Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Josef von Hammer-Purgstall 1818)


Aus dem Buchstaben Ra

Amed behar chandid u churrem dili ruskar

Froh und lachend kommt der Frühling.
Auf in Garten! nun ists Zeit!

Zeit der Wollust, Zeit der Freude,
Zeit der Lust, der Wangenflur!

Grün die Erde, Tage glänzend,
Schau des Schöpfers Wunderwerk!

Heute wacht wer gestern schlief,
Lebend sind die waren todt.

Erde schlief den Winterrausch,
Schmückt sich nun mit Blumen aus.

Gras und Blätter sind betrunken,
Kannen trägt ein jeder Ast.

Licht wie Eden sind die Fluren,
Und die Wüsten Paradies.

Lieblinge und Bräute sind
Trunken, unbeständig, irr',

Ohne Geldbuß, ohne Strafe,
Streu'n sie Silber aus und Gold.

Freudetrunken sind die Zweige
Der Cypresse und des Ahorns.

Lilien ziehen Degen aus,
Um den Frost hintan zu halten.

Rosen reiten stolz auf Stengeln,
Und Jasminen gehn zu Fuß.

Veilchen tragen Trauerkleider,
Weil von Rosen sie getrennt.

Ueber Spuren und Nichtspuren
Ist das Herz gedankenvoll.

Auf der Zunge sitzt das Wort,
Doch die Scham hält es zurück.

Kräuter schlingen sich um Dornen,
Um zu saugen Rosenwasser.

Lotosblumen sind erblasset
Weil den Rosen Dornen nahen.

Diese Eifersucht sey Beispiel
Dir, der eifersüchtig liebst.

Gegen die Narzisse wandte
Sich mit Fragen Hyazinth.

Frag' nicht, sprach sie, mich um Kunde,
Denn von Sinnen bin ich ganz.

Auch von Trauben frag' nicht Kundschaft,
Sie sind trunken Tag und Nacht.

Feuernelken, Anemonen
Stehn auf Fluren und an Ufern.

Störche bringen Vögeln Botschaft,
Preisend Gott den Herrn des Lichts.

Erd' und Himmel, Thier und Engel,
Alle Du, und Du ihr Helfer.

Warum girren Turteltauben?
Weil den Freund der Schleyer deckt.

Widhopf brachte eine Bothschaft
Von dem Herrn der andern Welt.

Tausendfältig klagend sitzen
Nachtigallen auf dem Ast'.

Mundrubinen, Onyxwein,
Frischer Liebling, neue Braut!

Wo sind Rosen, deren Banden
Nimmer ich entfliehen mag?

Tauben fliegen hin und wieder
Blos aus Hoffnung von Genuß.

Weil der Schah zurückgekommen
Jagt der Falke Repphuhn wieder.

Papageyen suchen Zucker
Süßen Lippen blos zu Liebe.

Seltene Geheimnisse
Hör', Verstand, in tausend Tönen.

Nachtigall und Turteltaube
Singen: Welt ist nicht beständig.

Heut stirbt dieser, morgen jener;
Froh benütz' Gelegenheit;

Denn jetzt ist der Augenblick
Auf der Erde gut zu handeln.

Gehe nun auf Flur und Gärten!
Warum meidest du den Frühling?

Lebe froh zur Zeit der Wollust,
Nimm das Glas, denk nicht des Rausches,

Werde froh der schönen Tage
Auf den Bergen auf dem Felde,

Gottes Huld hat viele Schätze
In der Welt nun aufgethan.

Sammle dich, zerstreu' dich wieder,
Denn Geheimnisse sind kund.

Saat des Guten und des Bösen
Wird erstehn am jüngsten Tag.

Einem ist ein Wink genug,
Der für Tausend nicht genügt.

Vom Verborgnen kam der Frühling
Wie vom Saamenkorn die Frucht.

Unsre Datteln, unsre Feigen,
Unsre Aprikosen iß.

Bald verkehrt in Herbst sich Frühling,
Nimm dir nun des Lebens Theil,

Gib das Herz der Welt nicht hin,
Sie ist treulos, unbeständig.

Jetzt so lang die Lust dir lächelt,
Trink' und schlaf' und küß', genieße!

Dieß ist Rath der Liebenden,
Nimm von Herz und Seel' ihn an.

Schweige still, denn schweigend thut dir
Das Geheimniß kund der Lenz.
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