Anton Renk (1871-1906) - Liebesgedichte

Anton Renk

 

Anton Renk
(1871-1906)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 

Am Bergrand war ein Abend im Vergilben,
Im Hochschnee glomm das letzte Gold verirrt,
Ans Fenster schrieb die ersten Blumensilben
Der bleiche Frost, der durch die Gassen klirrt.

Ich dachte dein. – Und dunkel ward's im Raume,
Des Tages Sorgen flohen nach und nach. -
Ich aber weiß es, daß im schönen Traume
Ich glücklichleise deinen Namen sprach.

Die Sonne stieg. – Ich sah, als ich erwachte,
Am Fenster eine Blume silberfein,
Ein wunderschönes Hauchbild, daß ich dachte:
Das muß in Blumenschrift dein Name sein.
(Band 1 S. 38)
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Liebe

Aus der Ferne kam ich wieder her,
Und so dunkel sind die alten Gassen,
Und die Häuserschatten sind so schwer,
Und der Marktplatz ist so still und leer -
Und die Eine finde ich nicht mehr,
Die ich nicht vergessen kann, noch lassen.

Und die Brunnen rauschen wunderlich
Und erzählen sich viel selt'ne Dinge,
Und am dunkeln Tore flüchten sich
Aufgescheucht zwei Abendschmetterlinge.

An dem kleinen Fenster war es licht,
Vor du jenem deine Hand gegeben -
Heut' erhellt sich mir das Fenster nicht
Und bleibt dunkel wie mein ganzes Leben.
(Band 2 S. 53)
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Aus des Löwenzahnes Stengeln
Flochten Kinder spielend Ketten,
Kinder, gleichend jenen Engeln,
Welche unsre Seele retten.

Und sie schlangen frohe Reigen,
Bauten sich die goldne Brücke -
In des weißen Flieders Zweigen
Klang das Märchen von dem Glücke.

Hand in Hand wir gingen beide,
Und im Wald der Kuckuck rief;
Blütenpracht in Feld und Heide -
In den Fluß die Trauerweide
Senkt die Zweige – tief, so tief.
(Band 1 S. 30)
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Dann kam die fliederduftdurchströmte Nacht
Und um die Lilien die Falter flogen
Und über uns der große Sternenbogen
Ließ niederträufen seiner Lichter Pracht,
Und es erklang das älteste der Lieder:
"Ich liebe dich" .. "Und ich .. ich lieb' dich wieder."

Ein stiller Kuß, so heilig wie Gebet,
Das feierlich durch alle Himmel weht,
Bei dessen Kommen sich die Engel neigen,
Und Gott sich hebt von seines Thrones Pracht
Und spricht: Es sind zwei Seelen sich zu eigen,
Es ist der Liebe Weltgesetz vollbracht.
(Band 1 S. 30-31)
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Das war ein Abend goldentief,
Die Aehren wogten segenschwer,
Und aus dem blauen Walde rief
Ein zweigversteckter Vogel her.

Ich sagte dir, du blondes Kind:
Dort, wo die Sonne untergeht,
Des Himmels goldne Tore sind,
Und dort ein lichter Engel steht.

Der öffnet uns das goldne Tor,
Wir wandern durch des Himmels Pracht …
Der Sonnenglanz sich längst verlor,
Es kam die sternenlose Nacht.
(Band 1 S. 33-34)
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Das war in der Septembernacht
Ein Lichterineinanderfließen,
Es war, als wollte sich die Pracht
Der Lebensblume mir erschließen;
Als ob der Gott für dich und mich
Die Weltensatzung schriebe -
Die Seele sagte feierlich
Das Gotteswort: Ich liebe.

Und als das Wort zum Himmel drang,
Da machten in dem Lobgesang
Die Engel eine Pause …
Ich aber wanderte noch lang
Durch blaue Nacht am Bergeshang
Und trug mein Glück nach Hause.
(Band 1 S. 70-71)
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Das war in einer hellen Sommerzeit.
Frei war die Seele und der Himmel weit,
Da sah ich dich, ein sechzehnjährig Kind -
Du warst – was weiß ich! – wie die Kinder sind.

