Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Josef von Hammer-Purgstall 1818)


Aus dem Buchstaben Schin

Geh saf budem gehi ghisch an nis chosch we in nis chosch

Bald bin ich rein, bald bin ich trüb,
*
Bald bin ich weiß, bald bin ich schwarz,
Dieses und jenes ist gut.

Ich bin die Sonn', ich bin Simurg,
Ich bin das Siegel Salomon's,
Dieses und jenes ist gut.

Staub und Wind, und Fluth und Gluth,
Bald bin ich gut und bald nicht gut,
Dieses und jenes ist gut.

Bald bin ich licht und finster
** bald,
Bald bin ich hart, bald weich wie Wachs,
Dieses und jenes ist gut.

Das Jahr, der Mond, der Tag, das Fest,
Die Kerze, so erhellt die Seelen,
Dieses und jenes ist gut.

Stets andrer Farb' und andren Orts,
Bin ich ein Andrer jede Stund',
Dieses und jenes ist gut.

Die Fahn' und Trommel
***, mein Geleit',
Schlag' ich im Himmel auf mein Zelt,
Dieses und jenes ist gut.

Der Mensch ist mir ein todtes Thier,
So Diw als Engel sind mir Thier,
Dieses und jenes ist gut.

Huris, Peris gehorchen mir
Und werden von mir ausgezankt,
Dieses und jenes ist gut.

Es gibt euch Kunde was da ist,
Ich bin es, der den Herren sucht,
Dieses und jenes ist gut.

Ich sagte dieß im Sonnenglanze,
Erhellet bald, verfinstert bald,
Dieses und jenes ist gut.

* Hier ist der schicklichste Ort, eine merkwürdige Zusammenstellung,
die sich bey aufmerksamen Studium dieser  mystischen Gedichte mehr als einmahl
von selbst aufdringt, den Lesern vorzulegen.
Simurg, der persische Greif, welcher aus dem indischen Garuda des Wischnu
entstanden ist, ist nicht bloß, wie man bisher geglaubt, ein fabelhaftes Wesen persischer Romane,
sondern ein Symbol des ältesten persischen Mythos, der hier ganz
mit dem altägyptischen übereinkommt.
Wie in den Hieroglyphen der Sperber oder Habicht, bald die Sonne
und bald das höchste Wesen selbst bedeutet,
so auch der Simurg, der hier in mystischer Bedeutung
für die Sonne genommen wird,
und in Attar's Vogelgesprächen das Symbol
des höchsten Wesens selbst ist.
Die Federn des heiligen Geyer's waren der Hauptschmuck
der ägyptischen Priester, wie in dem Schahname
die Federn Simurg's der Hauptschmuck der persischen Helden,
die hiedurch wider alle Gefahren talismanisch gefeyet sind.
Dieselben Federn, welche in den Hieroglyphen so häufig
nicht nur als Kopfputz, sondern auch in den Händen
der Opfernden und Bethenden vorkommen,
hießen aller Wahrscheinlichkeit nach Lobpreis und Ruhm,
und in diesem Sinne haben sich die Schwingen des Lobes
und der Fittich des Ruhms (das in allen diesen mystischen
Gedichten häufig wiederkehrende Per u bal)
nicht nur im Persischen, sondern auch in
abendländischen Sprachen erhalten.

** Im Text steht noch bald Türke und bald Araber, wie in dem ersten Distichon,
bald Araber und bald Aethiopier, in Bezug auf die weiße und schwarze,
helle und dunkle Gesichtsfarbe.

*** Die Oberen der Derwische führen Fahne und Trommel,
welche sich auch in den Gräbern ihrer Heiligen befinden.

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Mahi heftüm asümanem ëi püsser bidar basch

Ich bin der Mond des siebenten Himmels,
Ich bin das Licht des höchsten Throns,
Sey wachsam Jüngling!

Im Leib' sind Herz und Seel' verborgen,
In Leib und Seel' ist meine Huld,
Sey wachsam Jüngling!

Ich geh' und bleibe, wie Rubinen,
In Ruhe, in Bewegung bald,
Sey wachsam Jüngling!

Ich bin der Seele Strom, und spiegle
Viel' Bilder ohne Spur zurück,
Sey wachsam Jüngling!

Es sey die Welt mir immer Feind,
Mich schützt vor ihr der Liebe Huth,
Sey wachsam Jüngling!

Sie schließt das Herz, bewahrt die Seele,
Ich bin der Dollmetsch dieses Monds,
Sey wachsam Jüngling!

Sein Angesicht ist mein Altar,
Und sein Geruch mein Rosenbeet,
Sey wachsam Jüngling!

Es sprach das Kind dir ohne Zunge:
Ich bin wie Mond und Sonne klar,
Sey wachsam Jüngling!
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Seri ber ar ki ma barewim her seri ischk

Erheb' den Kopf, wir gehen auf dem Kopf' der Liebe,
Wir gehen kurze Zeit ganz seelenrein in Liebe.

Vom Tode hörte ich die Nachricht ew'ger Liebe,
Vom Weine Gottes, der den Tod ertränkt in Liebe.

Des Daseyns Nabel riß ich nur durch Kraft der Liebe,
Am Tag des Fests gebar als Mutter mich die Liebe.

O frag' die Liebe: Wie entgehet man der Liebe?
Ein Ring ohn' Anfang ohne Ende ist die Liebe.

Es mahlen sich Gestalten auf dem Flor der Liebe,
Von ihrem Widerschein erglänzt der Flor der Liebe.

Gib deinen Leib wie Gold dem Schmerz nicht nur der Liebe!
Denn Staub ist Gold, das nicht verwendet wird auf Liebe.

Ich sage dir warum das Meer die Wogen schlaget:
Es tanzt im Glanz des Lichts des Edelsteins der Liebe.

Ich sage dir warum aus Thon Huris geformt sind:
Weil er durchduftet ward vom Ambrahauch der Liebe.

Ich sage dir warum der Himmel immer kreiset:
Weil er beweget wird vom Sternenglanz der Liebe.

Ich sage dir warum der Wind blas't Stoß auf Stoß:
Daß er die Fluth in Blätter trenne für die Liebe.

Ich sage dir warum die Nacht umhängt den Schleyer:
Weil sie damit bedeckt das Brautgezelt der Liebe.

Ich sag' dir von vier und fünf und sieben
*das Geheimniß,
Denn ich verlor mein Spiel im Damenbrett der Liebe.

* Das Geheimniß der vier Elemente, der fünf Planeten, und der sieben Sphären.
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