. 47-48)
_____



Der Himmel im Thale

Der Himmel da oben, der freut mich sehr,
Möcht' wohl einmal hinauf;
Doch schloß kein Engel mir bisher
Dazu die Pforten auf.
So sucht' ich denn auf Erden hier
Mit offner Thür einen andern dafür,
Das ist im Thal das Försterhaus,
Da geh' ich täglich ein und aus.
Du Himmel im Thal,
Sei gegrüßt, sei gegrüßt viel tausendmal!

Der Himmel da oben, der ist zwar schön,
Doch glänzt er fast zu hell,
Und wenn die Sonne muß untergehn,
Kommt schwarz die Nacht zur Stell'.
Zu dunkel ist mir die schwarze Nacht,
Die grüne Nacht, das ist eine Pracht!

Die Waldesnacht, das ist meine Freud',
Da bin ich genesen von allem Leid!
In grüner Nacht
Du Himmel im Thal,
Sei gegrüßt, sei gegrüßt viel tausendmal!

Am Himmel da oben flimmern zwar
Viel Sterne licht und schön;
Mein Himmel da unten hat auch ein Paar,
Tief dunkel anzusehn,
Doch wenn sie blinken in grüner Nacht,
Der Sonne Pracht nicht heller lacht;
Und blinken sie einem in's Herz hinein,
Da kann man fürwahr schon selig sein.
Ihr dunkeln Stern'
In grüner Nacht,
Du Himmel im Thal,
Seid gegrüßt, seid gegrüßt viel tausendmal!
(S. 49-50)
_____



Nach und Nach

Weißt, mein Liebchen, du wohl noch,
Wie es dich verdrossen hat,
Als das erste Mal ich bat:
"Einen Kuß bekomm' ich doch?"
Wie du da mich abgewehret
Und dein Köpfchen weggekehret,
Sprachest: "Ei, wie schickt sich's doch!"

Als ich wieder dich gesehn
Und dich bat um einen Kuß,
Macht' es dir nicht viel Verdruß,
Ließ'st dein Köpfchen ruhig stehn;
Und ich küßte deine Wangen,
Und du sprachst mit leisem Bangen:
"Ach, es könnte Jemand sehn!"

Kam zum dritten Mal zu dir,
Und ich küßte kühn und frei,
Und dein Köpfchen ohne Scheu
Neigte gar sich her zu mir.
Und jetzt küssen wir und küssen,
Mögen's alle Leute wissen,
Sprichst kein böses Wort dabei.
(S. 51-52)
_____



In dem Himmel ruht die Erde
Ständchen

In dem Himmel ruht die Erde,
Mond und Sterne halten Wacht,
Auf der Erd' ein kleiner Garten
Schlummert in der Blumen Pracht. -
Gute Nacht, gute Nacht!

In dem Garten steht ein Häuschen,
Still von Linden überdacht;
Vor dem kleinen Erkerfenster
Hält ein Vogel singend Wacht. -
Gute Nacht, gute Nacht!

In dem Erker schläft ein Mädchen,
Träumet von der Blumen Pracht;
Ihr im Herzen ruht der Himmel,
Drin die Engel halten Wacht. -
Gute Nacht, gute Nacht!
(S. 53)
_____



Liebesgarten

Die Liebe ist ein Rosenstrauch.
Wo blüht er?
Ei nun, in unserm Garten,
Darin wir zwei, mein Lieb und ich,
Getreulich seiner warten,
Wofür er uns aus Dankbarkeit
Alltäglich neue Rosen beut;
Und wenn im Himmel Rosen blühn,
Sie können kaum noch schöner glühn.

Die Liebe ist ein klarer Bach.
Wo zieht er?
Ei nun, in unserm Garten.
So viele Wellen, so viel Lust
Und Freuden aller Arten;
Auch spiegelt er die Welt umher,
Als ob sie noch viel schöner wär';
Drauf fahren wir so lustig hin,
Wie Vöglein durch den Himmel ziehn.

Die Liebe ist ein heller Stern.
Wo glüht er?
Ei nun, in unsrem Garten.
Ach, Liebchen, sprich, was läßt du mich
Doch oft so lange warten?
Denn seh' ich dich nicht alle Stund,
Des Sternes Glut mein Herz verwund't;
Doch kommst du, steigt er mild herauf,
Als geht im Mai die Sonne auf.
(S. 54-55)
_____



Der letzte Mai

"Heute will der Mai von hinnen schweben,
Ohne Küsse darf er nicht entschwinden!
Liebchen, sei's auch nur ein Stündchen eben,
Laß heut' Nacht dich in der Laube finden."