Und in den Wald wir miteinander gingen,
Wenn Sonnenstrahlen in den Fichten hingen;
Und wo ein Bach sich in dem Grunde fand,
Half sicher dir hinüber meine Hand;

Wenn im Gesträuch ich eine Beere sah,
Dann bückt' ich mich und sagte leise: Da!
Und deine Kinderfragen fragtest du,
Und ich – ich hörte voller Andacht zu.
So gingen wir – ein seltsam stilles Pärchen,
Und uns zur Seite wandelte das Märchen.

Am Himmel fern verloht ein Wolkenbrand.
Nun gibst du mir zum Abschied deine Hand,
Wir schweigen beide und wir wissen kaum,
War's Himmelsleuchten oder war es Traum.

Nun ist verglüht der Wolke letzter Saum.
(Band 1 S. 26-27)
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Zu zweien

Denkst du daran? – Nach jenem Sonnwendtage -
Die Feuer funkelten an allen Höh'n,
Auf unsern Lippen schwieg die große Frage,
Die Frage war so unausschprechlich schön.
Und uns're Hände in einander ruhten,
Leuchtkäfer flogen in den Wald hinein,
Vom Himmel her die weißen Sternenfluten,
Und von dem Berg die roten Funkengluten,
Und uns're Augen stiller Zauberschein -
Das alles leuchtete für uns allein.
(Band 2 S. 45-46)
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Der eine Tag hat es gemacht:
Ich wand're selig durch die Nacht.

Es breitet sich um mich ein Meer
Von himmlisch schönem Sternenglanz,
Den eines Engels Hand entfacht. -

Es ist auch gar nicht lange her,
Daß meine Seele hat so ganz,
So ganz allein ans Glück gedacht.

Ich wand're selig durch die Nacht.

Wie das nur alles kommen mag?
Mir fällt der Himmel immer ein; -
Und blüht im Jenseits mir ein Tag.
So muß er so wie heute sein.

Nur dann ich drüben glücklich bin …
Und leise geht mir durch den Sinn
Das Bild der Himmelskönigin.
(Band 1 S. 32-33)
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Die Vögel singen in den Zweigen,
Der Kirschbaum läßt die Blüten wehn
Und läßt die Zweige niederneigen,
Daß keine fremden Augen sehn,
Wo hinter seinem Silberschweigen
Zwei hochbeglückte Menschen gehn

Bald Hand in Hand, bald Mund an Munde,
Bald wieder selig Blick in Blick.
Der Vögelsang gibt leise Kunde,
Als bögen Büsche sich zurück -
O seht nicht hin … ihr kennt die Stunde,
Wenn durch den Frühling geht das Glück.
(Band 1 S. 30)
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Du bist im Maienglanz gekommen
Aus einem Land, wo Lilien sind.
Du hast mich bei der Hand genommen. -
Und ich? – ich folge wie ein Kind.

Es fliegen über uns die Tauben,
Ein Glänzen rings und Blühen ist …
Und ich? – ich kann es nimmer glauben,
Daß du von dieser Erde bist.
(Band 1 S. 91)
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Du Blondkind, gib mir deine Hand!
Warum? – Es ist der Mai im Land.

Im Mai ist Kirschenblütenschnei'n,
Und junge Menschen gehen zu zwei'n.

Ich führ' dich zu der alten Bruck,
Dort steht ein holzerner Nepomuk.

Ein Kirschbaum ist drüber her,
Als ob er ganz von Silber wär'.

Das Silber einer Maiennacht
Sinkt in die Blütenkelche sacht.

Das Silber wird dem Baum zu schwer,
Der Blüten werden immer mehr.

Dort sitzen wortlos ich und du
Und alles Silber deckt uns zu.

Wie selig wir im Silberlicht -
Sankt Nepomuk verrät es nicht.

Im Stillen aber denkt er sich:
Die zwei sind seliger als ich.
(Band 1 S. 28-29)
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Durch des Kornfelds reiche Goldflut
Streifte deine weiße Hand,
Durch die schlanken Aehrenhalme,
Bis sie eine Blume fand …

Meine Liebe ist gestorben,
Gib mir deine Blume nicht,
Laß den Sommertraum sie träumen,
Kraftumwogt von Aehren dicht.

Gib die Blume einem andern,
Den der Wahn noch aufrecht hält,
Denn ich höre schon die Sichel
Rauschen durch mein Aehrenfeld.
(Band 1 S. 34)
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Einen Brief mit kurzer Frage,
Drin ein Strähn von blondem Haar -
An dem gleichen Maientage
Lese ich ihn jedes Jahr.

