Mathias Leopold Schleifer (1771-1842) - Liebesgedichte

 


Mathias Leopold Schleifer
(1771-1842)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Meinem lieben Reschen

Liebchen, komm, wir wandern,
Liebchen, ich und du;
Fromm gepaart nach Pilgerweise,
Wallen wir hinab die Reise
In das Land der Ruh'!

Amor mit der Fahne
Zeigt uns Steg und Bahn;
Jetzt auf heitern Blumentriften -
Jetzt in wilden Felsenklüften -
Amor zieht voran.

Wird die Aussicht trübe, -
Seiner Fackel Brand
Führt uns fort auf finstern Gleisen,
Wie der Stern die heil'gen Weisen
Aus dem Morgenland.

Brennt die Mittagssonne
Stirn und Wangen heiß,
Ritzt dein Füßchen sich an Dornen,
Amor führt zu kühlen Bornen,
Trocknet uns den Schweiß.

Will mein Liebchen speisen, -
Amor schaffet Kost,
Bringt in kühlen Geißblattlauben
Butterschnitten, frische Trauben,
Zuckersüßen Most.

Sehnet, matt und müde,
Liebchen sich nach Ruh',
Heißt er Arm um Arm uns schlingen,
Drücket dann mit sanften Schwingen
Uns die Wimpern zu.

Sehnet, lebensmüde,
Liebchen sich in's Grab, -
Amor gräbt auf stiller Haide
Uns den Hügel, senkt uns Beide,
Herz an Herz, hinab.

Liebchen, komm! gepaaret
Wandert sich's so schön!
Trennt das Grab auch die Gefährten, -
In den Paradiesesgärten
Ist das Wiederseh'n.
(S. 1-2)
_____



Liebeszauber

Wo einst das Todesrohr auf ihn geblitzt,
Den Böden zieht der Kronhirsch nimmer nach;
Nie weidet mehr das Mutterschaf am Bach,
Wo seines Lämmchens Blut der Wolf verspritzt;

Nie sucht das Täubchen mehr des Ulmbaums Dach,
Wo einmal ihm der Weih den Hals geritzt;
Die Schlummerstätte flieht die Hirtinn itzt,
Wo jüngst die Natter ihre Ferse stach.

Nur ich - ich weiß, wo meine Feindin lauscht, -
Den Irrweg, wo ich trunken mich verloren, -
Wo mir der Pfeil voll Gift ins Herz gerauscht;

Und fliehe nicht, und kenn', in Wuth berauscht,
Nichts Süßeres, als, gegen mich verschworen,
Die Wunde tief und tiefer nur zu bohren!
(S. 10)
_____



Heloise an Abelard
Frei nach Pope und Colardeau

In dieser Mauern dämmernder Umnachtung,
Um die der Genius des Friedens schwebt,
Wo ew'ges Schweigen wohnt, wo die Betrachtung
Das Auge unverwandt zum Himmel hebt, -
Woher der Sturm in meines Busens Tiefen?
Warum aus dieser Zelle schweift der Lauf
Der Sinne fort? Was lodern Flammen auf,
Die lange schon verhüllt in Asche schliefen?

Wie? - Lieb' ich noch? Ja, sie sind sein, die süßen,
Geliebten Züge! Heloise soll
Den Namen Abelard noch ein Mal küssen!
O Name, voll der Lust und wehevoll,
Ertöne nie von dieser Lippe wieder!
In Demuth schweigend ehre sie den Schwur,
Den sie vor Gott gethan; ihr ziemen nur
Der heil'gen Hora feierliche Lieder!

Im tiefsten Herzen berg' ich diesen Namen;
Mit des Erlösers Bild geselle dort
Sich Abelard's geliebtes Bild zusammen . . .
Halt ein, o Hand! schreib' nie mehr dieses Wort! -
Hier steht es schon, verlöscht es meine Zähren! -
Dein Weinen, Heloise! dein Gebet, -
Es ist umsonst; vergebens widersteht
Die schwache Hand dem Herzen, ihrem Herren!

Du schauerlicher Bau der Klosterhallen,
Wohin der Büßer selbstverklagend flieht;
Gewölbe, wo der Reue Seufzer schallen;
Ihr Stufen, von der Andacht wund geknie't;
Ihr Höhlen, starr von Dornen; ihr Altäre,
Um die die Jungfrau'n, bleich wie Lilien,
Beständig wachen, heil'ge Statuen,
Verkündiger der Selbstbeherrschungs-Lehre.

Ich blick' auf euch, ich blicke stumm zur Erden, -
Umsonst! Mich rufen Stimmen himmelwärts, -
Umsonst! Ich kann empfindungslos nicht werden!
Selbst im Gebete muß das halbe Herz
Auf der Natur Empörungsstimme hören;
Ob wachend, betend meine Seele ringt,
Ob ich den Leib kasteie, - nichts bezwingt,
Nichts kann die Glut, die in mir flammt, zerstören!

Kaum, daß dein Brief, die erste theure Kunde
Seit langer Zeit, von mir entfaltet ward,
So fühlt' ich bluten jede alte Wunde,
Neu aufgeritzt beim Namen Abelard.
O, diesen holden, schmerzlich süßen Namen, -
Mit Seufzen nur, nur weinend nenn' ich ihn,
Und nur mit Zittern les' ich meinen drin, -
Er und das Unglück steh'n so gern beisammen!

Von Zeil' in Zeile fliegt mein Aug' voll Thränen
Durch deinen Brief, ich finde Zug für Zug
Nur eine Gallerie von Trauerscenen:
Wie jetzt mein Herz voll heißer Liebe schlug;
Wie jetzt der Gram, der meiner Jugend Blume
Benagt, des Klosters Freistatt mir erwirbt,
Wo jede Flamm' in strenger Übung stirbt, -
Ach, selbst der Trieb zur Liebe und zum Ruhme!

