Friedrich Wilhelm Rogge (1809-1889) - Liebesgedichte

 



Friedrich Wilhelm Rogge
(1809-1889)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Abschied

Lebe wohl, mein Liebchen holde!
Muß hinweg im Blüthenmai;
Dieser Ring von rothem Golde
Lehre Dich von meiner Treu'!

Muß ich in die Fremde ziehen,
Wirst Du mir doch nimmer fremd,
Wie der Sonnen ewig Glühen,
Bleibt mein Lieben ungehemmt.

Deines Auges schönste Thränen
Netzen scheidend mir die Hand,
Und ein unnennbares Sehnen
Ist im Busen mir entbrannt.

Ach, wie weh thut Liebesscheiden!
O, wie schmerzt der Abschiedskuß!
Aber süß nach Trennungsleiden
Ist der Heimkehr Willkommsgruß!

Leb' denn wohl, mein Liebchen holde,
Einmal noch, nun Hand um Hand;
Nein, wie dieser Ring von Golde,
Bleibt mein Herz Dir zugewandt!
(S. 18-19)
_____



Vergißmeinnicht

Fahre wohl, mein Vielgeliebter!
Liebte Dich mit ganzer Seele,
Täglich wird mein Sinn betrübter,
Und ich hab' es keine Hehle.

Du mußt scheiden, ich muß bleiben,
Du darfst hoffen, ich muß zagen,
Deine Blüthen Früchte treiben,
Meine wird der Sturm zerschlagen!

Oh, Du hast ein sanft Gemüthe
Und Du magst mich leicht ergründen;
Laß denn diese Herzensblüthe
Meine Liebe Dir verkünden!
(S. 30)
_____



Liebesklage

Hin ist sie, die goldne Zeit,
Hin der Liebe sel'ge Stunden,
Denen Klag' und Lied geweiht.
Hin ist sie, die goldne Zeit,
Wie ein Traum dahingeschwunden
Süßer Wahn im Rosenkleid,
Und statt Lust hat eingefunden
Jetzt im Herzen sich das Leid.
Hin ist sie, die goldne Zeit,
Hin der Liebe sel'ge Stunden!
(S. 35)
_____



Chamisso
ihr Liebling
1840

Wir grollen und schmollen und lachen dazu,
Wir werfen mit Blicken Gedanken uns zu;
Ihr Auge sieht zweifelnd und fragend mich an:
Was hat dir mein schlummernder Liebling gethan?

Und als ich ihr tiefer ins Auge sah,
War auch schon im Herzen die Reue da;
Und als sie mir lächelnd reichte die Hand,
Da war's nicht Reue, was ich empfand.

Ach, neiden könnt' ich den todten Mann,
Der Ruhm von solchen Lippen gewann;
Ich ließe mich schmälen die Erde rund,
Vertheidigte mich dein süßer Mund!
(S. 36)
_____



Ritters Klage

Traurig wandl' ich zu den Linden,
Zu des Gartens Blumenbeeten,
Wo, umspielt von Frühlingswinden,
Die Gedüft' und Kühlung wehten,
Ich der Holden Antlitz sah;
Ach, jetzt weilt sie nicht mehr da!

In des Klosters stiller Mitte,
In den gottgeweihten Hallen
Hör' ich jetzt nach frommer Sitte
Ihrer Andacht Lieder schallen;
Und, ihr Blumen, ihr verblüht,
Seit sie für den Himmel glüht.

Und verwais't bist du, o Garten,
Und verwais't du, Blumenhütte,
Keinen seh' ich eurer warten,
Der des Quelles Fluth euch schütte,
Ach, zum stillen Kloster hin
Eilet stets mein trüber Sinn!
(S. 39)
_____



Die Heimkehr
1833

Hier will ich niederliegen
Auf dieser Bank von Moos,
Wo um mich her sich schmiegen
Die Blumen klein und groß.
Glück auf! Ich grüß' euch wieder,
Komm' von den Bergen her
Und bring' euch bunte Lieder
Und manche schöne Mähr.

Noch Alles, wie beim Scheiden,
Die Erlen glänzendgrün,
Am Bach die Trauerweiden,
Die Tannen keck und kühn:
Die Mücken, lustig summend,
Gehn neckend auf mich ein,
Die Käfer, herrisch brummend,
Ziehn schillernd durch den Hain.

Und ich bin heimgekommen
Aus Abenteu'r und Spiel,
Hab manchen Fels erklommen
Und fest gestrebt zum Ziel;
Nun legt' ich gern die Beute
Nach Sitte ritterlich
Der Herzensdame heute
Zu Füßen minniglich;

Doch will mich nicht gewahren
Das schöne stolze Weib
Mit ihren braunen Haaren
Und ihrem schlanken Leib;
Ich sah's, wie sie sich senkte
Mit rothem Busentuch,
Die Hyacinthen tränkte -
Die Augen niederschlug.
(S. 79-80)
_____



Abendgang
(Lüne)
1834

Schon scheint die Sonne lasser
Durch der Alleen Grün,
Drob hüpft im Seitenwasser
Manch Fischlein überkühn.

Und durstiggrüne Weiden
Bekränzen des Ufers Rand;
Die Wellen plätschern und scheiden
Geschäftiglich Kiesel und Sand.

Jenseit des Bachs im Garten
Ein Mädchen lächelnd steht,
Sie will der Blumen warten
Und grüßt herüber und geht.

Durch Eichen und Birken da drüben
Schaut, wie aus grünem Flor,
Ein Kloster mit seinem trüben,
Weißschimmernden Thurm hervor.

Da schlägt die Betglock eben;
Jetzt knien die Jungfrau'n drin
Mit stiller Andacht Beben
Und gotterfülltem Sinn.

Und Einer, der entquillen
Die Thränen herzinniglich -
Ich glaube, sie betet im Stillen
Ein fromm Gebet für mich!
(S. 81-82)
_____



Die Todtenblume
1834

Roth sind meiner Liebsten Wangen,
Roth, wie ein Rosenblatt,
Wie ein Rosenblatt, drauf zergangen
Der Purpur, sterbendmatt.

Es sind ihre süßen Hände
Zwei Lilien, eingeknickt,
Zwei Lilien, die noch vor Ende
Des Morgens der Gärtner pflückt.

Ihr Auge, madonnenmilde,
Nicht veilchen-, nicht lotosblau;
Ach, brächte das Gefilde
Wohl solche Pracht zur Schau?

Und wenn ich in die großen
Weltmüden Augen ihr seh',
Hat sich ihr Herz mir erschlossen,
Wird mir so seltsam weh!

Ihr Busen leis' und linde,
Vollblühend schön sich regt,
Maiglöckchen gleich, vom Winde
Liebkosend sanft bewegt.