Weißer Flieder bog die Pforten,
Drunter ging ein junges Paar …
Damals ward der Brief geschrieben
Und die Frage klang vom Lieben,
Und ich weiß aus wenig Worten,
Daß ich einmal glücklich war.

Weißer Flieder – immer wieder,
Und das gleiche Maienfest
Und der Sehnsucht alte Lieder -
Und der Brief des Glückes Rest.
(Band 1 S. 31)
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Junges Glück

Es soll nicht in die Luft verhallen,
Als Antwort kehre es zurück,
In Blütenkelche soll es fallen,
In Sonnenstrahlen soll es glänzen
Und jubeln über alle Grenzen,
Mein frommes, kinderjunges Glück.

Ich will es einem Liede geben,
Das Freude senkt in jeden Sinn,
Und dieses Lied soll ewig leben
Und künden, wie ich glücklich bin.
(Band 1 S. 7)
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Gib mir die Hand, wir gehen dem Walde zu
Auf einem Weg, den nur die Kinder kennen,
Die Beeren suchen in dem tiefsten Grund.

Du bückest dich nach manchem Blumenfund
Und seltsam schweigend gehen ich und du,
Bis wir uns dann mit lieben Namen nennen.

Du siehst den Abend durch die Föhren brennen,
Wir stehen still, wie zum Gebet bereit,
Und unsre Hände wollen sich nicht trennen.

Die Liebe überwindet Raum und Zeit!
So heilig ist es, durch die Bäume brennen
Die Purpurwogen der Unendlichkeit.

Die Sterne kommen, und wir gehn zu zweit
Auf einen Weg, den nur die Kinder kennen.
(Band 1 S. 31-32)
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Hand in Hand geht man im Walde,
Du mein blondes Sommerkind;
Danken wir dem blauen Tage,
Daß wir so voll Sehnsucht sind.

Sommerhochamt: Lichterfunkeln,
Wälderweihrauch, Klängewehn,
Und den Kelch erhebt die Liebe
Gnadenspendend, ungesehn.

Laß dich küssen und dir schauen
Tiefbeseligt ins Gesicht. -
Und der Wald mit Orgeltönen
Heilig, heilig, heilig spricht.
(Band 1 S. 61)
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Heut muß ich aus dem Haus hinaus,
Heut muß ich von den Mauern los.
Es ist für dieses kleine Haus
Mein Glück zu groß, mein Glück zu groß.

Am Feldrand zögert still mein Schritt,
Daß keine Blume er zertritt,
Kein Käfer unter meinem Fuß
Sein Sommerleben lassen muß.

Durch's Aehrengoldmeer weht der Wind,
Der Himmel ist so wunderblau;
Ich weiß ein lockengoldnes Kind,
Dem ich in Himmelsaugen schau'.

Die Welt ist schön, der Himmel weit,
Mein Herz ist voller Seligkeit,
Die Sonne sinkt mit rotem Schein.

Ich wand're in das Haus zurück.
Es ist ja für mein großes Glück
Der ganze Himmel viel zu klein.
(Band 1 S. 94)
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Ich hab ein armes Glück bei mir. -
Vielleicht vernichtet es die nächste Stunde.

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Und gelt, das Glück ist auch bei dir?
Ich will es küssen dir von deinem Munde …

Die Sonnenfunken niederflocken
Aufs Blütenbrett am Fensterrand,
Ich greife dir in deine Locken
Und habe Gold in meiner Hand.

Die Blumen haben alle Seelen,
Und wissen möcht' ich eines nur,
Was alles sie von uns erzählen …
Und schlummermüde tickt die Uhr.

Horch nicht darauf! … Du mußt es glauben,
Wenn unsre Zeit vorüber dann,
Daß unsre Seligkeiten rauben
Uns keine andre Stunde kann.
(Band 1 S. 37-38)
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Dämmerung

Ich war mit dir den ganzen Tag,
Und wir sind Hand in Hand gegangen.
Auf einmal in der Seele hat
Des Glückes Märchen angefangen.

Die Sonne sank … Das Märchen sprach
Von einem fernen Heiligtume …
Die Blätter auseinander schlug
Die Nacht, die dunkle Riesenblume.
(Band 1 S. 7-8)
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Im Erker einsam saß ich und sann,
Indeß der Himmel voller Silber hing.
Im Schnee mit leisen Tritten dann und wann
Es durch den weißen Weihnachtabend ging.

