Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1819)



Schlaf nicht, Gastfreund, mein Gedanke! diese Nacht:
Dem ich trauten Zuspruch danke diese Nacht.

Du, ein Engelshauch, mir steigend himmelab,
Du bist Arzt, und ich der Kranke, diese Nacht.

Bann den Schlummer, daß Geheimnis unserm Blick
Trete aus dem Heil'genschranke diese Nacht.

Kreiset hell, ihr Stern' am Himmel, daß zum Licht
Sich empor die Seele ranke diese Nacht.

Edelstein', aus euren Grüften blitzet auf,
Gegen Stern' im süßen Zanke diese Nacht.

Flügle dich hinauf, mein Adler, sonnenwärts,
Und mir nicht im Dunklen schwanke diese Nacht.

Gott sei Dank, sie schlafen alle. Gott und ich
Stehn allein nun in der Schranke diese Nacht.

Diese Nacht ist hell von Sonnen, leuchtend mild,
Daß davon mein Blick nicht wanke diese Nacht.

Welch Getümmel wacht am hellen Sternenmarkt;
Lyra tönt, die goldne schlanke, diese Nacht.

Löw' und Stier und Widder strahlen Kampf für Licht,
Und Orions Schwert, das blanke, diese Nacht.

Skorpion und Schlange flüchten, Krone winkt,
Und die Jungfrau labt mit Tranke, diese Nacht.

Schweigend bind' ich meine Zunge, lustberauscht;
Ohne Zunge sprich, Gedanke, diese Nacht.

 

 

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