August Wilhelm von Schlegel (1767-1845) - Liebesgedichte

August Wilhelm von Schlegel

 

August Wilhelm von Schlegel
(1767-1845)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 



 

Thränen und Küße

Alter Sänger zarter Minne!
Weibes Schöne, Güt' und Zucht,
Aller Wonne Blüth' und Frucht,
Spähtest du mit Meistersinne.
Deines Spruches ward ich inne
Tief in meines Herzens Grund:
"Weinende Augen haben süßen Mund."

Von der Holden mußt' ich scheiden,
Die mir neues Leben bot:
Da erblich der Wangen Roth,
Lust verkehrte sich in Leiden.
Doch, um unser Weh zu weiden,
Schloßen enger unsern Bund
Weinende Augen und ein süßer Mund.

Trüb' umwölkte sich mit Thränen,
Sonst so licht, ihr Himmelsblick,
Weil der Liebe hart Geschick
Uns entriß der Hoffnung Wähnen.
Da erbarmte sie mein Sehnen,
Dem sie streng' oft widerstund:
Weinende Augen boten süßen Mund.

Zwar verstummten jetzt die Worte,
Die sie lieblich sonst gekos't;
Doch es kam mir andrer Trost
Aus der Lippen Rosenpforte.
Meinem Gram zu Heil und Horte
That mir mildes Grüßen kund,
Weinende Augen haben süßen Mund.

Die sich treu und innig meinen,
Trennet weder Land noch Meer.
Drum verzage nicht so sehr!
Einst ja wird der Tag erscheinen,
Wo ein seliges Vereinen
Macht von allem Weh gesund
Leuchtende Augen und den süßen Mund.
(S. 291-292)
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Die Stunde vor dem Abschiede

Aus deinen Augen sah ich Thränen fließen:
Unglücklicher! ich hatte sie erregt,
Von zärtlichem Verlangen hingerißen
Dein Innerstes zu ungestüm bewegt.

Es nahte schon des Abschieds bange Stunde,
Verschwunden dieser Tage kurzes Glück;
Aus unserm, wie im Flug geschloßnen Bunde
Sahst du auf deinen öden Weg zurück.

O daß der Gram zerrüten soll mit Schmerzen
Der Wonne Sitz, den lieblich blühnden Leib!
Daß irgend wer zerrütend deinem Herzen
Mit Haß zu nah getreten, zartes Weib!

Laß deine Thräne sanft hinweg mich trinken
Laß mich sie trocknen mit gelindem Hauch!
Sieh schon sie hier in meinem Auge blinken:
O gieng' in mich dein Leiden über auch!

Dem Mann, der seinem Glücke stürmt entgegen,
Ziemt auch der Kampf mit feindlichem Verdruß;
Doch schonend sollte Ruh des Weibes pflegen,
Denn still erwartet sie der Freude Gruß.

Willst du mir deinen Schmerz im Kuße reichen?
Gern nähm' ich Herbes von so süßem Mund.
Der Kummer müßte dem Entzücken weichen,
Der Freundin Schmachten würd' in mir gesund.
(S. 69-70)
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Derselben
[Der Geliebten]

Bange nicht der Thränen willen,
Die in Strömen mir entquillen,
Die ich nicht zu hemmen weiß.
Nächtlich um den Busen starrte
Und umsonst auf Sonne harrte
Aufgebirgt des Grames Eis.

Deiner Blicke trautes Lächeln,
Deiner Worte lindes Fächeln
Strahlte, hauchte mir in's Herz.
Himmelskind! da sind die stolzen
Felsen willig hingeschmolzen,
Ist gelöst der alte Schmerz.

Und wie Thau und Regen fließen,
Fühl' ich frische Blumen sprießen
Tief aus sehnendem Gemüth,
Und ich weihe dir zu Kränzen
Allen Schmuck des neuen Lenzen,
Der in meiner Seele blüht.
(S. 30)
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Nikon und Heliodora
Idylle

Der Abend senkt sich kühlend auf die Fluren,
Des Tags Getümmel schwindet in die Ferne,
Die ganze Schaar ermüdeter Naturen
Vernimmt den leisen Wink zum Ruhen gerne.
Nur, wie der wachsame Pilot Arkturen,
So folgt der Liebende dem Abendsterne,
Der ihn, als strahlte durch die Nacht Aurora,
Entgegen führet seiner Heliodora.

Entgegen führet seiner Heliodora
Den trauten Nikon Hoffnung und Verlangen.
Sie naht sich ihm, erröthend wie Aurora,
Vom Thaue banger Scham beperlt die Wangen.
Es schließt sich nickend jedes Kind der Flora,
Doch duftender und voller aufgegangen
Entfaltet ihren Kelch der Liebe Blume,
Du stille Nacht, in deinem Heiligthume.


Nikon
Du stille Nacht, in deinem Heiligthume
Find' ich Erhörung meiner kühnsten Bitte;
Sie wagt für mich, und achtet sich zum Ruhme
Der Zärtlichkeit zu lieb verletzte Sitte.
Im Blumenschmuck, sie selber eine Blume,
Kommt sie, es rauschen im Gebüsch die Tritte.
Ich flieg' in deine Nähe, Holde! Süße!
Daß ich mit Liebeshauch dich warm begrüße.


Heliodora
Daß ich mit Liebeshauch dich warm begrüße,
Konnt' ich dem Herzen, Thörichte, nicht wehren;
Mich lockte mehr als des Verlangens Süße
Des Weibes Wonne, zärtlich zu gewähren.
Doch wenn ich bitter mein Vertrauen büße,
Wenn deine Schwür' in Märchen sich verkehren: -
Eh meine Rosen welkend sich entfärben,
Mög' ich hier vor des Himmels Antlitz sterben!


Nikon
Mög' ich hier vor des Himmels Antlitz sterben, -
Nein, Tod in deinem Arm wär' Wonn' und Leben, -
Verbannt von dir erschleiche mich Verderben,
Bin ich dir nicht mit reinster Treu ergeben!
Sei ruhig, theure Freundin, laß die herben
Bekümmerniße mit dem Wind entschweben.
Vergeßenheit von allem Harm umspielet
Die Brust, die ganz den Liebsten in sich fühlet.


Heliodora
Die Brust, die ganz den Liebsten in sich fühlet,
Hebt freier sich von enger Furcht entladen.
Wie wenn ein Zephyr ihr Gewand durchwühlet,
Wird sie, sich zu enthüllen, eingeladen;
Der Strom der Lust, der alle Sehnsucht kühlet,
Lockt sie, in seinen Wellen sich zu baden:
Der ganze Himmel senkt darein sich nieder,
Es strahlen freundlicher die Sterne wieder.


Nikon
Es strahlen freundlicher die Sterne wieder
Aus deinem Augenstern, im milden Schatten.
Mich schlägt bei Tag die hohe Schönheit nieder,
Vor ihrem Prangen muß der Blick ermatten,
Doch jetzt, da die gesenkten Augenlider
Der Nacht mit Dämmerung die Helle gatten,
Schau ich, und fürchte nicht, daß ich erblinde:
Entnommen ist der Liebe ihre Binde.


Heliodora
Entnommen ist der Liebe ihre Binde,
Daß sie ihr Bild rings um sich kann erblicken.
Wie leise Seufzer säuseln nun die Winde,
Die Blumen duften ahnungsvoll Entzücken,
Die Quellen flüstern, und es scheinen linde
Die Büsche sich den Büschen anzudrücken,
Und buhlerischer durch die Schatten wallen
Die Brautgesänge süßer Nachtigallen.


Nikon
Die Brautgesänge süßer Nachtigallen
Hör' ich in liebevollem Streit erklingen;
Der Thau begegnet und vermählt im Fallen
Mit Düften sich, die in die Lüfte dringen.
Wie wechselnd einig unsre Stimmen schallen,
So laß auch Lippe mit der Lippe ringen:
Der Seele näher, an des Odems Pforte,
Versprechen sich unausgesprochne Worte. -

Besprechen sich unausgesprochne Worte,
So muß verstummen des Gesanges Lallen;
Er führt die Liebenden nur bis zur Pforte
Des Tempels, wo die sel'gen Opfer fallen,
Bis sie aus ihrer Freuden stillen Porte
Verklärt hervor und neugeboren wallen.
Erröthend fand und lächelnd noch Aurora
Nikon am Busen seiner Heliodora.
(S. 78-81)
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Wiedersehn

Der Frühlingssonne holdes Lächeln
Ist meiner Hoffnung Morgenroth;
Mir flüstert in des Westes Fächeln
Der Freude leises Aufgebot.
Ich komm', und über Thal und Hügel,
O süße Wonnegeberin,
Schwebt, auf des Liedes raschem Flügel,
Der Gruß der Liebe zu dir hin.

Der Gruß der Liebe von dem Treuen,
Der ohne Gegenliebe schwur,
Dir ewig Huldigung zu weihen
Wie der allwaltenden Natur;
Der stets, wie nach dem Angelsterne
Der Schiffer, einsam blickt und lauscht,
Ob nicht zu ihm in Nacht und Ferne
Des Sternes Klang hernieder rauscht.

Heil mir! ich athme kühnes Sehnen,
Und athm' es bald an deiner Brust,
Und saug' es ein mit deinen Tönen,
Im Pulsschlag namenloser Lust.
Du lächelst, wenn mein Herz, umfangen
Von deiner Näh', dann wilder strebt,
Indes das selige Verlangen
Der Güt' um deine Lippe schwebt.

Du liebst mich, göttlich hohes Wesen!
Du liebst mich, sanftes, zartes Weib!
Es gnügt. Ich fühle mich genesen,
Und Lebensfüll' an Seel' und Leib.
Nein, noch mit dem Geschick zu hadern,
Das schnell mich wieder von dir reißt,
Verschmäht mein Blut, das durch die Adern
Mit stolzen leichten Wellen kreißt.
(S. 25-26)
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Leda von Michel Angelo

Der Vogel Zeus, der Träger mächt'ger Blitze,
Als ihn sein Fürst zum Raub auf Ida sandte,
Hielt er den Knaben, der sich zagend wandte,
Behutsam, daß ihn nicht die Klaue ritze.

Doch über Reiz und Anmuth rollt' in Hitze
Sein Auge hin; auch keinen Kuß entwandte
Der Schnabel, der nur blut'ge Thaten kannte:
So trug er rasch ihn zum olymp'schen Sitze.

Du aber, holder Schwan, du weißt die Gaben
Der Lieb' in hoher Schönheit Schooß zu pflücken,
Du willst nicht im Gesang, im Kuße sterben.

Nicht sterben, nein, nur lebend dich begraben
Im Wollusttaumel, und durch dieß Entzücken
Unsterblichkeit, wenn sie nicht dein, erwerben.
(S. 329)
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Die Küße

Des Freundes Zunge sprach zu der Geliebten Lippen:
Was ist's, das, mich zu bannen, euch bewegt?
Laßt mich nur Einmal euren Nektar nippen!
Ich bin ein Pfeil der keine Wunde schlägt.
Ich bin beredt, ich lisple Huldigungen,
Ich fleh' um Gunst und innigen Verein;
Und das vermag ich auch allein.
Doch das Gekose schwesterlicher Zungen,
Die, insgeheim, sich liebevoll umschlungen,
Wird überschwenglicher als alle Worte sein:
Es athmet Flammen und entzückte Pein.
(S. 175)
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Die Erfindung des Kußes

I.
Die Grazien besprachen mit einander
Sich von der Menschenbildung Zügen einst,
Wie die Natur in ihrer holden Zierde
Die Seele ausgesprochen, und wie jedem
Belohnende Bestimmung sie verliehn.
Die Stirne, denkend, thront im Antlitz oben,
Es schlingt sich über ihrer offnen Fläche
Der Haare vielfach wechselnd Diadem:
Denn der Gedank' ist König in dem Geist.
Der Nase, die von ihr sich niedersenkt,
Des Ebenmaßes unverrückte Säule,
Weht huldigend der Frühling seine Düfte,
Und Zephyr linden lauen Hauch entgegen.
Das Ohr, bescheiden seitwärts angefügt,
Trinkt achtsam doch des Wohllauts ganze Fülle.
Die Wangen blühen so durchsichtig zart,
Daß bald der jungen Freude leichtes Wallen,
Und bald die Scham, bei'm leisesten Berühren, -
Nicht ohne süßes Bangen, denn sie ist
Die Morgenröthe seliger Gefühle, -
Mit Rosenglut sie überströmen kann.
Die Augen geben und empfangen Strahlen,
Die Welt ist ihre, von dem Aug' der Sonne
Mit aller Farben Glorie ausgestattet.
Doch kehren sie von ihren weiten Flügen
Gern wieder in die Näh'; es sucht der Blick
Verbrüdertes, worin er sich erkenne,
Und Auge spiegelt sich in Aug' entzückt.
Wenn es sich dann, von vielem Sehn ermüdet,
Mit seiner Wimper seidnem Vorhang schirmt,
So dämmern noch im eng verhüllten Lager
Zerfließende Gestalten vor ihm auf.
Die Lippen aber, die beseelten Rosen,
So sprach Euphrosyne, die sich gefällig
Zu Red' und Lächeln regen, stets gesellig,
Beredt zu schweigen wißen, wie zu kosen,
Sie, die das innerste Gemüth erschließen:
Was würde für ein Lohn zu Theil den süßen?
Daß sie die Nahrung, die der Leib empfängt,
Zuerst berühren? Das ist wieder Dienst,
Belohnung nicht: verschmähn sie doch zu kosten,
Und gönnen gern dem Gaume seine Freuden.
Und was ist Hybla's Honig, was der Saft
Von Lesbos, selbst des Göttertisches Gaben,
Verglichen mit der Worte süßer Kraft,
Worin sich, froh berauscht, die Seelen laben?
Ja müssen nicht die geistigen sich schämen,
Das irdische Bedürfniß hinzunehmen?