Ich weiß nicht, was es wollte, was es war,
Doch an's vereiste Fenster hat's geklopft …
Es war zur Weihnachtzeit im seligen Jahr,
Als Sternenglanz vom Himmel niedertropft.

Ich habe an den weißen Sternenschein
Und an zwei weiße Hände still gedacht; -
Es fiel mir dann ein lieber Name ein
Und vor dem Fenster blühte voll die Nacht.

Denn an den Weihnachtbaum wie damals hing
Der liebe Gott die Sterne Stück für Stück -
Doch was da draußen leis vorüberging, -
Ich grüßte es! – Es war mein totes Glück.
(Band 1 S. 82)
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Kirschenbäume blühn ums Haus,
Und ein Mädchen schaut heraus,
So ein sonnenblondes Kind,
Wie im Märchen
Es die Königstöchter sind.

Bin ein junger Königsheld,
Nenne mein die ganze Welt -
Freilich nur in meinem Lied.
Nur das Märchen
Meines Reiches Grenze zieht.

Gib mir deine Kinderhand,
Denn ich brauche für mein Land
Eine Maid mit Königssinn,
Für mein Märchen
Eine Märchenkönigin.
(Band 1 S. 26)
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Märchenbleich die Tale liegen.
Die Johanniskäfer fliegen
Sternenstill und sternenklar:
Grüße sind's aus Himmelsferne

Und ich flechte sie als Sterne
Zitternd dir ins dunkle Haar.

Käfer flimmern, Sterne funkeln,
Und mit deinen wunderdunkeln
Augen staunst du in die Nacht …
Und sie rauscht wie leise Seide,
Und wir wissen alle beide
Nicht, was uns so selig macht.
(Band 1 S. 96-97)
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Nun tönt der erste Grillensang
Vor meines Städtleins Toren,
Ein blondes Mädchen hab' ich mir
Zu meinem Schatz erkoren.

Am Sonnensonntag nachmittag
Da wandern wir ins Freie
Und Frühlingsblüten pflücken wir
Gar alle nach der Reihe:

Die Leberblumen rot weiß blau,
Die Lilaosterglocken -;
Was hat die Sonne denn zu tun
Mit meines Mädels Locken?

Sie nestelt dran und flirrefitzt
Und tut das Gold entfachen,
Als wollt' sie einen Heiligenschein
Aus deinen Haaren machen.

Gib mir die Hand, mein Frühlingskind,
Keinen Heiligen ich beneide;
Denn wenn wir auch nicht heilig sind,
Sind wir doch selig beide.
(Band 1 S. 28)
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Wunsch

Nur einmal möcht' ich dir zur Seite gehen
Am reichbeblühten, weißen Kirschbaumhang,
Wenn durch die Nacht die Silberblüten wehen
Und ferne stirbt der letzten Geige Klang;
Und handverschlungen an dem Flusse stehen,

Der eines blassen Sternes Leuchten trinkt,
Und nach dem Sterne uns'res Glückes sehen,
Bis er in ferner Dunkelheit versinkt.
(Band 2 S. 81)
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O schwiege doch die Sehnsucht still. -
Wo will das hin, wie soll das enden?
Den Frühling meiner Seele will
Ich einem guten Menschen spenden. -
O schwiege doch die Sehnsucht still.

Mir ist's, als ob durch Frühlingsräume
Ich einem Kinde rufen müßt':
"Ich habe reiche Rosenträume,
Und Küsse, die ich nie geküßt,
Und Lieder, die ich nie gesungen,
Und Kronen, überedelsteint,
Die keine Stirne noch umschlungen,
Und Träume, die noch nie geweint."

Ich wandre fort und träume so:
Müßt ich zum End' der Erde gehen,
Es muß am Wege irgendwo
Ein Kind mit weißen Händen stehen.
- O, wenn ich diese Unschuld fände,
Da wollte ich sie fragen still,
Ob sie mir geben ihre Hände
Und meinen Frühling haben will?

So wandre ich mit meinem Traum
Bis an der Ewigkeiten Saum. –
(Band 1 S. 101-102)
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Seliger Tag – im stillen Garten
Die Rosen knospensprungbereit.
Sie mußten lange, lange warten
Und blühen auf zur rechten Zeit.

