Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1819)



O Lieb'! ich zeug' es dir: ich weinte trüb wie Nacht,
Und deiner Sonne Strahl hat Tag mir angefacht.

O meiner Seele Seel', ich Du und du bist Ich,
Und du bist All, und ich durch dich zum All erwacht.

Du bist die Süßigkeit, du bist die Trunkenheit,
Das Meer voll Perlen du, und du voll Gold der Schacht.

Wer sich dir nahet, giebt die Seele bei dir auf,
Stirbt, wenn dein Mund ihm grollt, stirbt, wenn dein Blick ihm lacht.

Erst locket deine Huld die Liebenden zu sich,
Dann kommt dein Zorn und würgt die Schwachen in der Schlacht.

Traumschaaren dienen dir, Einbildungen sie ziehn
Mit feur'gen Waffen auf, als deine Heeresmacht.

Glut trägt dir das Panier der ew'gen Herrschaft vor,
Und flammt, bis Welten sie hat unter dich gebracht.

Du schickst allaugenblicks ein neues Schreckbild aus,
Das wie ein Kindelein die Seele zittern macht.

Und gibt die Seele sich, und ziehst du siegreich ein,
So kommst du lieblicher, als sie es hat gedacht.

 

 

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