Klamer Eberhard Karl Schmidt (1746-1824) - Liebesgedichte

Klamer Eberhard Karl Schmidt




Klamer Eberhard Karl Schmidt
(1746-1824)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 

 





Was nur ich weiß

Was ich liebe, weiß nur ich.
Ob er blond sey, oder bräunlich?
Ob er herzhaft, oder peinlich?
Fragt umsonst die Neugier mich,
Was ich liebe, weiß nur ich.

Wo ich liebe, weiß nur ich.
Ob in Hütten, ob in Lauben
Wir uns Küss' auf Küsse rauben?
Fragt umsonst die Neugier mich.
Wo ich liebe, weiß nur ich.

Wie ich liebe, weiß nur ich.
Ob ich ihn zum Sclaven bilde?
Ob die Fessel ich vergülde?
Fragt umsonst die Neugier mich.
Wie ich liebe, weiß nur ich.

Wann ich liebe, weiß nur ich.
Ob am Abend, ob am Morgen?
Ob die Nacht uns hält verborgen?
Fragt umsonst die Neugier mich.
Wann ich liebe, weiß nur ich.

Schweigen, das ist Liebespflicht.
Was mit immer regem Triebe,
Wo, und wie, und wann ich's liebe?
Sag' ich oft mir selber nicht!
Schweigen, das ist Liebespflicht.
(Band 1, S. 316-317)
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Walzlied

Welch Entzücken, wie ein Ring
Um mein Liebchen mich zu drehen!
Um mein Liebchen, wie ein Ring!
Daß mir Hören, daß mir Sehen,
Daß mir jeder Sinn verging!

Händ' um Hände trieben Scherz!
Fuß um Fuß begann zu beichten!
Leben, Weben allerwärts!
Und wie schönes Wetterleuchten,
Schlug ihr Auge mir in's Herz!

Götter! zum Elysium
Schien uns damals nichts zu fehlen!
Wie die Sphären, ringsherum
Rollten Arme, rollten Seelen;
Doch nicht ewig! O warum?

Herz, o Herz, um dich geschehn!
Aber was daran gelegen?
Nur noch einmal so mich drehn!
Könnt' ich das, dann meinetwegen
Möcht' ich ganz und gar vergehn!
(Band 1, S. 318)
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Prüfung des Küssens

Meine fromme Mutter spricht:
"Küssen, Küssen, Kind, ist Sünde!"
Und ich armer Sünder finde
Doch das Ding so sündlich nicht!

Mord und Diebstahl, weiß ich wohl,
Sind erschreckliche Vergehen:
Aber Den will ich auch sehen,
Der mir Das nachsagen soll.

Meine Küsse stahl ich nie!
Doris giebt von freien Stücken;
Und ich seh's an ihren Blicken,
Schöner macht das Küssen sie!

Auch geschieht es wohl, das wir
Uns vor Lust die Lippen beißen;
Aber soll das Morden heißen?
Gott bewahre mich dafür!

Mutter, Mutter! Schwätzerei!
Küssen Sünde? Wär's auch eine;
Nun ich armer Sünder meine,
Daß sie nicht zu lassen sey!
(Band 1, S. 319)
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Andenken an die Christnacht

O wie wohl, wie wohl ist mir,
Wenn ich jener Nacht gedenke,
Wo ich nichts nach Liebe frug!
Wo dem gold'nen Christgeschenke
Herz und Hand entgegen schlug!

Unter Puppen, groß und klein,
Lockte mich, mit Pfeil und Bogen,
Schön und golden, Amor, auch!
Denn noch damals nicht betrogen
Hatte mich der kleine Gauch!

Gar vertraulich faßt ich ihn
An den Bogen, an die Flügel,
Und (was man ein Närrchen ist!)
Hob ihn hoch vor meinem Spiegel,
Schmunzelnd: Sieh, wie schön du bist!

Wie ein Kind, so hielt ich ihn,
Wiegt' ihn artig, sang beim Wiegen
Ihm was Liebes, weiß nicht was;
Endlich lehrt' ich ihn auch fliegen,
O warum doch that ich das?

Größer, flog er in mein Herz!
Wie mein Blut im Herzen tragen
Muß ich diesen Buben nun!
Möcht' ihn gern zum Teufel jagen,
Dürft' ichs ohne Sünde thun!
(Band 1, S. 320-321)
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An Chloe

Kennst du, Chloe, jenen ungerechten
Kleinen Gott, der Alles hintergeht?
Kennst du jenes Kind, in dessen Mächten
Krieg und Friede, Tod und Leben steht?
Chloe, horch! ich will ihn Dir beschreiben:
Ihn verfehlen sollst du nimmermehr!
Aber ich, ich kann nicht gut ihm bleiben!
Fürchten, fürchten lernt' ich ihn zu sehr!