Seit Jahren ließ ich sie verblühen,
Ein liebearmer, stiller Mann.
Heut' weiß ich Locken, wo verglühen
Die allerschönste Rose kann.

In deine Haare Purpurflammen
Die allerschönste Rose gibt …
Der Herrgot gab uns doch zusammen,
Weil wir so heilig uns geliebt.
(Band 1 S. 92)
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Siehe, aus dem Sündenland
Komm' ich krank und ohne Willen,
Und du willst die Sehnsucht stillen,
Und du reichst mir deine Hand?

Ohne Vorwurf gehst du mit
Auf des Lebens harter Reise,
Drückst die Hand mir leise, leise,
Wenn ermatten will der Schritt!

Jeder fände zu dem Glück,
Wenn die gute Hand ihn wiese,
Zum verlornen Paradiese
Seiner Kindlichkeit zurück.

Gut und lieb und unschuldrein
Bist du zu mir hingetreten,
Wie die Kinder muß ich beten:
"Heiliges Schutzengelein".
(Band 1 S. 27)
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Siehst du das reiche Sonnenglänzen,
Die Blütenwunder überall, -
Die Glückverheißung ohne Grenzen
Klingt aus des Meisenliedes Schall.

Nun sollst du deine Hand mir geben,
Wir wandern waldentlang allein,
Und hoffen, daß das ganze Leben
Ein Sonntag soll wie heute sein.

Das Glück vor uns die stillen Pfade
Durch lenzbeblühte Büsche bahnt,
Und niemand ist, der solche Gnade
In unsern Kinderherzen ahnt.
(Band 1 S. 29)
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Laß das Weinen

Tat ich weh dir mit meinem Wort,
Jage die trüben Gedanken fort!
Schau zu den Sternen, sie blicken herab,
Sie wissen alle, wie lieb ich dich hab':
Drum laß das Weinen.

Ich nahm von den Blüten, den bunten mein,
Schüttet' sie dir in den Schoß hinein
Und wußte nicht, daß ein Dorn dabei!
Schau mir ins Aug und heiter sei
Und laß das Weinen.

Ists mir doch wie ein Herbstestraum,
Als fielen die Blätter raschelnd vom Baum
Und müßt ich singen ein Sterbelied
Und küssen die Tränen von Augenlid:
Drum laß das Weinen.
(Band 1 S. 8)
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Und du sollst heute mein Gedanke sein,
Und einzig du! Kein anderer sich stehle
Mir heute in die lichtgedrängte Seele:
Der Tag sei dein!

Jasmin und Rosen trage ich herein,
Es soll mir Frühling in die Seele quellen,
Zu deinem Bild will ich die Vase stellen:
Der Tag sei dein!

Ein Feiertag soll in dem Zimmer sein
Und voller Angst verschließe ich die Türe,
Daß niemand mir herein den Alltag führe:
Der Tag sei dein!

Und Eintritt haben nur der Sonnenschein,
Aus dem Holunderbusch die Vogelsänge,
Der Waldkapelle ferne Glockenklänge:
Der Tag sei dein!

Dein Bildnis da! - "So schön und hold und rein ..."
Ich sitze still in meinem Heiligtume
Und bete fromm: "Du bist wie eine Blume -"
Der Tag sei dein!
(Band 1 S. 35-36)
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Vor Jahren war's. An dem Marientag
Erglänzte blau der weite Himmelsbogen,
Zeitlosen blühten rings im fahlen Hag;
Vom Kirchturm sind die Schwalben fortgezogen
In ferne Lande, wo in Abendgluten
Nachtrosen gleich die Tempelkuppeln glüh'n,
Und wo in heiligen, ewig stillen Fluten
Des Glückes blaue Wunderkelche blüh'n.

Das war der Schwalbenflucht Marientag.
Es kam das Licht in hellen Sonnwendwogen,
In denen scheues Sensedengeln lag,
Indes die Astern einen Sommer logen.
Feldeinsam gingen wir und glückverloren
Durch eine goldenrote Abendstund',
Und heilige Eide ohne Worte schworen
Wir überselig beide Mund an Mund.

Das war am herrlichen Marientag.
Von Blättern wehte es, von müden, falben,
Im Abend starb der Sensedengelschlag,
Schon waren fort die allerletzten Schwalben.
Wir merkten's nicht, - - die Schwalben bringen Glück ..
Mir haben sie das meine mitgenommen.
Ich hoffte treu, sie bringen es zurück,
Wenn sie vom Sonnenlande wiederkommen.

