Paulus Schede (Melissus) (1539-1602) - Liebesgedichte



Paulus Schede (Melissus)
(1539-1602)



Lied
Im Ton: Ich ging einmal spazieren

1. Rot Röslein wollt ich brechen
Zum hübschen Krenzelein:
Mich Dörner taten stechen
Hart in die Finger mein.
Noch wollt ich nit lan ab.
Ich gunnt mich weiter stecken
In Stauden und in Hecken:
Darin mir's Wunden gab.

2. O Dorner krumm und zacket,
Wie habt ihr mich zerschrund?
Wer unter euch kompt nacket,
Der ist gar bald verwundt.
Sonst zwar könnt ihr nichts mehr:
Ihr keiner Haut tut schonen
Noch nitlicher Personen,
Wann's gleich ein Göttin wer.

3. Sie hat's wohl selbs erfahren,
Die schöne Venus zart,
Als sie stund in Gefahren
Und so zerritzet ward.
Daher die Röslein weiß
Von bluttriefenden Nerben
Begunnten sich zu ferben:
Denn man verjeht den Preis.

4. Ich tu ein Rose loben,
Ein Rose Tugend voll.
Wollt mich mit ihr verloben,
Wann's ihr gefiele wohl.
Ihrs gleichen findt man nicht
In Schwaben und in Franken:
Mich Schwachen und sehr Kranken
Sie Tag und Nacht anficht.

5. Nach ihr steht mein Verlangen,
Mein sehnlich Herzegierd:
Am Kreuz laßt sie mich hangen,
Meins Lebens nimmer wird.
Zwar bald ich tot muß sein.
Je weiter sie mich neidet,
Je lenger mein Herz leidet.
Ist das nit schwere Pein?

6. Ach liebster Schatz auf Erden,
Warum mich quelest so?
Zuteil laß dich mir werden
Und mach mich endlich froh.
Dein will ich eigen sein.
In Lieb und Treu mich binde,
Mit deiner Hand mir winde
Ein Rosenkrenzelein.
(S. 14-15)
_____


Aus: Wir vergehn wie Rauch von starken Winden
Deutsche Gedichte des 17. Jahrhunderts
Erster Band
Verlag C. H. Beck München 1985


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Melissus


 

 

 


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