Also schrieb ich, und nicht durft' ich warten;
Einer Elfe gleich sah ich behende
Nachts dich schweben durch den dunkeln Garten,
Und bald hielt ich deine lieben Hände.

Und mit dir trat über ferne Höhen
Hell der Mond empor, die blanken Sterne;
Durch die Blüthen ging ein lieblich Wehen,
Eine Nachtigall schlug in der Ferne.

Und die Nachtigall hat sich geschwungen
Dicht vor uns auf eine Rose nieder,
Und die vollen, süßen Töne klungen
Wundervoll, wie lauter Liebeslieder.

Und wir wagten kaum, das Haupt zu wenden,
Kaum, die stillen Lüfte einzuziehen,
Daß die Liebeslust nicht möchte enden,
Nicht der kleine Sänger möcht' entfliehen.

Da ertönten plötzlich in der Nähe
Fremde Stimmen, und mit scheuem Beben
Sprangst du auf, gleich einem flücht'gen Rehe,
Konntest fliehend kaum die Hand mir geben.

Mit dir hat des Maien letzte Stunde,
Hat die Nachtigall sich fortgeschwungen,
Ohne daß von deinem lieben Munde
Einen einz'gen Kuß ich hätt' errungen.

Und doch sind mir jene Augenblicke
Wie ein reicher Liebestraum vergangen,
Und mir ist, gedenk' ich dran zurücke,
Als ob tausend Küsse ich empfangen.

War doch Beider Herz in Eins verklungen,
Da wir lauschten jenem Gruß der Liebe;
War doch Erd' und Himmel rings verschlungen
Als ein einz'ger schöner Kuß der Liebe.
(S. 56-57)
_____



Wanderers Nachtlieder

1.
Scheiden
Wenn sich ein junger Knabe muß
Von seinem Mädchen scheiden,
Wie bringt doch jeder letzte Kuß
Statt Lust nur neues Leiden!

Und wenn erst gar die Stunde schlägt,
Und er sich losgerissen,
Das arme Herz es kaum erträgt,
Das Auge will zerfließen.

Nun geht er seiner Straße nach,
Die Brust will ihm zerspringen;
Was kümmert ihn der Frühlingstag,
Und ob die Vögel singen!

Bis um ihn her sich weit und breit
Die stille Nacht geschwungen,
Da hat er denn sein Herzeleid
In Liedern ausgesungen.
(S. 58)


2.
Klage
Erde, fröhliche Erde,
Warum schweigest du so? -
"Kann ich die Sonne nicht sehen,
Werd' ich nimmer froh."

Wolken, schweifende Wolken,
Warum hemmt ihr den Flug? -
"Möchten die Sonne noch sehen,
Sehen sie nimmer genug!"

Vögel, singende Vögel,
Warum klagt ihr so sehr? -
"Ach, unsre freundliche Sonne
Sehen wir lange nicht mehr!"

Herz, du mein armes Herze!
Hast ja dasselbe Leid:
Ach, deine freundliche Sonne
Ist ja so weit, so weit!
(S. 59)


3.
Rückblick
Dort hinter den schwarzen Bergen
Steht meines Liebchens Haus,
Da schaut sie jetzt zum Fenster
In den dunkeln Garten hinaus;

Schaut nach der Gartenpforte,
Wo ich von dannen schied,
Und spät in die dunkle Ferne,
Und singt ein Abschiedslied.

Naß sind vom Thau die Blumen
Und auch das grüne Gras,
So sind auch ihre Augen
Jetzt wohl von Thränen naß.

Ich späh' nach ihrem Fenster,
Nach ihrem hellen Licht,
Nach ihren hellen Augen -
Und seh' doch Alles nicht.
(S. 60)


4.
Trost
Ich habe geruht und geträumet,
Daß ich mein Liebchen säh',
Und hinter den dunkeln Bergen
Da steigt der Mond in die Höh'.

Welch freundlich Grüßen bringt er
In seinem milden Schein
Der Erde von ihrer Sonne
Und mir vom Liebchen mein!

Und rings in Fern' und Nähe
Wie wird es hell und klar!
Und auch in meinem Herzen,
Wo's erst so dunkel war!