Anfangs lacht er, liebelt, macht Getändel;
Unter Blümchen ist sein Pfeil versteckt;
Artig scheint er; seine losen Händel
Birgt ein Auge, das nur kindisch neckt!
Tausendkünstlich weiß er's dir zu treiben;
Und die Kunst verschönert ihn noch mehr!
Aber ich, ich kann nicht gut ihm bleiben!
Fürchten, fürchten lernt' ich ihn zu sehr!

Gar zu listig hängt er seine Beeren:
Drücken, Küssen, glühendes Geschwätz!
Ach! wer kann des Pickens sich erwehren?
Sieh, man pickt, und pickt sich dann in's Netz!
Mag man zehnmal, wie ein All, sich sträuben,
Aus dem Netz' entwischt man nimmermehr!
Ach, der Schelm! ich kann nicht gut ihm bleiben!
Fürchten, fürchten lernt' ich ihn zu sehr!

Kind, du seufzest? Schlag auf Schlag im Herzen?
Blaß die Wangen? Und das Auge matt?
O gewiß, daß schon der Gott der Schmerzen
Sitz und Stimm' in deinem Busen hat!
Armes Mädchen, ihn herauszutreiben,
Ist zu spät! Ich aber steh' dafür:
Augenblicke wirst du gut ihm bleiben;
Lange fürchten wirst du ihn mit mir!
(Band 1, S. 322-323)
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Amor der Joujouspieler

Ach! Amor, Herzenzieler,
Wie falsch, wie falsch bist du!
Du spielst, o kleiner Spieler,
Mit Menschenglück und Ruh!

An einem dünnen Faden
Führst du die ganze Welt:
Hochwürdigkeit und Gnaden,
Den Weisen und den Held.

Oft lässest du uns laufen;
Doch traun! ein kurzes Glück!
Man glaubt sich schon entlaufen;
Dann ziehst du schnell zurück.

In all des Spieles Neuheit,
Wer merkt, wie falsch es sey?
Bald spannenlange Freiheit,
Bald wieder Sclaverei!

Ach! Amor, Herzenzieler,
Wie falsch, wie falsch bist du!
Du gleichst dem kleinen Spieler
Des artigen Joujou!
(Band 1, S. 363)
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Der Offenherzige

Ob ich der Phyllis Treue schwöre? -
Ja, Phyllis, ja, ich schwöre dir:
Wenn Laura nicht, wenn nicht Elisa wäre;
Dich liebt' ich nur, das glaube mir!

Ob ich dem Rheinwein Treue schwöre? -
Ja, Landsmann, ja, ich schwöre dir:
Wenn Medoc nicht, wenn nicht Champagner wäre;
Dich liebt' ich nur, das glaube mir!

Ja, Phyllis, deinen Werth in Ehren,
Und deinen auch, du rheinscher Wein,
Es giebt zu viel - wie kann ich anders schwören? -
Was würdig ist, geliebt zu seyn!
(Band 1, S. 364)
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Das Grübchen im Kinn

Amor, hold von Scherzen umflogen,
Die er selber sich erzogen,
Spielt' einmal mit Psychen ein Spiel.
Und als Psyche nun, zerstreut,
Weit vom Spiele war, sehr weit,
Da mit einem Lilienstiel
Tippt' er auf der Schwärmerin
Schöne Wange lächelnd hin:
"Psyche, nicht so weit vom Spiel!"
Sieh! so ward das Grübchen im Kinn.
(Band 1, S. 428)
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Lieb' um Liebe

Liebt, o liebt! Es wird gereuen,
Wer nicht liebt und wieder liebt!
Der verschiebt das Glück von Zweien,
Wer sein eignes Glück verschiebt.

Liebt! das Glück ist in der Schwebe;
Hier ist's, wo es Fuß gewinnt!
Der besinnt sich, ob er lebe,
Wer auf Liebe sich besinnt.

Ladet Alles nicht zur Liebe?
Nicht das Vögelein im Nest?
Nicht die Blum' im Frühlingstriebe?
Nicht der leicht beschwingte West?

Wellen, die im Bache kreisen,
Suchen, finden sich so gern;
Der Magnetstein zieht das Eisen,
Und ein Stern den andern Stern.

Liebt, o liebt! Was wäre lieber,
Als ein Blick von dir zu mir,
Und von mir zu dir hinüber?
Wir uns Eins und Alles wir? -

Wir uns Eins und wir uns Alles
Auf dem weiten Erdenraum?
Glück von außen - steig' es, fall' es:
Was sich liebt, gewahrt es kaum.

Liebt, weil noch die Jahr' uns sprossen!
Flügel haben Lieb' und Glück;
Stunden einmal hingeflossen,
Fließen nie und nie zurück.