Doch, ach, im Busen drinnen,
Da haus't ein schlimmer Gast,
Der trägt meinen Frieden von hinnen
Mit stillgeschäft'ger Hast!
(S. 83-84)
_____



Trilogie der Liebe

1.
Der Bund der Treue
Es trat der Mond in seiner Pracht
Und gleich, wie mit dem König die Vasallen,
Nachdem die Winde frei die Bahn gemacht,
Sahn wir mit ihm daher die Sterne wallen.

Und als er durch das Grün der Linden brach,
Da ließ er uns erröthen und erbangen,
So wie die Ampel in dem Brautgemach
Zwei Liebende vor seligem Verlangen.

Ich aber sah's, wie sie vereint gestrebt,
So Herbst als Mond, wie um die Wette ringend
Im Blattvergolden, und durchs Herz gebebt
Fuhr mir ein Ton, aus dunkler Ferne klingend.

Und wie ein Kranker wirr empor sich rafft,
Der schaudernd auf den Tod sich fühlt gebettet,
Und mit der schwachen, letztgebliebnen Kraft
Aufs neue sich an Erd' und Leben kettet:

So schlang ich jetzt den Arm um ihren Leib,
Hieß sie auf ewig sich zur Meinen schwören -
Und weltvergesen schwur das süße Weib:
Nicht Tod noch Grab soll unsern Bund zerstören! -

Ein rüst'ger Wandrer eilt die Zeit dahin,
Und sieh! es stand der Mond am Himmel wieder,
Als ob er suchte nach der Linden Grün -
Da sank das letzte Blatt zur Erde nieder.

Den Sternen ward gemach die Bahn verlegt,
Ihm selber, Regen kündend, trüb' und trüber,
Wie Einer, der das Haupt voll Sorgen trägt,
So zogen Wolken wechselnd ihm vorüber.

Ich aber wollt' in süß geheimer Lust,
Wie einst, das Haupt an ihren Busen legen;
Da war's, als ob nicht mehr in ihrer Brust
Das Herz sich regte mit den alten Schlägen. -

Doch ob die Lüfte rauher gehn und wehn,
Halt fest, o Herz, an deinem Traumgebilde,
Daß, wenn die Wälder nun im Reife stehn,
Du nicht vom Froste starrst, wie das Gefilde!


2.
Das Idol
Ich seh' dich wohl, du rosiglichtes Bild,
Durch meines öden Schlummers Träume wallen,
Der Geist hält Wach' und Sehnsucht, ungestillt,
Geht nächtlich um in meines Herzens Hallen.

O schau mich nicht so seelenschmelzend an,
Es wird ja, wie es ist, doch bleiben müssen;
Ob mir dein Blick den Himmel aufgethan,
Mich fröstelt's an in deines Mundes Küssen!

Hinweg, Idol! Du bist nicht, was du scheinst,
Und wie du gehst verklärt durch meinen Schlummer;
Vergäß' ich gern auch, wie du's mit mir meinst,
Wie deines Aug's Entzücken war - mein Kummer.

Und spräch' ich auch: Es schlafe, was geschehn!
Ins Antlitz bannst du mir des Grames Zeichen,
Wach, wie allnächtlich blutig auferstehn
Zu neuem Kampf des Schlachtgefildes Leichen!

Ich warf um dich der Dichtkunst Mantel her
Und ließ im Reich der Phantasie dich blühen,
Und jung und wogend von dem Strahlenmeer
Der ersten Liebe flammend dich umglühen!

Und kam dafür um meines Herzens Ruh' -
Zurück kehrt das Bewußtsein, wahnverspätet,
Und tausend Stimmen rufen laut mir zu,
Daß falsche Götter fromm ich angebetet!

O geh'! ja! . . . geh'! Du kannnst nicht lieben, nein;
Doch nimm von mir des alten Zaubers Bande
Und laß mich wieder, wie ich war, allein -
Und stumm vergehn am eignen Seelenbrande!


3.
Des Sängers Rache
Es ist geschehn, nun denn, so fahre wohl,
Gesangbegrüßt, sei du gesangentlassen!
Du Stern der Wonn', an meines Himmels Pol
Kaum aufgegangen, seh' ich dich erblassen!

Wie frei hab' ich, wie frank auf dich gebaut,
Mein Alles kühn gesetzt auf deine Nummer!
Der Glaube log, zu fest hab' ich vertraut,
Ich sä'te Lieb' und erntete den Kummer!

Doch still davon! Verhärte dich, Gemüth,
Sie hat es ja gewollt, es mag geschehen!
So wenig Adel hegte dein Geblüt,
So wenig wußtest du mich zu verstehen!

Ich wähnte dich aus göttlichlautrem Stoff
Und deinen Busen reich an jeder Tugend,
Und hab dein Herz erkannt als hohl und schroff,
Dich als den Wurm, der nagt' an meiner Jugend!

Doch treuvergessen, arg, wie du auch seist,
Vom Glorienmeer der Poesie umronnen,
Soll dennoch immerdar mein trunkner Geist
Sich hehr am Ideal der Liebe sonnen!

Stets seine Priester hat der Gott gerächt;
Mein ist die Macht, ich schaff' und ich zerstöre,
Es stürmt das Blut, die Kraft ist ungeschwächt,
Die Zeit ist da, wohlan, merk' auf und höre:

Weil du gehöhnt in mir des Sängerthums,
An Lieb' ohn' Ende wardst zum Uebelthäter,
So stürzt dein Bildniß von den Höhn des Ruhms,
Wie von Tarpeja's Felsen die Verräther!

Einst pries ich dich als Blume des Gesangs
Und wähnte mädchenhaft dich, hold und gnädig;
Jetzt künd' ich jedes Ruhms und Feierklangs,
Treulose, dich für alle Zeiten ledig!

Verschollen sei, und ungekannt, verweht
In öde Nacht der Klang von deinem Namen!
Des walte du, Apoll voll Majestät
Bei Allen, welche kommen oder kamen!

"Wach' auf, wach' auf! Dies Alles ist ja Trug,
Ich war und bleib' in Ewigkeit die deine!"
Du da? - Noch eins das alte Spiel? - Genug!
Ich kenne dich, geh', bet' und büß' und weine!
(S. 87-94)
_____



Gedenke!

Wild, wie im Aufruhr, rennt und ras't der Wind,
Wie'n Mädchen, das sich irr zerrauft die Locken
Um den Geliebten, der sie falsch geminnt,
Tritt er verstört einher auf Blüthenflocken.

Das Blatt, das saftlosfalb im Lenze ward,
Was soll's die duftiggrünen herbstlich mahnen?
Der Sturm entlangt's im Flug, wo er's gewahrt,
Es darf der Frühling ja den Herbst nicht ahnen!

