Otto Roquette (1824-1896) - Liebesgedichte

Otto Roquette



Otto Roquette
(1824-1896)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 



Und hätt' ich des Frühlings gewinnenden Blick

Und hätt' ich des Frühlings gewinnenden Blick,
Mit all seinen Glanz und Schein,
Und göß ich auch tausendfältiges Glück
In tausend Herzen hinein:
Ich gäb' es dahin,
Denn mein ganzer Sinn
Hegt ein süßeres holderes Glück!

Und hätt' ich der Wolke geflügelten Schritt,
Und flög' über Land und Meer,
Und brächt' auf der Stürme gewaltigem Ritt
Die Schauer des Segens daher:
Ach wie lang, wie lang
Ist der Wolke Gang,
Ich fliege voraus ihrem Schritt!

Was Frühlingsglanz und was Wolkenflug!
Was hab' ich an euch für Gewinn?
Ihr rauscht durch die Welten wie eitel Trug,
Kaum gekommen, so seid ihr dahin!
Ich weiß ein Gut,
Das giebt sel'geren Mut,
Und schöneren Segens Gewinn!

Im fernen Land des Gebirges weit
Denk ich an eine Rose zurück,
Meine Lieb ihre Lust, mein Sehnen ihr Leid,
Mein Gedanke ihr süßestes Glück!
Fliege hin, mein Herz,
Mein jubelndes Herz,
Zu der lieben, holdesten Maid!
(S. 34-35)
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Das alte Wort

Du schönes Herz, dir möcht ein Wort ich sagen
Das Alles spricht,
Das all mein goldnes Glück sollt' in sich tragen -
Und find' es nicht!
Ein alter Ton, ein altes Wort,
Der liebe Spruch an jedem Ort
Er bleibt auch meiner Seele Hort:
Ich liebe dich!

Es giebt kein Klang dir all den Himmelssegen
In süßerm Ton,
Er ist ein Maienblick, ein Sonnenregen,
Der Lipp entflohn!
Du schönes Herz, sieh lächelnd her,
Mein Mund hegt fremden Wunsch nicht mehr,
Es sagt's das Herz, drum spricht auch er:
Ich liebe dich!
(S. 53)
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Im Sturm bin ich gangen

Nun rauschet, nun brauset,
Ihr Stürme durchs Feld,
Durchflutet, durchsauset
Des Waldes Gezelt!
Im Sturm bin ich gangen
Von der Liebsten hinaus,
Im Sturmesumfangen
Einst kehr ich nach Haus!

Ihr Stürme wart Zeugen
Am seligen Ort,
Ihr tragt noch im Reigen
Ihr liebendes Wort,
Das Wort ist das meine,
Ihr trugt es mir fort,
Das Wort, ach das eine
Das selige Wort!

Auf sausender Haide,
Auf zitterndem Steg,
Mit flatterndem Kleide
Auf felsigem Weg:
Im Sturm bin ich gangen,
Im Sturm will ich gehn,
O stürm' um die Wangen
Mir sausendes Wehn!

Ihr Blätter der Runde,
In wirbelndem Wehn,
Die goldene Stunde
Ihr habt sie gesehn.
Das Wort, ja ihr hegt es,
Ihr könnt ja nicht ruhn,
Ihr wiegt es, bewegt es,
Wie lieb ich euch nun!

In brausenden Wogen
Umfing ich mein Glück,
Gezogen, geflogen,
Einst kehr ich zurück.
Im Sturm bin ich gangen
Von der Liebsten hinaus,
O stürmisch Umfangen
Im Jubelgebraus!
(S. 54-56)
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Weißt du noch?

Weißt du noch, wie ich am Felsen
Bei den Veilchen dich belauschte?
Weißt du noch den Fliederstrauch,
Wo der Strom vorüber rauschte?
Weißt du noch den Bergespfad,
Wo ich um den Strauß dich bat,
Weißt du noch?

Ach es war ein süßes Bild,
Als du da errötend standest,
Und zur Erde all die Blumen
Fielen, die zum Strauß du wandest!
Deine liebe kleine Hand
Spielte mit dem blauen Band,
Weißt du noch?