Ab strömt Alles: kein Erretter!
Nicht darf wieder Strom hinauf.
Liebt und streut der Rosenblätter
In des Stromes schnellen Lauf!

Daß, wenn ihr die letzten streuet,
Euch die Liebe Zeugniß giebt:
"Glückliche, die nichts gereuet!
Liebend wurdet ihr geliebt!
"
(Band 1, S. 443-444)
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Doris Augenblau

Blau ist Doris Auge! Blau
Zeigt sich auch der Himmelsbau,
Woher diese Huldin stammt,
Die mein ganzes Herz entflammt!

Doch sein Blau ist selten rein;
Wolken düstern oft es ein.
Daß du ihm nicht gleichst darin,
Sorg', o holde Herrscherin!

Blau ist Doris Auge, blau.
Venus zeichnet' es genau
Mit des Meeres Farbenpracht,
Das sie einst zur Welt gebracht.

Aber Sturm und Wankelmuth
Regen oft die stille Fluth.
Daß du ihr nicht gleichst darin,
Sorg', o holde Herrscherin!

Ohne Kummer, ohne Leid
Geh durch deine Rosenzeit!
Ach! dein Herz ein stilles Meer,
Trage mich nur, Keinen mehr!
(Band 1, S. 445)
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Lieb' und Jugend

Was sich neckt, das liebt sich,
Was sich liebt, betrübt sich.
Hier im Lachen, dort in Thränen;
Hier mit Ahnen, dort mit Wähnen;
Unter Fürchten, unter Hoffen;
Unter Wolken, hell und trübe;
Bald verheimlichet, bald offen,
Geht der Weg in's Land der Liebe!

Was sich neckt, das liebt sich,
Was sich liebt, betrübt sich.
Hier im Sprunge, dort in Sorgen;
Schelte heut', und Küsse morgen;
Alles heut', und morgen wenig;
Bald verstört, wie feige Diebe;
Bald ein kleiner Feenkönig:
Also geht der Weg der Liebe!

Dennoch neckt und liebt euch!
Liebt euch und betrübt euch,
Weil noch Alles grünt und blühet!
Wenn erst Reif das Haar umziehet,
O wer wird euch dann noch lieben,
Auf des Weges letzter Meile?
Wer euch necken und betrüben,
Als - die öde Langeweile?

Wohl euch, Lieb' und Jugend!
Habt ihr keine Tugend:
Diesen Mangel zu vergüten,
Habt ihr alle Lebensblüthen:
Holde Kurzweil, kleine Possen,
Allerliebste Träumereien,
Herzen, lieblich aufgeschlossen!
Jung zu seyn, wen mag's gereuen?
(Band 1, S. 446-447)
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An die Liebe
Nach Clement Marot

Was weiland ich war, das bin ich nicht mehr;
Und wieder es werden? - O nimmer!
Dahin ist mein Frühling, und hinterher
Entflohn mein Sommer auf immer!

Dir dient' ich, o Liebe, mit Huldigung;
Dir dient' ich mit Herz und mit Leier.
O Liebe, würd' ich zum zweiten Mal jung,
Wie wollt' ich dir dienen noch treuer!
(Band 1, S. 450)
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Meine Liebe

Die Lieb' ist die meine,
Die sorgsam ihr Nest
Auf schützender Tugend
Sich bauet so fest,
Daß Fluten und Stürme,
Daß glühende Sonn'
Und nagende Jahre
Nichts tilgen davon!

Die Lieb' ist die meine,
Die nimmer vergißt,
Daß sie auch ein Abstamm
Der Himmlischen ist;
Die nicht sich ereifert,
Nicht hadert, nicht schilt,
Die, duldend, nicht Böses
Mit Bösem vergilt.

Die Lieb' ist die meine,
Die heiteren Blicks
Den Wechsel bestehet
Des launigen Glücks;
Die ist, was sie seyn will,
Nichts Andres will seyn,
Großmüthig im Leben,
Im Tode nicht klein!

Die meinigste Liebe,
Die bleibe dann mein!
Und gieb sie mir wieder,
Elysions Hain!
Dort winkt mir ein Schatten
Aus Tausenden zu! -
O Lina, du bist es,
Erkorenste, du!
(Band 1, S. 453-454)
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An Minna
als sie ein Veilchen pflückte

Wandelte mich die Natur
In ein Veilchen dieser Triften;
Dir zu blühen, dir zu düften,
Süßes Mädchen, lebt' ich nur!

In bescheid'ner, holder Tracht,
Wie dein Auge, blau und helle,
Stünd' ich auf der grünen Stelle,
Die dein Odem heilig macht!

Tief bis in dein Herz hinein
Wollt' ich düften; deinetwillen
Meinen ganzen Kelch enthüllen,
Und dein liebstes Blümchen sein!

Glücklich, glücklich wär' ich dann,
Minna, wolltest du mich pflücken,
Und an deinen Busen drücken;
O wie wohl stürb ich daran!