Nur frisch geweht und holt die Lüfte rein,
Ich hör' euch gern, ihr Winde, droben brausen;
O, zögt ihr doch in diesen Busen ein
Und trügt hinweg, was ihr drin fändet hausen!

Doch brennt die Sonn', ob's wölk' und weh', und thront
Als Weltenherz mit ewiggleichem Triebe:
Drum, wenn du je in ihrer Brust gewohnt,
Gedenke: wie die Sonne, brennt die Liebe!
(S. 100)
_____



Die Schlummernde von Tizian

Sie schlummert; ha! nachlässig hingegossen
Auf weiche Matten, frei von jeder Hülle,
Zeigt sie dem Blick der Schönheit reichste Fülle,
Die je ein Weib auf Erden nur umflossen!

Und was hält wohl das Auge noch verschlossen!
Weh mir! wär's mächtig, wie der Göttin Wille,
Der in des Waldes schauerlicher Stille
Aktäon einst erfrecht sich zum Genossen!

Was hebt die Brust empor in leisen Wellen
Und was erzeugt dies sanft verklärte Lächeln,
Das mir den Busen macht vor Sehnsucht schwellen?

Was dies Erröthen auf den Blüthenwangen?
Ach! lind, wie Weste Duft und Kühlung fächeln,
Hält sie der Liebe schönster Traum umfangen!
(S. 113)
_____



Ihr Bild

1.
Dein süßes Bild, es ist, es bleibt mein eigen!
Wenn aus des Meeres sanft bewegten Fluthen,
In dem des Tages heil'ge Strahlen ruhten,
Der Himmelsfürstin Rosse flammend steigen;

Gefild' und Flur in Thau der Nacht sich zeigen,
Dann seh' ich in den diamantnen Gluthen
Dein Bild holdlächelnd mir vorüberfluthen
Und Hoffnung weckend, liebevoll sich neigen.

Und wenn der Mond mit stillem Glanz sich kleidet,
Sein silbernes Gelock die Wolken küssen,
Wenn er des Himmels goldne Heerde weidet;

Dann läßt die Täuschung mich dein Bild begrüßen,
In hoher Schönheit Zauberglanz gehüllet,
Daß es das Herz mit sel'ger Wonne füllet!


2.
Doch wenn ich nun, dich an mein Herz zu drücken,
Voll stiller Sehnsucht aus die Arme breite,
Und wie geflügelt dir entgegen schreite,
Dann will's mich wie ein Bild des Traums berücken,

Taub gegen Flehn, Anbetung und Entzücken!
Das Auge nur verfolgt es in die Weite;
Dann naht die Wehmuth mir sich zum Geleite,
Da nie der Sehnsucht Preis mich wird beglücken.

So folgt der Wanderer nach langem Reisen
Dem Irrlicht nach in nahgewähnter Ferne,
Wie des Messias goldnem Hoffnungssterne

Einst fromm gefolgt des Morgenlandes Weisen:
Sie wurden froh begrüßt von Engelszungen,
Er kehrt, die Brust von Wahn und Weh durchdrungen.
(S. 114-115)
_____



Sie

Wenn unter ihrer Hand die Saiten beben,
Anschwellend sanft der Laute Töne klingen
Und sich harmonisch in einander schlingen,
Dann höher stets und höher wieder schweben

Und rauschender und kühner sich erheben
Und unaufhaltsam durch die Brust mir dringen;
O dann entsteht in mir ein Wechselringen
Von Lieb' und der Begeistrung hohem Streben!

Sie lehrt mich, was die Saiten in sich hegen:
In ihrer Töne zauberischen Wellen
Tritt himmlischmild die Liebe mir entgegen,

Und in dem kühnern, ungebundnern Rauschen
Fühl' ich die Lieb' mit Thatendrang sich tauschen,
Des Ruhmes Sehnsucht meinen Busen schwellen!
(S. 125)
_____



Wandlung

Sagt an, ihr Bächleins sehnsuchtsvolle Wellen,
Die Lüfte trugen's sicher euch zu Ohren,
Wohin hat die Geliebte sich verloren?
Sagt an, ihr seid ja treu, kennt kein Verstellen!

Wie ihr nun rauscht in Tönen, klingendhellen,
Das Mitleid hat die Antwort schon geboren;
Doch wider mich hat sich das Glück verschworen,
Mir unverständlich tönt's in euren Fällen.

Ihr, Zeugen holdes Spiels, habt oft gelauschet
Und sie bewillkommt mit des Frühlings Grüßen,
Kam mit der Herrin ich zu euch gegangen,

Vor Lust und Liebe habt ihr aufgerauschet
Und Blumen froh gelegt zu ihren Füßen;
Was sagt ihr nun? Eu'r Rauschen macht mich bangen!
(S. 127)
_____



Labsal

Zum Labsal wird gar oft nach stillen Qualen,
Wenn einsam und sich selber überlassen,
Das Herz nichts lieber will und mag erfassen,
Als neu der Liebe Traumglück auszumalen.

Es mischt sich Lust und Leid in gleichen Zahlen;
Dem ros'gen Scheine folgt ein leicht Erblassen,
Doch will die Lieb' ihn nimmer fahren lassen,
Sie facht ihn wieder an zu tausend Malen.

So bist du fern zwar, meines Herzens Sonne,
Dein reiner Glanz ist meinem Blick verborgen;
Doch träum' ich ewig von der alten Wonne,

Und faßt mich je ein liebeschmerzlich Sorgen,
Sinkt in der Brust das Feuer leis zusammen:
So facht's Erinnrung an zu neuen Flammen!
(S. 128)
_____



Phantasie

Lang' war ich wach, von Dunkel rings umfangen;
Doch Müdigkeit beschlich zuletzt die Glieder,
Der Augen Vorhang rollte leise nieder
Und in mir wachte nur noch ein Verlangen:

Zu der geliebten Herrin zu gelangen!
Da schwebte sanft der Gott des Traums hernieder
Und ließ mich treten zu der Holden wieder,
Als ob vergangne Zeiten nicht vergangen.

Und alter Wahn umfing auf's neu uns beide,
Ich schwamm in ihres Auges Wonnespiegel
Und kos'te mit den Locken weich wie Seide,

Und Süßgeheimstes brach der Lippen Siegel: -
Bis bleich der Mond sank in des Westens Welle
Und all mein Glück begrub des Morgens Helle.
(S. 129)
_____



Die Augen der Geliebten

Ihr Augen, die ihr Lied beherrscht und Leier,
An euren sanften, euren sel'gen Blicken
Sehnt heißbewegt das Herz sich zu erquicken,
Bei eurem Glanz hebt meine Brust sich freier!

O schließt euch nicht, laßt sinken nicht den Schleier,
Mögt immer mich mit eurem Reiz umstricken,
In euren Himmel, reich an Huldgeschicken,
Einlassen mich zu süßer Andacht Feier!