Doch schreib' mir nur, Geliebter! schreib', ergieße,
Was noch in deinem Busen flammt und liebt!
Kein Seufzer schalle, keine Thräne fließe,
Die nicht mein Herz dir treulich wiedergibt!
Den einz'gen letzten Trost wollüst'ger Zähren,
Der mir vom Schicksal nicht entrissen ward,
Nicht von der Feinde Grimm, - soll Abelard,
Grausamer, als sie alle, mir verwehren?

Ich habe nichts mehr, als das Recht zu weinen.
So strömt, ihr Thränen, strömt aus Liebe nun,
Wie sonst aus Andacht, auf des Altars Steinen!
Dieß Aug' voll Gram, was kann es Bess'res thun,
Als lesen, oder sich in Thränen baden?
So gönne mir den Trost, zu zieh'n mit dir
Am Schmerzensjoch, ja mehr noch, lasse mir
Die Freude, es auf mich allein zu laden!

Zum Trost für liebende getrennte Seelen
Erfand ein Gott den Griffel und das Blatt;
Jetzt seh'n sie sich, sie sagen sich's, erzählen,
Was Liebe Zärtliches und Süßes hat;
Das Herz darf seine Sehnsucht frei erklären,
Ganz offen liegt es dem Geliebten da;
Der Trennung Schranke bricht, die Fern' ist nah,
Ein Seufzer tönt durch beide Hemisphären.

Als deine Liebe sich der Freundschaft Namen
Geborgt, - wie unschuldsvoll empfing ich sie!
Du schienst ein Engel, deines Auges Flammen
Ein Strahl vom Himmel meiner Phantasie;
Ich glaubte frei bewundern dich zu können,
Und - liebte dich; der ganze Himmel schien
Zu lauschen deiner Hymnen Melodie'n,
Dein Vortrag Jesus Wort noch zu verschönen.

Wen hätten jemals deines Glaubens Gründe
Nicht überzeugt? Wie gierig meine Brust
Den Glauben einsog: Lieb' ist keine Sünde!
Wie zog so süß der Reiz der Sinnenlust!
Nun war der Mann mir, dem ich mich verschworen,
Kein Engel mehr; der Engel Seligkeit
Sah ich in trüber Fern', und ohne Neid
Den Himmel selbst, den ich um dich verloren.

Oft dacht' ich, wenn mich die Verwandten trieben,
Mich zu vermählen, strenge Tyrannei
Sei das Gesetz, das Liebe nicht geschrieben;
Dem Volk der Lüfte gleich, schweb' Amor frei,
Und fliehe, will ihm Hymen Fesseln schmieden,
Mit leichter Schwinge fort! Sei Gold und Ruhm,
Des Namens makelloses Heiligthum
Ehrbarer Ehfrau'n Theil! - ich bin's zufrieden.

Dieß Afterglück zerrinnt in öde Leere,
Wenn Leidenschaft durchwühlt die heiße Brust.
Was seid ihr alle: Reichthum, Ruf und Ehre,
Verglichen mit der Liebe Götterlust?
Ach! Amor, sieht er sich gering geachtet,
Füllt rächend mit der Liebe Raserei'n
Das Herz, das, seine Flammen zu entweih'n,
Nach andern Freuden bei den seinen schmachtet.

Lieg' auf den Knie'n vor mir der Herr der Erden,
Und biet' er mir all seine Kronen, - nein!
Auch nicht des Cäsars Gattin will ich werden,
Des Liebenden Geliebte will ich sein!
O, wüßt' ich andre Namen noch zu nennen,
Noch freier, süßer! Glücklich sind ja nur
Zwei freie Liebende, die die Natur,
Nur ihr Gesetz, und andres kein's erkennen.

Ein Herz, von dem Geliebten ganz erfüllet,
Besitzet wechselweis', und gibt sich hin;
Oft, eh noch Zung' und Lippe ihn enthüllet,
Begegnet sich der Seelen stiller Sinn;
Denselben Wunsch, der Beid' erfüllet, lesen
Zwei Liebende eins in des andern Blick;
Und dieß - das einzige vollkomm'ne Glück -
Ist Abelard's, ist meines einst - gewesen.

O Wandel des Geschicks! Urplötzlich sehe
Ich das Entsetzlichste, was je geschah.
Gebunden, nackt liegt Abelard - o wehe!
In seinem Blute schwimmend liegt er da.
Wo warst du in der Stunden voll Entsetzen,
O Heloise? Dein Geschrei, dein Muth
Hätt' abgewandt, gereizt der Mörder Wuth:
Die Dolch' in deinem Blut allein zu netzen!

Barbaren, halt! Zurück von dem Geliebten!
Zum Mind'sten, weil, von Zärtlichkeit entbrannt,
Dieselbe Sünde wir zusammen übten,
So werd' auch beiden gleiche Straf' erkannt!
Sein Jammerruf zermalmt mich, wird mich tödten!
Habt Mitleid, Achtung für das Heiligthum
Des Zartgefühls der Frauen! - Ich erstumm'
In Thränen und in glühendem Erröthen. - -

Muß ich den Tag dir in's Gedächtniß rufen
Voll Pomp und Schmerz, wo, Opferlämmern gleich,
Wir standen an des Weihaltares Stufen,
In Thränen ganz zerflossen, jammerbleich?
Im Lenz des Lebens - wie viel Stoff zu Zähren! -
Sagt' ich der Welt Leb'wohl; mein Kuß, wie Eis,
Fällt auf den Schleier; es erbleicht der Kreis
Der Lichter auf den wankenden Altären.

Der Himmel selbst und seine Engel sahen
Mit Staunen auf den Schwur, den ich gethan;
Ich wag's, dem furchtbar'n Hochaltar zu nahen,
Nicht auf das Kreuz, nur auf den theuren Mann
Den Blick gewandt; nicht Eifer frommer Triebe
War mein Beruf, kein Strahl der Gnade, - nein!
Ich liebt' und litt; verloren wollt' ich sein,
Weil ich verlor den Abgott meiner Liebe.

So komm' denn, tröste, lindre meine Schmerzen
Durch Blick und Wort, die man dir nicht gewußt
Zu rauben, daß mein Haupt an deinem Herzen
Noch ein Mal raste, ich nach voller Lust
Am süßem Gifte deiner Augen schwelge,
Am süßen Gift der Lippen! - Was sie dir
Gelassen, gib; den Rest ersetze mir
Die Phantasie aus ihrem Zauberkelche!