Aber sterben würd' ich nicht:
Gar zu heilig zu verwesen,
Sind die kleinen blauen Wesen,
Die dein schöner Finger bricht!

Wie ein Funken, licht und schön,
Flöge mein entzückter Schatten
Auf die Paradieses-Matten,
Wo die höchsten Engel gehn.
(Band 2, S. 213-214)
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Als sie zur Harfe sang

O Abend voll Entzücken!
O Thal voll Himmelsglanz!
Ich hing an ihren Blicken,
An ihrer Stimme ganz!

Ganz, ganz hing ich an ihnen,
In Liebe hingedrängt,
Gleichwie ein Schwarm von Bienen
Sich an die Blüthen hängt!

Hier, wo der Schatten größer
Hinauf zum Berge steigt,
Wo quellendes Gewässer
Den Blümchen Kühlung reicht;

Hier saß das Bild der Engel!
Es neigten sich vor ihr
Die zarten Blumenstengel,
Als säße Flora hier.

Erwartung naher Wonne
Beseligte das Thal;
Es zögerte die Sonne
Mit ihrem letzten Strahl.

Sie aber, Ruhm verachtend,
Sie wurde nicht gewahr,
Daß Erd' und Himmel schmachtend
Nach ihren Künsten war.

Die Königin der Schönen
Demüthig saß sie da;
Ein herrlich Meer von Tönen
Aufregend, saß sie da!

Mit tausend Lieblichkeiten,
Die nur mein Herz verstand,
Sprang auf den gold'nen Saiten
Die kleine weiße Hand.

Beflügelte Gespielen,
Von Paphos abgesandt,
Sah ich Verstecken spielen
In der geliebten Hand.

Der Zärtlichste von ihnen
(Das Herz von Liebe wund,
Beneidet' ich den Kühnen)
Flog auf den schönsten Mund,

Und goß in ihn die Seele
Des Liedes, mit dem Laut,
Den seufzend Philomele
Den Nächten anvertraut.

Sie sang! So süß, so leise
War kein Sirenenton;
Sonst wär' Ulyß, der Weise,
Dem Tode nicht entflohn!

Auf ewig unvergessen
Bleibt jeder Laut von ihr!
Du Thal, wo sie gesessen,
Ein Tempel bist du mir!

Oft heb' ich an zu lauschen,
Als säh' und hört' ich sie:
Dann ist das kleinste Rauschen
Mir Harfenmelodie.

Den Leidenschaften offen
Steht mein verwirrtes Herz:
Mit Zweifel wechselt Hoffen,
Mit Wonne wechselt Schmerz!
(Band 2, S. 215-217)
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In einem Buchenwalde

Welch' ein Engel lispelt mir
Lieblich in die Seele?
Mit Entzücken stürb' ich hier,
Wenn es Gott beföhle!

Heilig, wie der Glaub', ist hier
Diese Nacht der Buchen:
Giebt's zum Himmel eine Thür,
Hier ist sie zu suchen.

Dürfte mir mein Mädchen nur
Das Geleite geben!
Minna weiß die kleinste Spur
Zu dem bessern Leben.
(Band 2, S. 218)
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Ueber den Druck ihrer Hand

Nacht war mein Lebenslauf,
Tief eingeschlafen, tief! war mein Gefühl des Himmels:
Da drückte Minna mir die Hand!
Die Nacht verschwand;
Und du Gefühl des Himmels,
Du wachtest liebend wieder auf!
O des entzückenden Gewimmels
Der Engel und der Harfen um mich her!
Gott! ich vergess' es nimmermehr!
(Band 2, S. 232)
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Am ersten Ostertage

Was ich bin, und was ich werde sein,
Fühl' ich heute nicht allein!
Heut' und immer les' ich in den lichten,
Großen Augen meiner Herrscherin,
Daß ich mehr als Erde bin:
Wo sie leuchten, ach! wohin
Sie die schönen Blicke richten;
Jede Wendung ist ein leiser Ruf:
"Kann ein Wesen auch vernichten,
Das so reizend uns erschuf?"
(Band 2, S. 233)
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Rechtfertigung meiner Liebe

Einen nicht, zehntausend Pfeile schossen
Tausend Reize mitten in mein Herz!
Engel selbst, von Himmelsglanz umflossen,
Blickten neidisch Erdenwärts:
Denn auch selbst die höchsten nicht,
Die das Buch der Schickung halten,
Sahen unter himmlischen Gestalten
Solch' ein herrliches Gesicht!

Unvergeßlich reines Licht
Fiel aus ihren großen Blicken!
Damals sah ich das Entzücken
(Gott! ich glaubte zu vergehn!)
Damals erst geboren werden:
Hier auf Erden
Hatt' ich's nimmer noch gesehn!