Ich hab' euch ausersehn zu meinen Sternen,
Um meines Lebens Nächte zu erhellen,
Hab' euch als Dioskuren kennen lernen,

Die dem Piloten in dem Sturm der Wellen
Herniederleuchten aus des Himmels Fernen,
Daß nicht sein Kiel am Felsen mag zerschellen!
(S. 130)
_____



Der Morgen

Aurora naht, die Sonne zu verkünden,
Im rosigen Gewand; die Sterne fliehen,
Um sich ins ferne Blau zurückzuziehen,
Als scheuten sie dem Tag sich zu verbünden.

Und wie die Strahlen mächt'ger sich entzünden,
Seh' ich von ihrer Näh den Osten glühen,
In Purpur die bethauten Fluren blühen,
Jetzt steigt sie flammend aus des Meeres Gründen.

Ein Feuerball schwingt sie sich in die Lüfte
Und grüßt von mir die Herrin! Traumgefangen
Sind ihre schönen Augen noch geschlossen.

Laß um sie wallen, Amor, Lenzesdüfte
Und bräutlich Ros' und Mirt' ums Haupt ihr sprossen,
Als sei der Tag der Sehnsucht aufgegangen!
(S. 131)
_____



Der Dinge drei

Drei Dinge schon sind werth, darum zu leben:
Der Lenz, die Kunst, die Liebe dann vor allen!
Sieh nur der Schönheit trunkenen Vasallen
Am Arm der Liebenden vorüberschweben,

Wenn Blatt und Blüth' am Baume duftig beben,
Hör' nur dazu das Lied der Nachtigallen;
Sieh nur die Kunst in ihren Götterhallen
Dem schönen Dasein ew'ge Dauer geben!

O Bild des Lebens du, flieh deren Reden,
Die nur von Buße pred'gen, Wahn und Wehen
Und finster vom Genuß abmahnen Jeden;

Glaub' nicht, daß etwas an der Welt versehen,
Wie Manche gern sich möchten überreden,
Weil sie nicht glücklich drin zu sein verstehen!
(S. 132)
_____



Sehnsucht

Ob ich auch einsam durch die Fluren walle,
Dem rauschenden Gewühle mich entstehle,
Zum Aufenthalt mir Waldesnacht erwähle,
Gelockt von eines Quelles sanftem Halle:

Dort an des Bornes flüssigem Krystalle
Sehnt sich nach dir, du "Tag der Nacht", die Seele
Daß liebend sie dir ewig sich vermähle
Und Wahrheit würden ihre Träume alle!

Oed' ist die Welt, fühlst du des Herzens Leere,
Und kalt und arm vorüberziehn die Stunden,
Wenn Liebe mit dem Leben nicht verbunden;

Zu schwer ist für ein Herz des Schicksals Schwere,
Und wenn das Glück, das seltne, zugeflossen,
Bedarf zum Glück des glücklichen Genossen!
(S. 138)
_____



Huldigung

Wem wär' es Wonne nicht, euch anzuschauen,
Wer möchte nicht in eurem Glanz sich sonnen,
Entzückt nicht sehn aus eurer Schönheit Bronnen
Den Gott der Huld ein Lächeln niederthauen!

Ihr haltet uns, wie Maienglanz die Auen,
Mit eurer Anmuth zartem Netz umsponnen;
So habt ihr euch den Preis des Lieds gewonnen,
Das ewig tönt von euch, ihr holden Frauen!

Und ich - warum mit dem Geständniß stocken -
Voll Sehnsucht schwärmt' ich stets für schöne Wangen,
Auf die der Lenz schnie seine Blüthenflocken,

Für Lippen, drum ein Lächeln aufgegangen;
Und wundergern an duftig weiche Locken
Giebt sich mein Blick verloren und gefangen!
(S. 145)
_____



Die Erscheinung
(An Eunomia)

Weht, Locken ihr, gleich eines Raben Schwingen!
Komm, holde Nacht, ambrosisch ausgegossen
Um Wangen, wo in weicher Blüthe sprossen
Und mit den rothen weiße Rosen ringen.

Strahlt, Augen, wie wenn Stern' am Himmel gingen,
Des Aethers Blau die Wimper reich erschlossen,
Und nun hernieder käm' ihr Glanz geflossen,
Des Staunens Ruf und Sehnsucht zu erzwingen.

Das Reblaub rauscht, ihr Nah'n mir zu verkünden;
Des Kukuks Ruf, die Well' am Seegestade,
Sie tönen mahnend, ihr sich zu verbünden,

Und ha! sie naht - und flieht mich ohne Gnade,
Wie einst den Hirten in des Ida Gründen -
Das Kind Latonen's und die Oreade!
(S. 146)
_____



Liebeszauber

Süß, Amor, sind der Herrin goldne Ketten!
Wie selig, ach, zu lassen sich umstricken
Von ihres Auges zauberkräft'gen Blicken,
Die Freiheit um der Liebe Zwang verwetten;

Verlieren Alles, und doch Alles retten;
Mit Sehnsuchtsboten bald ihr Herz beschicken,
Bald sie erröthen sehn, Gewährung nicken -
Und Lippe dann an Lipp' in Inbrunst betten!

Nahm nicht der Donn'rer an des Schwans Gefieder,
Des Alls vergessend über Leda's Küssen!
Hat nicht, der schlug den Löwen und die Hyder,

Der Omphale Herakles fröhnen müssen!
Drum, Amor, denk' ich, bieder bleibt, wer bieder,
Ob er auch kniet zu eines Mägdleins Füßen.
(S. 147)
_____



Zwei Augen

Zwei Augen sind's, zwei wunderkluge, blaue,
In einem Haupt mit Locken, blond und seiden,
Die werden über Alles das entscheiden,
Worauf ich träumend hofft' und nun vertraue:

Wunsch, Glaube, Sehnsucht hangt an Stirn und Braue;
Und stets schaut prüfend auf zu diesen beiden
Der stumme Blick, ob er einst dürfe weiden
Auf ihrer Wangen Blüth' und Rosenaue.

Treu wähn' ich euch! Ach nein, ihr könnt nicht lügen,
Noch ändern euch in eurem Sein und Wesen,
Noch das verlöschen, was in lichten Zügen

Ihr einst mich ließet fromm und gläubig lesen;
Doch könntet ihr's - dann hin mit Lenz und Leben,
Was ihr und was der Götter Huld gegeben.
(S. 148)
_____



Liebeszweifel

Geliebt sich wissen, das ist Göttersegen,
Der auf des Lenzes Schwingen kommt von oben!
Doch wessen Lieb' aus Hoffnung nur gewoben,
In wessen Brust sich bange Zweifel regen:

Dem stellt ein Heer von Qualen sich entgegen,
Den Speer gerichtet und den Schild gehoben!
Was möchte da nicht all das Herz geloben
Dem Gott, der sich ins Mittel wollte legen! -

Drum, holdes Licht, nimm weg von meinen Tagen
Den Nebel, laß des Zweifels mich genesen!
Es stellt mein Herz an dich die bangen Fragen:

Ob ich dir lieb, ob ich es je gewesen,
So, wie sein Loos ein Bittender mit Zagen
In eines Königs Antlitz sucht zu lesen!
(S. 149)
_____



Der Fernen

Da stehst du, Mond, mit deinem sanften Lichte,
Und bist so voll und golden aufgegangen;
Die Sterne sehn nach dir in Jugendprangen,
Wie Kindlein nach der Mutter Angesichte!

