Max von Schenkendorf (1783-1817) - Liebesgedichte

Max von Schenkendorf



Max von Schenkendorf
(1783-1817)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 



Liebe
Königsberg

O Liebe, du Morgentraum,
Geboren kaum
Und weise wie die Ewigkeit,
Im Greisenhaar
Noch mild und klar,
Noch fühlend und spielend
Wie Kindlein in der Weihnachtszeit.

O Liebe, du Zauberwort,
Klingst fort und fort
Wie Wellenschlag der Ewigkeit;
Du Melodie
Und Harmonie
Von Wonnen - zerronnen
In Tönen fließet Raum und Zeit.

O Liebe, von dir empfing
Der Schmetterling
Des Blüthenlebens zarten Keim.
Ha Wonnepreis!
Im Blumenkreis
Zu nippen mit Lippen
Die Küsse gleich dem Honigseim.

O Liebe, du Lebensquell,
Du Bächlein hell,
Verbreitest Kühlung um mich her,
O labe mich,
Ich sink' in dich
So selig, so wählig
Wie Fischlein in dem Muttermeer.
(S. 3-4)
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Thränen
Bei Ueberreichung eines Perlenschmucks

Aus dem Urquell rannen Tropfen,
Seelen, die gleich hellen Thränen,
Farben spiegeln und sich sehnen
Nach den Schwesterthränen,
Nach dem Thränenmeer.

Aus dem Urquell rannen Thränen,
Die, zu Steinen schnell erkaltet,
Ewig Thränenfarbe tragen,
Die sich ewig sehnen
Nach der Schmelzung Gluth.

Hat sie nicht ein Ziel gefunden
Für die ewig rege Sehnsucht
Meine Seele? Schwesterthräne,
Holde Schwesterseele,
Wurden wir nicht eins?

Sieh die zarten Perlenschnüre
Sich um deinen Busen schlingen,
Wie sie glänzen, wie sie glühen,
Wie sie Leben finden
Dort, wo ich sie fand!
(S. 5)
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Frühlingsgesang an Sulamith

Den Bäumen wachsen Augen
Im Garten und im Hain,
Und tausend Leben saugen
Des Gottes Athem ein.

Die Liebe fließt in Bächen,
Sie weht im Blüthenduft,
Verborgne Stimmen sprechen
Im Bach und in der Luft.

Komm Freundin, süße Taube,
Verborgne, Liebliche,
Komm zur geheimen Laube,
Umwölkt vom Blüthenschnee.

Laß fühlen mich der Rede
Bezaubernde Gewalt,
Enthüll', o Süße, Blöde,
Die herrliche Gestalt.

Der Lilien bekleidet,
Gab ihr den Frühlingsschein,
Der unter Rosen weidet,
Dein Freund ist dein, du sein!
(S. 6)
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An den Mond

Lächle, lächle lieber Mond
In der Zelle Nacht,
Wo die stille Liebe wohnt,
Wo die Sehnsucht wacht.

Meines Herzens ew'gen Drang
Bring' ihn doch zur Ruh,
Sing' ihm süßen Wiegensang,
Tröstungen ihm zu.

Lächle mit dem Himmelstrahl
Trauter, lieber Mond
In das stille Friedensthal,
Wo die Freundin wohnt.

Ströme deinen Segensquell
Hin auf ihr Gemüth,
Das so lieblich, rein und hell
Wie dein Antlitz blüht.

Zeuge meiner Seligkeit,
Meiner Freundin Freund,
Der oft still und ohne Neid
Mich mit ihr vereint.

 Ist der Tag nicht bald vollbracht,
Holder Bundesstern?
Ach, ist die Vermählungsnacht
Immer noch so fern?

Mond, wann fällt dein bleicher Strahl
Lächelnder herab
Auf das ew'ge Friedensthal,
Auf das stille Grab,

Wo die Sehnsucht schläft und ruht,
Ach wohin sie zieht,
Wenn mit ihrem höchsten Gut
Sie der Erd' entflieht?

Mond, mein Geist fliegt auf zu dir,
Um den Ort zu weihn,
Wo er eins mit Ihr, mit Ihr,
Seliger wird sein.
(S. 7-8)
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An eine Orangenblüthe
1807

Was willst du in den kalten Zonen,
O Blume, die aus Süden kam?
Auch ich muß in der Fremde wohnen
Voll Sehnsucht und voll Gram.