Doch nein, entflieht, ihr Wünsche voll Verbrechen,
Auf ewig! Komm' als Lehrer meiner Pflicht,
Laß uns von minder flücht'gen Freuden sprechen,
Zeig' dem erhellten Blick in vollem Licht
Des Himmels Glorie; du selbst bewege
Das Herz mir, hinzuopfern dich um Gott!
Komm', es verdient auch ohne mein Gebot
Der treuen Schwestern Häuflein deine Pflege!

Sie sind ja deine Herd' und Pflanzung, deines
Gebetes Kinder, - ach, als Kinder schon
In dieß Asyl ruhathmenden Vereines -
Ein heilig Haus, von dir gebaut - entfloh'n!
Durch dich verschönt, tritt aus der Wildniß Hainen
Ein Paradies; in deines Tempels Bau
Stellt kein Altar des Vaters Gold zur Schau,
Um das so oft beraubte Waisen weinen.

Kein Prachtgemälde prangt an diesen Wänden,
Und keines Bildners Werk von Erz und Stein:
Ruchlosen Sündern abgepreßte Spenden,
Dem Himmel dargebracht in Todespein, -
Dem Himmel, den sie, statt ihn zu versöhnen,
Damit verwirken; nein, so einfach fromm,
Wie seiner Priester Schar, muß dieser Dom
Vom Preis des Schöpfers würdiger ertönen!

O, kämst du je hieher, wohin, geschieden
Von aller Welt, das Schicksal uns verwies,
Und säh'st du dieses Tempels Pyramiden,
Die grauenvoll', ehrwürd'ge Finsterniß,
In die nur schwach des Lichtes Schimmer fallen,
Durch trübe Fenster mühsam uns gebracht, -
Von deinem Auge würd' entflieh'n die Nacht,
Des Ruhmes Sonnenglanz dein Haupt umstrahlen!

Was soll mich jetzt darin erheitern können?
Schwer athmet drin der Wehmuth düstrer Hauch;
Nur Seufzer sind es, die dem Ohr ertönen,
Nur Augen voll von Thränen sieht das Aug'.
Komm', Vater! Bruder! Gatte! hab' Erbarmen!
Als deine Magd, als Schwester, als dein Kind -
Wenn diese Namen je dir heilig sind -
Beschwör' ich dich: hab' Mitleid mit mir Armen!

Unfähig ernsterer Betrachtung, irrend
Von Wunsch zu Wunsch, schwankt meine Seel' umher;
Der Anblick der Natur, so einfach rührend -
Ach, ehmals nur, jetzt rührt er mich nicht mehr! -
Der Fichten Kranz, am Felsenhang gepflanzet,
Durch deren Wipfel dumpf der Nordwind saus't;
Der Waldbach, vom Gebirg herabgebraus't,
Und sie, die murmelnd durch die Thäler tanzet.

Die Felsenquelle hier, die durch ihr Säuseln
Der Grotten Echo schwätzend aufgeregt;
Der Seeen Spiegel, die vom Ost sich kräuseln,
Dieß Alles, was mich einst so tief bewegt,
Kann meinen Frieden mir nicht wiederbringen;
Die Haine, Grotten, Felsen all bewohnt
Melancholie; der Boden, wo sie thront,
Sind Gräber, offen stets, uns zu verschlingen.

Mit finsterm Schweigen hat sie sich umgeben,
Das ganz des Todes ernstem Schweigen gleicht;
Die Landschaft, lachend einst und voller Leben,
Verdorrt durch sie, der Blumen Glanz erbleicht,
Das Grün der Wiese stirbt, des Baches Rauschen
Am Felsensturz ertönt wie Grabgesang,
Und rings umher scheint, schaudervoll und bang,
Ein heimlich Grauen unsichtbar zu lauschen.

Doch bin ich fest gebannt an diese Stätte
Auf ewig. O, welch Denkmal voller Pein
Der Lieb' und des Gehorsams! Diese Kette,
Die hier mich festhält, bricht der Tod allein.
Hier werd' ich einst noch fleckenfrei erscheinen,
Hier lischt sie einst noch aus, die Glut in mir,
Hier wird einst meine Asche ruh'n, und ihr
Vergönnt sein, sich zu mischen mit der deinen.

Verworfne! die als Jesus Braut, im Schleier,
In schnöder Sinnenlust gefangen bleibt!
Gott, rette mich! Woher dieß fremde Feuer?
Ist's Andacht, ist's Verzweiflung, was mich treibt?
Wie? In der Keuschheit heiligem Asyle,
Hier blieb der Lieb' und ihrer sünd'gen Lust
Noch ein Altar? Von Reue soll die Brust
Mir glüh'n, doch was vermag der schwache Wille?

Mein Gram gilt nicht der schuldbefleckten Flamme, -
Um den Geliebten traur' ich nur! Wie groß
Auch meine Sünde sei, - ich seh', verdamme,
Und - liebe sie! Die Lust, die ich genoß,
Bereu' ich jetzt, doch ach, - mit Wonnebeben!
Zum Himmel blick' ich büßend jetzt hinauf;
Jetzt denk' ich dein, und geb' es weinend auf,
Der Unschuld Frieden länger nachzustreben.

Ich kann dich nicht vergessen, meine Sünde
Kann ich nicht hassen; liegt doch stets in mir
Ihr Urstoff! O, ich Arme widerstünde
So gern, doch fühl' ich erst im Kampf mit ihr:
Der Sünde Schöpfer ist's, der meine Triebe
So mächtig reizt; es knüpft ein süßes Band
An das Verbrechen seinen Gegenstand;
Zerrissen ring' ich zwischen Reu' und Liebe.

Wie konnt' ein Weib so tief, wie ich empfinden,
So ganz durchglüht sein für den theuren Mann,
Und eine solche Liebe überwinden!
Eh meine Seele ihre Ruh' gewann,
In welchen Kämpfen hat sie sich gemessen!
Wie rangen Pflicht und Liebe, Reu' und Schmerz!
Bald hob sich stolz, bald sank das schwache Herz;
Es konnte Alles, nur nicht - dein vergessen.