Wie du doch eiferst, Schwester, so erwiedert
Aglaja lächelnd; nimm dich nur in Acht,
Daß nicht der zu bewegten Rednerin
Des Mundes leicht geschwungner Zug sich krause,
Und deine Sorg' um ihn selbst entstelle.
Ist denn des schönen Thuns Gefühl nicht Lohn?
Und fühlen nicht die Lippen, wie sie reden
Und wie sie lächeln?
Das Auge sieht sich nicht, es grüßt im Auge
Des Andern aus der Ferne nur den Geist;
Und sind sie doppelt schon, und thun das Gleiche,
Doch rollet in der eignen Sphäre jedes,
Und unbewußt ist ihre Harmonie.
Die Lippen aber sind die Dienerinnen
Der freundlichen Geselligkeit, und selbst
Gesellig: ist ihr Leben und Bewegen
Nicht ewig wiederholter zarter Gruß?
Weil sie denn so als Paar sich innig fühlen,
Vereinigt athmen und vereinigt spielen,
So laß sie sich mit andern Lippen paaren,
Um ihre eigne Süße zu erfahren.

Der Grazien jüngste hört' es liebevoll,
Und neigte sich der Schwester, die gesprochen.
Ihr reger Busen, kaum entknospet, schwoll
Von ihres Herzens ahnungsvollem Pochen.
Sie öffnet halb den Mund, der Anmuth haucht,
Und Lippe wird an Lippe sanft getaucht.
Da war mit reinem zärtlichen Verlangen
Der erste Kuß gegeben und empfangen.


II.
Cythere, hingelehnt in Myrtenschatten,
Belauschte sie, und sagte zu sich selbst:
Ihr holden Kinder, was vermöchten Lippen
Zu Red' und zu Gesang, wenn nicht die Zunge
In ihren Schranken wohnt', und schwünge sich
Mit unermüdlicher Gewalt? Ist sie
Das goldne Plectrum für die Silbersaiten
Der Stimme nicht? sie nicht der Pfeil des Bogens,
Der glühnde Worte schnellt? der Sprache Zügel?
Wenn sich, in sanften Wünschen eingeschloßen,
Jungfräuliche Gemüther liebend finden,
Da mögen Lippen sich bescheiden drücken,
Und gnügen wird dieß Zeichen des Vereins.
Ihr kennt nicht jenes namenlose Streben,
Das jedes andern Triebes Banden lös't,
Sich selber, Seel' und Leib, und Füll' und Leben
An den Geliebten opfernd hinzugeben,
Die beiden Wesen ganz in eins verflößt.
Wenn dieß der Sinn' und Herzen sich bemeistert,
Dann soll die Zunge auch, zum Kuß begeistert,
Das Mark durchblitzen gleich Cupido's Pfeilen
Mit Wunden, die nur süßer Tod kann heilen.
Von solchen Küßen lehrte Cypris Gunst
Den schönen Jäger, bei noch sprödem Muthe,
Zuerst vor allen Sterblichen die Kunst,
Wie sie bei ihm in kühler Waldnacht ruhte.
Es ward ihr Kuß zum heißen Liebesschwur,
In dem erstummt die Zungen sich verwirrten,
Daß Wonne schauernd durch die Wipfel fuhr,
Und buhlender der Göttin Tauben girrten.
(S. 73-77)
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Entsagung und Treue

Die Jugend flieht, die Hoffnung ist zerronnen,
Des Lebens Blüthen fallen welkend ab,
Und unerreichbar fern sind meine Wonnen,
Und stumm und einsam bin ich wie ein Grab.
Im ganzen weiten Reich der Wesen
Hast du allein die Zaubermacht,
Mich von dem Gram zu lösen,
Der jeden Trost verlacht.

Und ach! ich muß vor deinem Willen schweigen;
Was er verhängt, wird hoch von mir geehrt.
Was hülf' es auch zu reden? Ihn zu beugen?
So kühner Wahn hat nimmer mich bethört.
Du kennst das höchste Ziel des Lebens,
Und zeichnest deine Bahn dir vor.
Mein Flehen schlug vergebens
Voll Inbrunst an dein Ohr.

Zwar giengst du nicht taub vor mir vorüber,
Du bist ein Weib, und Weichheit ist dein Stolz.
Mein Busen bebte mir in jeder Fiber,
Als nun dein Blick um mich in Thränen schmolz.
Den süßen Thau der holden Augen
Verschlang mein Herz, wie dürres Land.
Weh mir! ihn einzusaugen,
Das nährte nur den Brand.

Ich kämpfte mich empor und wollte flüchten;
Ich stieß die dargebotne Hand zurück.
"O zürne mir, sonst wirst du mich vernichten,
"Mich peinigt dieser göttlich milde Blick.
"War's Frevel, daß ich so entglühte?
"O du bist edel! gieb mich los!
"Laß ab mit deiner Güte!
"Wo nicht: sei minder groß!"

So rief ich aus. Was half mein Widerstreben?
Ich fühlte mich von unsichtbarer Kraft,
Vom Schicksal selbst in deine Hand gegeben,
Die, was sie will, aus meinem Wesen schafft.
Ich klage nicht; ich will es tragen.
Dank dir! Mich adelt dieses Leid.
Gestählt durch mein Entsagen
Besteh' ich jeden Streit.

Der Jugend Flur voll heller Gaukelscenen,
Der Wünsch' und Träume lächelndes Revier,
Wohin ich sonst mit hoffnungsvollem Sehnen
Mich oft verirrt, liegt öde hinter mir.
Gleichgültig steh' ich im Getümmel,
Das nach Genuß sich drängt; für mich
Wär' auch der Sel'gen Himmel
Ein Chaos ohne dich.

Das Glück ist arm; ich spotte seiner Gaben;
In mir ist mehr, als es mir bieten kann.
Ich habe das, und werd' es ewig haben,
Was ich von dir durch heiße Qual gewann.
Dein Bild hab' ich dir abgerungen,
Und innig in mein Selbst verwebt,
Mit Liebeskraft umschlungen,
Durch Liebeskraft belebt.

Mir hallen in der Seele tiefsten Tiefen
Die Melodieen deiner Worte nach;
Da werden tausend Kräfte, welche schliefen,
Bei dem geheimnißvollen Rufe wach.
Erschaffen wird in mir ein Wille,
Zu hohen Thaten stark und frei,
Und deiner Tugend Fülle
Gebiert mein Innres neu.

Ich kann's nicht bergen, nicht mein Herz belügen,
Und träfe mich auch dein gerechter Spott;
Dich zu erreichen, dich zu überfliegen,
In dem Gedanken schwärm' ich mich zum Gott.
Du kannst nicht diesen Trotz verdammen,
Und siegt' ich auch, dein wär' der Ruhm:
Ich stahl ja diese Flammen
Aus deinem Heiligthum.

Doch sollt' ich nie es feßeln und umschlingen,
Das überirdisch lockende Phantom;
Wär' ich verdammt, umsonst, umsonst dir nachzuringen,
Gewirbelt von des Wankelmuthes Strom:
So möcht' ich meinen Geist verhauchen,
Den Haßer dieses Sonnenlichts,
Und mich hinunter tauchen
In's öde kalte Nichts.
(S. 19-22)
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Zum Andenken

Du nahtest nur, uns wieder zu verlaßen,
Dein rascher Weg hat dich vorbeigetragen!
Von deiner Gegenwart beglückten Tagen
Sah ich zu bald den heitern Strahl erblaßen.

Dieß kleine Blatt, das du zurückgelaßen,
Es soll dir meine Wünsche, meine Klagen,
Dein Bild in mir, dein Angedenken sagen:
Wie könnt' es so viel große Dinge faßen?

Drum dieß nur: wird's in deiner Nähe wohnen,
Wird manchmal seinen Sinn dein Blick entsiegeln,
So neid' ich ihm sein glückliches Gelingen.

O möcht' ein Täubchen dir es überbringen,
Und nähmest du's ihm schmeichelnd von den Flügeln,
Und möcht' ein Kuß die kleine Botin lohnen!
(S. 327)
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Ritterthum und Minne
Romanze

Ein Ritter, ganz in blankem Stahl
Auf seinem hohem Roß,
Sprengt bei des Morgens erstem Strahl
Herab vom Felsenschloß.
Nach Abenteuern steht sein Sinn,
Durch Wald, Gebirg und Feld;
Denn bis zum heil'gen Lande hin
Ist Muth der Herr der Welt.

Und wie er zog im Thal einher
Für sich so kühn und wild,
Da trat in seinen Weg ihm queer
Ein schönes Frauenbild.
Dem Pferde griff sie in den Zaum
Und lächelnd so begann:
Gewahrt man Fleisch und Bein doch kaum;
Seid ihr ein Eisemann?

Das Eisen, spricht er, zartes Weib,
Ist ja des Mannes Kraft.
Es schirmt nicht starrend bloß den Leib,
Er fühlt's wie Mark und Saft.
Es zuckt, geschliffen und gespitzt,
Von selber nach dem Blut,
Und wo es durch die Lüfte blitzt,
Da zürnet Kampfes Muth.

Drauf sie: Doch warum so in Eil?
Fürwahrn es thut nicht Noth!
Den Strauß entscheidet kurze Weil'
Zum Sieg wohl oder Tod.
Die Sonne scheint den Panzer heiß:
Entledigt euch der Last,
Und pflegt am Oertchen, das ich weiß,
Im Schatten süßer Rast.

Der Mai giebt seinen Wonneschein,
Der Blumen sind genug.
Das Leben will gelebet sein
Nicht so in Sturm und Flug.
Und habt ihr friedlich erst geruht,
Und nicht gewehrt der Lust,
Dann strebt zur That mit frischem Muth
Die freudenstolze Brust.

Wer kann aus so beredtem Mund
Der Ladung widerstehn?
Er folgt ihr tiefer in den Grund,
Wo kühle Lüfte wehn.
Sie weilt an einer Quelle Rand,
Der Ritter steigt vom Roß,
Und löset jedes ehrne Band,
So seinen Leib umschloß.

Auf grünem Teppich, hoch umlaubt,
Der hier zum Sitze schwillt,
Hebt er den Helm von seinem Haupt,
Legt Panzer ab und Schild.
Dem Boden eingepflanzt den Speer,
Den Schild daran gelehnt,
Lauscht er des Weibes holder Mär',
Ohn' Arges, wie er wähnt.

Jedoch ihr Kosen schmeichelt kaum
Dem rauhen Sinn sich ein,
So sieht er zweifelnd, wie im Traum,
Seltsame Zauberein.
Im Helmbusch erst ein Weh'n sich regt,
Ein Rauschen ihn durchklingt.
Bis er die Flügel mächtig schlägt,
Und rasch empor sich schwingt.

Nun wiegt der neugeschaffne Falk
Sich in der Lüfte Blau,
Und späht mit hellem Aug', ein Schalk,
Was irgend lockt, genau.
Doch wie zum Busch er niederschießt,
O Wunder! so zerwallt
All sein Gefieder, und entsprießt
In Vöglein mannigfalt.

Die bunten Sänger tönen gleich,
Versteckt im Laub', ihr Lied,
Das klagend und doch wonnereich
Durch Blüthendüfte zieht.
Zu solcher Waldes-Melodie
Ziemt wohl ein frischer Trank!
So sagend, beut dem Ritter sie
Den Becher, zierlich schlank.

Verwandelt hat sich zum Pokal
Sein Helm, wie sie's gewollt;
Des Weines geistig goldner Strahl
Blinkt in des Bechers Gold.
Nun griff sie auch zur Laute hin,
Und hielt sie vor die Brust,
Und spielt' aus zartem Frauensinn
Was Ahndung weckt und Lust.