Und es sahen Fels und Strom
Dein Erröten und dein Beben,
Sahen auch den ersten Kuß,
Halb genommen, halb gegeben!
Und des Himmels goldner Strahl
Ueberflog Gebirg und Thal,
Weißt du noch?
(S. 57-58)
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Perlenfischer

Du liebes Auge willst dich tauchen
In meines Augs geheimste Tiefe,
Zu spähen, wo in blauen Gründen
Verborgen eine Perle schliefe?

Du liebes Auge, tauche nieder,
Und in die klare Tiefe dringe,
Und lächle, wenn ich dir dein Bildniß
Als schönste Perle wiederbringe.
(S. 59)
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Wenn die ersten Veilchen blühn

Wenn die ersten Veilchen blühn
Ist die Rosenzeit nicht fern.
Mädchenwangen rosig glühn,
Trifft sie ein geliebter Stern.

Scheitert an der Blicke Klippen
Nicht der Mund zu bittrem Leid,
Von den Augen zu den Lippen
Ist es dann nicht allzuweit.
(S. 60)
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Sterne sind schweigende Siegel

Mondenschein
Klettert heimlich übers Dach
In die Tannenzweige,
Schaut in Liebchens Schlafgemach,
Ob sich ihm nichts zeige?
Dämmernd nur schimmert
Schwindend das Lichtlein,
Traumduft umflimmert
Schon das Gesichtlein.
Schlaft ihr schon, schlaft ihr schon,
Aeuglein, wie Veilchen?
Rosen und Schnee,
Schlankestes Reh,
Oeffne ein Weilchen
Liebchen den Riegel!
Sterne sind schweigende Siegel!

Liebchen fein,
Thu mir auf, dem Mond zur Straf',
Laß uns für sein Spähen
Diesem alten Lauscher brav
Eine Nase drehen!
Dämmernd nur schimmert
Schwindend das Lichtlein,
Traumduft umflimmert
Schon das Gesichtlein.
Schlaft ihr schon, schlaft ihr schon,
Aeuglein, wie Veilchen?
Rosen und Schnee,
Schlankestes Reh,
Oeffne ein Weilchen
Liebchen den Riegel,
Sterne sind schweigende Siegel!
(S. 63-64)
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Zu deinen Füßen will ich ruhn

Zu deinen Füßen will ich ruhn
Und dir in's Auge schaun,
Die blaue Nacht mag leise nun
Auf uns herniederthaun.
Schon tauchet aus dem stillen See
Des Mondes Bild empor,
Und kühner streift das scheue Reh
Durch Wald und Wiesenmoor.

Mein Haupt laß ruhn auf deinem Schooß,
Da ruht es sanft und weich.
Wie ist der Himmel weit und groß,
Wie ist die Erde reich!
Der schönste Stern in blauer Nacht,
Der schönste Stern bist du,
In deines Lichtes sanfter Pracht
O gönne mir die Ruh!

An deinem Herzen laß mich ruhn
Nur kurze, seelge Zeit!
Kein Lauscher kündet unser Thun,
Die Welt ist traumgefeit.
An deinen Lippen laß mich ruhn,
Eh noch die Nacht verglimmt,
Bis unsre Seele träumend nun
In Seeligkeit verschwimmt!
(S. 65-66)
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Ein Wort von deinem Munde

Ein Wort von deinem Munde,
Das mir herüber klang,
Tönt mir wie eine Kunde
Von goldnem Märchensang.
Durch meine Seele rauschen
Die goldnen Klänge all,
Und alle Tiefen lauschen
Dem süßen Wiederhall.

Ein Blick von deinem Auge,
Mein ganzer Himmel du!
Bringt mit Versöhnungshauche
Mein ganzes Herz zur Ruh.
So schicken seelge Mächte
Vom blauen Himmelsthor
Durch warme Sommernächte
Ein leuchtend Meteor.
(S. 67)
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O laß dich halten, goldne Stunde!

O laß dich halten, goldne Stunde,
Die nie so schön sich wieder beut!
Schau, wie die Mondnacht in die Runde
All ihre weißen Rosen streut.
Des Tages Stimmen fern verhallten,
Nicht Worte stören, nicht Gesang
Des stillsten Glückes innig Walten,
Nach dem die ganze Seele drang.