Doch nein! ich habe nichts mehr zu erringen,
Nichts mehr zu fürchten, Alles ist vollbracht.
Komm', Vater! die Natur will ich bezwingen,
Gestärkt durch dich und deiner Lehre Macht.
Losreißen will ich mich von Lieb' und Leben,
Entsagen mir und dir; entsühnt und rein
Gehör' ich meinem Gott! Er kann allein
Ein Herz erfüllen, das du aufgegeben.

Der Jungfrau drei Mal Heil, der gottgeweihten!
Vergessen haben sich die Welt und sie;
Sie schmeckt des tiefsten Friedens Süßigkeiten;
In anspruchsloser Demuth weiß sie nie
Von einem Wunsch, den Gott verworfen hätte;
In Ruh' und Arbeit theilt sie wechselweis',
Und schließt mit sanftem Schlaf der Stunden Kreis,
Zum Wachen neu gestärkt und zum Gebete.

Ein Ziel nur hat ihr Sehnen und ihr Hoffen.
Sie weint, weil ihre Seel' in Lust zerfließt;
Sie betet, und es steh'n die Himmel offen;
Die Gnade des Dreieinigen umgießt
Ihr Haupt mit Glorien; die Engel senden,
Bewachend ihres Schlummers heil'ge Ruh',
Ihr reine wonnevolle Träume zu;
Der Bräut'gam harrt, den Trauring in den Händen;

Schneeweiß gekleidet singen ihr zum Ruhme
Die Jungfrau'n Hymnen; nur für sie allein
Blüht unvergänglich Edens schöne Blume;
Sie athmet Wohlgerüche, süß und rein,
Die mild von Seraphsflügeln niederwehen;
Doch endlich tönt der Himmelsharfen Ton!
Die Jungfrau stirbt, und sterbend sieht sie schon
Die Freuden, die kein menschlich Aug' gesehen.

In andern Träumen schweift, in andern Wonnen
Mein trunkner Geist. Die Rückerinn'rung malt
Am Abend, wenn der düstre Tag verronnen,
Mir meines Freundes lächelnde Gestalt.
Nun sprich, Natur; es schlummert das Gewissen,
Mein Herz ist ganz bei dir; die Phantasie
Weckt jene Nacht - ihr fluchend, lieb' ich sie -
Wo ich zuerst von Liebe hingerissen.

Ich hör', ich seh' dich; meine Händ' umfassen
Dein Bild, es fest zu halten; ich erwach'
Und höre, seh' nichts mehr, als mich verlassen!
Dein Bild entflieht, ich ruf' umsonst ihm nach, -
Wie du so grausam, hört es nicht mein Flehen! -
Die Arme streck' ich in den leeren Raum,
Die Augen schließ' ich zu, den süßen Traum,
Das holde Trugbild ein Mal noch zu sehen.

Wohl seh' ich dich, doch - trauriges Erscheinen!
Durch Wüsteneien zieh'n wir Hand in Hand,
Um unsers Lebens Jammer zu beweinen.
Urplötzlich stehst du jetzt auf hohem Rand
Einstürzender Ruinen, rings umkrochen
Von dunklem Epheu; itzo seh' ich dich
Auf Felsenspitzen, hoch und schauerlich,
Um die des Meeres Wogen brandend kochen.

Da scheinst du, zu des Himmels Höh'n erhoben,
Zu mir zu sprechen, doch der Wolken Zug
Steht trennend zwischen uns, die Wellen toben,
Es braust der Winde losgelassner Flug;
Entsetzen faßt mich, schnell entflieht mein Schlummer,
Ich finde mich vom alten Trauerkreis
Umgeben, - dem Verfolger bleib' ich Preis,
Der nimmer von mir weichet, meinem Kummer!

Gemildert hat das Schicksal deine Leiden,
Die herbe Strenge deines Strafgerichts;
Zwar weißt du nichts mehr von der Liebe Freuden,
Doch auch vom Schmerz der Liebe weißt du nichts;
Die tiefe Ruhe deines Busens stören
Der Leidenschaften Stürme nun nicht mehr:
So war das Weltmeer, eh der Winde Heer
Den Wink erhielt, es feindlich zu empören.

Dein Leben strömt dahin in stillem Frieden,
Wie eines Heil'gen Schlaf, deß Missethat
Der Himmel längst verzieh'n, und der hienieden
Nun für sein Heil nicht mehr zu kämpfen hat.
So komm' denn, theurer Abelard! Auf Erden
Bedroht kein Feind mehr deine fromme Pflicht!
Den Todten brennet Amors Fackel nicht,
Und all sein Zorn kann dich nicht mehr gefährden.

Dein Herz, nun voll Religion, verachtet
Die Stimme der Natur mit kaltem Muth;
Nur Heloise liebt dich noch, und schmachtet
In unvergänglich hoffnungsloser Glut:
So brennt, von nie versiegtem Oel befeuchtet,
Im Grabgewölb' die Lampe, deren Licht
Sich unnütz nur an Sarkophagen bricht,
Und deren matter Schein nur Todten leuchtet.

Welch neue Scenen seh' ich sich entfalten,
Wohin mein Auge blickt, wohin mein Tritt
Sich wendet, - holde, liebliche Gestalten,
So hold, als Unheil drohend, ziehen mit;
Ich mag mit nassem Aug' durch Gräber irren,
Am Fuße des Altares betend knie'n -
Nur jene Bilder fesseln mich und zieh'n
Mein Herz, das sie mit Zaubermacht verwirren.