Was nützt es heut', wenn ich die Schwalben frag:
Wo habt mein stilles Glück ihr hingetragen?
Heut' leuchtet wieder ein Marientag,
Doch keine einzige will Antwort sagen.
Sie fliegen hin, wo in den Abendgluten
Nachtrosen gleich die Tempelkuppeln glüh'n,
Und wo in heiligen, ewigstillen Fluten
Der Glückes blaue Wunderkelche blüh'n.
(Band 1 S. 99-100)
_____

 

Weißt du es noch, das Sternenfunkeln,
Das an dem Maienabend war,
Als trüge Lilien aus dem Dunkeln
Der Engel unsichtbare Schar.

Weißt du es noch, wir sprachen leise
Und glücklich unser erstes Du -
Verklungen ist die fromme Weise,
Der nur die Engel hörten zu.

Und wenn wir heute uns begegnen,
So grüßen wir uns scheu und stumm. -
Die Engel, welche wollten segnen,
Die fragen leise sich: warum.
(Band 1 S. 39-40)
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Weißt du? – Nach jenem Sonnwendtage
Die Blütenpracht am Waldesrand,
Der jungen Herzen schöne Frage?
Wir gingen beide Hand in Hand -
Und wie in einer Frühlingssage
Voll Glück und Glanz das ganze Land.

Der Mond versilberte die Erlen,
Es fing ein großes Leuchten an -
Die heilige Nacht! – Wie helle Perlen
Die Sterne von dem Himmel sah'n.

Und Feuer flammten, regungslose,
Herab vom dunkeln Felsenknauf.
Am Busch der wilden Heckenrose
Die Funkenkäfer flogen auf.

Und weißt du, was ich leise sagte,
Du blondes Kind? – Ich hab dich gern.
Und weißt du, was ich leise fragte?
Ich fragte: Willst du einen Stern?

Dann hab' ich aus der hellen Sonnwendnacht
Auf meiner Hand ein Sternlein dir gebracht.
(Band 1 S. 33)
_____

 

Alle Gedichte aus: Anton Renk Über den Firnen. Unter den Sternen Der Gedichte erster und zweiter Band
Georg Müller Verlag München und Leipzig 1907

Biographie:
Geb. 10.09.1871, Innsbruck; gest. 02.02.1906, Innsbruck. Volkskundler.

Renk stammte aus einer Kaufmannsfamilie, besuchte das Gymnasium in Innsbruck und studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Innsbruck, jeweils ein Semester auch in Wien und Zürich (ohne Abschluss). In den Sommermonaten hielt er sich oft in Fendels im Oberinntal bei seinen Verwandten auf, in Kufstein hatte er enge Kontakte zum Kreis um Simon Marian Prem. 1897/98 unterrichtete er an der Bozner Höheren Töchterschule, widmete sich dann aber ganz der Dichtung, sammelte Sagen und Märchen und betrieb volkskundliche Studien. Befreundet mit Karl Newesely, Franz Tafatscher und Adolf Pichler (mit dem er auf einer seinen vielen Italienreisen in Venedig zusammen war). Renk war Mitglied des Alpenvereins und Bergsteiger. 1892 gründete Renk den Akademischen Verein für tirolische und vorarlbergische Landeskunde, 1896 als Reaktion auf die schlagenden Verbindungen den Akademischen Friedensverein Innsbruck, 1898 die Literatur- und Kunstgesellschaft Pan, der sich u.a. Adolf Pichler, Angelika und Ludwig von Hörmann, Ludwig von Ficker, Josef Pembaur, Franz Kranewitter, Bartholomäus Del Pero, August Pezzey und Rudolf Christoph Jenny anschlossen. 1899 Mitarbeit am Musenalmanach Jung-Tirol und seit 1899 neben Arthur von Wallpach und Karl Habermann ein Hauptmitarbeiter der Zeitschrift Der Scherer. Renk starb an den Folgen einer Rippfell- und Lungenentzündung. Er wurde im städtischen Friedhof von Innsbruck begraben.
Aus: Brenner Archiv http://webapp.uibk.ac.at/brennerarchiv/tirlit.xsql

siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Renk



 

 


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