Und ich, der hier durch Blättergrün ich richte
Zu dir den Blick, voll Zagen und Verlangen,
Gern fragt' ich dich, ob jetzt mit regem bangen
Gedenkemein! ihr Herz sich mir verpflichte!

Doch sei's; auf deines Lichts blitzschnellen Pfeilen
Send' ich der Seele Grüß' ihr und Gedenken!
Laß sie als Genien schirmend um sie weilen

Und Wache halten über ihrem Haupte: -
Dann naht der Gott, der milde, mohnumlaubte,
Um süße Träum' in ihre Brust zu senken.
(S. 150)
_____



Liebesprobe

Nun will ich sehn, trotz deinen jungen Jahren,
Ob du zu lieben weißt und zu entsagen,
Ob deine Pulse voll entgegenschlagen
Dem wilden Klange schmetternder Fanfaren;

Ob du des Demants Gluth in deinen Haaren
Leichtfüß'gen Burschen wirst entgegentragen,
Ob mehr dir gilt, auch noch in späten Tagen
Im Lied dir Ruhm und Namen zu bewahren.

Ja, wenn wir einst in Charon's Nachen stiegen,
Und vor uns sähn das Land der Sel'gen liegen:
Dann grüßten dich, die mich begrüßen werden,

Die Helden all, die ich gefei'rt auf Erden
Und schön gesalbt mit des Gesanges Narden,
Von Peleu's Sohn, bis zu den Kaisergarden!
(S. 151)
_____



Abschied

So fahrt denn wohl, ihr leichtbeschwingten Lieder,
Und zeugt von jener mir, der ihr gegolten;
Und würdet ihr auch Tändelnde gescholten,
Cytheren's Knabe darf Apollon's Glieder

Sich nicht erborgen, noch des Aars Gefieder.
Wenn ihre Blick' euch nur ein Lächeln zollten,
Ihr habt und ich dann Alles, was wir wollten,
Und huldbekränzt legt euch zum Schlafe wieder.

Doch wenn vielleicht einst Hoffnung Wahrheit würde,
Hoffnung so leicht, wie eines Falters Bürde,
Und Liebe krönen könnte Lieb' und Treue:

Bei ihrem Augenpaar! ja, dann aufs neue
Küßt' ich euch wach auf eurem Rosenpfühle
Zu Melodien voll zärtlicher Gefühle!
(S. 152)
_____



Argwohn

Wenn's wäre? Nein! ich wag's nicht auszudenken;
Es gält' um meines Herzens Traum und Frieden.
Nie lag's im Reich der Möglichkeit hienieden,
Das Glück so leicht zum schönsten Ziel zu lenken.

Ich sah den Prunk, es ließ den Blick mich senken;
Doch gleich dem Zahn der Natter sei gemieden,
Wer mein Geschenk aus ihrer Näh' geschieden,
Ihr diesen Lenz von Blumen durfte schenken!

Sie, Kampfpreis meines Ringens, Sehnens, Strebens,
Ist all mein Thun ihr jetzt ein Nichtigtodtes,
Ging unter sie als Sonne meines Lebens?

Macht euren Priester nicht zum Ziel des Spottes,
Wenn all sein Hoffen, Ringen nun vergebens,
Ihr hehren Neun des donnerfrohen Gottes!
(S. 153)
_____



Die Eine

Klug, sittig, hold, zart, mädchenhaft, bescheiden,
So tönt ihr Lob aus aller Munde wieder;
Es eilt Natur, den schlanken Bau der Glieder
Mit ihrer Anmuth Zauber zu bekleiden;

Ein Goldgelock, den Süden zu verleiden,
Fällt auf das flücht'ge Roth der Wangen nieder,
So reich, es könnt's der ew'ge Quell der Lieder,
Die meerentstiegne Göttin selbst beneiden!

Seh' ich dich, holde Fee, vorüberschweben,
Wirfst du stets neu den Blitz in mein Gemüthe,
Die du mir einst so liebend schienst ergeben

Und mich verklärtest mit dem Blick der Güte;
Zürnst du mir jetzt, du Lenz in meinem Leben,
Im ersten Duft und Hauch der Jugendblüthe?
(S. 155)
_____



Der Paladin

Auf deines Auges blauen Schild gehoben
Wagt dich als sein ein Andrer zu betrachten;
Ich aber sag', es kann dein Blick nicht schmachten
Nach Dingen, aus gemeinem Stoff gewoben,

Und groß und würdig wirst du dich erproben;
Deß soll kein Zweifel mein Gemüth umnachten,
Ich weiß die Welt als lästernd zu verachten
Und laß Gesang stolz deinen Namen loben!

Ein Paladin, der trägt an Amors Wunden,
An Schlachten reich, vor deiner Huld Capelle
Hab' ich, o Herrin, mich zur Hut verbunden;

Es nahe werbend deiner heil'gen Schwelle,
Wer immer ritterbürtig wird erfunden,
Daß ich, dein Ritter, ihm zum Kampf mich stelle!
(S. 156)
_____



Das Bild der Schönheit

O wie viel Anmuth liegt hier ausgebreitet!
Wie Alpenschnee und Purpur hier sich decken,
In diesen Zügen sich Amoren necken,
Um diese Stirn sich Huld und Hoheit streitet!

Der Mund mit Perlen - wie ein Gärtner leitet
Die Pracht der Lilien hin durch Rosenhecken!
Und selig, wer auf diesen Lippen wecken
Darf all die Wonnen, die dort süß verbreitet!

Ja! wer dich sieht, der glüht um dich zu werben,
Das Ach der Sehnsucht fliegt von seinem Munde!
Ich aber, den das Glück nicht will zum Erben,

Nie geb' ich dir, von was ich fühle, Kunde,
Und Wunsch und Traum laß ich in mir ersterben,
Und hab' genug an einer Herzenswunde!
(S. 158)
_____



Die Liebende im Traum

Rubin die Lippen und die Wangen Rosen!
Die Augen, die so tief ins Herz mir brannten,
Ergossen, wie zween leuchtende Demanten,
Aus Locken, duftumhauchten, reizendlosen.