Und beide nur ein kläglich Leben,
Im Krankenhause, leben wir;
Was uns der Heimath Götter geben,
Wer nützt und liebt es hier?

Verschließe deine zarten Düfte,
Den Kelch von Wohlgerüchen schwer,
Und ströme nicht in Todtengrüfte
Des höchsten Lebens Meer.

Auch sie, der unter milderm Himmel
Wol manches kleine Lied entquoll,
Die Harfe schweigt im Kriegsgetümmel -
Sie klang so minnevoll.

Dort magst du wieder dich entfalten,
Wo deine warme Heimat blüht;
Dort, wo die stillen Zauber walten,
 Sing' ich ein neues Lied.

Und können wir es nicht erwerben,
Der höchsten Sehnsucht höchstes Ziel,
So lass' uns welken, lass' uns sterben
In schmerzlichem Gefühl.
(S. 9-10)
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Frauenlob

Frauenlob nur mag ich singen,
Sing' ein Andrer Krieg und Ruhm;
Myrthenkränze will ich bringen,
Cypris, in dein Heiligthum.
Frauen haben mich erzogen,
Ihrem Dienst mich früh geweiht,
Haben meinen Sinn gebogen
Von der Rohheit zu der Weiblichkeit.

Allem Großen, allem Schönen
Ist des Sängers Herz geweiht,
Und er feiert es in Tönen,
Wenn es seinem Blick sich beut.
Aber was die Sehnsucht fodert,
Was in Eden grünt und blüht,
Jene Glut, die züchtig lodert,
Zeigt sich nur im weiblichen Gemüth.

Eines jungen Lenzes Sprossen,
Kränze, die der Mai sich flicht,
Thau, dem Paradies entflossen,
Gleichen solcher Zartheit nicht.
Lächelnd in der Marterkrone,
Stilles duldendes Geschlecht,
Wird für deine Treu zum Lohne
Deinem Herzen je sein süßes Recht?

Dichtermund ist auserkoren,
Zu verkündigen dein Lob,
Deinem Dienste zugeschworen,
Der die Ritterschaft erhob,
Von den Thränen, von den Bürden
Aufwärts deinen Blick zu ziehn
Zu des Mittleramtes Würden,
Die der Schöpfungsmorgen dir verliehn.

"Steig hinan des Thrones Stufe!
Ritter, eilt zum Dienst herbei!" -
Alles folgt dem Zauberrufe,
Die Vergangenheit wird neu!
Es erklingen alte Lieder,
Minnesänger werden wach,
Und die goldne Zeit kehrt wieder,
Wo der Liebeshof das Urtheil sprach.
(S. 77-78)
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Uebersetzung altdeutscher Minnelieder

I. Nach Steimar

Ein von dichten Hecken
Weiß ich einen grünen Saal,
Hochgewölbt mit Azurdecken,
Drinnen wohnt Frau Nachtigall.
Ihr zu Diensten stehn
Jungfraun wunderschön,
Zarte bunte Blumen ohne Zahl.

Wann der Lenz zu Lieb' und Freude
Jedes junge Herz entzückt,
Kommt Herr Mai im neuen Kleide,
Findet alles schön geschmückt.
Zierlich klopft er an,
Wie ein Freiersmann,
Jede Blüth' aus ihrer Knospe blickt.

Bunte Schmetterlinge kosen,
Vöglein treiben frohen Scherz,
Und die Brust der jungen Rosen
Oeffnet sich dem süßen Schmerz.

Da beginnt solch Spiel,
Wer nicht minnen will,
Muß die Augen schließen und das Herz.

Komm' ich dann mit meiner Lauten,
Wo der Schatten sich vereint,
Denk' ich meiner holden Trauten;
Was mein Mund zu singen scheint,
Nachtigall und Mai,
Blumen allerlei,
Immer ist die Schönste nur gemeint.
(S. 79-80)
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Uebersetzung altdeutscher Minnelieder

II. Nach Ulrich von Lichtenstein

Ich bin hohen Muthes!
Hoher Muth so wohl mir thut,
Nichts giebt es so Gutes
Als mit Züchten hoher Muth.
Hochgebornes schönes Weib
Mag sich wohl erwerben
Hochgemuthen Rittersleib.

Mit dem süßen Munde
Sprach die Liebliche ein Wort,
Das seit jener Stunde
Allen Kummer bannte fort.
Leise sie das Wörtlein sprach -
Doch die lichten, hellen
Augen sprachen's nach.