Nun kann ich fröhlich wandern
In die helle Frühlingsnacht:
Sie hat mich ja gegrüßet!
Das hat mich so froh gemacht!
(S. 61)


5.
Rückblick vom Berge
Freud', o Freud'! aus meinem Thale
Plötzlich dort ein Schimmer bricht,
Ja, das ist in Liebchens Kammer
Ihrer Lampe stilles Licht.

O du Mond und all ihr Sterne,
Was noch brauch' ich euren Schein?
Strahlt doch dieser kleine Schimmer
Sonnenhell in's Herz hinein! -

Wenn ihr lieben goldnen Strahlen
Denn auch ihr in's Auge scheint,
In die schönen lichten Thränen,
Die mein Mädchen um mich weint:

Flammet auf in hellem Schimmer,
Daß sie wieder fröhlich blickt
Und in tiefster Seele fühlet:
Diesen Gruß der Liebste schickt!
(S. 62)
_____



Trost im Scheiden

Du ziehst dahin, der Trennung Schmerz
Wie trüg ihn wohl das arme Herz,
Wenn nicht ein süßer Trost ihm bliebe?
Wo du auch wandelst, bin ich dein,
Wo du auch weilst, du bist ja mein,
Ich hab' ja dich und meine Liebe!

Ich hab' ja meine Lieb' und dich!
Wer könnte nur beklagen sich,
Dem solch ein Trost noch übrig bliebe.
Kann wohl dein Herze was erfreun,
Daß ich nicht spräch': es ist auch mein?
Ich hab' ja dich und meine Liebe!

Die Herrlichkeit der schönen Welt,
Die jetzt dein liebes Aug' erhellt,
Glaub' nicht, daß dir allein sie bliebe.
Und faßt dich Schmerz, was Gott verhüt',
Ich trag' ihn still und freudig mit;
Ich hab' ja dich und meine Liebe!

Die Lieb', die mir in's Herz gebannt,
Trägt mich zu dir durch Meer und Land;
Wer sagt denn, daß ich einsam bliebe?
Ich jauchz' und wein' mit dir zugleich,
Bin auch nicht arm, bin ja so reich,
Ich hab' ja dich und meine Liebe.
(S. 63-64)
_____



Liebesbotschaft

Wolken, die ihr nach Osten eilt,
Wo die Eine, die Meine weilt,
All meine Wünsche, mein Hoffen und Singen
Sollen auf eure Flügel sich schwingen.
Sollen euch Flüchtige
Zu ihr lenken,
Daß die Züchtige
Meiner in Treuen mag gedenken!

Singen noch Morgenträume sie ein,
Schwebet leise zum Garten hinein,
Senket als Thau euch in schattige Räume,
Streuet Perlen auf Blumen und Bäume,
Daß der Holdseligen,
Kommt sie gegangen,
Alle die fröhlichen
Blüthen sich öffnen mit lichterem Prangen!

Doch vor des Tages verletzender Gluth,
Freundliche Wolken, o, nehmt sie in Hut!
Wollet in lichtem, in luftigem Schweben
Dann einen duftigen Schleier weben:
Rufet die spielenden
Luftgenossen,
Daß von kühlenden
Westen werde die Süße umflossen!

Und am Abend, in stiller Ruh'
Breitet der sinkenden Sonne euch zu!
Mögt mit Purpur und Gold euch malen,
Mögt in dem Meere von Gluthen und Strahlen
Leicht sich schwingende
Schifflein fahren,
Daß sie singende
Engel glaubet auf euch zu gewahren.

Ja, wohl möchten es Engel sein,
Wäre mein Herz gleich ihrem rein;
All' meine Wünsche, mein Hoffen und Singen
Zieht ja dahin auf euren Schwingen,
Euch, ihr Flüchtigen,
Hinzulenken
Zu der Züchtigen,
Der ich einzig nur mag gedenken!
(S. 65-66)
_____



Entschuldigung

Süß Liebchen, denkst du noch daran,
Bevor ich mußt' verreisen,
Wie ich mit dir so schön gethan
In Worten und in Weisen?
Schön Blümlein nannt' ich dazumal
Und Sonne dich so gerne,
Und meine süße Nachtigall,
Dein' Augen meine Sterne.

Ich glaubt', wir wären da allein,
Und hab' dich laut geehret;
Doch Vogel, Sonn' und Sternenschein
Und Blümlein hat's gehöret.
Das war wohl gar ein süßes Lob
Für ihre eitlen Ohren,
Und traten zu einander drob
Und haben sich verschworen.