Sieh, Ritter, sagte sie und sang,
Besaitet und erfüllt
Den Harnisch dein von süßem Klang,
Der sonst dein Herz umhüllt.
Drum laß es beben bei dem Schall
Von meiner Hand entlockt:
Das ist der Triebe Wiederhall,
Die unter'm Erz gestockt.

Sieh! deine Lanze sproßt und grünt
Zum Lorbeer, stolz belaubt,
An dem sich nie kein Blitz erkühnt,
Kein Herbst die Zierde raubt.
Zur Rose sieh dein Schwert erblüht,
So mildert sich sein Zorn;
Doch blutig noch ihr Purpur glüht,
Und Wunden sticht ihr Dorn.

Du wandelst alle meine Wehr,
So schalt der Ritter frei,
Als wär's in einer Zaubermär',
In lose Gaukelei.
Mir bleibt allein mein gutes Roß,
Ich schwinge mich im Flug
Zurück auf meiner Väter Schloß,
Und rüste neu den Zug.

Dein Roß, erwiedert sie, fürwahr!
Wird schwer zu fangen sein;
Am Sattel wuchs ein Flügelpaar,
Vom Dienst es zu befreien.
Schon bäumt es sich den Berg hinauf
Zum Gipfel sonnenhell,
Sein Huf entschlägt im raschen Lauf
Dem Felsen einen Quell.

Der Ritter sprach: Was mich geschmückt,
Was klag' ich, daß es hin?
Hast du mich doch mir selbst entrückt:
Schon spür' ich andern Sinn.
Dein Blick, dein Lied hat mich berauscht,
O wunderlieblich Weib!
Was ich verloren, sei vertauscht
Um deinen holden Leib.

Mit nichten, sprach sie sittiglich,
Erwirbst du mich zur Braut,
Wo du zu heil'gem Bunde dich
Nicht erst mir angetraut.
Hoch auf dem Berge, wo dein Roß
Sich muthig hin verirrt,
Da prangt ein rosig schimmernd Schloß,
Das uns zum Tempel wird.

Der Sonne König wohnet dort
In Freuden ewig jung;
Neun Jungfrau'n bieten immerfort
Ihm keusche Huldigung.
Sie feiern unsern Hochzeitreih'n
Mit Spiel und mit Gesang:
Was sie voll sinn'ger Anmuth weih'n.
Vor allem stets gelang.

Wohlan! so rief er, neu entflammt:
Das Bündniß däucht mir gut.
Ich heiße Bieder, abgestammt
Aus altem deutschem Blut.
Zu buhlen weiß ich nicht um Gunst,
Auf Tod und Leben Freund,
Und schlage, sonder schlaue Kunst,
Mit gleicher Wehr den Feind.

Vom fernen Norden kam ich her,
Und war noch jung und wild:
Da hört' ich eine fromme Lehr',
Und sah ein göttlich Bild.
Dem Zeichen, das die Welt verehrt,
Schwur ich die Lehenspflicht;
Zum Kreuze bildet' ich mein Schwert,
Das ew'gen Sieg erficht.

Darum gehorch' ich heil'gem Recht
Nebst ächter Ehre Brauch.
Nun aber nenne dein Geschlecht
Und deinen Namen auch.
Ob dein Gemüth wie meins bestellt,
Das sag mir ohne Hehl;
Nur wo sich Gleich und Gleich gesellt,
Vermählt man Leib und Seel.

Erröthend schwieg die Schöne nun,
Und seufzt aus tiefer Brust,
Und zögerte, sich kund zu thun,
Wie innrer Reu bewußt.
Wie du, so heg' ich fromme Brunst,
Frau Minne heißt man mich,
Doch andern Namen führt' ich sonst,
Als ich mir selbst nicht glich.

Nur Lust und Reiz schien mir Gewinn,
Und inn'ger Trieb ein Spott,
Und so gefiel dem leichten Sinn
Der wüste Kriegesgott.
Da fröhnte alle Welt im Joch
Als Liebesgöttin mir.
Ach! sterblich wie die Jugend doch
War meine Macht und Zier.

Allein ich sah ein himmlisch Weib,
Ein Kindlein auf dem Arm;
Jungfräulich war ihr reiner Leib
Von Mutterliebe warm.
Verloren ganz, sie anzuschau'n,
In demuthsvollem Schmerz,
Fühlt' ich die holde Milde thau'n
In mein erneutes Herz.

Nun floh ich in die Wildniß wüst,
Begehrend eigne Qual,
Bis bange Sehnsucht abgebüßt
Den Trug der ersten Wahl.
Da hört' ich deiner Thaten Ruf
Und deine Biederkeit,
Die stille Neigung in mir schuf,
Wie Sitte sie verleiht.

Der Ritter sann den Worten nach,
Und staunte, tief entzückt,
Da wurde neuer Jubel wach,
Und neu der Mai geschmückt.
Es öffnet sich das hohe Thor
Vom sonnigen Pallast,
Und die neun Mägdlein geh'n hervor,
Zu grüßen ihren Gast.

Sie tanzen um der Lieben Paar,
Im bunt verschlungnen Reihn,
Und aus den Kehlen süß und klar
Haucht Leben und Gedeihn.
"O wohl des Helden edlem Leib,
"Der treu und sittig minnt!
"O wohl dir auch, du weiblich Weib,
"Die solche Huld gewinnt!"
(S. 270-277)
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Lied

Eine holde süße Kranke
Ist mein stätiger Gedanke.

Milde Sonne, laß dich schauen!
Haltet inne, rauhe Lüfte!
Gieße deine Balsamdüfte,
Frühling, auf Toscanas Auen.
Grüne Lauben will ich bauen,
Daß sie nicht im Sturme wanke,
Diese Blume, diese Kranke.

Ach, es wechselt auf den Wangen
Liljenbläß' und Glut der Rosen.
Wag' ich's, ihnen liebzukosen,
Unter Ahnden, unter Bangen?
Darf sich schmiegen mein Verlangen,
Innig, wie des Epheu's Ranke,
Um die lieblich blüh'nde Kranke?

Deine Stimme flüstert leise,
Dem Gesange sonst vertraut;
Aber Eines Wortes Laut
Haucht sie doch in Flöten-Weise.
Dieses Wort, des Kraft ich preise
Vor der Götter Nektartranke,
Liebe heißt es, liebe Kranke.

Aus der Wimpern Schatten strahlen
Laß mir deine dunkeln Augen;
Laß von deinen Lippen saugen
Bange Wonn' und süße Qualen.
Einmal noch! zu tausendmalen!
Bis ich bebe, bis ich schwanke,
Und im Sehnen selbst erkranke.

Unbeklommen wird sich heben
Bald die liebevolle Brust,
Fühlt sie nur ein Theil der Lust,
Die sie kann in Fülle geben.
Alles Heil soll dich umschweben,
Der ich neues Dasein danke,
Nina, meine holde Kranke!
(S. 31-32)
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Tagelied
Frei nach dem Provenzalischen
(Raynouard V. p.74)

Einst ein Ritter lag am Herzen
Seinem Lieb, in Lust und Schmerzen.
Küßend sprach er dann mit Schmerzen:
Süße Wonne! was geschieht?
Tag beginnt, und Nacht entflieht.
Ach!
Denn der Wächter ruft: Erwach'!
Eilig auf! Der Tag erscheint
Nach der Morgenröthe.

Süße Wonn', o käme nimmer
Doch der Morgenröthe Schimmer!
Weilte Nacht umhüllend immer,
Wo der Traut' in hohen Muth
An der Trauten Busen ruht!
Ach!
Denn der Wächter ruft: Erwach'!
Eilig auf! Der Tag erscheint
Nach der Morgenröthe.

Süße Wonne! wer kann nennen
Qualen, die im Innern brennen,
Wenn sich Freund und Freundin trennen?
Ich nur weiß es, der's empfand.
Weh, wie rasch die Nacht entschwand!
Ach!
Denn der Wächter ruft: Erwach'!
Eilig auf! der Tag erscheint
Nach der Morgenröthe.

Süße Wonn', ich muß von hinnen.
Denke mein in treuen Sinnen!
Was ich thun mag und beginnen,
Dennoch bleibt mein Herz ja hier,
Scheidet nimmer sich von dir.
Ach!
Denn der Wächter ruft: Erwach'!
Eilig auf! der Tag erscheint
Nach der Morgenröthe.

Süße Wonn' ich muß verderben,
In der Sehnsucht Qualen sterben,
Soll ich nicht dich bald erwerben,
Wird mir nicht dein Gruß zu Theil;
Du bist Leben mir und Heil.
Ach!
Denn der Wächter ruft: Erwach'!
Eilig auf! der Tag erscheint
Nach der Morgenröthe!
(S. 298-299)
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Der welke Kranz

Es war noch Mai, da hast du sie gebrochen,
In Blumen ausgesprochen,
Selber Blüthe,
Was blühend im Gemüthe
Schon sich regte
Und heilig sich bewegte,
Was kindlich, ach! der Freund so gerne hegte,
Wenn sie ihr Herzchen legte
An das seine,
Wo ich nun ewig weine.

Die Veilchen sandte mir das Kind zum Zeichen,
Die so mein Herz erweichen,
Daß die Augen
Den Schmerz, den sie nun saugen,
Nie vollenden,
Sich oft noch zu ihr wenden,
Und finden welk den Kranz dann in den Händen,
Wie der, hat sie, zu enden
Früh erkoren,
Sich unbewußt verloren.

Nimm hin die hohe, köstlich liebe Gabe,
Das Einz'ge, was ich habe
Von der Theuern,
Ihr Bild mir zu erneuern,
Wenn in Thränen
Dem Tode zu das Sehnen
So gern entflieht des Daseins eitlem Wähnen.
Doch erst laß mich in Thränen
Ganz versenken
Das süße Angedenken!

Uns, die in Lust des Todes Leben fanden,
Kühn die Natur verstanden
In den Flammen,
Wo Lieb' und Schmerz zusammen
Uns verbunden,
Uns sei die Stirn umwunden
Vom Zeichen, dessen Sinn wir längst gefunden.
Denn blühten aus den Wunden
Oft nicht Rosen,
Uns schmerzlich liebzukosen?

Laß denn des Mädchens Schatten uns umschweben,
Der Wehmuth hingegeben,
Bis wir im Tode Eins noch inn'ger leben,
Und dann dieß tiefe Streben
Ganz vereinet,
Das lächelnd sich beweinet.
(S. 33-34)
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Die furchtbare Nähe

Es zogen Heere, donnerten Geschütze
Fernab, die starke Veste zu bestürmen,
Daß sich ihr Strom mit Leichen mußte thürmen;
Die Sommernacht erhellten Kriegesblitze.

Da wußt', im engen Thal, auf schatt'gen Sitze,
Vor allen andern als der Freude Stürmen
Mich und die Liebste Liebe zu beschirmen,
Vereinigt wie die Reb' und ihre Stütze.

Dieß deutet frohe Zukunft unserm Bunde.
Wie sollt' er nicht, von freundlichen Gestirnen
Selbst im Gewitter angelacht, bestehen?

Doch donnert, uns auch, der Verheerung Stunde,
So laß uns, achtlos um der Götter Zürnen,
Im Schooß der Liebe selig untergehen.
(S. 324)
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Pygmalion

In qual parte del ciel', in quale idea
Era l'esempio, onde natura tolse
Quel bel viso leggiardo, in ch'ella volse
Mostrar quaggiù, quando lassù poeta.
Petrarca

Festlich duften Cypriens Altäre,
Von Gesang ertönet Paphos Hain.
Schön geordnet ziehn geschmückte Chöre
In den myrtumkränzten Tempel ein.
Rosig blüh'nde Mädchen, zarte Knaben;
Alle bringen sie Gelübd' und Gaben,
All' erflehn, Verlangen in der Brust,
Liebe, Reiz und Jugendlust.

Wollust athmet aus den Rosenlauben,
Wo sich willig manches Paar verirrt,
Wo ein Paar von buhlerischen Tauben
Ihrer Ankunft süß entgegen girrt.
Küße hört man flüstern in den Büschen,
Wo sich Licht und Dunkel lieblich mischen,
Wo der Grund, mit Moosen überweht,
Sich zum Lager schwellend hebt.

Aber einsam in sich selbst verschloßen,
Schaut Pygmalion dem Feste zu;
Das Frohlocken muthiger Genoßen
Weckt ihn nicht aus seiner ernsten Ruh.
Suchtest du denn von den Schönen allen,
Holder Jüngling, keiner zu gefallen?
Oder hat, für die dein Sinn entbrannt,
Spröde sich dir abgewandt?

Ach, ihm kam wohl mancher Gruß entgegen,
Mancher Wink verhieß ihm Gunst und Glück,
Und es hob von schnellern Herzensschlägen
Mancher Busen sich vor seinem Blick.
Doch umsonst! nie öffnet er die Arme,
Daß davon umstrickt ein Herz erwarme;
Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht,
Wird von Küßen nie durchglüht.