Ihre Weibesgüte
Nahm's aus ihres Herzens Grund,
Freude, Hochgemüthe
Blüht mir auf zur selben Stund',
Da sie sprach das süße Wort,
Das nun immer bleibet
Meiner Freuden Hort.

Von ihr hab' ich Ehre,
Von ihr hab' ich hohen Muth,
Noch giebt mir die Hehre
Manches andre süße Gut.
Freude, Wonne, Ritterleben
Hat sie mir zum Lohn
Meinem Dienst gegeben.

Habe von der Guten
Leib und Gut und graden Sinn.
Der viel Wohlgemuthen
Ritter ich mit Treuen bin.
Was sie will, das will auch ich.
Herrscherin und Fürstin
Ist sie über mich.
(S. 81-82)
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Uebersetzung altdeutscher Minnelieder

III. Nach Hugo von Werbenwag (Huk von Werbenwak)

Freudenreicher süßer Mai,
Du sollst uns willkommen seyn,
Schöne Blumen mancherlei
Bringet uns dein lichter Schein.
Ja, du hast die Welt verschönet;
Frei gefröhnet
Vögelein.

Nun hört man das süße Singen
Der geliebten Nachtigall,
In dem Walde laut erklingen
Ihren wonniglichen Schall.
Wo sie wohl im Sommer hauset;
Verklauset
Steht ihr Saal.

Wenn wir hiebei traurig wären,
Wie geziemt uns Jungen das?
Bei so wonniglichen Mähren
Ziemt uns große Freude baß.
Laßt uns Allen Freude machen
Und verlachen
Argen Haß.
(S. 83)
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Erinnerung

Ihr wunderschönen Augenblicke,
Die Lieblichste der ganzen Welt
Hat euch mit ihrem ew'gen Glücke,
Mit ihrem süßen Licht erhellt.

Ihr Stellen, ihr geweihten Plätze,
Ihr trugt ja das geliebte Bild,
Was Wunder habt ihr, was für Schätze
Vor meinen Augen dort enthüllt!

Ihr Gärten, all ihr grünen Haine,
Du Weinberg in der süßen Zier,
Es nahte sich die Hehre, Reine
In Züchten gar zu freundlich mir.

Ihr Worte, die sie da gesprochen,
Du schönstes, halbverhauchtes Wort,
Dein Zauberbann wird nie gebrochen,
Du klingst und wirkest fort und fort.

Ihr wunderschönen Augenblicke,
Ihr lacht und lockt in ew'gem Reiz!
Ich schaue sehnsuchtsvoll zurücke
Voll Schmerz und Lust und Liebesgeiz.
(S. 98)
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Am 30. September 1813
Der fernen Gattin

1.
Honiglippe, Rosenmund,
Küsse mich zu jeder Stund'!
Arme, weich und wonniglich,
Liebesketten, bindet mich!

Dunkel ist das Felsenthal
Und der Steg ist schwank und schmal;
Doch du leuchtest mir so gern,
Himmelsfunken, Augenstern.

Athem, Rede, Druck und Kuß,
Aller Wonnen Ueberfluß,
Engelseele, Götterleib,
Mein das allerschönste Weib.

Alles, alles das war mein;
Muß nun so verlassen seyn!
Sänk' ich blutend in der Schlacht,
Niemand hätte meiner Acht!

Wanke nicht mein guter Muth,
 Lust am Leben, warmes Blut,
Daß der Schmerz mich nicht verzehrt,
Eh' mein Himmel wiederkehrt.

Ach, ich bin so blaß und krank,
Wüßte wohl dem Arzte Dank!
Honiglippe, Rosenmund,
Sprich, wann machst du mich gesund?

2.
O könnt' ich zu Dir fliegen,
Ein Vögelein, in Eil,
An deine Brust mich schmiegen,
Da träfe mich kein Pfeil.

O gält es nur zu schwimmen
Durch wilde, weite See,
Oder hinanzuklimmen,
Die steilste Felsenhöh!

Das wäre wohl ein Leichtes
Um solch ein Himmelsgut;
Allein kein Blick erreicht es,
Kein Wünschen und kein Muth.

Doch muß ich stets mich wenden
Zu deiner Gegend hin
Und immer Grüße senden
Voll treuem Liebessinn.
(S. 163-164)
_____

Aus: Max von Schenkendorf's Gedichte
Dritte Auflage
herausgegeben von Dr. A. Hagen
Stuttgart Cotta'scher Verlag 1862
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Max_von_Schenkendorf


 

 


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