August Schilling Ritter von Henrichau (1815-1886) - Liebesgedichte

 


August Schilling Ritter von Henrichau
(1815-1886)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Ghasel

Was Du mir warst, es ist vorbei! - Gott lohne Dich!
Lust ist Dein Leben nur, der Schmerz verschone Dich!
Wär' Fürst und König ich, fürwahr, - ich schenkte Dir,
Mein Land, mein Königthum, erhöb' zum Throne Dich,
Ging' einsam in den Wald und trüg' Dein Bild in mir;
Ich schaute Dich im See, im sanften Mohne Dich!
Rief klagend in die Au den holden Namen Dein,
Das Echo hallte dann zurück im Hohne Dich,
Ich aber weinte still, sänk' auf das Moosgestein,
Und seufzte sterbend noch: "Kein Leben ohne Dich!"
(S. 8)
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Träume

Mir war als sollt' ich tanzen
Auf einem großen Ball,
Es wirbelte mir in den Ohren
Der fröhlichen Töne Schwall.

Ich hielt ein fremdes Mädchen
Im Arme, schlank und mild;
Doch als ich sie näher beschaute,
Da war es - Dein eigen Bild.

Mir war, als sollt ich reisen
In fernes, fremdes Land,
Mich kettete ja an die Heimat
Seit Dir kein theures Band.

Ich fuhr am weiten Meere,
Ringsum die blaue Luft -
Da standest Du mir zur Seite
Im zaub'rischen Nebelduft.

Mir war, als sollt' ich sterben,
Verlassen und allein,
Es weinte kein Auge der Liebe
Im einsamen Kämmerlein.

Da kamst Du leisen Trittes
Mit schmerzgenäßtem Blick,
Ich öffnete selig die Arme
Und sterbend sank ich zurück!
(S. 9-10)
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Was ist Liebe?

Ein Morgentraum, geheimnißvoll durchschauernd,
So zaub'risch hold, und sinnberauschend süß;
Ein sanfter Schmerz, im tiefsten Busen trauernd,
Und selbst im Leid' noch Himmels-Paradies; -

Ein bleicher Kranz, von Lilien gewunden,
Ein Nektartrank am Borne des Gefühls,
Ein stiller Schatz, von Wenigen gefunden,
Und Vielen nur der Preis verweg'nen Spiels.

Ein Feenkuß, mit Wonneglut genossen,
Der jeden Puls zum Doppenschlage weckt,
Ein duft'ger Kelch, in Leid und Gram entsprossen,
Ein schuldlos Kind, von Tiegern aufgeschreckt.

Ein Diadem aus Perlen stummer Thränen,
Ein Gürtelband aus blutendem Rubin,
Ein Strauß, gesteckt aus Seufzen, Hoffen, Sehnen,
Und mittend'rein des Grabes Rosmarin -

Das ist die Lieb' in ihrem scheuen Zagen;
Das ist die Lieb' in ihrer Lust und Qual,
Und wer sie will in seinem Herzen tragen,
Muß nippen auch vom bitteren Pokal!
(S. 13)
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Geheime Liebe

Stehst Du vor mir, umringt von Festes-Prangen,
Trägt kaum mein Herz des kalten Blickes Stich;
Doch hält geheim mein Arm Dich voll Verlangen,
Dann spricht es heiß: "Kein Leben ohne Dich!"

Im Glanz des Saals fühlst Du nur öde Leere,
Und sehnst Dich gern an meine Brust zurück;
So lügst Du süß: damit ich nie entbehre
Die inn're Ruh und des Vertrauens Glück!

Denn daß Dein Herz vom süßen Lob umgaukelt,
Zeigt mir die Lust, die Dir im Blicke schaukelt,
Der Schelmenzug, der um die Lippe spielt; -

Doch wenn Du laut Bewunderung errungen,
Und halb Dein Herz vom Schmeichelwort bezwungen,
Denk' auch an den, der - was Die sagen - fühlt!
(S. 23)
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Der Wechsel

Wir saßen so traulich beisammen,
Wir hatten einander so lieb,
Da flohen die himmlischen Stunden,
Daß keine zum Scheiden uns blieb!