Höher strebt sein einziges Begehren.
Hingeschmiegt an einen zarten Leib
Würde dennoch Sehnsucht ihn verzehren;
Was ihm fehlt, gewährt kein irdisch Weib.
Nicht um Blumen, gleich dem Schmetterlinge,
Auf zur Sonne mit des Adlers Schwinge
Schwebt sein Geist, und athmet reine Luft,
Unberauscht von süßem Duft.

Zur Geliebten hat er sich erlesen,
Die noch nie ein sterblich Auge sah;
Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen,
Ist sie fern ihm, und doch ewig nah.
Tief in seines Innern heil'ger Stille
Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle,
Und umarmt das göttlich schöne Bild,
Halb von eignem Glanz verhüllt.

In erstauntes Anschaun so versunken,
Fühlt er sich allein, wann er erwacht.
"Götter!" seufzt er dann, "nur Einen Funken,
"Einen Funken eurer Schöpfermacht!
"Bin ich bloß zu eitlem Wahn geboren?
"Meine Lieb' an einen Traum verloren,
"Der von ihrem Odem nie beseelt
"Liebevoll sich mir vermählt?

"Oder thronet, die ich lieb', im Saale
"Des Olymp mit sel'ger Allgewalt?
"Trinkt sie jeden Tag aus goldner Schaale
"Jugend und ambrosische Gestalt?
"Wird sie zürnend den Vermeßnen tödten,
"Der in Lieb' entbrennt, statt anzubeten?
"Oder lächelt sie, voll Größ' und Huld,
"Seiner hoffnungslosen Schuld?

"Göttin, deren neugeborne Schöne
"Einst das Meer in Purpurglut getaucht!
"Du, die in die Brust der Menschensöhne,
"Wie der Götter, linde Wonne haucht!
"Sieh mit unaussprechlichem Verlangen
"Mich am Schatten deines Bildes hangen;
"Diese Züge hoher Anmuth lieh
"Nur von dir die Fantasie.

"Zwar dich darf kein Sterblicher erblicken,
"Wie du bist, wie dich der Himmel kennt;
"Kaum durchblitzen würd' ihn das Entzücken
"Einen schnell vernichtenden Moment.
"Aber laß, wie Frühlingswehn, dein Lächeln
"Eine jungfräuliche Stirn umfächeln,
"Wie die Sonn' im Bache sich beschaut:
"Und ich grüße sie als Braut!"

Also fleht er oft, doch aus den Sphären
Steigt Erhörung niemals ihm herab.
Nur die Kraft kann seinen Wunsch gewähren,
Die zuerst dem Wunsche Flügel gab.
Hoffst du Labung außer dir? Vergebens!
In dir fließt die Quelle schönes Lebens;
Schöpfe da, und fühle froh geschwellt
Deine Brust, dein Aug' erhellt.

Eine Stimme, tröstend im Versagen,
Flüstert in die Seel' ihm diesen Rath.
Nein! nicht länger will er schmachtend zagen:
Träume reifen zu Entschluß und That.
Muthig, was er liebt, sich zu erschaffen,
Schärft er seines Geistes goldne Waffen;
Still verheißt dem Sinnenden die Kunst
Hülfe, statt der Götter Gunst.

Jener Zaubrer wandelnder Gestalten,
Dädalus, erzog ihn einst für sie,
Lehrt' ihn Bildung aus dem Stoff entfalten,
Bis sie schön zum Ebenmaaß gedieh.
Gern besiegt von seines Meißels Schlägen,
Schien der starre Felsen sich zu regen,
Und er ward auf seines Lehrers Spur
Nebenbuhler der Natur.

Wie Prometheus Menschen, seine Brüder,
Bildet' er der Götter ganzes Chor;
Zog zur Erde nur den Himmel nieder,
Nicht die Erde zum Olymp empor.
Edle Wesen, irdische Heroen,
Doch nicht groß wie die unnennbar Hohen,
Schien ihr mildres, nicht umstrahltes Haupt
Der Unsterblichkeit beraubt.

Und der Künstler wohnt' in ihrer Mitte,
Frei und fröhlich ihnen zugesellt,
Sie bewirthend nach der biedern Sitte
Jener ersten unschuldvollen Welt,
Wo die Himmlischen auf stillen Fluren
Oft mit Menschen Freud' und Leid erfuhren,
Wo Apoll, ein unerkannter Hirt,
Singend Tempe's Thal durchirrt.

Aber seit ein namenloses Sehnen,
Süß und quälend, seine Brust entzweit,
Seit der Wahn des nie erblickten Schönen
Ihn berauscht mit Allvergeßenheit,
Ließ er ruhn die kunstbegabten Hände,
Unbesorgt, ob er ein Werk vollende,
Das nur halb, mit zweifelhaftem Sieg,
Aus dem Stein in's Leben stieg.

Nun, da zu der holden Unsichtbaren
Ihn hinan des Muthes Fittig trägt,
Will er seinen Augen offenbaren,
Was sein Busen heimlich längst gehegt.
In der Flut begeisternder Gedanken,
Die entbunden um die Sinne schwanken,
Liebeglühend, tritt Pygmalion
In der der Werkstatt Pantheon.

Und, o Wunder! in verklärtem Lichte
Stehen rings die stolzen Bilder da;
Es enthüllt dem staunenden Gesichte
Gottheit sich, wie er sie nimmer sah.
Wie von reinem Nektarthau durchfloßen,
Wonnevoller Ewigkeit Genoßen,
Schön und furchtbar, scheinen sie erhöht
Zu des Urbilds Majestät.

Auf des Donnergottes heitre Brauen
Wallt der Locken hoher Schwung zurück;
Juno thront, die Königin der Frauen;
Pallas senkt den sinnig ernsten Blick.
Bacchus bietet hold die frohen Gaben,
Weiche Jugend blüht dem Götterknaben;
Hermes regt den Sinn, behend und schlau,
Mit der Glieder leichtem Bau.

Selbstgenügsam, in entzückter Feier
Schwebt Apoll, mit Daphne's Laub umkränzt,
Haucht Gesänge zu der stummen Leier,
Die in seinem Arm, ein Kleinod, glänzt.
Und o du! süßlächelnde Dione,
Mit der Anmuth zartem Gürtel! schone!
Gab er nicht zum Opfer Seel' und Sinn
Ganz, Urania, dir hin?

Freudig, doch mit ahnungsvollem Schweigen,
Blickt er auf der Himmelsmächte Kreis,
Richter sind sie ihm und heil'ge Zeugen,
Wie er ringt nach der Vollendung Preis,
Nicht zu ruhn, noch feige zu ermatten,
Schwört er, bis er den geliebten Schatten,
Einen Fremdling in der niedern Welt,
Seinen Göttern dargestellt.

Schöner Stein! in Paros kühlen Grüften
Hat die Oreade dir gelacht;
Ja, du wurdest aus den Felsenklüften
In beglückter Stund' hervorgebracht!
Von der Hand Pygmalions erkoren,
Reiner Marmor! wirst du neu geboren.
Was sein Stahl dir liebend raubt, vergilt
Tausendfach das holde Bild.

Wann Aurora kaum noch deine Weiße
Röthet, eilt der Künstler schon herzu,
Und ihn winkt von immer süßerm Fleiße
Nur die Nacht gebieterisch zur Ruh.
Wann des Schlafes Arm ihn leis' umfangen,
Spielt um ihn das schmeichelnde Verlangen,
Zeichnet sein gelungnes Werk der Traum
Dämmernd in des Aethers Raum.

Endlich geht die freundlichste der Sonnen
Ueber ihm, Vollendung bringend, auf.
Endlich, endlich ist das Ziel gewonnen,
Und die Palme kühlt des Siegers Lauf.
Vor ihm blüht das liebliche Gebilde,
Gleich der Rose, die der Frühlingsmilde,
Welche webend, athmend um sie floß,
Kaum den Purpurkelch erschloß.

Hüllenlos, von Unschuld nur umgeben,
Scheint sie sich der Schönheit unbewußt,
Ihre leicht gebognen Arme schweben
Vor dem Schooß und vor der zarten Brust.
Reine Harmonie durchwallt die Glieder,
Deren Umriß, von der Scheitel nieder
Zu den Sohlen, hingeathmet fliegt,
Wie sich Well' in Welle schmiegt.

Schön begränzt ihr Dasein stille Gnüge,
Friedlich wohnet es in sich daheim;
Und es ruht im Spiel der linden Züge
Unentfaltet künft'ger Liebe Keim.
Gleich als ob sie nimmer traur' und zürne,
Lacht ihr heller Blick, die ebne Stirne;
Ihre halbgeschloßne Lippe schwoll,
Süßer Tön' und Küße voll.

Selig festgezaubert im Betrachten,
Schaut Pygmalion und glüht und schaut.
Bald verstummt er, aufgelös't in Schmachten,
Bald erschallt des Herzens Hymne laut.
Einen Gegenstand der Huldigungen
Hat sich nun die treue Lieb' errungen,
Die nach dem, was nirgend war, zuvor
In der Oede sich verlor.

Seine Seele, die Erwiedrung heischet,
Leihet der Geliebten, was sie fühlt,
Gern vom eignen Wiederschein getäuschet,
Der um jene Jugendfülle spielt.
Mit des Steines nachgeahmtem Leben
Strebt er sich so innig zu verweben,
Daß sein Herz, von Lieb' und Lust bewegt,
Wie in beider Busen schlägt.

Was ersann er nicht, ihr liebzukosen?
Welche süße Namen nannt' er nicht?
Das Gebüsch verarmt an Myrt' und Rosen,
Die er sorgsam ihr in Kränze flicht.
Aber ach! wann wird ihr holdes Flüstern
Seinen Liebesreden sich verschwistern?
Wann besiegelt der erwärmter Mund
Wiederküßend ihren Bund?

Lächelnd einst, wie mildes Frühlingswetter,
Schaut Urania vom lichten Thron;
Von der Menschen Vater und der Götter
Fordert sie der reinsten Treue Lohn:
Sieh! allein von allen Erdensöhnen
Hat Pygmalion, dem höchsten Schönen
Huldigend, und frei vom Sinnenbrand,
Sich zu meinem Dienst gewandt.

Nicht aus Trotz, zu eitlem Schöpferruhme;
Folgsam lauschend nur dem innern Ruf,
Stellt' er im verborgnen Heiligthume
Uns die Gattin dar, die er sich schuf.
Jenen Funken, den Prometheus raubte,
Zum Verderben seinem stolzen Haupte,
Gieb ihn mir für den bescheidnen Sinn
Meines Künstlers zum Gewinn."

So die Göttin, und mit Wohlgefallen
Winkt ihr Zeus, und neigt den Herrscherstab;
Locken, den Olymp erschütternd, wallen
Auf die Stirn ambrosisch ihm herab.
Ein gewohntes Opfer darzubieten,
Stand Pygmalion in Duft und Blüthen,
Als es wie ein Blitz sein Mark durchdrang,
Daß er zagend niedersank.

Doch ihn locken ferne Melodien
Zauberisch in's Leben bald zurück.
Rosenfarbne Morgenschimmer fliehen
Um das Bild und laben seinen Blick.
Wie von eines Aetherbades Wogen
Wird sie sanft gewiegt und fortgezogen:
Soll sie eures Himmels Zierde sein?
Götter! Götter! sie ist mein.

Und er fliegt hinzu und schlingt die Arme
Kühn und fest um das geliebte Weib.
Glühend, schauernd fühlt er, sie erwarme;
Seinem Drucke weicht der Marmorleib.
Und es schlägt ihr Herz die ersten Schläge,
Und die Pulse werden hüpfend rege,
Und das Drängen junger Lebenslust
Schwellt die ungeduld'ge Brust.

Und ihr Auge - Wonne würd' ihn tödten,
Schlöß' es sich dem fremden Tage nicht.
Ach, sie drückt mit schüchternem Erröthen
An des Jünglings Busen ihr Gesicht.
Liebe! Liebe! stammeln beide Zungen,
Und die Seelen, ganz in Eins verschlungen,
Hemmt ein Kuß im schwesterlichen Flug
Mit geheimnißvollem Zug.
(S. 38-48)
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Die neue Sehnsucht
Im Herbst 1788

Hebst du wieder an zu streben,
Wunsch der Lieb' in meiner Brust?
Wie die Wellen sanft sich kräuseln,
Wenn am See die Lüfte säuseln,
Wie sie um's Gestade weben,
Also schmeichelt meiner Brust
Neue Sehnsucht, neue Lust.