Ich such' umsonst den Himmel; eitles Ringen!
Dein Bild, dazwischen stehend, spricht ihm Hohn.
Ich glaube, hör' ich eine Hymne singen,
Zu unterscheiden deiner Stimme Ton.
So viele Wort' ich bete, so viel Zähren!
Die Weihrauchwolke steigt; es rollt der Strom
Der Orgentöne brausend durch den Dom,
Das Ohr hört Harmonie'n aus schönern Sphären;

Da denk' ich dein, und mit des Blitzes Schnelle
Ist fortgescheucht die feierliche Pracht,
Und Tempel, Priester und der Fackeln Helle
Verschwindet und versinkt in öde Nacht;
Ja, selbst im Augenblick, wo tausend Kerzen
Beim Hochamt brennen, wo der Engel Schaar
Anbetend niedersinkt am Hochaltar,
Flammt Liebe, wie ein Glutmeer, mir im Herzen!

Doch dann auch, wenn voll Reu' und frommer Wonne
Ein Strom von Thränen mir vom Auge sinkt;
Wenn ich anbetend knie' vor Gottes Throne,
Mir schon der Gnade Siegeskrone winkt, -
Selbst dann noch wage es, auch dann erscheine
Mit jener Anmuth, die mich einst entzückt,
Mit allem Reiz der Liebe komm' geschmückt,
Und messe mit des Himmels Macht die deine!

Komm', wag' es, um mein Herz mit Gott zu streiten!
Komm' mit dem Blick, des süßen Zaubers voll,
Vor dem das Glanzbild aller Seligkeiten
Des Paradieses matt erbleichen soll!
Wend' ab von mir das himmlische Erbarmen,
Zerstöre jede Frucht der Reu' in mir,
Vom Weg des Heiles locke mich zu dir,
Ja, reiß mich tollkühn selbst aus Gottes Armen!

Was ras' ich Elende? Was schreib' ich nieder?
Flieh lieber weit, laß Berge, laß das Meer
Sich thürmen zwischen uns, komm' niemals wieder,
Schreib' mir nicht mehr, gedenke mein nicht mehr!
Von jenen Qualen, die mein Herz zernagen,
Sei du verschont; all seiner Schwüre sei
Mein Abelard von mir entbunden, frei:
Ich will an ihn zu denken mir versagen!

Er hasse, er vergesse mich, ersticke
All mein Gedächtniß bis zur schwächsten Spur!
So lebt dann wohl, ihr wundersüßen Blicke,
An die ich denke - ach, zu gerne nur!
Ihr süßen Bilder, mir so tief im Herzen,
Lebt wohl auf ewig! Du erhebe mich,
O Gnade Gottes! Himmelskraft! daß ich
Die Welt vergess' und ihre eitlen Schmerzen!

Auch du, o Hoffnung! die von uns nicht weichet, -
Der schönsten Freuden Mutter! Himmelskind,
Das schon hienieden uns die Blume reichet
Vom Lande her, wo wir nicht Staub mehr sind! -
O, kommet all' in diesen Busen! wohnet
Als theure, als geliebte Gäste d'rin;
Mein Leben fließ' in heitrem Frieden hin,
Den ewig nun der Stürme Grimm verschonet!

Ich seh', gelehnt an eines Grabes Hügel
Voll Sehnsucht und voll Gram zu euch empor.
Was hör' ich? - Schlägt des Abendwindes Flügel
Mit bangem Murmeln an mein lauschend Ohr?
Tönt eine Geisterstimme durch die Hallen,
Die mich gemeint? beim Namen mich genannt?
Ha! dieser Ton ist mir nicht unbekannt,
Und mehr als ein Mal hört' ich ihn erschallen.

In einer Nacht mußt' ich im Tempel dienen,
Und auf der Gräber Lampen wachend schau'n,
Die eben jetzo zu erlöschen schienen;
Da scholl aus einem Grab herauf voll Grau'n
Ein hohler Ruf: "Komm', wohne nun, o meine
Geliebte Schwester, wohne hier in Ruh'!
Ich war der Liebe Märtyrin, wie du;
Ihr ward mein Herz geopfert, wie das deine!"

"Gebetet und geweint mit bangem Zagen
Hab' ich, wie du. Beim Schlummer nur im Grab'
Vergißt das kummervolle Herz zu klagen;
Hier trocknet Lieb' erst ihre Thränen ab;
Selbst frommer Wahn wird von den Schreckgestalten,
Die ihn im Staube ängsten, hier befreit,
Weil Gott, der Gnade Urborn, hier verzeiht,
Was Menschen keiner Gnade werth gehalten."

Ich komm' - ich komme! Eilt, ihr Engel, schmücket
Die duft'gen Lauben mir! Im Siegesglanz
Schwingt eure Palmen mir entgegen! Pflücket
Mir eurer Rosen ewig frischen Kranz!
Hin will ich zieh'n zur großen Ruhestätte
Gebeugter Sünder, wo von reiner Glut
Die Heiligen entglüh'n! Mit treuem Muth
Steh' du, mein Freund, an meinem Sterbebette!

Erheitt're mich beim bittern Todesgange;
Sieh zucken meinen Mund, vom Tod zumeist;
Schließ mein erstarrend Auge zu; empfange
Im letzten Seufzer den entfloh'nen Geist!
Doch nein! im heil'gem Priesterrock erscheine;
Vor meinem Blick, zum Himmel schon gewandt,
Steh' du mit Kreuz und Kerze in der Hand,
Mein Lehrer du im Sterben, ich der deine!

Betrachte - nun ist's nicht mehr Sünde - diese
Einst so vergötterte Geliebte itzt!
Die Rosenwange deiner Heloise
Ist Asche nun! In ihrem Auge blitzt
Der letzte matte Strahl, der ihm geblieben!
Jetzt fasse, drücke meine Hand, bis mich
Gefühl und Athem nun verläßt, und ich
Aufhöre, meinen Abelard zu lieben!

Wie so beredtsam zeigest du uns Thoren,
O Tod, den Wahnsinn einer Leidenschaft,
Die eine Handvoll Staub zum Ziel erkoren!
Ja, diese Züge, deren Zauberkraft
Mir so verderblich war, - einst naht auch ihnen
Ihr letzter Tag, sie werden Staub nur sein!
O, möge dann der Todesstunde Pein
In seliger Entzückung dir verrinnen!