Dann saßen wir später beisammen,
Doch Du, - Du blicktest zerstreut,
Sprachst viel von Ball und Brillanten,
Da stockte das Wort und - die Zeit!

Nun wandle ich still und alleine
Des Abends voll düsterem Muth; -
Die Stunde - sie will nicht kommen,
Wo Alles verlischt und ruht.
(S. 26)
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Vergessen!

Sie ging an mir vorüber,
Als kennte sie mich nicht,
Als wär' ihr längst entschwunden
Mein ernstes Angesicht;

Als hätt' sie nie beschworen
Der Liebe süßen Bund,
Als hätt' sie nie gehangen
An diesem stummen Mund.

Da konnt' ich mich nicht halten,
Mein Angesicht erblich,
Und in das treue Auge
Mir eine Thräne schlich.

Und als sie dies gewahrte,
Da lächelte sie kalt,
Und flüsterte zur Freundin
Von "Sentiments" und - "alt!"

Doch ich - ich wankte weiter,
Und sah nicht mehr zurück; -
So hab' ich denn verloren
Auch der Erinn'rung Glück!
(S. 28)
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Die alte Geschichte

(Jänner)
Sie hat mich angesehen
Mit einem süßen Blick,
Ich muß es Euch gestehen,
Das war mein ganzes Glück!

Und seitdem sah ich sie nimmer;
Doch blieb der süße Blick
Mit seinem Sternenschimmer
In meiner Brust zurück.

(Februar)
Sie flog mit mir im Kreise
Voll Seligkeit dahin,
Noch klingt die frohe Weise
Mir tief im Herzen drin.

Sie lag in meinen Armen,
Sie lag an meiner Brust,
Da fühlt' ich süß erwarmen
Das Herz zur höchsten Lust.

(Mai)
Sie hat mir die Hand d'rauf gegeben,
Sie liebe nur mich allein,
Ich sei ihr einziges Leben -
Bei mir nur wolle sie sein.

So wahr der Mondschein lächelt
Auf ihrer Thränen Fluth
So wahr der Zephir fächelt
Der heißen Triebe Gluth! -
***

Der Mond, der lächelt noch immer,
Der Zephir wiegt die Flur;
Doch sie - sie liebt mich nimmer,
Vergaß den heißen Schwur!
(S. 31-32)
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Trennung

Besser ist es, daß wir scheiden,
Besser ist's für Dich und mich,
Lieber jähen Tod erleiden,
Als verenden welk und siech!

Hab' ein Straucheln Dir vergeben,
Was du warst, bist Du mir noch;
Aber ich bin nicht Dein Leben,
Und - gestrauchelt war es doch.

Wenn ich auch mein Leid ertrüge
Bis zum stillen Grabesrand,
Bleibt dein Kuß doch immer Lüge,
Und Gewohnheit unser Band!

Laß die Fesseln uns zerbrechen,
Denn kein Epheu ist Dein Herz!
Jede Täuschung muß sich rächen,
Und am bittersten der Schmerz!

War Dein Flügelpaar gebunden,
Laß es flattern wieder frei,
Will vergessen all' die Stunden
Deiner süßen Heuchelei.

Will vergessen, daß Dein Himmel
Nicht allein der meine war:
Droben über'm Sterngewimmel
Strahlt ein and'rer rein und klar.
(S. 33-34)
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Stumme Frage

Ich kenne einen lieben Garten,
Dort grüßt mich jede Rasenbank,
Dort ist's so still, dort ist's so heimlich,
Dort war mein Busen sehnsuchskrank.

So viel der Sternlein lieblich flimmern,
So viel die Thauflur Perlen eint,
So viel der Küße ward getauschet,
So viel der Thränen ward geweint.

Und wenn ich jetzt vorüber ziehe,
Läßt mich der Reiß der Rosen kalt,
Weil unter jenen duft'gen Sträuchern
Ein unbekanntes Wesen wallt.

Der alte Mond allein, der bleiche,
Schaut mir in's Auge, sanft bewegt,
Als wollt' er freundlich-staunend fragen,
Warum kein Herz an meinem schlägt?
(S. 35)
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Nehmt Euch ein Exempel d'ran!