War es Wunder, wenn ich schnell entbrannte?
Dieses Herz, das damals nicht
Die Gewalt des Elementes kannte,
Flog hinein, wie Adler in das Licht!

Ach! es ist darin geblieben!
Mit Gewalt muß ich Sie lieben,
Mag ich wollen oder nicht!
(Band 2, S. 235)
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Als er sie, nach einer kleinen Fehde
mit ihrer Mutter, am Fenster sah

Ein verliebtes Wölkchen trübte
Das entzückende Gesicht!
Diese Miene sprach: Ich liebte!
Jene: Lieben soll ich nicht!
Aber Dank dem Amor! eine dritte,
Die noch schüchtern in ein Lächeln kroch,
Schien zu sagen: Freund, ich bitte,
Habe Muth; ich liebe doch!
(Band 2, S. 236)
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An Dorilis,
in einer schönen Gegend

Frische Blüthen! schöner Wasserfall!
Haine, die vom Morgenstrahl erröthen,
Und Zusammenklang der Flöten
Mit der lieben Nachtigall!
Dies Elysium im Kleinen
Ließ ich für ein Königreich;
Aber, Dorilis, für Einen
Deiner Küsse thät ich's gleich!
(Band 2, S. 237)
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An Minna's Augen

Meines Herzens jugendlichste Schwingen,
Meines Wesens feuervollste Macht
Biet' ich auf, den Augen Lob zu singen,
Die aus öder, freudenloser Nacht
Mich hinauf zum höchsten Lichte rissen,
Die mich mitten unter Finsternissen
So umstrahlten, daß ich, wunderbar!
Das nicht bin, was ich vor Zeiten war.

Zwar ich weiß mein kaltes Lob zu schätzen.
Welche Kluft: mein Lob und euer Werth!
Aber, wie dem Taumel Schranken setzen,
Seit, von eurer Gottheit ich verklärt
Wie der Auserwählten einer stehe,
Seit ich Wunder, lichte Wunder sehe?
Sehe, was kein Sterblicher, vielleicht
Auch kein Engel mit Gesang erreicht!

Was für Leid ich tief im Busen wälze,
Seht ihr Allessehenden allein!
Wenn an euren Strahlen ich zerschmelze,
Wie der Schnee vor Frühlings Sonnenschein;
O vielleicht (was fürchtet nicht die Liebe?)
Wünscht die Freundin, daß ich kälter bliebe,
Schöne Funken, weil ihr, sterblich Leid
Zu vergelten, gar zu göttlich seid!

Zeugen deß, was je von mir gelitten,
Je geschwärmt von meiner Liebe ward,
Flur und Thal, von Quellen schön durchschnitten,
Haine, voll von Frühlingsgegenwart!
O wie oft, wenn Zephyrn euch umfliegen,
Seht ihr mich am öden Felsen liegen,
Seht wie euer schwermuthsvoller Freund
Ohne Hoffnung sein Geschick beweint!

Ja, so ist's! Ihr Augen ohne Gleichen,
Wo ihr strahlt, seh' ich mein Ziel allein,
Und die Qual, es nimmer zu erreichen!
Fern von euch, wie dünk' ich mich so klein!
All' das Große, Schöne, Wunderbare,
Was der Weis' im Lauf durchdachter Jahre
Lernt von Kunst und von Natur zugleich,
Fass' ich oft auf Einen Blick von euch!

Wie so oft die Lieb' auf meinen Wangen
Farb' um Farbe wechselt, seht ihr's nicht?
Gram, Verzweiflung, zärtliches Verlangen,
Schatten heute; morgen wieder Licht!
Seht ihr das; o seht auf meinen Wangen
Meines Herzens ganzes Bildniß hangen!
Tief hinunter schlug der Zauberstab,
Den zu führen euch die Liebe gab!

Führt ihn gnädig; fesselt mein Vertrauen,
Allerschönste Kinder der Natur!
Ach! das Glück euch selber anzuschauen,
Weigerte die große Mutter nur.
Doch Ersatz gab sie mit voller Milde:
Was ihr seid, ihr göttlichen Gebilde,
Die ihr hoch zu Lieb' und Ehrbegier
Mich entflammt, das Alles seht an mir!

Könntet ihr, wie ich, den Zauber schauen,
Den in euch die Unschuld selbst gelegt;
Diesen Reiz des Weißen und des Blauen,
Wenn er ruht und wenn er sich bewegt;
Dieses Lächeln, diese hohe Würde,
Dies - wie nenn' ich's? - Himmel! solche Bürde
Von Entzücken, die mein Lobgedicht
Sinken macht, ertrügt ihr selber nicht!