O, mögen dann die glanzumfloss'nen Schaaren
Der Engel schützend um dein Lager steh'n!
Vom off'nen Himmel Strahlen niederfahren,
Die um dein Haupt als Siegeskronen weh'n!
Dann, wenn die Erde deinem Blick entweichet
Soll dir der Chor der Auserwählten nah'n,
Und dich mit einer Zärtlichkeit empfah'n,
Der keine and're, als die meine gleichet!

O, daß ein Edler unsre Namen schriebe
Auf eines Grabmals Stein zusammgereiht;
Dann schimmerten dein Ruhm und meine Liebe
Gepaart im Tempel der Unsterblichkeit!
Vielleicht, wenn in des Zeitenstromes Wellen
Manch künftiges Jahrhundert untergeht,
Daß einst ein liebend Paar nach Paraclet
Zu seinen Mauern kommt, zu seinen Quellen.

Dann drängen sie sich Haupt an Haupt zusammen,
Und bücken sich, damit sie leichter nun
Des Grabmals Inschrift lesen, und die Namen
Der beiden Liebenden, die drunter ruh'n;
Und wechselweise von den Wangen küssen
Sie ihre Thränen sich: "O! - seufzen sie
Voll tiefer Rührung - lasse Gott uns nie
So schmerzlich für der Liebe Freuden büßen!"

"Zu sehr liebten sie sich, und waren elend; o, laßt uns
Weinen an ihrer Gruft, aber nicht lieben, wie sie!"

Wer blieb' auch ungerührt? Selbst wer im Glanze
Des feierlichen Hochamts betend kniet,
Und vom lebend'gen Gott und der Monstranze
Nach unserm Grabeshügel seitwärts sieht, -
Mitleidig wird er eine Thrän' uns weihen,
Und wenn er nun, von unserm Mißgeschick
Gerührt, sein Herz für einen Augenblick
Dem Himmel stiehlt - wer wird ihm nicht verzeihen?

Fühlt je ein Sänger Leiden, wie die meinen,
Und muß er weinen, jahrlang, sehnsuchtsvoll
Um sie, die ihm in Träumen nur erscheinen,
Doch lebend nimmermehr begegnen soll, -
Wird er geliebt mit voller, heißer Seele, -
Der schreibe: Helois' und Abelard;
Deß Herz am zärtlichsten geschaffen ward,
Der Edle sei der Sänger, den ich wähle!
(S. 33-55)
_____



Todesfeier meiner Gattin
Den 18. Mai 1815

Horch! die Schreckensstunde hat geschlagen,
Und der Trauerzug zieht vor mein Haus.
Schwarz beflorte Männer nah'n und tragen
All mein Liebstes, Theurestes hinaus.
Klagt, Posaunen! Hallet, Todesglocken!
Meiner Wehmuth ein willkommner Chor!
Heut soll jeder frohe Odem stocken;
Heute hülle sich Natur in Flor!

Männer, die ihr mich so oft beneidet,
Nun verzeiht mein Glück mir, blicket her!
Seht, da liegt sie, lilienweiß gekleidet,
Und dieß Herz voll Treue schlägt nicht mehr!
All ihr Leben, all ihr süßes Lieben,
Ihres Daseins einzig Ziel bin ich
Bis zum bittern Todesgang geblieben;
Heut' zum ersten Mal verläßt sie mich.

Treulich hieltest du an meiner Seite
In der bangen Prüfungsstunde aus,
Riefen, drohend unserm Haupt, zum Streite
Feindliche Gewalten mich heraus.
Froh gesinnt mit mir in frohen Tagen,
Treue Hausfrau, Freundin, Pflegerin,
Alles warst du mir, und Alles tragen
Düst're Männer ohn' Erbarmen hin.

Und du willst mir nimmer wiederkehren?
Lässest mich mit meinem Schmerz allein?
Wer soll ohne dich mich leben lehren?
Wer soll unsers Albert's Mutter sein?
Ach, hienieden jammern deine Treuen,
Weil der Arm des Todes dich umfaßt,
Und du kannst im Himmel dich nicht freuen,
Wo du mich und deinen Sohn nicht hast!

Traurig zögernd zogst du fort zur Reise
In das schaudervolle Geisterland,
Und dein Herz bleibt in der Engel Kreise
Treu der ird'schen Liebe zugewandt.
Ja, ich fühl's in diesen heißen Zähren,
Fühl' es in der tief zerriss'nen Brust,
Daß in allen Leben, allen Sphären
Ewig du die Meine bleiben mußt!

Dieser Liebe Drang, die unsre Herzen,
Theures Weib! einander zugesellt,
Kann die Spanne Trennung wohl verschmerzen,
Wir sind für die Ewigkeit vermält.
Eine Stimme hör' ich tröstend reden,
Die aus tiefster Seele mir verspricht:
Es zerreißt der Parze Hand die Fäden
Nur des Lebens, doch der Liebe nicht!

Fahre wohl denn, Liebe! Schlummr' in Frieden!
Bald versiegt auch meines Lebens Strom,
Dann sind wir, vom Irdischen geschieden,
Neu vermält im hohen Sternendom.
Lippe! einst so süß, und du, o Wange!
Einst der Rosen, nun der Lilien
Schöne Nebenbuhlerin, empfange
Meinen letzten Kuß auf Wiedersehn!
(S. 66-68)
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An meinen Arzt

O, zähle nicht mehr meines Pulses Schläge!
O, frage nicht, ob meine Eßlust rege,
Und ob mein Schlummer lang und ruhig sei?
Ob mir der Wein, mein wackrer Eilfer, munde?
Gar trügerisch ist all der Zeichen Kunde,
Und keine Kunst von allem Irrthum frei.

Ich weiß ganz andere Gesundheitsmesser,
Die probehältig sind, so gut und besser
Als die von Brown' und Hufeland und Frank,
Für mich darf ich sie kühn unfehlbar nennen,
So sicher ließen sie mich stets erkennen,
Ob ich gesund sei, kränklich, oder krank.

Entglüh' ich heiß bei Kleist's und Bürger's Liede;
Erfüllt, wenn Hölty, ein stiller Friede
Das Herz mir; überströmt bei Albrecht's Hund
Mein Aug' ein Quell von wundersüßen Tropfen;
Sing' ich das Rheinweinlied mit warmem Klopfen:
"Bekränzt mit Laub", - so bin ich kerngesund.