Du hattest zu kommen versprochen,
Ich sandte zur Ferne den Blick,
Er kehrte, ein trauriger Bothe,
Mit stummem Schmerze zurück.

Ich wandelte auf und nieder,
Ich zählte den Lauf der Zeit,
Sie brachte statt Wonnen der Liebe
Der Täuschung unsägliches Leid!

So stand ich, allein und verlassen,
Sah' trüb' in die lautlose Nacht;
Da hab' ich - zum ersten Male -
Das Wesen der - Liebe bedacht!
(S. 36)
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Hochverrath

Grolle zehnmal des Tages mit deiner Geliebten, noch eh' der
Freundliche Hesperus winkt, eint die Versöhnung Euch doch.
Treibe der Eifersucht Spiel: sie verzeiht Dir. - Lohne mit Untreu',
Was die Treue Dir gab: ach! sie verzeihet auch das.
Läst're des Liebchens Gestalt - doch halt! das ist Hochverrath. Diesen
Rächet das Mädchen gewiß; diesen verzeihet kein Weib.
(S. 45)
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Wunden der Liebe

Es dringt im Leiden der Liebe
Ein blanker Dolch ins Herz,
Das Blut, das sind die Thränen,
Die Seufzer künden den Schmerz.

Ein bitt'rer Dolch ist das Scheiden,
Die Spitze getaucht in Gift;
Denn schmerzlich zehrt noch die Wunde,
Wenn lange kein Blut mehr trieft.

Und wenn der Tod sie entführet,
Die Theure, aus unser'm Arm,
Da gräbt der Dolch sich zerreißend
Ins Herzblut, rosig und warm.

Doch weher, als Tod und Scheiden,
Durchzückt den Busen der Stahl,
Vergilt sie die opfernde Liebe
Mit treulosen Hohnes Qual.
(S. 53)
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Zweifelnde Liebe

Wenn ich voll süßer Liebe Schmerz
Ins Himmels-Aug' Dir seh',
Däucht mir, als fühle Liebchens Herz
Ein gleiches stilles Weh'!

Und wenn Dein Mund auf meinem brennt,
Regt sich der Zweifel scheu,
Ob uns auch nie das Schicksal trennt,
Ob Du mir ewig treu?

Da lächelst Du so hold und still,
Erheiterst mir den Sinn,
Und in der Liebe süßem Spiel
Flieht Gram und Zweifel hin.

Dann neigst Du ernst Dein dunkles Haupt,
Dein blaues Auge bricht:
Ob Dir kein Weib mein Herz geraubt?
Sinnst Du - doch sprichst Du's nicht.

Du schmiegest an mich warm und weich
Die Wange, lilienweiß,
Und über ihren Sammt, so bleich,
Perlt eine Thräne heiß.

Die Thräne preß' ich an mich fest
Mit bänglicher Gewalt,
Daß nie das Herz vom Herzen läßt,
Bis Beide starr und kalt.
(S. 55-56)
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Mädchenliebe, Frauenliebe

Der jungen Liebe süß' Erwachen -
Es gleicht dem ersten Morgenstrahl,
Hell glänzt der See, die Berge lachen,
Im Rosenlichte wogt das Thal!

Als ob es ewig Frühling bliebe,
Weht lauer Zephir Hochgenuß,
Das ist des Mädchens reine Liebe,
Das ist der ersten Liebe Kuß.

Doch immer heißer glüht die Sonne
Und sengt das Grün mit wildem Stich;
Es lechzt das Herz nach Kühlungswonne,
Nach Ruhe sehnt die Lerche sich.

Gewitterschwere Wolken hangen
Am Himmel unsrer Jugendlust,
Und Seufzer, Thränen, Schmerz und Bangen
Durchkreuzen die zerriss'ne Brust.

Da naht voll Sanftmuth, still und labend,
Der Frauenliebe milder Traum,
Er gleicht dem holden Sommerabend,
Vergoldet von Hesperens Saum.

So zieht er über Berg und Matten
Der Ruhe keusches, heil'ges Bild,
Und wirft noch scheidend seine Schatten
Auf uns're müden Herzen mild.