Glücklich, dreimal glücklich ist die Seele,
Die für euch sich nur geschaffen glaubt,
Die nicht fragt: ob Gold und Ruhm ihr fehle?
Nur sich wünscht, daß sie doch, nie beraubt
Eurer Winke, still durch's Leben walle,
Keinem Fürsten, euch allein gefalle,
Außer euch, von jeder Fessel frei,
Gottes würdig, und der Liebe sei.

Schönste Wesen, nur um euretwillen
Hat für mich das Leben seinen Werth!
So wie Laub und Knospe sich enthüllen,
Wenn der Mai ein ödes Thal verklärt:
So enthüllet jede Tugend-Blüthe
Sich aus meinem innersten Gemüthe,
Seit mir Gott das Loos so himmlisch warf,
Daß ich euch, nur euch bewundern darf!

Aber wehe! daß ihr allzuselten
Mir das Mitleid eurer Blicke gönnt!
Ist es doch, als lägen tausend Welten
Zwischen uns, die Spannenweite trennt!
Gestern ach! als wir uns kaum erreichten,
Auf einmal, wie schönes Wetterleuchten
Wart ihr da - und wart nicht mehr - und ich
Seufzte tief: Umstrahlt' ein Engel mich?

Dennoch hört mein Lob nicht auf, zu tönen.
Zieht der Tod den letzten Vorhang auf;
Dann erhellt die letzte meiner Scenen!
Gern vollenden will ich meinen Lauf,
Wenn ihr einst mit einer Wehmuthszähre
Auf der Asche des Geliebten klagt:
"Ach! vielleicht, daß er noch nicht hier wäre,
Hätten wir ihm weniger versagt!"
(Band 2, S. 243-246)
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Triumph der Trennung

Es ist geschehn! Der Tag hat sich geneigt,
Und tiefe Nacht beginnt in meinem Herzen!
Die Freude schläft; die kleinste Hoffnung schweigt,
Und alles schweigt, ach! bis auf meine Schmerzen:
Die rasten nicht, die zeichnen Tag und Nacht
Das schöne Bild, das mich zur Leiche macht!

Das schöne Bild verfolgt mich für und für!
Das schöne Bild ist wie mein zweites Wesen,
Mir Seel' und Leib! Es schläft und wacht mit mir,
Geleitet mich vom Schreiben bis zum Lesen;
Und, weil's so tief sich in mein Wesen flicht,
Bin ich in ihm, und in mir selber nicht.

Das schöne Bild! Ach, Meilen weit von hier
Ist die Gestalt, nach der ich's mir entwerfe!
Es kostet viel, und oft verweis' ich's mir,
Daß ich mir selbst das Schwert der Wehmuth schärfe:
Allein ich muß! Du, mein geliebtes Schwert,
Du bist mir mehr, als hundert Welten, werth!

O süße Ding', o ich vergess' es nie.
Wie sie mir einst zur Rosenzeit vertraute,
Da schon herab mit holder Sympathie
Der Abendstern auf unsre Pappeln schaute;
Da, leisen Tritts, der Traumgott seinen Mohn
Vertheilen ging für Hütten und für Thron!

Die Zauberin! (Vergleich ist hier zu schwer!)
Mit Innigkeit der Babets und der Psychen,
Sprach sie, und schlug die Aermchen um mich her:
"Geliebter, sieh! siehst du den Epheu kriechen
Um seine Pappel? Lieblicher Verein!
Sei jener du, und ich will diese sein!"

O damals war die Liebe sichtbar hier!
Denn über mir ward Gottes Himmel blauer,
Und grünender das Thälchen unter mir!
Die Nachtigall, versenkt in starre Trauer
Um ihren Gatten, der im Netze blieb,
Ermannte sich, und girrte neuen Trieb!

Ihr Spiel vergaß der Weste muntre Schaar,
Und ruhte fromm auf meiner Molly Kranze!
Verliebte Wölkchen zogen Paar bei Paar,
Und plätscherten in rosenfarb'nem Glanze!
Es war - es war, so träumte sich's mein Wahn,
Als hätte Gott die Himmel aufgethan!

Ach, aber jetzt! wer thut die Himmel auf?
Wer sagt mir jetzt so süße Dinge?
O steiler Blick zum Adlerhorst hinauf,
Für mich, den Schwan, der ich mein Grablied singe!
"Zehn Meilen, sagt Verstand, es ist nicht weit!"
Allein das Herz nennt's Unermeßlichkeit!

Was macht sie jetzt, die himmlische Gestalt,
Zu himmlisch, ach! von mir geliebt zu werden?
Habt ihr Gewalt, die mindeste Gewalt,
Ihr Genien im Himmel und auf Erden,
Werft diese Kluft von Meilen mir zurück,
Und zeigt sie mir nur Einen Augenblick!