Und weil ich nun bin fort von dir
Im schönen Mai gegangen,
Da kommen täglich sie zu mir
Mit zärtlichem Verlangen:
Ich soll sie lieben immerdar
Auf allen meinen Reisen,
Und als mein Liebstes sie sogar
In meinen Liedern preisen.

Ich sagte drauf, ich hätte dich,
Du würdest drum mich schelten;
Da wurden sie gar ärgerlich
Und ließen's mich entgelten.
Die Sonne stach mit ihrem Strahl,
Der Stern wollt' nimmer scheinen,
Es schwieg die liebe Nachtigall,
Das Blümleine wollt weinen.

Das ließ fortan mir keine Ruh'
Und macht' mir viele Schmerzen;
Drum, wenn ich ihren Willen thu',
Süß Lieb, nimm's nicht zu Herzen.
Du Blüthe, Sonn' und Nachtigall,
Mit deinem Sternenscheine,
Du weißt ja doch, wen überall
Mit solchem Lied ich meine.
(S. 67-68)
_____



Sommernacht

Der laute Tag ist fortgezogen,
Es kommt die stille Nacht herauf,
Und an dem weiten Himmelsbogen
Da gehen tausend Sterne auf,
Und wo sich Erd' und Himmel einen
In einem lichten Nebelband,
Beginnt der helle Mond zu scheinen
Mit mildem Glanz in's dunkle Land.

Da geht durch alle Welt ein Grüßen
Und schwebet hin von Land zu Land;
Das ist ein leises Liebesküssen,
Das Herz dem Herzen zugesandt,
Das im Gebete aufwärts steiget,
Wie gute Engel, leicht beschwingt,
Das sich zum fernen Liebsten neiget
Und süße Schlummerlieder singt.

Und wie es durch die Lande dringet,
Da möchte Alles Bote sein;
Ein Vogel es dem andern singet,
Und alle Bäume rauschen drein;
Und durch den Himmel geht ein Winken
Und auf der Erde nah und fern,
Die Ströme heben an zu blinken,
Und Stern verkündet es dem Stern.

O Nacht, wo solche Geister wallen
Im Mondenschein, auf lauer Luft!
O Nacht, wo solche Stimmen schallen
Durch lauter reinen Blüthenduft!
O Sommernacht, so reich an Frieden,
So reich an stiller Himmelsruh':
Wie weit zwei Herzen auch geschieden,
Du führest sie einander zu!
(S. 69-70)
_____



Nichts Schöneres

Als ich zuerst dich hab' gesehn,
Wie du so lieblich warst, so schön,
Da fiel's mein Lebtag mir nicht ein,
Daß noch was Schön'res sollte sein,
Als in dein liebes Augenpaar
Hinein zu schauen immerdar.

Da hab' ich denn so lang' geschaut,
Bis du geworden meine Braut;
Und wieder fiel es mir nicht ein,
Daß noch was Schön'res könnte sein,
Als so an deinem rothen Mund
Sich satt zu küssen alle Stund.

Da hab' ich denn so lang' geküßt,
Bis du mein Weibchen worden bist;
Und kann nun wohl versichert sein,
Daß gar nichts Schöneres kann sein,
Als wie mit seinem lieben Weib
Zu sein so ganz ein' Seel, ein Leib!
(S. 71-72)
_____



Bitte

Aus dem Grunde deines Herzens,
O Geliebte, blicktest du
Mit den reinen blauen Augen
In die Tiefe meiner Seele.
Und auf deiner Blicke Schwingen
Zogen Klänge, wie ich nimmer
Sie geahnet, in mein Herz.
Und die Klänge wurden Worte,
Und die Worte wurden Lieder,
Und die Lieder, sich erhebend,
Auf den Schwingen des Gesanges,
Suchen wieder ihre Heimath. -
Sieh', da kommen sie zu dir
Möchten an dein Herz sich schmiegen. -

Und sie schmeicheln und sie bitten:
"Liebes Herz, dem unser Leben
Wir verdanken, willst du uns
Als die deinen noch erkennen?
Liebes Herz verstoß uns nicht!" -

Liebes Herz, verstößt du sie?
(S. 73-74)
_____

Aus: Lieder von R. Reinick (Maler)
Berlin Verlag von Carl Reimarus
Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung 1844

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Reinick



 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite