Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1819)



Hauch und zieh ein Fünkelein zur Flamme!
Pflanz und zieh ein schwaches Reis zum Stamme!

Treib im Kleinen, was ich treib ins Große,
Laß mich sehn, daß mir dein Trieb entstamme.

Lieb' in's Kleine, wie ich lieb' im Großen,
Laß die Welt sehn, daß ich dich entflamme.

Daß du nichts verdammest, ist mein Wille;
Oder willst du, daß ich dich verdamme?

Den Versunknen zieh empor, und danke,
Daß ich dich gezogen aus dem Schlamme.

Danke, daß dich nicht die Flut verschlungen,
Weil ich dir geworden bin zum Damme.

Du warst hart, ich habe dich geschmeidigt;
Denn mir widersteht das Starre, Stramme.

Reh, gegangen bist du in der Wildnis,
Dich zur Weide führt' ich gleich dem Lamme.

Dienst du, Hahn, in meinem Haus als Wächter,
Schmück' ich dich zum Lohn mit Sporn und Kamme.

Liebe hat die Wunden dir verbunden,
Doch zum Angedenken blieb die Schramme.

Die mit Eitlem überschriebne Tafel
Überfahr' ich mit dem feuchten Schwamme.

Aber, Kind, erinn're dich! getragen
Hat dich dunkler Erde Mutterwamme.

Deine Mutter starb, ich kam vom Himmel,
Und geworden bin ich dir zur Amme.
 

 

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