Schmeichelt nur, ihr Wind' und Wellen!
Eure Tück' ist mir bewußt.
Wißt so kühl heran zu schwellen,
Wißt so lieblich einzuladen,
Sich in eurem Schooß zu baden:
Doch mit Kummer und Verlust
Lohnt ihr die bethörte Brust.

Einmal habt ihr mich belogen,
Schmeichellüfte, Silbersee!
Lüstern sprang ich vom Gestade,
Tauchte Stirn und Brust in Wogen;
Fortgewiegt im lauen Bade,
Sah ich rings nur glatten See,
Obenher azurne Höh.

Ach, die blaue Höh ward düster,
Wild der Waßerwogen Scherz,
Sausen ward des Winds Geflüster.
Zwischen Strudeln, zwischen Klippen,
Klagt' ich mit erblaßten Lippen,
Rief nach Rettung, und mein Herz
Fluchte nun auf Bad und Scherz.

Doch durch Aufruhr und Getümmel,
Nacht und Grausen, fern und nah,
Zog zu des Gestades Schilfe
Mich zurück der Götter Hülfe.
Sieh, da lächelte der Himmel!
Leise Lüfte, fern und nah!
Spiegelflut, wohin ich sah!

Und ich seufzte Dank den Rettern,
Schaute matt zur Himmelshöh.
Aber bald, entbrannt im Grimme,
Schwur ich, sang's mit rascher Stimme:
Nichts bei Menschen, nichts bei Göttern,
In der Tief' und auf der Höh,
Sei so falsch wie dieser See.

Fühllos schlanget zwar ihr Wellen
Meines Liedes Pfeil hinab.
Aber will, bei eurem Schwellen,
Nun mein Herz sich lüstern regen,
Donnert euch mein Schwur entgegen;
Schelt' ich vom Gestad' herab:
Glatter Abgrund! lächelnd Grab!
(S. 183-185)
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Der Geliebten
Bruchstück 1811?

Heil sei dir, Fried' und Wonne,
Alles, was mir gebricht!
Auch diese heitre Sonne
Hemmt meine Klage nicht.

Ich möchte dir nur leben,
Und ganz dein eigen sein.
Was hilft das eitle Streben?
Bin selber ja nicht mein.
Mich hält mein Looß gebunden,
Wohl ist es mir bewußt;
Drum sind die flücht'gen Stunden
Nur qualenvolle Lust.

Du bist voll Lieb' und Milde,
In dir wohnt alle Huld.
Ich bin so wüst und wilde,
Und trägst mich mit Geduld.
Du solltest mich verbannen
Noch eh' die Stunde schlägt,
Die bald mich fern von dannen,
Von deinem Antlitz trägt.
(S. 29)
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Abendlied für die Entfernte

Hinaus, mein Blick! hinaus ins Thal!
Da wohnt noch Lebensfülle;
Da labe dich im Mondenstrahl
Und an der heil'gen Stille.
Da horch nun ungestört, mein Herz,
Da horch den leisen Klängen,
Die, wie von fern, zu Wonn' und Schmerz
Sich dir entgegen drängen.

Sie drängen sich so wunderbar,
Sie regen all mein Sehnen.
O sag' mir, Ahndung, bist du wahr?
Bist du ein eitles Wähnen?
Wird einst mein Aug' in heller Lust,
Wie jetzt in Thränen, lächeln?
Wird einst die oft empörte Brust
Mir sel'ge Ruh umfächeln?

Und rief' auch die Vernunft mir zu:
"Du mußt der Ahndung zürnen,
"Es wohnt entzückte Seelenruh
"Nur über den Gestirnen;"
Doch könnt' ich nicht die Schmeichlerin
Aus meinem Busen jagen:
Oft hat sie meinen irren Sinn
Gestärkt empor getragen.

Wenn Ahndung und Erinnerung
Vor unserm Blick sich gatten,
Dann mildert sich zur Dämmerung
Der Seele tiefster Schatten.
Ach, dürften wir mit Träumen nicht
Die Wirklichkeit verweben,
Wie arm an Farbe, Glanz und Licht
Wärst dann du Menschenleben!

So hoffet treulich und beharrt
Das Herz bis hin zum Grabe;
Mit Lieb' umfaßt's die Gegenwart,
Und dünkt sich reich an Habe.
Die Habe, die es selbst sich schafft,
Mag ihm kein Schicksal rauben:
Es lebt und webt in Wärm' und Kraft,
Durch Zuversicht und Glauben.

Und wär' in Nacht und Nebeldampf
Auch Alles rings erstorben,
Dieß Herz hat längst für jeden Kampf
Sich einen Schild erworben.
Mit hohem Trotz im Ungemach
Trägt es, was ihm beschieden.
So schlummr' ich ein, so werd' ich wach,
In Lust nicht, doch in Frieden.
(S. 17-18)
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Die gefangnen Sänger

Hörst du von den Nachtigallen
Die Gebüsche wiederhallen?
Sieh', es kam der holde Mai.
Jedes buhlt um seine Traute,
Schmelzend sagen alle Laute,
Welche Wonn' im Lieben sei.

Andre, die im Käfig leben,
Hinter ihren Gitterstäben
Hören draußen den Gesang;
Möchten in die Freiheit eilen,
Frühlingslust und Liebe theilen:
Ach! da hemmt sie enger Zwang.

Und es drängt sich in die Kehle
Aus der gramzerrißnen Seele
Schmetternd ihres Liebs Gewalt,
Wo es, statt im Weh'n der Haine
Mitzuwallen, von der Steine
Hartem Bau zurücke prallt.

So, im Erdenthal gefangen,
Hört des Menschen Geist mit Bangen
Hoher Brüder Harmonie,
Strebt umsonst zu Himmelsheitern
Dieses Dasein zu erweitern,
Und das nennt er Poesie.

Aber scheint er ihre Rhythmen
Jubelhymnen auch zu widmen,
Wie aus lebenstrunkner Brust:
Dennoch fühlen's zarte Herzen,
Aus der Wurzel tiefer Schmerzen
Stammt die Blüthe seiner Lust.
(S. 284-285)
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Todten-Opfer für Augusta Böhmer

I.
Sinnesänderung
Ich wollte dieses Leben
Durch ein unendlich Streben
Zur Ewigkeit erhöh'n.
Ich fragte nicht nach drüben,
Mein Hoffen und mein Lieben
War mir hienieden schön.

Was die Natur gewoben,
Was Menschen drauf erhoben,
Verband mir Poesie.
So wähnt' ich klar zu lösen
Das Gute sammt dem Bösen
Zu hoher Harmonie.

Was plötzlich abgebrochen,
War dennoch ausgesprochen
Dem ordnenden Gefühl:
Ein Lied war mir die Jugend,
Der Fall der Heldentugend
Ein göttlich Trauerspiel.

Doch bald ist mir zerronnen
Der Muth, so dieß begonnen,
Die Gnügsamkeit in Dunst.
Gefeßelt vom Verhängniß
Im irdischen Gefängniß:
Was hilft mir weise Kunst?

Die Rose kaum ertfaltet,
Doch süßer mir gestaltet
Als aller Schmuck der Welt,
Die hat ein Wurm gestochen,
Die hat der Tod gebrochen,
Die hat der Sturm gefällt.

Nun schau' ich zu den Sternen,
Zu jenen ew'gen Fernen,
Wie tief aus öder Kluft;
Und, ihre blauen Augen
Dem Himmel zu entsaugen,
Küß' ich die leere Luft.

O, werde mein Orakel,
Du, die du ohne Makel
Der falschen Welt entflohst!
Sieh mich in meiner Demuth
Und hauch in meine Wehmuth
Der zarten Liebe Trost.

Wenn dort die Ros' erblühte,
So sei die heil'ge Güte
Endlos gebenedeit.
Zwar sehnlich werd' ich schmachten,
Doch nicht vermeßen trachten
Aus dieser Sterblichkeit.

Wo ich mich wiederfinde
Bei meinem süßen Kinde,
Muß Heil sein, Wonn' und Licht.
Sie wird, wenn meiner Zungen
Der Klage Laut verklungen,
Mein himmlisches Gedicht.

Den strahlenden Karfunkel
Nahm ich in grausem Dunkel
Der Schlange Tod vom Haupt.
Ich will ihn bei mir tragen,
In allen Lebenslagen
Wird er mir nie geraubt.


II.
Auf der Reise
Von ferne kommt zu mir die trübe Kunde.
Es trennt mich ein Gebirg mit Wald und Klüften,
Blau dämmernd in des Horizontes Düften,
Von dort, wo ich erlitt die Todeswunde.

Da mach' ich auf die Wandrung mich zur Stunde:
Wo Bäche stürzend rauschen in den Schlüften,
Wo Felsen sich gewölbt zu dunkeln Grüften,
Da ist der Pfad mit meinem Sinn im Bunde.

Hier reif'te jüngst hindurch, die ich betraure,
Nicht achtend auf des schroffen Wegs Beschwerde;
Zur heitern Landschaft südlich hingezogen.

Mai war's, nun heißt es Sommer, und ich schaure
Von kaltem Sturm; ihr ward zum Grab die Erde:
Der Lenz hat Allen, Jugend ihr gelogen.


III.
Der Gesundbrunnen
Der Himmel lacht, es wehen warme Lüfte,
Die Gauen blüh'n ringsum mit Wein und Korne.
Hier schirmen Hügel vor des Nordwinds Zorne
Ein kleines Thal voll frischer Wiesendüfte.

Und es ergießt der Schooß der kühlen Klüfte
Heilsamen Trank in ewig regem Borne.
Da fällt mich die unheimliche, verworrne
Vorahndung an: hier sind auch Todtengrüfte.

Kannst du dich so, Natur, mit Mord besudeln?
Wie, oder war dir jede Kraft und Tugend
Vom unerbittlichsten Gestirn gebunden?

Ja, hier, wo selbst die Quellen Leben sprudeln,
Hat, in der Rosenhülle froher Jugend,
Mein süßes Leben seinen Tod gefunden.


IV.
Der erste Besuch am Grabe
Schon Wochen sind es, seit sie hier versenket
Den süßen Leib, von aller Huld umfloßen,
Der das geliebte Wesen eingeschloßen,
Zu dem umsonst mein Sehnen nun sich lenket.

Welk ist der Kranz, dem Grabe frisch geschenket,
Und nicht ein Halm dem Hügel noch entsproßen;
Die Sonne zielt mit glühenden Geschoßen,
Noch Thau noch Regen hat den Staub getränket.

Auch werd' ich dazu nicht des Himmels brauchen.
Kehr' dich nur weg, fühlloses Weltenauge!
Ihr Wolken mögt euch anderswo ergießen.

Nur meine Thränen, heil'ger Boden, sauge!
Bei warmem Liebesblick und kühlem Hauchen
Der Seufzer sollen Wunderblumen sprießen.


V.
Geliebte Spuren
Dich sollt' ich haßen, und ich muß dich lieben,
Ort! der mein Kleinod geizig wollte haben,
Nicht um sich sein zu freun, es zu vergraben;
Selbst reicher nicht, indeß ich arm geblieben.

Hier sind noch ihre Spuren eingeschrieben:
Auf diesen Wiesen saß sie; Schatten gaben
Ihr Busch und Baum, und Früchte, sie zu laben;
Die Blumenlust ließ Au und Feld sie üben.

Hier sang sie noch dem Echo muntre Lieder;
Jungfräulich wandelnd im Cyanenkranze
Ließ sie das goldne Haar anmuthig flattern.

Bald aber sank sie, ach! entseelt danieder,
Wie den Gespielen weggerafft im Tanze
Eurydice vom Stiche falscher Nattern.


VI.
Das Schwanenlied
Oft, wenn sich ihre reine Stimm' erschwungen,
Schüchtern und kühn, und Saiten drein gerauschet,
Hab' ich das unbewußte Herz belauschet,
Das aus der Brust melodisch vorgedrungen.

Vom Becher, den die Wellen eingedrungen,
Als aus dem Pfand, das Lieb' und Treu getauschet,
Der alte König sterbend sich berauschet,
Das war das letzte Lied, so sie gesungen.

Wohl ziemt sich's, daß der lebensmüde Zecher,
Wenn dunkle Fluten still sein Ufer küßen,
In ihren Schooß dahingiebt all sein Sehnen.

Mir ward aus liebevoller Hand gerißen,
Schlank, golden, süßgefüllt, bekränzt, der Becher;
Und mir zu Füßen braus't ein Meer von Thränen.


VII.
Die himmlische Mutter
Der Himmel, sagt man, kann Gewalt erleiden.
O drängen meiner Blicke Liebespfeile
Die Wolken durch, daß ich an deinem Heile,
Geliebtes Kind, mein Herz doch möchte weiden!

Du mußtest von der treuen Mutter scheiden:
Ward eine Mutter droben dir zu Theile?
Wer sagt dir Tröstung, die dein Mitleid heile,
Wenn du so fern herabschaust auf uns beiden?

