Hans Schmidt-Kestner (1892-1915) - Liebesgedichte

Hans Schmidt-Kestner



Hans Schmidt-Kestner
(1892-1915)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Daheim

Liebste, nun ließen wir die Straßen und das Leben, -
Wir sind nun allein!
Und die große Nacht will ihre Hand uns geben,
Uns zwein.
Auf ihren Fittichen, grau und schwer,
Kam sie daher.
Deine Augen sind nun mein einz'ges Licht
Und meine Sterne.
In der Ferne
Vertönt die Stadt und stört uns nicht ...

Nun sieh: mein Heim ist arm und meine Hände leer.
Deine Lippen sind so weich,
Deine weißen Glieder von Glückesgaben schwer:
Mach mich reich!
Komm, wir sind Kinder, und wir schreiten
Nun Hand in Hand zu Seligkeiten:
Deines Innern Tiefen,
Deines Leibes Wonnen
Werden zehrende Sonnen,
Die im Meere schliefen.
Sieh, nun steigen sie strahlend empor,
Leuchten aus Tiefen der Nacht hervor
Und verbrennen in Gluten von Glück und Schmerz
Mein Herz .....
(S. 16)
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Mein Garten

Ein Garten meine Liebe ist
Mit roten Rosen, roten Nelken.
Drin sprießen tausend Blumen auf,
Wo eine einz'ge will verwelken.

Mein Garten liegt im Dämmerlicht,
Und Schatten ruhn auf seinen Beeten.
Fern liegt die Welt, - es flieht der Tag,
Nun ist es Zeit, hineinzutreten.

Mein Garten ist mein Heiligtum.
Mit Schauern wandl' ich seine Gänge.
Schwül lastet auf den Gräsern Duft
Von ungezählter Rosen Menge.

Die Blumen harren auf den Mond.
Der steht noch hinter schwarzen Bäumen.
Fast ist es dunkel, ach, und still, -
Ich und mein Herz und alle Blumen träumen.

Ich wart' auf meine Nachtigall.
Bald finden ihre Töne meine Seele,
Und Zauber weben durch die Nacht
Aus meiner kleinen Säng'rin Kehle.

Der Mond steht hinter dunklem Tann, -
Ich und die Blumen sehnend warten, -
Er kommt und gießet Zauberglanz,
Und duftend, träumend ruht mein Garten ...

Ganz Duft und Traum ist diese Nacht.
Durch meinen Garten Götter schreiten.
Sie tragen Glück und heilge Kraft
Und Licht und alle Herrlichkeiten ...
(S. 17)
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Mondnacht

Wenn wir durch die Dünen gehn,
Liebste mein,
Sterne schon am Himmel stehn, -
Mondenschein, -
Rauscht leise nur das Meer,
Trägt uns alte Lieder her.

Und die Lieder seltsam klingen,
Liebste, du,
Nixen, glaube ich, sie singen,
Hör' nur zu! -
Ach wie ist die Nacht so still,
Alles nur noch schlafen will.

Unsre Hände haben sich verschlungen,
Liebste, wie?
Eben Seufzer sind zu mir gedrungen,
Hörst du sie?
Kleine, hast wohl nicht gedacht,
Wie verräterisch die Nacht!

Unsre Lippen werden sich nun finden.
Liebste, ja,
Deiner Liebe Tiefen zu ergründen,
Bin ich nah!
Sieh, da taucht der Mond ins Meer! -
Stille, Dunkel rings umher .....
(S. 19)
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Immer belauscht!

Wir wandelten unter den Bäumen
Still, Hand in Hand.
Und war als wie in Träumen
Im Märchenland.
Ich blickte dich an voll Wonne,
Du Liebste du! -
Am Himmel stand Frau Sonne
Und sah uns zu ...

Hab deine Küsse getrunken,
Berauschend Wein.
Bin vor dir niedergesunken
Im Abendschein.
Hab deinen Leib umfangen,
Du Liebste du! -
Zwei kleine Vöglein sangen
Und sahn uns zu ....

Wir hielten uns lang umschlungen
Und schauten uns an.
Kein Vöglein hat mehr gesungen,
Nacht kam heran.
Ich zog dich zu mir nieder,
Du Liebste du! -
Mond stand am Himmel wieder
Und sah uns zu ....
(S. 20)
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Das Ende

- - Das also ist der Liebe Tod? -
Den hatt' ich mir ganz anders vorgestellt:
Ich dachte mir, die ganze Welt
Müßt öde sein und kalt vor Gram und Not. -

Ich dachte an zerrauftes Haar,
An Tränenströme ohne Ende,
An Augen starr und sonderbar,
An wütende, verkrampfte Hände

Und arme Herzen, blutigrot und zerfetzt und zerschlagen,
Und in der schwülen Luft ein banges Seufzen und Klagen ...

