Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Josef von Hammer-Purgstall 1818)


 

Aus dem Buchstaben Elif

Pisch türa pisch Abul-wefa

Vor allem, treuer Bruder, thu'
Verzicht auf Ich und Wir, und komm!

Auf Wir und Ich verzichte du,
Daß du nicht Du seyst und nicht Wir.

Hör' auf zu sagen: Gott ist groß!
Und halt an uns're Größe dich.

Es sprach das Loos; du sagtest: Ja,
Der Dank des Ja ist Unglück nun.

Des Ja Geheimniß bin ich selbst,
Der in der Armuth mich bewege.

Verlaß den Ort, verlaß ihn nicht,
Wo ist der Ort, der Ew'ge, wo?

Sey rein von Sinn und werde Staub,
Daß deinem Staub' entsproße Gras.

Bist du dann Heu, verbrenn' dich selbst,
Daß deiner Gluth entstrahle Glanz;

Und bist du dann verbrannter Staub,
Ist deine Asch' der Weisen Stein,

Schau die verborgne Alchymie,
Die ich aus blossem Staub erschuf,

Die mit der See das Land geschmückt
Und mit dem schwarzen Rauch die Luft,

Die Seelen nährt durch Ein Stück Brot,
Durch Einen Hauch den Leib belebt.

Gib deinen Geist für solches Gras,
Zur Großmuth wird die Armuth so.

Die Seel' ist voll von Seiner Macht,
Entführe selbst die Seele dir!

Genug des Wort's, nun schweig' ich still,
Denn mehr als Wort ist Schweigen werth.
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Ischk ber dil minihed bünjadra

Die Liebe gründete auf's Herz den Bau,
Weil sie zuletzt die Seele nur verlangt.

Auf diese Weise werden Sclaven frey;
Denn durch die Liebe werden Sclaven frey.

Chosru, Schirin, genießen höchstes Glück;
Die Seufzer, Gram und Schmerz sind für Ferhad.

Das Beil Ferhad's am Berge Bisutun,
Zerspaltet Felsen, hart wie feiner Stahl.

O hätte meine Mutter nie gebohren mich,
Wenn solches Loos beschert mir ward allhier.

Ob deinem Haar, woraus der Moschus haucht,
Hab' ich den Bux des Kammes liebgewonnen.

Lieb' Seelen und verstreu' die eigene,
Ich lehre dich, dass dir Vergeltung wird.

Das Lied von Schemseddin Tebrisi hat
Aegypten, Syrien und Irak erobert.
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Ei Chodscha nemi bini in rusi kiametra

O Chodscha! siehst du nicht den Tag der Auferstehung,
Und diesen Jussuf, schön gebaut, mit zartem Wuchse?

O Scheich! siehst du nicht das Kleinod unsres Scheiches,
Dieß Strahlenlicht, und diese hohe Majestät?

Und siehst du nicht, o Fürst! dieß Königreich der Seelen,
Und diesen Herrschaftsgarten, diesen Flor des Glücks?

Wer von uns Beyden ist ein Narr? O Lebensfroher!
Bescheere mir das Glas, und jage fort den Gram.

Zu was den Sand, wenn Fluth da ist zum Waschen?
Sobald das Fest gekommen, hört das Fasten auf.

Wenn du den Rohen und den Widerspenst'gen schmeichelst,
Wirst du belohnt durch Schönheit für dein gutes Wort.

O Wahrheitssonn' Tebrisi! du, der Seelen Ost,
Von deinen Strahlen wird erwärmet unsre Sonne.
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