Und wieder kehrt ein sanfter Frieden
In die durchtobte Brust zurück,
Je mehr die Sonne scheint geschieden,
Je treuer winkt des Abends Glück.

Die Schatten aber werden länger
Umfangen uns mit Zaubermacht,
Und Frauenliebe beut dem Sänger
Die Hand zur sanften Lebensnacht.
(S. 61-62)
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Schwache Augen

Ich sah zu oft in's rothe Licht
Beim nächtlichen Studieren,
Bekam davon ein kurz' Gesicht
Und mußt' es suspendiren!

Warf Bücher und Schartecken weg,
Und trat hinaus in's Leben,
Ich dachte: Gottes grüner Fleck
Wird neue Kraft mir geben!

Da kam ein Mädchen wunderhold,
Mit Augen, blau und lieblich,
Darin ein sanftes Feuer rollt,
Wie das bei solchen üblich.

Nun sitz' ich ganze Tage lang,
Und les' in ihren Blicken,
Mir wird um's Herz so schwül und bang:
Ich könnte Euch ersticken!

Kurios! ich sah in's rothe Licht
Und konnt' es nicht gewöhnen;
Nun schau' ich auf Vergißmeinnicht,
Und weine helle Thränen.
(S. 66)
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Mein Schmuck

Drei Perlen, drei Thränen,
Die brennen mein Herz!
Mein Dulden, mein Sehnen,
Meiner Eifersucht Schmerz;
Drei Perlen: die Treue,
Sie halte ich fest
Mit der Zärtlichkeit Weihe,
Bis das Leben mich läßt.

Zehn dunkle Granaten,
Zehn Wunden voll Blut,
Mein Leiden verrathen
Die Strahlen der Glut!
Zehn Flammen der Brust,
Für Die, die ich meine,
Glüht zehnfache Lust.
(S. 67)
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Isa's Perspektive in Ischl

Welch' ein zauberisches Wehen
Säuselt mild durch Hain und Flur
Könnt' ich tausendfältig sehen,
Liebe doch erblickt' ich nur.

Liebe grünt im Felsenmoose,
Liebe flüstert sanft der Bach,
Und die holdverschämte Rose
Küßt des Lenzes Liebe wach.

Liebe rauscht in duft'gen Zweigen,
Liebe perlt der grüne Fluß;
Seht, die Blütenäste neigen
Sich zum wonnetrunk'nen Kuß!

Auf die Gletscher malet Liebe
Sanft des Abends Rosenlicht;
Und das Echo rufet Liebe
Bis der Hall sich ferne bricht.

Komm, getäuschte Lieb'! und weine
Hier um deines Lebens Ruh'
Suche Liebe hier, die reine,
Und die Liebe findest Du.

Wirst der wahren Liebe leben,
Und der falschen Lieb' verzeih'n:
"Allen Sündern soll vergeben
Und die Hölle nicht mehr sein!"
(S. 77-78)
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Beim Hause der Capuleti in Verona
(Jetzt eine Fuhrmanns-Herberge: al capello)

In dieses Hauses düstern Räumen,
Die nun des Pöbels Lärm durchtobt,
Hat Julie in Wonneträumen
Der Treue süßen Eid gelobt.

Hier trat sie Nachts aus ihrem Kerker
Hinaus in den lazurnen Dom,
Und harrte, bis zum stillen Erker
Romeo voll der Sehnsucht klomm.

Hier unter Seufzen, Küssen, Thränen
Ergoß sich ihrer Liebe Macht,
Hier brach ihr Herz im wilden Sehnen
Hier sank ihr Leben in die Nacht.

Noch hallt von den entsetzten Wänden
Des Vaters Zorn, der Mutter Gram,
Auf die man mit profanen Händen
Jetzt Namen kritzelt ohne Scham.

Es wiederhallt aus jenen Nischen
Ein rauhes Johlen, laut und wirr;
Pokale ruhen auf den Tischen,
Und auf dem Erker Pferdgeschirr.

Neugierig glotzt mit großen Blicken
Die Magd mir in das Angesicht,
- - Dieß Herz mit Liebe zu umstricken
Bedürft' es wohl Romeo's nicht!!
(S. 100-101)
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Aus!