Doch wenn mich Tell und Posa ruhig lassen;
Bei Wallenstein mich keine Schauer fassen;
Die "Schuld" mich nicht erfüllt mit bangem Graus;
Wenn Macbeth nicht das Haar empor mir sträubet;
Faust keinen Angstschweiß auf die Stirn mir treibet,
Dann sieht's ein wenig schon bedenklich aus.

Wenn endlich gar das Reiterlied erklänge,
Und keine Glut mir durch den Busen dränge,
Dann sei mir, Freund! mit deiner Hülfe nah',
Und eile, Leipzig's Schlacht mir zu erzählen,
Und wenn mir dann nicht mehr die Adern schwellen,
So trau're, - meine Todesstund' ist da.

Versuche dann noch Eins, - sprich von Theresen,
Wie dieses Weib ein Engel mir gewesen,
Wie treu in Freud' und Leid, in Drang und Noth!
Siehst du dann nicht mein Aug' in Thränen schwimmen,
Nicht Flammenglut auf meiner Wange glimmen,
So grab' mich ein - ich bin gewiß schon todt.
(S. 69-70)
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Das Menschenherz

Oft schon hab' ich, tief betroffen,
Nachgesonnen, nachgedacht;
Doch umsonst! - Ihr Philosophen,
Lehret mich, aus welchen Stoffen
Ist das Menschenherz gemacht?

Seh' ich um die lieben Kleinen,
Wenn die Katze Mäuschen speist,
Amaryllis jammernd weinen,
Soll man dann, o Herz, nicht meinen,
Daß du nur von Butter seist?

Doch, wenn fremdes Weh die Rinde
Nie um Aspers Busen schmolz,
Ist's zu wundern, wenn ich finde,
Zweifelnd, ob der Klotz empfinde,
Menschenherz, du seist von Holz?

Du entglühst zu deiner Ehre
Oft so edel himmelswärts!
Ich erkenne dann die Lehre
Wahr: Ein Tropfen aus dem Meere
Gottes bist du, Menschenherz!

Aber wenn du im Gewühle
Aller Bosheit giftig flammst,
Dann, mit bangendem Gefühle,
Wähn' ich, kleine Teufelsmühle,
Daß du aus der Hölle stammst!

Kommt das Unglück angekrochen,
Ist's um deinen Muth gethan,
Du verzagst mit bangem Pochen,
Deine Stärke liegt zerbrochen;
Herz, bist du von Porzellan?

Und bist doch oft nicht zu zwingen,
Durch kein Schicksal, keinen Schmerz!
Willst durch's Leben kämpfend dringen,
Mit dem Schicksal standhaft ringen,
Als ein eisern Heldenherz!

Herz, was glänzt in deinen Tiefen?
Irrlichtschein! - Der Weise find't
Keine Kund' in deinen Briefen;
Was du sprichst, sind Hieroglyphen,
Deine Weg' ein Labyrinth!
(S. 111-112)
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Krieg und Liebe
Frei nach Ovid's Elegie

Militat omnia amana,
et habet sua castra Cupido

Liebende Männer, wie wackre Soldaten,
Leben im Kriege, sind immer zu Feld;
Amor entflammt sie zu tapferen Thaten,
Rüstet und lagert als krieg'rischer Held.

Nur Jünglingsschaaren fodern
Mavors und Cypripor;
Nur Jünglingsherzen lodern
In würd'ger Glut empor;
Im Fechten, wie beim Küssen
Hat nur der Jüngling Glück;
Die Ausgedienten müssen
Ins Hauptdepot zurück.

Hier liebend, wie dort kriegend,
Bringt oft der Paladin,
Auf harter Erde liegend,
Die Nächte schlaflos hin.

Sie halten strenge Wache,
Der - zu des Feldherrn Huth,
Der - vor dem Schlafgemache,
Wo seine Herrin ruht.

Versengt vom Sonnenbrande,
Vom Wintersturm umbraust,
Zieh'n sie vom Euphratstrande,
Bis wo der Lappe haust;
Im nimmer müden Zuge
Eilt der - nach Liebchensruh',
Und der - dem Siegesfluge
Des Imperators zu.

Sie senden zum Belauern,
Wie in der Freundin Haus,
So in des Feindes Mauern
Geheime Späher aus.
Nur tapfer kann erliegen
Auch ein Achill dem Feind;
Doch Göttern selbst obliegen
Er und Ulyß vereint.

Wo ihre Degen klingen,
Weht Wall und Riegel nicht;
Des Pförtchens Riegel springen;
Der Beste Wall zerbricht.

Wie jauchzte Heinrichs Seele,
Als ihm - hier sein Paris,
Dort - seine Gabriele
Die Schlüssel reichen ließ!

Im Lieb- und Kriegeslager,
Glücksgöttinn! herrscht dein Stern;
Dem edelkühnen Wager
Reichst du den Lorbeer gern;
Dir trotzt und der Gefahr,
Den züchtigt deine Ruthe
Mit Wunden unheilbar.

Wer Lieb' und Krieg verdammet,
Kennt Krieg und Liebe nicht;
Des Herzens Adel flammet
Durch sie im höchsten Licht;
Wo sich auf beide Kronen
Der Männer Stolz verlor,
Steh'n keine Scipionen,
Ragt kein Petrarch empor.

Nacht war's in meinem Herzen;
Da zogen bei dem Schein
Von hellen tausend Kerzen
Theres' und Amor ein;

Da hört' in tausend Wettern
Belgrad und sein Vezier
Loudon's Posaunen schmettern,
Und es ward Tag in mir.

Liebende Männer, wie wackre Soldaten,
Leben im Kriege, sind immer zu Feld;
Amor entflammt sie zu tapferen Thaten,
Rüstet und lagert als krieg'rischer Held.
(S. 133-136)
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Frage an die Liebe

Was ist dein Süßestes, o Liebe?
Ist's des Besitzes Seligkeit?
Der Freudenrausch der heil'gen Stunde,
Die vorm Altar, zum ew'gen Bunde,
Mit leisem Ja aus süßem Munde
Die Jungfrau nun zur Gattin weiht?

