Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1819)



Suchst du Liebestrunkene? sieh hier, die ertranken!
Suchst du Gottversunkene? sieh hier, die versanken!

Suchst du einen schlanken Baum, der den Fuß am Boden
Und das Haupt im Himmel hat? sieh hier welchen schlanken!

Suchst du einen Blumenwald, wo ein Kuß des Frühlings
Hundert Liebesranken herzt? sieh hier tausend Ranken!

Suchest du ein Firmament, wo im Gegenschimmer
Mond und Sonne nimmer wankt? sieh hier, die nie wanken!

Suchest du ein Firmament, wo in schwanken Wolken
Schöpfungsbilder stehn und gehn? sieh hier, wie sie schwanken!

Wenn du Traumgefühle suchst, sieh hier Traumgefühle!
Wenn du Lichtgedanken suchst, sieh hier Lichtgedanken!

Wenn du mit der Liebe dich fühlst versucht zu ringen,
Hier ist, die zum Kampf dich lädt, sieh, hier sind die Schranken!

Wenn du hast auf dieses Meer Mut dein Schiff zu wagen;
Von zuvor gescheiterten, sieh, hier sind die Planken!

Auge, das mein Auge sucht, Blick des Äthers, blicke!
Siehst du dich nach Herzen um? sieh hier, die dir's danken!

Heilandsodem, heilender, wenn für deine Heilungs-
Künste du den Kranken suchst, sieh hier einen kranken!

Mewlana Dschelaleddin, wenn du deiner Schönheit
Einen blanken Spiegel suchst, sieh hier einen blanken!

 

 

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