Hold geschmückt die Lockenhaare
Mit dem keuschen Myrthenkranz,
Steht verschämt am Hochaltare
Eine Braut im Strahlenglanz;

Und mit pochendem Verlangen
Blickt der Bräutigam auf sie;
Ach! es glüht auf seinen Wangen
All' der Liebe Poesie.

Sanft gerührt in heil'gen Wonnen
Kniet der Frauen frommer Kreis,
Wie ein Himmel voll Madonnen,
Im Gebete mild und heiß.

Nur im Dunkel einer Ecke
Steht ein fremder, bleicher Mann,
Daß kein Fröhlicher erschrecke
Blickt er den Verstörten an.

Daß kein Mensch die Seufzer höre
Ob des Herzens Mißgeschick,
Daß den heil'gen Akt nicht störe
Sein verweinter, starrer Blick.

Jetzo bebt aus zartem Munde
Still des Jaworts süßes Band,
Und zum ewig treuen Bunde
Faßet sich die warme Hand.

Doch als sie das Ja gesprochen,
Seufzt auch Jener sterbend, "Ja!"
Lautlos war sein Herz gebrochen -
Eine Leiche lag er da!
(S. 113-114)
_____



Liebe und Vaterland

Warum steht der Jüngling traurig
Vor dem Mädchen, mild und schön?
Ach! ihm ist so bang und schaurig,
Weil er muß von dannen geh'n.

Denn das Vaterland zu retten
Rufet ihn der Kriegsgesang,
Horch! es dröhnen die Drommetten
Schon das Schlachtgefild' entlang.

Mit dem kaum gebornen Tage
Heißt es scheiden, wehmuthsvoll,
Keine Thräne, keine Klage
Fließet ihm zum Lebewol!

"Laß uns, Liebchen, zärtlich scheiden! -
Doch Du blickst so starr und kalt!
Kennst Du nicht der Trennung Leiden
Und der Sehnsucht Allgewalt?"

"Hast wol nie für mich, den Armen,
Wahrer Liebe Glut gefühlt?
Kann dein Herz denn nicht erwarmen,
Du geliebtes Marmorbild?"

Also seufzt er leise klagend
Mit verstörtem Angesicht;
Und aus seinem Aug' verzagend
Eine helle Thräne bricht.

Zürnend spricht sie, doch gelassen:
"Welche Pflicht ist's, die gebeut,
Das Geliebte zu verlassen
Jemals und in Ewigkeit?"

"Was ich liebe, ist mein Himmel,
Alles and're Täuschung nur!
Schwur's beim lichten Sterngewimmel,
Und kein Gott lös't meinen Schwur!"

"Hast Du da nicht mitgeschworen
In der einsam-stillen Nacht?
Und nun fliehst Du zu den Thoren
In die blut'ge Menschenschlacht?"

Und der Jüngling sieht entschweben
Schmerzlich seinen schönsten Traum,
Stürzt hinaus in's Schlachtenleben,
Gönnt nicht süßer Liebe Raum!

Dringt hinein mit tollen Schaaren
In der Feinde wilde Flut,
Kraftlos fliehen die Barbaren -
Doch es gilt sein eigen Blut.

Sinkend krönt man ihn als Sieger,
Dankt ihm laut des Tages Glück,
Trägt den ruhmbekränzten Krieger
Jubelnd in die Stadt zurück.

Und als still ein milder Schlummer
Unsern Helden überflog,
Und ihm all' des Lebens Kummer
Schmeichelnd aus dem Busen zog -

Ach! da fühlt er plötzlich glühend
Seinen bleichen Mund gepreßt,
Und die Wange, still verblühend,
Von des Schmerzes Flut genäßt.

Und mit krampfhaft wildem Zagen
Fühlt er liebend sich umfaßt,
Fühlt ein Herz an seinem schlagen
Ohne Ruhe, ohne Rast.

"O vergib!" so schluchzt es leise,
"O vergib der Liebe Zwist,
Der Du auf der letzten Reise
Edler, als ich Arme, bist!"