Ach, jenen Blick, der spricht von Götterlosen!
So trat sie nah', und ihre Lippen nannten
Mit holden Namen mich, den Langverbannten
Begütigte die Hand mit süßem Kosen.

"Ich komm' und ende, sprach sie, all dein Klagen,
Ich weiß, wie dir die Zeit dein Kummer dehnte!"
Und ich: So laß mein pochend Herz dir sagen,

Wie heiß es dich geliebt, nach dir sich sehnte,
Und daß Endymion's sel'ger nicht geschlagen,
Als liebend über ihn Diana lehnte!
(S. 160)
_____



Angebinde
(An Eunomia)

Sie hält gefangen mich durch ihre Milde
Und ihres Herzens unbegrenzte Güte;
Bei klugem Sinn solch himmlisches Gemüthe,
Es wird von selbst zum dicht'rischen Gebilde.

Lamm wird in Amors Bann der Leu, der wilde,
Ob eben noch sein Auge Flammen sprühte;
Doch unser Herz, es wird zur Himmelsblüthe,
Die Welt zum paradiesischen Gefilde!

So hat die Liebende mit süßem Walten
Mir Seligkeit gesenkt und Götterfrieden
In diese Brust, die feindlich war gespalten,

Und rosig Alles angehaucht hienieden:
Drum soll ihr Lieben ewig fest mir halten
Im Liedkrystall der Chor der Pieriden!
(S. 161)
_____



Himmelfahrt

Ich sah von Eichenlaub und von Violen
Den duft'gen Kranz in ihren Locken prangen;
Indeß die Frühlingslüfte Stirn und Wangen
Mit lindem Hauch umkos'ten süß verstohlen;

Und ihr zu Füßen, wie zur Ruh' befohlen,
Lag wellenlos der sonn'ge See gefangen,
Und von dem waldbekränzten Bord erklangen
Des Lenzes Huldigungen unverhohlen.

Am Tage, da Maria im Geleite
Von jubeltrunknen sel'gen Engelschaaren
Den Sohn entrückt sah zu des Vaters Seite,

Sah ich die Schönheit mir sich offenbaren,
Und meine Seel' ist, als die ihr geweihte,
In ihres Auges Himmel aufgefahren!
(S. 162)
_____



Umsonst

Umsonst schmückt sich der Wald mit jungen Zweigen
Und läßt mit Himmelsklängen mich begrüßen;
Es rollt der See umsonst zu meinen Füßen
Und läßt die Mew' aus seinem Schoße steigen;

Umsonst weht um mich her ein Blüthenreigen,
Die lauen Lüfte würzig zu versüßen;
Indeß mein Herz, ein lieblich Weh zu büßen,
Stets allen Andern fremd sich muß erzeigen.

Umsonst, daß ich des Zaubers mich erwehre!
Aus Wald und See und all des Himmels Milde
Eilt Wunsch, Gedank' und Traum, du Reizendhehre,

Zu dir! wie einst aus sonnigem Gefilde
Nach Gnidos in den Tempel der Cythere
Ganz Hellas zu Praxiteles' Gebilde!
(S. 165)
_____



Der Abend

So hat der Tag sich denn zur Ruh' begeben,
In Nacht beginnt die Dämmrung zu verfließen,
Es läßt die Sternensaat der Aether sprießen
Und sehnsuchtflammend durcheinander weben!

Es zieht mich himmelwärts mit leisem Beben;
Dort muß die Hoffnung sich zur Blüth' erschließen,
Dort dauernder sich Lieb' in Lieb' ergießen,
Als hier in diesem wechselreichen Leben!

Und du, von deren Blick mein Auge trunken,
Und die als Mond steht über meinen Träumen,
In deren Anschaun selig süß versunken,

Mir Stunden scheinen, wie Minutensäumen:
Fest halt' ich dich auch dort in jenen Räumen,
So lang von meinem Geist noch sprüht ein Funken.
(S. 166)
_____



Das Urbild
(An Eunomia)

Schau' ich ins Auge dir, das weiche, milde,
An deiner Seelen Schönheit mich zu weiden,
Und das, worin wir Frau'n so gerne kleiden,
Vereint zu sehn in deinem Unschuldsbilde:

Dann scheinst du mir der himmlischen Gefilde
Bewohnerin, ja! Eine, die bescheiden
Weggab den Himmel, um in Lust und Leiden
Zu zeigen uns ein Ideal der Milde!

Und denk' ich dann, es hätten mir benommen
Schuld und Vergehn den Einlaß zu den Frommen,
Und daß mich einst mit herben, strengen Worten

Zurück der Pförtner wies' an Edens Pforten:
Dich fleht' ich an, für mich zum Herrn zu treten,
Du könntest Sünder in den Himmel beten!
(S. 167)
____



Erstes Begegnen

Im Lenze war's, im Lenz, dem lieberegen,
Wo Wald und Flur entfalten ihr Gepränge;
Von Blatt und Blüth' ein reizendes Gedränge,
Von Lüften, die darein sich säuselnd legen!

Und wie ein Zauber lag's auf allen Wegen:
Die Nachtigall ergoß, wie Sphärenklänge,
Aus Laubesgrün melodische Gesänge,
Bewältigend, dem trunknen Ohr entgegen!

Da sah ich sie, der nun gehört mein Leben,
Ein Bild des Lenzes in dem Lenzgefilde!
Da schaut' ich auf zu ihr mit stummem Beben;

Aus ihrem Antlitz quoll ein Strom von Milde,
Und ach, ich sah Etwas ihr Aug' umweben,
Wie die Madonn' in Rafaello's Bilde!
(S. 168)
_____



Der Liebe Letztes

O stürb' ich doch, bevor du gehst von hinnen,
Und daß ich nie erlebte jene Stunde,
Wo ich's verwehen säh' von deinem Munde,
Das letzte Lächeln, mit verworrnen Sinnen!

Nein, laß mich eh'r zum Ziel mein Leben spinnen,
Damit ich droben von dir gebe Kunde,
Und unsrer Lieb' und unserm Seelenbunde
Die Ewigkeit dort suche zu gewinnen!

Und hätt' ich sie - ich käm', es dir zu sagen!
Und Wonn' und Seligkeit, ach, mehr als diese,
Wagt' ich um deine Nähe auszuschlagen,

Daß ich als Geist noch hold mich dir erwiese,
Und einst in meinen Armen könnte tragen
Dich, Engel, zu des Himmels Paradiese!
(S. 169)
_____



Aboul Feroue
*
(Eine arabische Sage)

Monde flohen, Jahre schwanden,
Seit aus Westen kam ein Mann,
Der mit Heldenkraft gerüstet
Durch die Wogen zog heran.

Aboul Feroue, der Gewalt'ge,
Wie von Pol zu Pol bekannt,
Floh die heimischen Gefilde,
Um das schönste Weib entbrannt.