So Brust an Brust, so ganz mein eigen,
So halt ich dich, geliebtes Bild!
Es rauscht die Nacht, die Lippen schweigen,
Und Seele tief in Seele quillt.
Ich bin dein Glück, du meine Wonne,
Ich bin dein Leben, du mein Licht;
Was soll uns Tag, was soll uns Sonne?
Du schöne Nacht, entflieh uns nicht!
(S. 68)
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Abendglocken

Wie ein Grüßen, wie ein Singen
Geht mir's innig durch's Gemüt,
Nah und fern die Glocken klingen,
Und der Tag ist nun verblüht.
Doch in meiner Brust tief innen
Blühet weiter Duft und Glanz,
Daß ich dein mit allen Sinnen,
Dein nur bin, ich fühl es ganz.

Fühl' es ganz, geliebte Seele,
Wie dein Odem mich erfüllt,
Und der Schmerz ob manchem Fehle
Tief in goldne Ruh sich hüllt.
Schlafen gangen sind die Triebe,
Rastlos wilden Schaffens Drang,
Nur die Sehnsucht und die Liebe
Wecken kosend meinen Sang.

Wecken meines Herzens Glocken
All zu seeligem Geläut,
Und sie tönen, und sie locken,
Bald verhallend, bald erneut.
Ach daß sie ein Echo fänden,
Drüben über Strom und Wald,
Klingend mir's zurück zu senden,
Daß mein Singen nicht verhallt!

Abendglocken in der Seele,
Abendglocken rings im All -
Nun zur Ruh! Mein Sang erzähle
Dir von mir mit leisem Hall.
Meiner Töne Nachen bringe
Schaukelnd dich zum Traumesport,
Ach, dann träumst du seelge Dinge,
Träume, träume seelig fort!
(S. 69-70)
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Märzveilchen

Könntet reden ihr, ihr zarten
Blauen Veilchen, die ich brach
Früh in meinem stillen Garten,
Da noch kaum der Morgen wach!

In des Nebels kühlem Weben
Sucht' ich schauernd euren Duft,
Und die erste Lerche schweben
Sah ich in der blauen Luft.

Hoch im Blau, bis weit und weiter
Stieg und schwand ihr lieber Ton,
Bis durch Wolken hell und heiter
In den Aether sie entflohn.

Könntet reden ihr, ihr blauen
Zarten Veilchen, die ich, ach
Für die seeligste der Frauen
Früh in meinem Garten brach!

Seht ihr lächeln sie so milde,
Hält sie euch in ihrer Hand,
Seht empor zu ihrem Bilde,
Wie ihr Aug euch so verwandt!

Alle Lieb' und alle Güte
Liegt in ihrem reinen Blick,
Einer Himmelsseele Blüte
Spiegelt euch eur Bild zurück.

Könntet reden ihr, ihr Veilchen,
Die ich früh im Nebel brach,
All der Wonne nur ein Theilchen,
Die in meiner Seele sprach!
(S. 71-72)
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Das erste Stelldichein

So viel Laub an der Linden ist,
So viel Blüten in Düften sie treibt,
So viel Holdes zu finden ist,
Als der Mai auf die Rosen schreibt,
Ach so viel hunderttausendmal
Jauchz' ich und schau ich hinab ins Thal,
Denn auf dem Platz bei der Linden
Will mich mein Schatz heut finden!

Ach warum bin ich nicht schön und reich,
Ach warum hab ich nicht Pracht und Gold?
Daß ich mein' Schatz, an Schönheit ihr gleich,
Schmücken mir könnte, so wie ich wollt!
Sag mir, du Linde, o sag mir an,
Was ihr an mir nur gefallen kann?
Weiß ja nichts Schönes zu finden
Nicht an mir, noch an der Linden!