"Ja, nun fühl' ich's: schön und selig
Ist der Tod für's Vaterland! -
Und die Götter reichen fröhlich
Einem Sieger ihre Hand!"
(S. 123-126)
_____


Aus: Neue Liederflur
von August Schilling
Wien & Leipzig
Verlag von Tauer & Sohn 1843

 


Biographie:

Schilling Ritter von Henrichau, August (österreichischer Poet, geb. zu Wien 24. April 1815). Der Sohn eines Hof- und Gerichtsadvocaten in Wien, wo er seine wissenschaftliche Ausbildung erhielt, dann im k. k. Oberstkämmereramte in den ah. Hofdienst trat, in welchem er, stufenweise vorrückend, im Augenblicke die Stelle eines k. k. Hofrathes und Kanzleidirectors im Oberstkämmereramte bekleidet, dessen Chef der Kunstmäcen und Ritter des goldenen Vließes, Franz Graf Crenneville [Bd. IV, S. 279; Bd. XXVI, S. 379; Bd. XXVIII, S. 333] ist. S.’s Neigung zur Schriftstellerei entwickelte sich schon frühzeitig, und bis zu Anfang der Fünfziger-Jahre brachte der Büchermarkt öfter die poetischen Spenden aus S.’s Feder, deren Titel hier in chronologischer Folge aufgeführt werden: „Sinngedichte und poetische Kleinigkeiten“ (Wien 1833); – „Faunenkränze“ (ebd. 1835); – „Reifperlen. Novellen“ (2. Aufl., ebd. 1840); – „Lieder und Balladen“ (ebd. 1841); – „Satirisch-komische Wiener Skizzen“ (Wien und Leipzig 1841, 8°.); – „Satirische Anklänge“ (2. Aufl., Wien 1842); – „Dramatische Contouren“ (Prag und Teplitz 1842, 8°.), enthält das Lustspiel: „Die Eisenbahn“, im November 1841 im Burgtheater mit Beifall gegeben; das versificirte Scherzspiel: „Der Mann allein“, im Josephstädter Theater aufgeführt; das dreiactige Schauspiel: „Löbenegg“; „Die Nacht im Försterhause“ und „J. J. Rousseau’s letzte Augenblicke“; – „Spaziergänge eines Wiener Humoristen“ (Wien 1842); – „Neue Liederflur“ (Wien und Leipzig 1843, 8°.); – „Humoristische Wiener Lichtbilder“ (Wien 1845); – „Guckkästner Grebeke“ (Pesth 1846); – „Vogelperspective eines Wanderlustigen“ (Wien 1847); – „Grossmütterchens neuestes Märchenbuch“ (Wien und Leipzig 1848), unter dem Pseudonym: Musäus der Jüngere; – „Feldsträusschen. Lieder aus dem Kriegs- und Soldatenleben“ (3. Aufl., Wien 1851); – „Lagerlieder“ (Wien 1853); – „Verwehte Blüthen“ (Leipzig 1860); – „Soldaten-Album im Krieg und Frieden“ (Wien 1867); – „Auf und davon, humoristische Wanderbriefe“ (ebd. 1871), eine Fortsetzung der obigen „Vogelperspective“. Außer obigen schöngeistigen Schriften brachte S. auch eine ernste Arbeit in seiner „Geschichte des souveränen Johanniter-Ordens“ (2. Auflage 1846). Neben den oberwähnten, im Drucke erschienenen dramatischen Arbeiten hat S. noch mehrere kleine Lustspiele in Alexandrinern geschrieben, welche ungedruckt geblieben, aber auf verschiedenen Bühnen aufgeführt worden sind, so: „Die Nebenbuhlerin“, „Die junge Müllerin“. S. bewegt sich in seinen Arbeiten [322] so vorherrschend auf wienerischem Boden, daß es nur daraus zu erklären ist, wenn man ungeachtet seiner nicht geringen literarischen Thätigkeit seinem Namen in den literaturgeschichtlichen Werken von Kurz, Goedeke, Kehrein und Anderen nicht begegnet. Im Jahre 1846 hat S. von der Krakauer Universität das Diplom eines Doctors der Philosophie erworben, ferner ist er k. k. Truchseß, Ritter des Ordens der eisernen Krone 3. Classe und des Franz Joseph-Ordens und Besitzer der k. hannover’schen goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft; auch haben der Sultan, der König von Preußen, der Großherzog von Hessen, die Herzoge von Sachsen-Coburg und Parma S. mit ihren Decorationen ausgezeichnet.