O nein! Viel Süß'res kennt die Liebe!
Der Scham und Unschuld ersten Streit
Im Mädchenherzen voll Erbangen,
Das schmachtend innige Verlangen,
Voll Glut und Thränen Aug' und Wangen,
Den ersten Kuß voll Zärtlichkeit!

Und Süß'res noch! Des Jünglings Ringen -
Ach, wer besitzt, der - hat geliebt! -
Für sie, trotz Sturm und Donnerstimmen,
Um Mitternacht die Burg erklimmen!
Für sie den Hellespont durchschwimmen,
Der todt den Schwimmer wiedergibt!

Und was noch lieblicher die Liebe,
Was süßer noch ihr Süßes macht,
Das ist ihr sinniges Verstummen!
Ihr Gruß - ein Blick; ihr Bothe - Blumen;
Die Pforte ihrer Freudensummen
Umruht des Schweigens heil'ge Nacht!
(S. 137-138)
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Das Fensterln

Wie war die Nacht so mild, so lieb,
Die Au voll Nachtigallenschlag,
Da Sehnsucht mich an's Fenster trieb,
Wo lauschend still die Liebste lag.
Minnezeit! - O wer kann
Deine Wonne fassen!
Jung gewohnt, alt gethan;
Nimmer kann ich's lassen.

Das Gitter ließ wohl Raum genug,
Daß ich der Arme festen Ring
Um ihren Hals und Nacken schlug,
Und durch die Stäbe sie umfing.
Mitternacht schlägt die Uhr;
Ach die Stunden fliegen!
Kuß an Kuß, Schwur an Schwur!
Nacht, du bist verschwiegen.

Wer frägt, ob's regnet oder schneit,
Ob Sturm uns und Gewitter droht?
In uns'rer Brust war's Maienzeit,
In uns'rer Liebe Morgenroth!
Horch im Haus wird es laut:
Neid erwacht zu spähen!
Noch ein Kuß - Morgen graut!
Fort! - die Hähne krähen.

Noch schleich' ich hin, wo Liebchen wohnt;
Die alten Sterne, klar und hoch,
Sie blieben treu, der alte Mond,
Er leuchtet auch dem Greise noch.
Liebchen nur zog hinan;
Rauschen dort zwei Linden;
Jung gewohnt, alt gethan,
Weiß sie wohl zu finden.

Ein Hof ist's, niedrig nur umsäumt,
Und viele, viele Kammern d'rin,
Wo nun die Liebste schläft und träumt,
Im Haar den Schmuck von Rosmarin.
Rauschest du, Fliederstrauch,
Nächtlich auf der Haide?
Oder weht Geisterhauch
Durch die Thränenweide?

Zwei Thore stehst du, schwarz wie Flor,
Ein Fenster in den Hofraum sieht;
Ein Kreuz darin, ein Schemel vor,
Dort betet, wer vorüber zieht:
"Herr, vergib uns're Schuld!
Ueber'm Sterngefilde
Richte uns, Gott der Huld,
Vater! - richt' uns milde!"

Mit lieben Namen ruf' ich sie,
Der Ruf hallt durch die Nacht so bang;
An's Gitter kommt die Liebste nie,
Doch oft unheimlich tönt Gesang:
"Scheu entflieh, Menschenkind,
Aus der Geister Nähen!
Fort! - es rauscht Morgenwind!
Fort! - die Hähne krähen!"
(S. 333-335)
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Das Concilium
An Dr. K.

Mein Doctor ist ein wack'rer Mann,
Um Alles frägt und prüft er mich
Von meiner früh'sten Kindheit an,
Nur eines find' ich wunderlich;
Er untersucht des Pulses Schlag,
Er forscht mit tausend ob und wie,
Nach Trank und Speise, Tag für Tag,
Nur, wie ich küßte, fragt er nie.

Und gleichwohl liegt gerad darin
Ein Abstand zwischen Einst und Jetzt,
Hochwichtig für die Medicin,
Der mich in große Angst versetzt.
Soll ich's ihm selbst gesteh'n? die Scham
Hält mich zurück, d'rum wär' ich froh,
Wenn ihn wer And'rer aufmerksam
D'rauf machen wollt', - die Sach' ist so:

Einst war mir - o Erinnerung,
Stern in des Greises trüber Welt,
Der meines Lebens Dämmerung
Mit magisch mildem Glanz erhellt! -

Einst war mir Adelinens Kuß
Ein Labetrunk aus dem Pokal
Den freundlich ein Prometheus,
Mir von der Göttertafel stahl;

Ich war entzückt, elektrisirt,
Mein Auge sprühte Glut und Glanz,
In meiner Brust ward musizirt,
Mein Blut, - es hüpfte wie im Tanz;
Mir war der Kuß ein Uebermaß
Des Süßesten im Hochgeschmack
Von Trauben, Pfirschen, Ananas,
Gewürzt mit Zucker, Geist und Rack.

So stand die Sache einst, - und itzt,
Wenn Amor's Mutter selber kömmt,
Wenn wunderlieb ihr Auge blitzt,
Und Glut aus dunklen Wimpern strömt,
Wenn gleich der süßen Kirsche Frucht
Die Purpurlippe lockt und schwillt,
- Umsonst, - ich stehe unversucht,
Ich steh' vor ihr ein steinern Bild!

Und wag' ich's auch mit einem Kuß,
Es fehlt die Würze, der Geschmack,
Es fehlt der geistige Genuß,
Es fehlt der Zucker und der Rack,
Kurz - Alles fehlt ihm, und darum,
Ihr Herren von der Fakultät,
Ich dring' auf ein Concilium,
Doch bald, nur bald! - sonst wird's zu spät.
(S. 336-338)
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Aus: M. L. Schleifer's sämtliche Gedichte
Wien 1846 Carl Haas'sche Buchhandlung

 

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Mathias_Schleifer

 


 

 


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