Nur Einmal noch, seid ihr nicht ganz ergrimmt,
Zeigt mir dies Aug' in seiner lichten Bläue,
Wie's liebevoll, in frommer Sehnsucht schwimmt!
Nur Einen Blick, der mich zum Tode weihe,
Der Strahlen werf' auf mein erflehtes Grab;
Dann leg' ich gern die langen Fesseln ab.

Umsonst, umsonst! Was fern ist, bleibet fern,
Was Meile heißt, wird nimmermehr zum Schritte,
Nacht bleibet Nacht, und du, o Morgenstern
Des Wiedersehns, bist noch in ihrer Mitte!
Ach, eher nicht wird mir mein Wunsch gestillt,
Bis sich der Mond zum zwölften Male füllt.

Du böse Zeit, du kriechst der Schnecke gleich!
Wie Liebe, fleuch! Aus ihrem Flügel Eine,
Nur Eine Feder! Sohn der Schnecke, fleuch,
Eh' ich den Rest der Blüthenzeit verweine!
Wo Lieb' und Gram des Lebens Walter sind,
Da kommt die Neig', o Himmel, wie geschwind!

Doch Lieb' und Gram, ihr mögt nur immerhin
Die Fülle meiner schönsten Zeit verschwenden;
Oft schaudert mir was Großes durch den Sinn,
Als rief's mir zu: "Noch freundlich wird es enden!"
Doch wo und wie? Das weiß die Lieb' allein!
Ihr Zweifel, still! ihr sollt sie nicht entweihn!
(Band 2, S. 247-250)
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Liebhaberlaune

Endlich, endlich eilt die Ruh,
Gleich des Morgens süßen Thauen,
Meiner finstern Liebe zu!
Aber darf ich ihr wohl trauen?

Lieb', o schöne Liebe, bist
Aus dem falschen Meer geboren!
Wenn das Meer am stillsten ist,
Giebt der Schiffer sich verloren!
(Band 2, S. 251)
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Die Geliebte auf dem Balle

Indeß die Herrscherin von meinem trunk'nen Herzen
Sich wild im Wirbeltanze dreht,
Und Feuerfunken, lichter als die tausend Kerzen
Längs dem Salon, aus ihrem schönen Auge sä't;

Indeß die kleine Hand, gedrückt von zwanzig Händen
Verliebter junger Ritter wird,
Und vor dem Weihrauchdampfe, den sie schlau verschwenden,
Alldurchgeräuchert, sich ihr gutes Herz verwirrt;

So ganz verwirrt, daß sie nach neuer Schande lüstert,
Verschmitzt das Busentuch verschiebt,
Einschläfert, was für mich noch leis' im Herzen flüstert,
Und tausend Küsse nimmt, und tausend Küsse giebt;

Indeß verschlepp' ich hier, benetzt von kalten Thauen,
Des langen Abends lange Last! -
Tyrannin Eifersucht, laß mich aus deinen Klauen!
Die Hölle jubilirt, wenn du die Herrschaft hast!
(Band 2, S. 253)
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Kampf zwischen Religion und Liebe

Wo du auch wandelst, ach! an seiner gold'nen Kette
Folgt dir mein ganzes Herz voll Huldigungen nach!
Als ob mein Wesen sich in dein's verflochten hätte,
So denk' ich dein, den langen Tag;

So denk' ich dein im Schoß der mohnberaubten Nächte,
Und drückt der Schlaf einmal mein müdes Auge zu,
Auch dann bist du mein Traum! O Zauberin, vermöchte
Gott über mich so viel, wie du!

Liebt' ich den Ewigen mit all der hohen Liebe,
Die dieses Herz erfüllt, endlosen Aufruhrs voll!
Wer ungerichtet einst von seinem Richter bliebe,
Das weiß ich, ach, das weiß ich wohl!
(Band 2, S. 254)
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Erwartung des Geliebten

Herrlich fährt der Donnerwagen!
Blitze werfen schönes Licht!
Unsre Stunde hör' ich schlagen;
Und mein Daphnis hört sie nicht?

Möcht ich wissen, wo er bliebe!
Er sich fürchten? Fürchten er?
Ha! mir ist, als sprühte Liebe
Tausend Funken um mich her!
(Band 2, S. 256)
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An Philaiden

Wenn die schönste Zeit der Lauben
Und der Blüthen wiederkehrt;
Wenn verliebte Turteltauben
Busch und Aue seufzen hört;
Wenn sich junge Mädchen scheuen,
In den Wald allein zu gehn,
Dann, Natur, will ich im Freien,
Deinen schönsten Wink verstehn!