Ein heil'ges Wort hat Botschaft ja gesendet,
Dort walt' ein weiblich Bild der Muttertriebe,
Das Herz der Welt, in ewigem Umarmen.

O, wenn von ernster Glorie Strahl geblendet,
Die zarte Seele flieht zum Schooß der Liebe:
Birg du, Maria, sie in deinen Armen.
(S. 127-135)
_____


 

Warnung

Ja, ich gestehe mir es mit Entzücken,
Ich bin dir hingegeben:
Doch, süßer Freund, bewahr' es wie dein Leben.

Der Lieb' ist nichts so eigen,
Als sich mit holder Schüchternheit umschleiern.
Hat sie schon nicht zu sorgen,
Und dürfte kühn sich zeigen,
Will sie geheim doch ihre Weihe feiern,
Und bricht der helle Morgen
Auf günst'ge Schatten ein, die sie verborgen,
So wird verstört, mit Beben,
Auch ihrer Träume zartester entschweben.

Ich scheue nicht das Necken
Gespitzter Zungen, noch des Pöbels Tadel.
Das wollt' ich muthig leiden,
Uns aller Welt entdecken,
Stolz auf die Wahl und meines Herzens Adel.
Allein von diesen Freuden
Beneid' ich Andern selber das Beneiden,
Kein fremder Sinn soll streben,
Zur Ahndung unsers Glückes sich zu erheben.

Wohl muß es bitter schmerzen,
Erlischt, in des Vergeßens Strom getauchet,
Der Liebe schönes Glühen.
Doch wenn aus stillem Herzen
Du von den Lippen erst das Wort gehauchet,
Kannst du's zurück nicht ziehen:
Drum werde nimmer dem Verrath verziehen;
Vergeßen sei Vergeben,
Wenn neue Wünsche seinen Schlaf beleben.

Es drängen sich die Seelen
Der Liebenden im Blick an's Licht der Sonne,
Wie hinter Schloß und Riegel;
Sie innigst zu vermählen,
Erschließet erst der Kuß das Thor der Wonne,
Und löset ihre Flügel.
Jetzt aber sei dir dieser Kuß als Siegel
Des Schweigens mitgegeben,
Das keine Macht vermöge wegzuheben.
(S. 71-72)
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Traute Nachtmusik

Linde lös't der Harfe Klimpern
Die gesunknen Augenwimpern.

Mit dem Liebchen in die Wette
Hatt' ich alle Lust errungen,
Und vom trauten Arm umschlungen
Ruht' ich aus an weicher Stätte.
Da entwich sie schlau dem Bette,
Wollte mir die müden Wimpern
Lösen mit der Harfe Klimpern.

Halb schon ist die Nacht entronnen,
Und sie will mich, ach! verjagen,
Denn verräth'risch möcht' es tagen.
Süße Töne, schlimm ersonnen!
Weckt mich auf zu neuen Wonnen,
Oder thaut mit leisem Klimpern
Liebesträum' auf meine Wimpern.

Wie sie deine Knie' umschloßen,
Zarte Finger sie durchirren,
Muß die Harfe Sehnsucht girren.
Mildre denn, was du beschloßen!
Manche Huld blieb ungenoßen,
Schmachtend heben sich die Wimpern:
Kose wieder! laß dein Klimpern.
(S. 282-283)
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Licht und Liebe

Nicht bloß spielt aus des Sonnenstrahles Reine
Die ganze Farbenwelt; die glüh'nde Helle
Wird auch auf Erden hoher Farben Quelle,
Die sie hervorruft, gleich als Widerscheine.

Da brennen Blumen, regt durch goldne Haine
Sich des Gefieders tausendfärb'ge Welle,
Das Raubthier schleicht in buntgestreiftem Felle;
Und in der Tiefe funkeln edle Steine.

So reift der Liebe Glut und heiß Erröthen,
Wie Sonnenkraft die irdischen Naturen,
Zum Farbenglanz der Phantasie Gebilde.

Ihr ebnen sich smaragdner die Gefilde,
Ihr wölbt der Himmel voller Azuren,
Wo schöner zuckend auch die Blitze tödten.
(S. 349)
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Zueignung des Trauerspiels Romeo und Julia

Nimm dieß Gedicht, gewebt aus Lieb' und Leiden,
Und drück' es sanft an deine zarte Brust.
Was dich erschüttert, regt sich in uns beiden,
Was du nicht sagst, es ist mir doch bewußt.
Unglücklich Paar! und dennoch zu beneiden;
Sie kannten ja des Daseins höchste Lust.
Laß süß und bitter denn uns Thränen mischen,
Und mit dem Thau der Treuen Grab erfrischen.

Den Sterblichen ward nur ein flüchtig Leben:
Dieß flücht'ge Leben, welch ein matter Traum!
Sie tappen, auch bei ihrem kühnsten Streben,
Im dunkel hin, und kennen selbst sich kaum.
Das Schicksal mag sie drücken oder heben:
Wo findet ein unendlich Sehnen Raum?
Nur Liebe kann den Erdenstaub beflügeln,
Nur sie allein der Himmel Thor entsiegeln.

Und ach! sie selbst, die Königin der Seelen,
Wie oft erfährt sie des Geschickes Neid!
Manch liebend Paar zu trennen und zu quälen
Ist Haß und Stolz verschworen und bereit.
Sie müßen schlau die Augenblicke stehlen,
Und wachsam lauschen in der Trunkenheit,
Und, wie auf wilder Well' in Ungewittern,
Vor Todesangst und Götterwonne zittern.

Doch der Gefahr kann Zagheit nur erliegen,
Der Liebe Muth erschwillt, je mehr sie droht.
Sich innig fest an den Geliebten schmiegen,
Sonst kennt sie keine Zuflucht in der Noth.
Entschloßen sterben, oder glücklich siegen
Ist ihr das erste, heiligste Gebot.
Sie fühlt, vereint, noch frei sich in den Ketten,
Und schaudert nicht bei Todten sich zu betten.

Ach! schlimmer droh'n ihr lächelnde Gefahren,
Wenn sie des Zufalls Tücken überwand.
Vergänglichkeit muß jede Blüth' erfahren:
Hat aller Blüthen Blüthe mehr Bestand?
Die wie durch Zauber fest geschlungen waren,
Löst Glück und Ruh und Zeit mit leiser Hand,
Und, jedem fremden Widerstand entronnen,
Ertränkt sich Lieb' im Becher eigner Wonnen.

Viel seliger, wenn seine schönste Habe
Das Herz mit sich in's Land der Schatten reißt,
Wenn dem Befreier Tod zur Opfergabe
Der süße Kelch, noch kaum gekostet, fleußt.
Ein Tempel wird aus der Geliebten Grabe,
Der schimmernd ihren heil'gen Bund umschleußt.
Sie sterben, doch im letzten Athemzuge
Entschwingt die Liebe sich zu höherm Fluge.

Dieß mildert dir die gern erregte Trauer,
Die Dichtung führt uns in uns selbst zurück.
Wie fühlen beid' in freudig stillem Schauer,
Wir sagen es mit schnell begriffnem Blick:
Wie unsers Werths ist unsers Bundes Dauer,
Ein schön Geheimniß sichert unser Glück.
Was auch die ferne Zukunft mag verschleiern,
Wir werden stets der Liebe Jugend feiern.
(S. 35-37)
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Die Flucht der Stunden

O daß ihr stille stündet, sel'ge Stunden!
Weil ihr verdient zu weilen, müßt ihr eilen,
Was euch vervielfacht, scheint euch zu zertheilen:
Endlos Entzücken macht euch zu Sekunden.

"Was klagst du? Wie gefunden, so verschwunden.
"Befiedert trugen wir mit Amors Pfeilen
"Dir Lust herbei, und süße Gunst, zu heilen
"Die Wunden, die dein Herz kaum überwunden."

So seid denn, Stunden, meiner Wonne Musen!
Lehrt mich, von eurem Flug nicht fortgerißen,
Ruhig die holde Gegenwart zu saugen.

"Lausch dem Sekundenschlag am schönsten Busen,
"Und zähle jeden Odemzug nach Küßen;
"Ein Augenblick blitzt manchen Blick der Augen."
(S. 336)
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Der letzte Wunsch

O ich weiß, beschränkt und nichtig
Ist des Menschen Sein und Thun;
Und wir schweifen in der Irre,
Und wir finden im Gewirre
Keine Stätt', um auszuruhn.

Traum nur bist auch du und Schatten,
Traum vom Schatten, süßes Weib!
Deine Leiden, deine Wonnen,
Wasserblasen gleich zerronnen,
Sind des Schicksals Zeitvertreib.

Aber sprich: sind unsre Herzen
Auch der Zeit, des Zufalls Spott?
Schwillt mein Busen nicht mit Beben
Mir von selbstgeschaffnem Leben?
Bin ich mir nicht selbst ein Gott?

Freilich wär's ein Spiel den Göttern,
Dieß, was allen Gram mir lohnt,
Was mich trotzen heißt den Wettern,
Mit dem Herzen zu zerschmettern,
Wo es stolz und muthig wohnt.

Doch so lang' es pocht, soll ringen
Nach dem Höchsten jeder Schlag.
Meinen heil'gen Kranz entblättern,
Meine Göttin mir entgöttern,
Welche Macht, die das vermag?

Sind dieß Wirbel rascher Flammen?
Taumel wilder Leidenschaft?
Nein, ich fühl' in diesem Streben
Inniges, geheimes Leben,
Seelenwürd' und Licht und Kraft.

Könnte je die Glut erlöschen,
Die auf deinem Altar flammt,
Göttin, o! so laß mich sterben,
Laß mich süßen Tod erwerben,
Eh' das Schicksal mich verdammt;

Mich verdammt zu ödem Leben,
Das dem Tode langsam weicht,
Freudenleer, in dumpfem Kummer,
Während sich des Grabes Schlummer
Kalt durch Mark und Nerven schleicht.

Laß vom Dasein mich genesen,
Sanftes Weib, an deiner Brust.
Wuth und Wonne wird mein Wesen
Auf im letzten Kuße lösen.
Ha! willkommen, Todeslust!
(S. 23-24)
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Die verfehlte Stunde

Quälend ungestilltes Sehnen
Pocht mir in empörter Brust.
Liebe, die mir Seel' und Sinnen
Schmeichelnd wußte zu gewinnen,
Wiegt dein zauberisches Wähnen
Nur in Träume kurzer Lust,
Und erweckt zu Thränen?

Süß berauscht in Thränen
An des Lieben Brust mich lehnen,
Arm um Arm gestrickt,
Mund auf Mund gedrückt,
Das nur stillt mein Sehnen!

Ach, ich gab ihm keine Kunde,
Wußt' es selber nicht zuvor;
Und nun beb' ich so beklommen:
Wird der Traute, wird er kommen?
Still und günstig ist die Stunde,
Nirgends droht ein horchend Ohr
Dem geheimen Bunde.

Treu im sel'gen Bunde
An des Lieben Brust mich lehnen,
Arm um Arm gestrickt,
Mund auf Mund gedrückt,
Das nur stillt mein Sehnen.

Hör' ich leise Tritte rauschen,
Denk' ich: ah, da ist er schon!
Ahndung hat ihm wohl verkündet,
Daß die schöne Zeit sich findet,
Wonn' um Wonne frei zu tauschen. -
Doch sie ist schon halb entflohn
Bei vergebnem Lauschen.

Mit entzücktem Lauschen
An des Lieben Brust mich lehnen,
Arm um Arm gestrickt,
Mund auf Mund gedrückt,
Das nur stillt mein Sehnen.

Täuschen wird vielleicht mein Sehnen,
Hofft' ich, des Gesanges Lust.
Ungestümer Wünsche Glühen
Lindern sanfte Melodieen. -
Doch das Lied enthob mit Stöhnen
Tief erathmend sich der Brust,
Und erstarb in Thränen.

Süß berauscht in Thränen
An des Lieben Brust mich lehnen,
Arm um Arm gestrickt,
Mund auf Mund gedrückt,
Das nur stillt mein Sehnen.
(S. 200-201)
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Kampaspe

Schönheit ist dem Muth beschieden,
Lieb' erobert sich der Held;
Nach den Kämpfen ward Alciden
Hebe's Blüthe zugesellt.
Rasch besiegt von Alexandern
Bot die Welt ihm Wahl und Lust:
Eine doch, vor allen andern,
War das Kleinod seiner Brust.

Von der Perlen Vaterlande
Als die köstlichste bewahrt,
Sproßte sie an Indus Strande,
Eine Blume, schlank und zart.
Nun aus mütterlichem Schatten
Weit verpflanzt in fremde Luft,
Athmet willig sie dem Gatten
Leise Kühlung, süßen Duft.