Ritterstands-Diplom ddo. 14. November 1868. – Steger (Fr. Dr., Ergänzungsblätter zu allen Conversations-Lexiken (Leipzig und Meißen 1850 u. f., gr. 8°.) Bd. VII, S. 320. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) V. Suppl.-Band, S. 553. – Mosenthal (S. H. Dr.), Museum aus den deutschen Dichtungen österreichischer Lyriker und Epiker der frühesten bis zur neuesten Zeit (Wien 1854, 8°.) S. 437. – Scheyrer (Ludwig), Die Schriftsteller Oesterreichs in Reim und Prosa auf dem Gebiete der schönen Literatur u. s. w. (Wien 1858, typ.-liter.-art. Anstalt, 8°.) S. 459. – Genealogisches Taschenbuch der Ritter- und Adelsgeschlechter (Brünn 1870, Buschak und Irrgang, 32°.) S. 373 [erscheint daselbst als Schilling von Heinrichau]. – Porträt. Unterschrift. Facsimile des Namenszuges: August Schilling. Kriehuber 1843 (lith.), gedruckt bei J. Höfelich. Beilage des „Sammler“ (4°.).
Zur Genealogie und Familienstand der Schilling von Henrichau. Die Schilling sind ein schlesisches Patriziergeschlecht und erscheinen bereits im 16. Jahrhunderte. Es gingen aus demselben mehrere Breslauer Rathsherren hervor. Das Geschlecht theilte sich in zwei Linien: in jene der Hartlieb und Henrichow und erhielt mit Diplom vom 2. Mai 1507 von Kaiser Maximilian einen Wappenschild, der dem gegenwärtigen der Schilling von Henrichau ganz ähnlich ist. Das Andenken eines Georg Schilling hat sich durch eine auf denselben im Jahre 1539 geprägte Medaille erhalten, dessen Avers das Brustbild Georg S.’s mit Halskrause und Wahlspruch in Lapidarschrift: Spes mea in Deo salutari meo, der Revers aber das Schilling’sche Wappen mit der Umschrift: Georgius Schillink. Etatis suae XXXVIII. MDXXXIX. darstellt. Im 18. Jahrhunderte war ein Johann Baptist Schilling Polizeiwache-Commandant zu Troppau in Schlesien, welcher muthmaßlich zu obigem Geschlechte in Verwandtschaftsbeziehungen stand. Dieser Johann Bapt. Schilling ist der Großvater des Hofrathes August Schilling, welch Letzterer den Statuten des Ordens der eisernen Krone dritter Classe gemäß mit Diplom ddo. 14. November 1868 in den österreichischen Ritterstand erhoben wurde. Hofrath August Schilling Ritter von Henrichau ist (seit 3. Mai 1853) mit Amalie Emilie Reinhart (geb. 16. Juni 1835) verheirathet und stammt aus dieser Ehe ein Sohn Moriz August Georg (geb. 24. Februar 1854).
Wappen. In Roth ein silberner Kreis, in dessen Mitte ein dreiblättriger grüner Lindenzweig. Auf dem Schilde stehen zwei zueinander gekehrte gekrönte Turnierhelme. Auf der Krone des rechten Helms erhebt sich ein offener rother Adlerflug, der mit Ring und Zweig belegt ist; die Krone des linken Helms trägt einen offenen schwarzen Adlerflug, der von einem Goldbalken in der Mitte durchschnitten ist. Die Helmdecken sind rechts roth mit Silber, links schwarz mit Gold belegt. Unter dem Schilde flattert ein rothes Band, worauf in silberner Lapidarschrift die Devise: „Spes mea in Deo“ steht.

Aus:
https://de.wikisource.org/wiki/Biographisches_Lexikon_des_Kaiserthums_Oesterreich


 

 


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