Drunten im Thal, wo der Waldweg geht,
Wo durch die Felsen der Wildbach bricht,
Seh ich sie kommen vom Wind umweht,
O du mein Lieben, mein Leben, mein Licht!
Ach wie bin ich so reich, so reich,
Ach wie weiß ich nichts Schönres zugleich
Als auf dem Platz bei der Linden
An Herrlichkeit zu finden!
(S. 73-74)
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Abschiedsstrauß

Den Strauß, den mir mein Schatz geschenkt
Beim Abschied für den Hut,
Hab ich mit einem Stein versenkt
Wohl in die tiefe Flut.

Die welken Blumen mag ich nicht,
Mein Schatz denkt ebenso,
Viel lieber pflück ich voll und licht,
Mir andre irgendwo.

Und seh ich all die Blumen klar
An Wegen ein und aus,
Da denk ich, die und jene war
Auch mit in meinem Strauß.

Durch alle Welt, von Ort zu Ort,
Blüht es von Blumen licht,
In meiner Brust der Liebsten Wort
Verfehlt die rechten nicht.
(S. 75-76)
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Aus deinem Auge

Aus deinem Auge lächelt
Die blaue Sommernacht,
Die still vom Duft durchfächelt,
Der Sterne Traum bewacht.

Du blickst in klarer Bläue,
Die sanft das Herz durchdringt,
Und weißt nicht, was aufs Neue
Sie meiner Seele bringt.

Du weckst mit deinem Kosen
Die Holden die ich mied,
Die Geister meiner Rosen,
Die mir im Lenz verblüht.
(S. 189)
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Die liebe Stelle

Ja, das ist die liebe Stelle,
Wo ich sie zuerst gesehn!
Wie so sanft erklingt die Welle,
Wie so leis die Lüfte wehn!

Jene Felsen, jene Büsche,
Jener Schatten Einsamkeit,
Jener Grotten duft'ge Frische
Mahnt mich an vergangne Zeit.

Alles mahnt mich, Alles zeiget
Mir auf's Neu ein theures Bild,
Und die Seele still sich neiget,
Und der stumme Seufzer quillt.

Jene Felsen stehn gegründet
In der Erde tiefstem Schooß,
Doch der Sonnenglanz entschwindet,
Der mit Rosen sie umfloß.

Und so geht die Blüte nieder,
Im Gesange nur erneut,
Ach, kein Sehnen bringt sie wieder,
Erste Liebe, seel'ge Zeit!
(S. 194-195)
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Will die Flamme wieder lodern

Will die Flamme wieder lodern,
Die erloschen ich geglaubt?
Nun gewelkt die Kränze modern,
Die einst blühten um das Haupt.
Fern in sonnigen Gebreiten,
Ueber Strömen, Berg und Wald,
Seh ich zu dem Hügel schreiten
Deine leuchtende Gestalt.

Zu dem Felsen überm Hügel,
Wo du winktest mit der Hand,
Bis in grauer Dämmrung Flügel
Mir dein wehend Tuch entschwand.
Bis die Thränen schmerzgeboren
Bricht die hemmende Gewalt,
Daß ich ewig nun verloren
Deine leuchtende Gestalt!
(S. 197)
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Alte Sehnsucht, junges Hoffen

Alte Sehnsucht, junges Hoffen,
Alte Lust und neue Qual!
Und da liegen all sie offen
Bittre Wunden ohne Zahl.
Daß der Funke nicht verglimme,
Unbewußt entfachst du ihn,
Wie soll ich vor deiner Stimme,
Wohin vor mir selber fliehen?

Heut unbändig wildes Glühen,
Heute still wie ein Gebet,
Heut ein schmerzlich banges Mühen,
Und ein Ringen früh und spät!
Schuld ist Hoffen, Schmerz Verzichten,
Und Besitzen bittrer Wahn,
Peinvoll so in Gleichgewichten
Schwankt der Sehnsucht eitle Bahn.

Senke tief die Schwinge nieder,
Laß mich ruhn, geschäft'ger Tag!
Doch die schlummerdurst'ge Lider
Auch die Nacht nicht trösten mag.
Und aufs Neue stets getroffen
Folgt der Flucht in's Ruhethal
Alte Sehnsucht, junges Hoffen,
Alte Lust und neue Qual!
(S. 198-199)
_____
 

Aus: Liederbuch von Otto Roquette
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1852


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Roquette

 

 


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