Keine von den Töchtern allen,
Die Circassien gebar,
Die an Reiz den Houris gleichen,
Je, wie sie, so lieblich war.

Wie der Vollmond, der in Osten
Sich in goldner Pracht erhebt
Und der Sterne Glanz verdunkelt,
Wenn er durch die Lüfte schwebt:

Also strahlet unter allen
Jene Jungfrau hoch hervor,
Die der Fürst der Mamelucken,
Mourad Bey, sich auserkor.

Ihrer Schönheit Wundersage
Wiedertönt von Land zu Land,
Und erfüllt mit stillem Sehnen
Manches Herz, von Lieb' entbrannt.

Bald erscholl bis zu den Ohren
Aboul Feroue's der Ruf,
Der vom Schicksal ihr erkoren
Wechselnd Qual und Lust sich schuf;

Denn sie naht im Traum dem Helden,
Wie aus himmlischem Gefild',
Und es schwebt vor seiner Seele
Stets ihr liebesel'ges Bild.

Ohne sie erscheint das Leben
Ihm ein halbverwelkter Kranz,
Doch ein Himmel voll Entzücken
Ruht in ihres Auges Glanz.

Sich in ihrem Arm zu schmiegen,
An der wonneregen Brust
Weltvergessen sich zu wiegen
Süß in schwelgendsüßer Lust!

Zehn der Länder, reich und blühend,
Lieblich schön wie Helle's
** Au,
Hundert Städte, reich an Schätzen,
Hoch ragt ihrer Mauern Bau;

Alles will er freudig geben
Für das Weib dem fernen Bey;
Doch mit Stolz verschmäht es Jener,
Höhnt den Helden sonder Scheu.

Rache flammt in Kebir's
*** Busen,
Daß zum Schwert' er grimmig eilt;
Seine Schaaren sind versammelt,
Und ihr Kiel die Wogen theilt.

Zahllos wie der Sand am Meere
Gießen sie sich an den Strand,
Wandeln rastlos ihre Pfade
Bei der Sonne glühem Brand.

Und dort, wo dreitausendjährig
Cheob's Riesengrabmal ragt,
Naht mit seinen Mamelucken
Mourad Bey sich unverzagt.

Mourad Bey, der kühnste Reiter,
Den die Sonne je geschaut,
Mourad Bey blickt mit Verachtung
Auf die Helden, schlachtergraut!

Stattlich wallt, ein Spiel der Lüfte,
Seines Turbans stolze Pracht;
Auf Arabiens schnellstem Renner
Fliegt er ungestüm zur Schlacht;

Und mit ihm die Reis'gen alle,
Die sein Wink ins Feld gebannt,
Von dem Hufschlag ihrer Rosse
Hallt des Niles ferner Strand.

Mord entblitzet ihren Schwertern,
Die gekühlt Damaskus Fluth,
Und die Blicke, furchtbar drohend,
Lechzen nach des Feindes Blut.

Doch da donnern die Geschütze,
Flammen sprüht der ehrne Wall,
Und es rasseln dumpf die Waffen
In des Schlachtgewühles Hall!

Wie zwei Wetter sich bekämpfen
Auf des Meeres wüster Bahn,
Sturmgewölke nächtlich tummelnd
Und die Wogen himmelan:

Also tobt die Schlacht und wüthet,
Heer um Heer gewaltig ringt,
Und der Fallenden Geächze
Graunvoll zu den Sternen dringt!

Fest und ruhig, gleich dem Felsen,
Der des Weltmeers Wogen höhnt,
Stehn unbeugsam Kebir's Helden,
Die an Kampf und Schlacht gewöhnt.

Und der Feind, er muß erliegen,
Mann und Roß wälzt sich im Staub,
All dahin gerafft, die Stolzen,
Wie vom Sturm im Wald das Laub!

Denn wer mag den Mann bezwingen,
Dem der Himmel unterthan,
Göttergleich an Macht und Größe
Und gebietet dem Orkan.

Flieh', o Mourad! flieh von hinnen
In der Wüste Reich zurück,
Da dein Heldenruhm vernichtet,
Ach, verräth'risch ist das Glück!

Wehe! wehe! also sinket
Vor den Schnitter hin die Saat,
Wie dein Volk dahin gesunken,
Als sich Kebir ihm genaht.

Horch, wie des Sieges Drommeten erschallen,
Kebir, er kommt im Triumphe daher!
Seine dreifarbigen Banner durchwallen
Stattlich die sonnigen Lüfte und hehr.

Fürchterlich bist du im Donner der Schlachten,
Kebir! wie Staub, so verschwindet dein Feind,
Wenn dich die Wolken des Zornes umnachten
Und du zum Kampfe die Helden vereint!

Aber so mild und so sanft in der Mitte
Deiner Gefährten, verstummte die Schlacht,
Wandelst du, Keinem versagt'st du die Bitte,
Der in Bedrängnissen je dir geklagt.

Mögen im Fluge die Zeiten entrollen,
Ewiglich bleibt, Pyramiden, ihr stehn,
Ruhm dem gewaltigsten Helden zu zollen,
Bis die Geschlechter der Völker vergehn!

Er, dem die Mächte des Himmels gewogen,
Dringet hindurch zu dem fernesten Ziel,
Ob durch des Oceans brandende Wogen,
Oder durch donnernder Schlachten Gewühl!

Flieh' denn, o Mourad! er wird dich ereilen,
Eh' noch der Morgen, der kommende, tagt;
Ferner im Arm der Geliebten zu weilen,
Hat dir das grollende Schicksal versagt! -

Dich in dem Glanze des Ruhmes zu sonnen,
Fremden ein Schrecken, den Deinen ein Hort,
Wirst du von zaubrischen Reizen umsponnen,
Kebir, empfängt dich der friedliche Port!

Also hallet durch die Lüfte
Seiner Schaaren Siegsgesang;
Und der Hohe lenket freudig
Zur Geliebten seinen Gang.

Einsam weilt in dem Palaste
Sie, die Brust von Harm beschwert,
Da naht Kebir durch die Pforten,
Fleht um Liebe, die er schwört.

"Nimmer werden, Mann des Ruhmes,
Diese Arme dich umfahn,
Weil Irrlehren dich umstricken,
Dich umfangen hält der Wahn;

Wer nicht Allah's Macht verehrend
Ihn in Demuth betet an,
Mekka zu das Antlitz kehrend,
Soll nicht seinen Töchtern nahn.

Aber wenn durch Meer und Wüste
Liebe siegreich dich geführt,
Darfst du nicht das Opfer scheuen,
Das jetzt Gott und ihr gebührt."

So Circassiens schönste Tochter,
Ihre Worte wägt der Held;
Allah lenket seine Seele,
Seines Glaubens Irrthum fällt.

