Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Josef von Hammer-Purgstall 1818)


 

Aus dem Buchstaben Ba

Merd Choda mest bud bi scherab

Ein Gottesmann ist trunken ohne Wein,
Ein Gottesmann ist ohne Braten satt,

Ein Gottesmann ist stets erstaunt und irr',
Ein Gottesmann braucht Schlaf und Essen nicht,

Ein Gottesmann ist nicht aus Wind und Staub,
Ein Gottesmann ist nicht aus Fluth und Gluth,

Ein Gottesmann ist in der Kutte Fürst,
Ein Gottesmann ist in der Wüste Schatz,

Ein Gottesmann ist des Gehorsams Tempel,
Ein Gottesmann ist guter Werke Bürge,

Ein Gottesmann ist im Unglauben gläubig,
Ein Gottesmann kennt Fehler, Tugend nicht,

Ein Gottesmann ist selbst gelehrt in Gott,
Ein Gottesmann ist nicht ein Schriftgelehrter,

Ein Gottesmann ist unbegrenztes Meer,
Ein Gottesmann ist Regen ohne Wolke,

Ein Gottesmann ist tief versteckt. Mein Sohn!
Den Gottesmann find' durch Freygebigkeit.
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Mechassib ëi jar mihmandar im scheb

Schlaf' nicht, Gastfreund! diese Nacht,
Du bist Geist, und wir sind krank,
Diese Nacht.

Jag' den Schlaf aus deinem Auge,
Das Geheimniß werde klar,
Diese Nacht.

Du bist Jupiter am Himmel,
Kreisend an dem Hochgewölb',
Diese Nacht.

Jagst den Adler in der Höhe,
Wie die Seele von Dschafer,
Diese Nacht.

Von der Wahrheit wirst geglättet,
Aus dem Blau wird endlich Grünspan,
Diese Nacht.

Gott sey Dank! sie schlafen Alle,
Ich und Gott nur sind allein,
Diese Nacht.

Welch Getümmel! Glück ist wach,
Und die Wahrheit ist beständig,
Diese Nacht.

Schlief' das Auge bis am Morgen,
Würd' ich meinem Auge zürnen,
Diese Nacht.

Wenn der Marktplatz leer ist, schau
Auf zum Markt der Sternenstraße,
Diese Nacht.

Unsre Nacht ist hell von Sternen
Die uns in das Auge leuchten,
Diese Nacht.

Löw' und Stier und Widder strahlen,
Und es trägt Merkur den Turban,
Diese Nacht.

Seinen Groll verbirgt Saturnus,
Jupiter wirft Goldstück' aus,
Diese Nacht.

Schweigend band ich meine Zunge,
Doch ich rede ohne Zunge,
Diese Nacht.
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