Nun sieht das ganz wie immer aus,
Als wäre nichts, rein nichts geschehn:
Die Menschen auf der Straße gehn,
Die Sonne scheint, - Lärm schallt durchs Haus. -

Wir beide waren stets korrekt!
Warum nicht in der letzten Stunde?
Du hast die Hand mir hingestreckt,
Ein art'ges Lächeln auf dem Munde. -

Nur deine großen Augen scheinen mir etwas feucht zu sein.
Und ich, - du siehst es kaum, - grab in die Lippen die Zähne ein ...
(S. 21)
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Totenfest

Herbstlaub tanzet gelb im Wind, -
Wandrer ziehn in Nebelschleiern
Dahin, wo die Toten sind.
Darum will auch ich nun feiern.

Rosen stell ich vor mich hin,
Und ein Liedchen spiel ich leise, -
Ach, du ferne Sängerin,
Es war deine Lieblingsweise!

Unsres Glückes letzter Klang
Schwebt durch diese Dämmerstunde,
Gleich wie einstens sterbensbang
Letzter Gruß von deinem Munde.

Als die Welt uns scheiden hieß,
Unsre Herzen, ach, sie bebten,
Ferne schwand ein Paradies,
Und wir lebten doch! Wir lebten!

Denn es lockte wie zum Spott
Gold auf kalt getrennten Wegen.
Und der Liebe güt'ger Gott
Gab dem Frevel seinen Segen!

Wir sind tot, mein fernes Kind!
Wir sind tot! Drum laß uns feiern! -
Herbstlaub tanzet gelb im Wind, -
Wandrer ziehn in Nebelschleiern ....
(S. 22)
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Nach der Trennung ...

Hätt' mich nicht die Not getrieben,
Wär' ein Engel mein geblieben!

Wär' das Sterben nicht so feige,
Tranken wir des Glückes Neige!

Forderte uns nicht das Leben,
Hätt's uns keine Not gegeben!

Sollt' ein Gott im Himmel wohnen,
Wird das Leben dich verschonen,

Dich nicht knechten, nicht zertreten, -
Beten wollt' ich's, könnt' ich beten!

Wenn die Toten auferstehen,
Werden wir uns wiedersehen.

Doch bis zu dem sel'gen Tage
Steht vor mir die grimme Klage!

Und die grauenvollste Frage - - -
- - Neide mich, wer's mag und wage ...
(S. 23)
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Im Rausch .....

O küsse mich! - und immer, immer wieder
Erquicke mich mit deiner Liebe süßem Trank!
Dann sinken meine müden Augenlider,
Und durch mein ganzes Wesen zieht es sehnsuchtskrank.

Dann schau ich ferne, blaue Bergeshöhen
In einem unerreichten, wunderbaren Land,
Und dunkle Märchenwälder sehe ich vor mir erstehen,
Wie noch kein Menschenauge sie auf Erden fand.

In ihnen wehen düftesschwangre Zauberwinde,
Die treiben mich dahin mit sehnender Begier,
Bis ich in einem heil'gen Hain dich endlich finde
Und froh mich lag're in das grüne Moos zu dir.

Da schmiegst du an mich deine weichen, weißen Glieder,
Und Wonneschauer zucken über meinen Leib, -
Da küßt du mich, - und immer, immer wieder
Preß ich dich an mich, du geliebtes, wundervolles Weib.

- - Und träumen will ich, weiter selig träumen
Von jenem Land, wie's meine Liebe braucht,
Will mit dir wandeln unter goldnen Bäumen,
In roter Abendsonne Glut getaucht.

Will betend niederknieen dir zu Füßen,
Wenn untergehend noch die Sonne winkt,
Und will dich küssen, immer wieder küssen, -
Und sterben, wenn die Nacht herniedersinkt ....
(S. 28)
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In einer Laube

Poesie am Kaffeetisch,
Weh, ward heut gefordert,
Und zu manchem schnellen Vers
Wurde ich beordert.

Reimte, wie ichs grade fand.
Wenig wollt es taugen:
Auf die Feder schauten mir
Lachend Frauenaugen!

Und der Frühlingsgott dabei
Saß auf einem Aste,
Mit den Beinchen baumelt er,
Daß sichs kaum noch paßte!

Sonne war im Untergehn,
Und ein gold'nes Krönchen
Drückte sie aufs Wunderhaupt
Ihrem Lieblingssöhnchen.

Rosen standen ringsumher, -
Schwer von ihren Düften,
Taumelten ganz toll berauscht
Elfen in den Lüften.

Zu dem kleinen Zaubergott
Mußt ich liebend schauen,
Zu den Rosen dunkelrot,
Zu den holden Frauen.

Meine Hand schrieb dummes Zeug,
Reimerei, - verpönte, -
Doch ein kleines Liebeslied
Mir im Herzen tönte. -
(S. 32)
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Aus: Gedichte von Hans Schmidt-Kestner
für das Vaterland gestorben 4. Febr. 1915.
Verlag von Ludwig Ey Hannover 1915

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Schmidt-Kestner





 

 


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