Freude schallt durch ganz Aegypten,
Goldne Zeiten nahn heran;
Denn es wird mit seinen Kriegern
Kebir selbst ein Muselmann!
(S. 173-181)

* Der Mann im Pelzmantel
** Helle - berühmte Oase
Kebir - Sultan des Feuers

_____



Des Ritters Heimkehr

Früh erschien auf dem Altane,
Wenn der Morgen graut und tagt,
Aufgeweckt von Traumes Wahne,
Eine Jungfrau blaß und klagt:

Wird er nimmer wieder kehren,
Soll mich schrecken nur die Nacht
Durch Gebilde, die gewähren
Nichts, als was den Gram entfacht?

Boten sandt' ich ohn' Ermüden,
Aber keiner kam zurück;
Hat er alle sie gemieden,
Oder war unhold das Glück?

Nein! zu schnell eilt Liebessehnen,
Und zu kurz war ihre Frist,
Weit ist's zu den Saracenen,
Wo ihn Bot' um Bote grüßt.

Aber still, was kommt geschritten
Durch des Feldes thau'gen Pfad?
Gleicht es doch bekannten Tritten,
Wie zur Wonne mir genaht!

"Gruß und Kund' aus fernem Lande
Sei vom Ritter euch gebracht!
Selbst an des Verderbens Rande
Hat das Glück ihm stets gelacht.

Habt ihr meine Mähr vernommen,
Seid auf andere gefaßt,
Denn die Boten werden kommen
Und vielleicht auch bald der Gast."

Dann, als er ihr übergeben,
Was vom Ritter ihm vertraut,
Fühlt sie selig sich durchbeben
Von der Liebe Wonnelaut.

So ließ sie der erste Bote,
Und ihr Herz war nun geheilt;
Mit des Morgens höh'rem Rothe
Schon herbei der zweite eilt.

"Grüß' euch Gott, o edle Dame,
Wie durch mich der Ritter grüßt,
Und ergebt euch nicht dem Grame,
Ob getrübt mein Wort auch ist.

Ich ersah den kühnen Ritter
Zwar erschöpft und wundenkrank,
Als in Kampfes Ungewitter
Jüngst sein Roß zusammensank;

Aber wollt euch drum nicht trüben,
Denn genesen war er fast,
Kehret bald zurück von drüben
Weil ihm nöthig Ruh und Rast."

So nimmt schnell der Zweite wieder,
Was vom Ersten ich erlangt!
Ahnend bebt mir's durch die Glieder,
Daß mir vor dem Dritten bangt!

Und sie hat es kaum geendet,
Als der Dritte vor ihr steht,
Der den Blick zur Erde wendet,
Des Gehörs Versagung fleht:

"Vieles möcht' ich euch verkünden
Und verschweigen möcht' ich viel,
Darum wollt mich nicht ergründen,
Seht doch früh genug das Ziel!"

O wie hohl sind deine Worte,
O wie trüb' und hoffnungsleer,
Ach, und von des Waldes Borte
Tönt es schaurig klagend her!

Ha! was will der Zug mir bringen
Und des Schmerzes banger Ton?
Wie ein Grablied hör' ich's klingen
Und mein Schicksal ahn' ich schon!

Und der Zug wallt immer näher,
Die Verzweiflung treibt sie fort,
Und die ausgestellten Späher
Schreckt ihr raumgebietend Wort.

Da schaut sie im dunkeln Schreine
Ihres Ritters Grabgestalt,
Und entseelt auf die Gebeine
Sinkt sie marmorbleich und kalt.

Beide, so vereint, geleiten
Nun die Ritter hin zum Schloß,
Ein Grab Beiden zu bereiten,
Und in Thränen folgt der Troß.
(S. 182-186)
_____



Der Kranz

Heimliche Schlüssel giebt es zur heiligen Liebe
Pind. Pyth. IX. 39.
1832

Als holdseligverschämtes Blicks
Dich, o Kranz, die Geliebte wand,
Hob schmerzhaft ein Gefühl mir die
Brust, wohlkundig der Trennung.

Schwer hangt drüben ein Wetter nun,
Bleich scheint heute die Sonn' und matt;
Doch macht leichter den Busen mir,
Blümlein, eure Bedeutung!

O, was that, da sie euch verschlang,
Sinnreich, Alles ihr Mund euch kund?
Ihr schaut lächelnd und froh mich an,
Laut spricht eure Verkettung.

Ja, nur Liebe hat eingehaucht
Euch Sinn, Wort und Bedeutung einst;
Drum hegt treu und verschwiegen auch
Jeder Liebe Geheimniß!
(S. 300-301)
_____



Die Rose

Den Sängern horcht, uns, die bestellen der Aphrodite,
Der feurigblickenden, Feld,
Oder der Charis.
Pind. Pyth. VI. 1.
1828

Manche balsamhauchende Rose welket,
Ohne jemals blühender Mägdlein Haupt und
Busen schamhaft zieren zu dürfen, hin in
Duftender Schönheit!

Doch dich, holdaufknospendes Röslein, zog mit
Eigner Hand voll sorgsamer Hut mir Amor
Auf zum bald heimkehrenden, frohen Festtag
Meiner Geliebten.

Dann versteckt im Flore des Busens prangst du,
Und Gedüft ausathmet dein zarter Kelch ihr,
Lauschst dem sehnsuchtsvollen Getön des Herzens,
Bis du dahin welkst!

Deines Haupts süßduftendes Haar bewahret,
Künftiger Tag' Andenken geweiht, in Obhut
Treu die Jungfrau, laßt dich im Geist erblühn voll
Prangender Schönheit.
(S. 307-308)
_____



Die zürnende Jüngling

Quid! si prisca redit Venus
Diductosque jugo cogit aeeno?
Horat.
1830

Was entziehst du mir den Anblick, o des Starrsinns! und verbirgst
Im Herannahn so mit Vorsatz mir das Antlitz, wie erzürnt?
O gesteh' mir, was verbrach ich,
Daß zur Qual du mich erkorst?

Wann verursacht' ich ein Herzleid, das den Groll nährt, dir nur je?
Ist es Argwohn, den du einsogst, der den Kaltsinn dir erpreßt?
Unerhört scheint mir das Fremdthun,
Weil ich schuldlos dir bekannt!

Doch getilgt sei das Bewußtsein und der Unmuth aus der Brust,
Denn ihr Mägdlein, ihr ersinnt gern in der Sehnsucht uns Verzug!
Nur gewährt sei mir zur Sühnung
Für den Schelmstreich nun ein Kuß!
(S. 312-313)
_____


Aus: Friedrich Wilhem Rogge's Sämmtliche Werke
Erster Band Berlin 1857
Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. Decker)

 


Biographie:

https://www.deutsche-biographie.de/sfz76787.html


 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite