Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1819)



Du hast nur flüchtig uns gelacht, o fleuch uns nicht!
Und hast nur auf die Flucht gedacht, o fleuch uns nicht;

O Zuflucht einzige für uns, du weißt es wohl,
Und bist auf Ausflucht nur bedacht, o fleuch uns nicht!

Wohin du fliehest, folgen wir und kommen nach;
Doch du fliehst schnell, wir folgen sacht; o fleuch uns nicht!

Du strahlst als Tag liebatmend vor, wir hinterdrein
Sind sehnsuchthauchend deine Nacht; o fleuch uns nicht!

Wir wären ohne dich, o Sonn', in Frost versenkt,
Du kleidest uns in Frühlingstracht, o fleuch uns nicht!

Der Seele, die im Schlummer lag, liebkostest du,
Und flohest, als sie aufgewacht; o fleuch uns nicht!

Du fliehst nur, daß wir folgen sollen; o so fleuch!
Doch ob wir folgen, o hab' Acht! o fleuch uns nicht!

Zieht deine Strahlenhand uns nicht ans Licht hervor,
So bleibt der Edelstein im Schacht, o fleuch uns nicht!

Und hauchest du nicht Friedenshauch und Siegesmut,
So ringt der Geist in dumpfer Schlacht, o fleuch uns
nicht!
O Sonne, Mutter unsrer Kraft, wir ohne dich
Sind Schatten ohne Kraft und Macht, o fleuch uns nicht!

 

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