Ihre Jugend darzustellen,
Eh die Zeit sie angehaucht,
Ruft Philippus Sohn Apellen,
Der in Reiz den Pinsel taucht.
"Was sie schönes hat und holdes,
"Laß es mir unsterblich sein,
"Und des Ruhmes und des Goldes
"Sei, so viel du wünschest, dein."

Die ein Sohn des Zeus erkoren,
Spricht der Mahler froh entzückt,
Ist, zum Götterlooß geboren,
Schon der Sterblichkeit entrückt.
Ja, du sollst die Göttin schauen,
Wie sie halb noch knieend schwebt,
Wie die Locken um sie thauen,
Da sie aus dem Schaum sich hebt.

Still gesenkt die Augenlieder,
Folgt Kampaspe dem Geheiß,
Hinzuleihn die zarten Glieder
In des Künstlers Zauberkreiß.
Sie enthüllt sich, und erröthend
Flieht sie in sich selbst zurück;
Sterbend und in Glut ertödtend
Schwimmt ihr süß verwirrter Blick.

Und sie neigt sich, an Geberden,
Wie an Haupt und Leib und Brust,
Aphrodite ganz zu werden,
Ohne Zwang und unbewußt.
Stammelt sie in Hellas Tönen,
Faßt sie doch den Künstler schnell;
Von der Anmuth und dem Schönen
Spricht sein Auge glänzend hell.

Es verklärt sich mit den Zügen,
Die sein Pinsel scheu entwirft;
Kein Betrachten kann ihm gnügen,
Wie er auch den Nektar schlürft.
Göttin nannt' er sie der Liebe:
Ach! er fühlet ihr Gesetz,
Und befangen alle Triebe
In der eignen Dichtung Netz.

Ruh und Sinn ist ihm entflohen,
Daß er träumend alles thut.
Nicht den zürnenden Heroen
Fürchtet sein entflammter Muth.
Aber sein Vertrau'n beschämen?
Raub am theuren Pfand begehn?
Nein, er will sich streng bezähmen,
Und die Wünsche nicht gestehn.

Forschend nach der Schönen Bilde
Tritt der junge Held herein:
Prangend hoch in Helm und Schilde
Kommt er aus der Krieger Reihn.
Er ist Ares, sie Cythere;
Beide knüpft die schönste Wahl,
Und sein Werk, des Meisters Ehre,
Wird ein Denkmal seiner Qual.

Ob er lächelnd sie verhehle,
Ihn durchschaut des Königs Blick.
Er beherrscht die große Seele,
Und beschließt des Freundes Glück.
"Magst du nur mich treulos schelten!
"Wunderbar gelang dein Fleiß,
"Doch ich will ihn nicht vergelten:
"Fordre von ihr selbst den Preis.

"Du bist ihrer Schönheit Spiegel,
"Und sie wäre dir nicht hold?
"Hier ich eurem Bund gewollt.
"Kannst du ihren Reiz entwenden,
"So erwirb auch ihre Gunst,
"Und die Liebe laß vollenden
"Was begonnen deine Kunst."
(S. 211-214)
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An Bürger

Süßer Sänger, willst du mir vertrauen,
Wo sie wohnt, die dein Gesang erhebt?
Wo sie wandelt, wo ihr Odem webt,
Muß Gedeihn und Lust die Flur bethauen.

Wie? du winkst mir, da hinauf zu schauen,
Wo der Feiertanz der Sterne schwebt?
Die im Liede lieblich blüht und lebt,
Weilt sie schon auf Paradieses-Auen?

Sänger, deine Müh wird doch belohnt.
Einsam klagst du nicht am Grabeshügel,
Jedem Laute gabst du Seraphsflügel.

Wo bei Laura deine Molly wohnt,
Hören beide, zart, wie Tauben girren,
Durch die Amaranthenlaub' ihn irren.
(S. 352)
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Fortunat
Romanze

Thauig in des Mondscheins Mantel
Liegt die stille Sommernacht,
Und ein Ritter reitet singend
Wiesenplan und Wald entlang.

Munter zu, mein gutes Pferdchen!
Sagt er, klatscht ihm sanft den Hals;
Weißt du nicht, daß wartend Lila
An dem offnen Fenster wacht?

Bist ja kein Turnier- und Streit-Roß,
Wie sein Reiter steif und starr,
Das, den Stachel an der Stirne,
Nur so blindlings rennen mag.

Nein, du trägst auf seinen Zügen
Den behenden Fortunat,
Schmiegst mit ihm dich still im Dunkel
Ueber Stege, glatt und schmal.

Bald zu dieser, bald zu jener
Gieng die heimlich nächt'ge Bahn;
Abends hin mit raschem Sehnen,
Früh zurück mit trägem Gram.

Wann ich oft von deinem Rücken
Mich zur hohen Kammer schwang,
Standst du still, bis mich empfangen
Der Geliebten zarter Arm.

Ja ich weiß, wenn eine Spröde
Herz und Thür verschlöße gar,
Würdest du mit leisem Hufe
Klopfen, bis sie aufgethan.

Wie er noch die Worte redet,
Oeffnet sich ein heimlich Thal.
Bin ich, sprach er, irr' geritten?
Ist mir's doch so unbekannt.

Wunderlich durch Sträuch' und Bäume
Schleicht des Mondes blaßer Strahl,
Und ein Busch mit blüh'nden Rosen
Winkt von drüben voll und schlank.

Busch, ich grüß' in dir mein Bildniß,
Rosen trägst du ohne Zahl;
Und mir blüht im regen Herzen
So der Liebe süße Wahl.

Manche reif, und Knospen andre,
Alle doch verblüh'n sie bald,
Und der Saft, der jene füllte,
Wird den jüngern zugewandt.

Denn den Kelch, der sich entblättert,
Schließet keines Willens Kraft.
Lila, Lila! diese Knospen
Droh'n dir meinen Unbestand.

Aber daß du nicht ihn ahndest,
Komm' ich mit dem Kranz im Haar,
Biet' ein schön erröthend Sträußchen
Deinem weißen Busen dar.

Rosen, Rosen! laßt euch pflücken,
So zu sterben ist kein Harm:
O wie will ich euch zerdrücken
Zwischen Brust und Brust so warm!

Und er lenkt das Roß entgegen,
Doch es scheut sich, wie es naht,
Und er kann von keiner Seite
Dicht zur Rosenlaub' hinan.

So gewohnt bei Nacht zu wandern,
Thöricht Roß, wie kommt dir das?
Fürchtest du die Licht' und Schatten,
Wankend auf dem feuchten Gras?

Doch es tritt zurück und bäumt sich,
Wie er spornt und wie er mahnt;
Drauf mit seinen Vorderfüßen
Stampfet es den Grund und scharrt.

Wühlet weg den lockern Boden.
Tief und tiefer sich hinab.
Schätze, glaub' ich, willst du graben;
Eben ist's ja Mitternacht.

Unter seinem Huf nun dröhnt es,
Das sind Bretter, ist ein Sarg,
Und es traf ein Schlag gewaltig,
Daß der schwarze Deckel sprang.

Schwingen will er sich vom Sattel,
Doch er fühlt sich dran gebannt,
Und der Gaul steht jetzo ruhig
Vor dem Sarg, im Boden halb.

Und es hebt sich wie vom Schlummer
Eine weibliche Gestalt,
Deren Züge blaßer Kummer,
Aber sanfte Lieb' umwallt.

Kommst du, hier mich zu besuchen,
Deine Clara, Fortunat?
Diese Linden, diese Buchen
Waren Zeugen unsrer That.

Wie du Treue mir geschworen,
Wie dein Mund so flehend bat,
Meine Ros' ich dann verloren,
Und die Scham danieder trat.

Doch die Sünde ward mir theuer,
Mahnte nun mich früh und spat;
Für des Angedenkens Feuer
Wußt' ich keinen andern Rath,

Als mich hier so kühl zu betten,
Wie du siehst, daß ich gethan.
Ach! ich hofft' in Liebesketten
Dich noch einmal hier zu fahn.

Von des stillen Thales Schooße
Wird geschirmt die bange Scham;
Lieb' erzog hier manche Rose
Für die eine, die sie nahm.

Sieh dieß Lager, traut und enge,
Wie ich sorgsam anbefahl,
Daß es uns zusammendränge
Zu der süßen Wollust Qual.

Durch des Vorhangs grünen Schleier
Bricht kein unwillkommner Strahl,
Und uns weckt aus ew'ger Feier
Keiner Mond' und Sonnen Zahl.

In den kühlen Arm zu sinken
Beut die heiße Brust mir dar.
Deine Seel' im Kuße trinken
Will ich nun und immerdar.

Leise zieht sie ihn hernieder:
Schöner Jüngling, so erstarrt?
Kaum gebrochne Augen hebend,
Sinkt er zu ihr in den Sarg.

Lila, Lila! wollt' er lispeln,
Doch es ward ein sterbend Ach,
Weil alsbald des Grabes Schauer
Seinen Lebenshauch verschlang.

Mit Getöse taumeln wieder
Fest die Bretter auf den Sarg,
Und ein Sturm verwühlt die Erde,
Die der Gaul hat aufgescharrt.

Heftig bricht er alle Rosen,
Säuselnd blättern sie sich ab,
Streu'n sich zu des Brautbettes Weihe
Purpurn auf das grüne Gras.

Weit ist schon das Roß entsprungen,
Flüchtig durch Gebirg' und Wald,
Kommt erst mit des Tages Anbruch
Vor der Hütte Lila's an.

Bleibt da stehn, gezäumt, gesattelt,
Ledig, mit gesenktem Hals,
Bis die arme schlummerlose
Seine Botschaft wohl verstand.

Und dann floh es in die Wildniß,
Wo kein Aug' es wieder sah,
Wollte keinem Ritter dienen
Nach dem schlanken Fortunat.
(S. 229-234)
_____


 

Fragment
Im Sommer 1791

Und schmacht' ich so mit allen meinen Sinnen
Nach deinem süßen, labungsvollen Kuß,
Und kann nicht Einen Blick von dir gewinnen,
Nicht Einen Hauch, nicht Einen leisen Gruß -
O Traute, welch unseliges Beginnen,
Daß ich von dir mich selbst verbannen muß?
So glühend jung, du Göttin meiner Freuden,
Soll ich vom Sonneblick der Liebe scheiden?

Soll einsam nun auf fernen, öden Fluren -
Doch nein! auch hier ist Gottes freie Welt;
Kein Raum begränzt die himmlischen Azuren:
Ich ruh' auch hier umwölkt vom Sternenzelt.
Die Pflegerin der irdischen Naturen,
Die alles Dasein schafft und trägt und hält,
Seh' ich sie nicht ringsum die Wesen laben?
Versagt sie mir auf ewig ihre Gaben?

Getrost! ich hab' aus ihrer ew'gen Fülle
An deinem Busen Labung eingesaugt.
Dein gütervoller unbegränzter Wille
Hat in ein Meer von Wonne mich getaucht;
Mutwill'ge Schönheit in der Unschuld Hülle
Hat flüsternd mir Gewährung zugehaucht,
Hat schüchtern sich mit holdem Widerstreben
Der glühenden Umarmung hingegeben.
(S. 27-28)
_____



Deutung

Was ist die Liebe? Les't es, zart geschrieben,
Im Laut des Worts: es ist ein innig Leben;
Und Leben ein im Leib gefeßelt Streben,
Ein sinnlich Bild von ewig geist'gen Trieben.

Der Mensch nur liebt: doch ist sein erstes Lieben
Der Lieblichkeit des Leibes hingegeben.
Will sich, als Leibes Gast, der Geist erheben,
So wird von Willkür die Begier vertrieben.

Doch unauflöslich Leib und Geist verweben
Ist das Geheimniß aller Lust und Liebe;
Leiblich und geistig wird sie Quell des Lebens.

Im Manne waltet die Gewalt des Strebens;
Des Weibes Füll' umhüllet stille Triebe:
Wo Liebe lebt und labt, ist lieb das Leben.
(S. 355)
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Gesang und Kuß

Wenn fremde Blicke wachsam uns umgeben,
Und unsre tiefe Sehnsucht, ungestillt,
Sich in der Heiterkeit Geberde hüllt,
Und leise kaum den Busen wagt zu heben:

Dann ist nur eins, o mein geliebtes Leben!
Was mein Gemüth mit Wonn' und Ahndung füllt:
Die Melodie, so deinem Mund' entquillt,
Der seelenvollen Töne sanftes Schweben.

Wie Liebesodem fühl' ich den Gesang
Auf diesen Lippen, die vergebens glühen;
Zum Kuße wird mir jeder zarte Klang.

Und nenne dieß nicht eitle Phantasieen.
Vernehm' ich nicht im schweigenden Umfang
Auch deines Herzens schöne Harmonieen?
(S. 333)
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An Doris

Wenn gern die Cither deiner Finger Schlägen
Gehorcht, und Lieder deinem Mund' entgleiten,
Scheint Wohllaut so mit Schönheit wettzustreiten,
Daß ich nicht weiß, was mächt'ger kann bewegen.

Blind wie das Recht, müßt' ich die Stimme wägen,
Auf daß die Augen nicht das Ohr mißleiten.
Doch deine Töne locken schon vom weiten
Des Hörers Blicke deinem Blick entgegen.

Beglücktes Holz, das dir im Arme weilend,
Von dir berührt, von deinem Reiz beseelet,
Beredt erwiedernd, Laut mit Laut vermählet!

Doch glücklicher, wer, dem Gesang voreilend,
Den Hauch all dieser lieblichen Accente
Auf deinen Rosenlippen suchen könnte!
(S. 334)
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Auf die Arme der Geliebten

Wie reiche Schöne ward euch schönen Armen!
Nur müßt ihr euch mit anmuthsvollem Regen
Nicht bloß zur Rede, selbst beredt, bewegen:
Die Arme sind gemacht, um zu umarmen.

Verbannt aus eurem Reich, muß ich verarmen;
Doch wollt ihr mich in enge Bande legen,
So lös't ihr mich: wer könnte Harm wohl hegen,
Gehegt in Armen, die von Lieb' erwarmen?

So zart geründet von den Schultern nieder
Ihr Grübchen spielet an den Ellenbogen,
Dann, lind geschweift, euch zu der Hand verenget,

Seid ihr doch mächtig wie des Atlas Glieder:
Ihn hat des Himmels Bürde tief gebogen,
Den ihr so leicht in eure Mitte dränget.
(S. 335)
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Aus den Augen, aus dem Sinn
Variationen

I.
Wie vergeßlich war die Schöne,
Als sie 'unvergeßlich' sprach!
Lieblich klangen diese Töne,
Hallten mir im Herzen nach.

Aber ach! die Seufzer bringen
Mir kein Echo mehr zurück.
Wankelmuth auf leichten Schwingen
Trug hinweg mein kurzes Glück.


II.
Nach dem Französischen
In den Sand am Seegestade
Schriebst du unsern Namenszug.
Ueberströmt vom Wellenbade
Schwand die leichte Spur im Flug.

Doch dieß Sinnbild deiner Triebe,
Bei so viel Vergänglichkeit,
Lebte länger als die Liebe,
Der es deine Hand geweiht.
(S. 300)
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Die Sprache der Liebe

Liebe denkt in süßen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern;
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.
Tieck

Erste Weise

Worte sind nur dumpfe Zeichen
Die Gemüther zu entziffern,
Und mit Zügen, Linien, Ziffern,
Läßt sich Wißenschaft erreichen.
Doch aus den äther'schen Reichen
Läßt ein Bild des ew'gen Schönen
Nieder zu der Erde Söhnen
Nur in Bild und Ton sich schicken:
Liebe spricht in hellen Blicken,
Liebe denkt in süßen Tönen.

Liebe stammt vom Himmel oben,
Und so lehrte sie der Meister,
Welchen seine hohen Geister
In derselben Sprache loben.
Denn beseelt sind jene Globen,
Strahlend redet Stern mit Stern,
Und vernimmt den andern gern:
Wenn die Sphären rein erklingen.
Ihre Wonn' ist Schau'n und Singen,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Stumme Zungen, taube Ohren,
Die des Wohllauts Zauber fliehn,
Wachen auf zu Harmonie'n,
Wenn sie Liebe neu geboren.
Memnons Säule, von Auroren
Angeschienen leis' und fern,
Haucht so aus dem starren Kern
Ihre Sehnsucht aus in Liedern,
Und der Mutter Gruß erwiedern
Nur in Tönen mag sie gern.

Musik ist die Kunst der Liebe
In der tiefsten Seel' empfangen,
Aus entflammendem Verlangen
Mit der Demuth heil'gem Triebe.
Daß die Liebe selbst sie liebe,
Zorn und Haß sich ihr versöhnen,
Mag sie nicht in raschen Tönen
Bloß um Lust und Jugend scherzen:
Sie kann Trauer, Tod und Schmerzen,
Alles, was sie will, verschönen.
 

Zweite Weise
Laß dich mit gelinden Schlägen
Rühren, meine zarte Laute!
Da die Nacht hernieden thaute,
Müßen wir Gelispel pflegen.
Wie sich deine Töne regen,
Wie sie athmen, klagen, stöhnen,
Wallt das Herz zu meiner Schönen,
Bringt ihr aus der Seele Tiefen
Alle Schmerzen, welche schliefen;
Liebe denkt in süßen Tönen.

Zu dem friedlichen Gemach
Wo sie ruht in Blumendüften,
Laß noch in den kühlen Lüften
Tönen unser schmelzend Ach.
Halb entschlummert, halb noch wach,
Angeblickt vom Abendstern
Liegt sie, und vernimmt wohl gern
In den leisen Harmonieen
Träume, Bilder, Fantasieen,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Inn'ger, liebe Saiten, bebet!
Lockt hervor den Wiederhall!
Weckt das Lied der Nachtigall,
Und wetteifernd mit ihr strebet!
Doch wenn Sie die Stimm' erhebet,
Dann erkennet euren Herrn,
Lauscht demüthig und von fern.
Horch! schon singt der holde Mund,
Denn verrathen unsern Bund
Nur in Tönen mag sie gern.

Nun noch einmal, gute Nacht!
Und an deinem Lager säume
Nur der zärtlichste der Träume,
Bis der Morgen wieder lacht.
Dann geh' auf in stiller Pracht,
Wie der Tag den Erdensöhnen,
Meine Hoffnungen zu krönen.
Kann doch deine Blüthenjugend,
Unschuld, Anmuth, reine Tugend,
Alles, was sie will, verschönen.
 

Dritte Weise
Wie sie auf und nieder wogen,
Gold'ne Töne, daß mein Herz
Bebt vor Lust und bebt im Schmerz,
Von den Tönen fortgezogen!
Ringend, kämpfend mit den Wogen
Muß ich matt und leise stöhnen,
Mich fast sterbend doch versöhnen,
Wie im wunderhellen Klingen
Die Gedanken zu mir dringen:
Liebe denkt in süßen Tönen.

Vom melod'schen Hauch umfloßen
Blühet nun zum Preis und Ruhme
Herrlich auf der Liebe Blume,
Von der Kraft im Ton entsproßen.
Thränen, süß dem Aug' entfloßen,
Netzen nun die Pflanze gern,
Meines Lebens lichten Stern.
Kein Gedank' an ferne Trauer
Fährt noch durch die Brust mit Schauer,
Denn Gedanken stehen zu fern.

Wie die Blum' im leisen Schwanken
Zarte Liebe nun verhauchet,
So mein Herz in Wonne tauchet,
Daß mir alle Sinne wanken.
Knieend, weinend muß ich danken;
Himmelsblume, Erdenstern,
Rühren an des Herzens Kern
Von dem schönsten Wahnsinn trunken,
Und verstreu'n der Liebe Funken
Nur in Tönen mag sie gern.

Wie die Töne niederfließen,
Ist es bald ein goldner Schein,
Worin zarte Kinderlein
Spielend auf und nieder schießen,
Neue Wonnen neu entsprießen,
Und die Seele selig krönen,
Sie der Erde zu entwöhnen:
Denn solch liebliches Gewimmel
Kann ihr zu der Himmel Himmel
Alles, was sie will, verschönen.
 

I.
Blumen, ihr seid stille Zeichen,
Die aus grünen Boden sprießen,
Düfte in die Lüfte gießen,
So das Herz zur Lieb' erweichen.
Dennoch mögt ihr nicht erreichen
So das Herz, den Schmerz versöhnen,
Enden alles Leid und Stöhnen,
Daß ihr könntet als Gedanken
In den grünen Blättern schwanken:
Liebe denkt in süßen Tönen.

Wollt' ich meine Liebe sprechen,
Ach! als Botin meiner Klagen
Sollte meine Hand nicht wagen
Bunte Blumen abzubrechen.
Still laß' ich die Dornen stechen,
Wag' die süßen Schmerzen gern,
Denn mir scheint kein günst'ger Stern,
Drum will ich nicht Worte hauchen,
Mag auch nicht Gedanken brauchen,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Blumen, Worte und Gedanken,
Manche Sehnsucht mögt ihr stillen,
Manchen holden Wunsch erfüllen,
Manches Herz mag wohl euch danken.
Träume, süß, wie mich umwanken,
Denen bleibt ihr ewig fern;
Sie regiert ein andrer Stern.
Selbst der Purpurglanz der Rosen
Ist zu matt der Liebe: kosen
Nur in Tönen mag sie gern.

Hätt' ich zarte Melodien,
Sie als Boten wegzusenden,
Würde bald mein Leid sich enden,
Und mir alle Freude blühn.
Holde Liebe zu mir ziehn
Würd' ich dann mit süßen Tönen,
Meinen Bund auf ewig krönen:
Denn mit himmlischen Gesängen
Kann Musik in goldnen Klängen
Alles, was sie will, verschönen.
 

IV.
Hör' ich durch die dunkeln Bäume
Nicht, wie sie sich rauschend neigen,
Wünsch' aus treuem Busen steigen,
Die sich leise nah'n, wie Träume?
Schwebt nicht durch die grünen Räume
Was das Leben mag verschönen
Und mit aller Wonne krönen?
Fühl' ich nicht, wie die Gedanken
Holder Liebe mich umwanken?
Liebe denkt in süßer Tönen.

Flieht, o Töne, flieht zurücke,
Wie ihr euch in Wipfeln schaukelt,
Schmeichlerisch mein Herz umgaukelt,
So ertrag' ich nicht mein Glücke.
Trüget ihr doch meine Blicke
Wieder hin zu eurem Herrn,
Brauchtet euren Zauber gern,
Strömtet aus in süßen Klängen
Liebender Gefühle Drängen,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Wie die Tön' in Lüften schweben,
Blumen zitternd, wankend Gras,
Ach, sie alle fühlen das,
Was mich zwingt vor Lust zu beben.
Worte, euer regstes Streben
Ist mir ohne Mark und Kern;
Bleibt, o bleibt mir jetzo fern!
Was uns kann in Wonne tauchen
Weiß die Lieb', und es verhauchen
Nur in Tönen mag sie gern.

Rührt die Zweige dann, ihr Winde!
Singet, bunte Vögelein!
Rauschet, klare Bäche, drein!
Daß ich also Boten finde.
Denn verklungen, ach! geschwinde
Sind die Lieder, von den Tönen
Muß sich nun mein Ohr entwöhnen.
Darum spielt mit zartem Triebe,
Dient der Lieb'! es kann die Liebe
Alles, was sie will, verschönen.
 

Raphael
Wenn sich neue Liebe regt,
Alles die Gefühle wagen,
Die man, ach, so gerne hegt,
Laß mich fühlen, doch nicht sagen,
Wie die Seele sich bewegt.
Wird sie jemals sich beschränken?
Sich in Lust und Leid zu senken,
Kann sie nimmer sich entwöhnen?
Doch was soll das eitle Denken?
Süße Liebe denkt in Tönen.

Wenn die Nachtigallen schlagen,
Hell die grüne Farbe brennt,
Will ich, was die Blumen sagen
Und das Auge nur erkennt,
Leise kaum mich selbst befragen.
Wenn ich wandl' auf stiller Flur,
Still verfolgend die Natur,
Und sie fühlend denken lerne,
Folg' ich den Gefühlen nur,
Denn Gedanken stehn zu ferne.

Wer es je im Herzen wagte,
Zu dem Aether zu entfliehen,
Den der Himmel uns versagte,
Denkt in leisen Phantasieen,
Was er nie in Worten sagte.
Worten ist es nicht gegeben,
Unsre Seele zu beleben;
Nah' sich ahnden schon das Ferne,
Lächelnd weinen, lieben, leben
Nur in Tönen mag sie gerne.

Wenn sich süß Musik ergoßen,
Darf er der Gesang nur wagen,
Und in Wohllaut hingegoßen
Leise zu der Laute sagen,
Daß im Wohllaut wir zerfloßen.
Wenn man den Gesang nur kennte,
Ihn den Schmerzen nicht mißgönnte,
Würden sie sich leicht versöhnen,
Und die schöne Liebe könnte
Alles, was sie will, verschönen. (S. 141-150)
_____

 

Alle Gedichte aus: August Wilhelm von Schlegel's Poetische Werke Herausgegeben von Eduard Böcking Dritte, sehr vermehrte Ausgabe
Erster Theil. 1. - 3. Buch. Vermischte Gedichte, Lieder, Romanzen und Sonette.
Leipzig Weidmann'sche Buchhandlung 1846

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/August_Wilhelm_Schlegel

 

 


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