Schönste Hirtin, Philaide,
Komm in meine Schäferei!
Wecke mit dem schönsten Liede
Meine rastende Schalmey!
Fern von deinen Küssen zähl' ich
Auch nicht Einen holden Tag!
Was auf Erden macht uns selig,
Wenn's die Liebe nicht vermag?
(Band 2, S. 257)
_____



Abermals Aussichten

Wenn ich heim zu Paradiesen,
Und zu neune Welten geh;
Wenn ich Yorik bei Elisen,
Laura bei Petrarchen seh;
Alle Thränen nicht zu zählen,
Wenn sie alle sind verweint;
Wenn Ein Himmel alle Seelen,
Die sich fehlten, nun vereint;

Wenn auch du mit deinem frommen
Herzen ausgeduldet hast,
Wenn ich rufe: Sei willkommen,
Schöner Paradieses-Gast!
O Entzücken, dann zu gleichen
Freiheit gegen Herz-Verschluß;
Wünsche, die kein Ziel erreichen,
Gegen Jubel und Genuß!

Unter grünen Lebensbäumen
Werden, Hand in Hand, wir gehn,
Und, als wie in süßen Träumen,
In die Welt hinunter sehn.
Eifersucht und Unmuth rollen
Unter Engelsfüßen dann!
Leben! wenn wir leben wollen,
Ach, Geliebte, Himmelan!
(Band 2, S. 259)
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An die Levkojen,
die ich an Schönhannchen sandte

Die ihr so schön erzogen
Von Liebeshänden seid,
Ihr glücklichen Levkojen,
Habt ihr euch sonst gefreut:
So duftet jetzt Entzücken!
Schönhannchen hätschelt euch
Mit ihren schönsten Blicken!
Was kommt der Ehre gleich?

O laßt euch himmlisch pflegen!
Ihr habt es gar zu gut!
Ihr Athem - Thau und Regen,
Ihr Auge - Sonnenglut!
Könnt euch mit euren Düften
Hindrängen hie und da,
Und einen Busen lüften,
Den nie ein Auge sah!

Im Taumel schöner Dinge,
Wohin ich gar zu gern
Nur Einmal betteln ginge,
Spielt ihr den großen Herrn!
Geht denn! euch soll geleiten
Scherz, Liebe, Glück und Stern!
Doch bitt' ich, denkt zu Zeiten
An euren alten Herrn!

Wenn so mit süßem Lachen
Auf euch ihr Auge ruht,
Und sie: "Was mag er machen?"
Die süße Frage thut!
Dann sprecht: "Tagtäglich schlimmer!
An keiner Stelle Ruh!
Schönhannchen! seufzt er immer!
Kennst du den Engel? Du!"
(Band 2, S. 265-266)
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Der Kuß der Sühne

Ich brannt' in Fegerfeuerflammen
Der Eifersucht;
Die Teufel hatten allzusammen
Mich auf der Flucht.

Da sprach die Huldin, der ich diene,
Mich wieder quitt,
Und theilte mir den Kuß der Sühne
Zum Ablaß mit.

Wie's Blatt am Zweige, hing lebendig
Mein Herz an ihr;
Und das Entzücken eigenhändig
Wettrang mit mir.

In schöner Augen schöne Bläue
Sah ich hinein,
Und sah ein Bild - es muß die Treue
Gewesen sein.

Aus Ruh und Liebe - engelholde
Zwiefaltigkeit! -
War's, wie mit Morgensonnengolde,
Gekonterfeit.

O nimmer, nimmer wieder weichen
Will ich von ihr!
Ich schwör's bei allen Himmelszeichen!
Ich schwör's bei ihr!
(Band 2, S. 267)
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Das Lied von der Trennung

Die Engel Gottes weinen,
Wo Liebende sich trennen,
Wie werd' ich leben können,
O Mädchen, ohne dich?
Ein Fremdling allen Freuden,
Leb' ich nach unserm Scheiden!
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Mich fern vorüber fliegen
Wird jegliches Vergnügen
Ach! sonst so gern um mich!
Für dieses Herz voll Trauer
Ist keine Lust von Dauer!
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Im Wachen und im Traume
Werd' ich Luisa nennen;
Den Namen zu bekennen,
Sei Gottesdienst für mich!
Ihn nennen und ihn loben
Werd ich vor Gott noch droben.
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
In's Herz mit Feuerflammen
Malt' ich dein Bild zusammen,
Anbetend dich! nur dich!
Dies Eigenthum bestreiten
Soll keine Macht der Zeiten.
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Der Aufgang jeder Sonne
Erinnert an die Wonne
Der schönsten Augen mich;
Aus ihren kleinsten Blicken
Kam himmlisches Entzücken.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Es tönt wie Harfensaiten,
Gespielt von Himmelsbräuten,
Noch ihr Gesang um mich! -
Hallt ewig, holde Lieder,
Hallt mir im Herzen wieder! -
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
An allen, allen Enden
Verfolgt von ihren Händen
Ein Druck der Liebe mich;
Ich zittre, sie zu fassen,
Und - finde mich verlassen.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Die hingeschied'nen Seelen
Der Küsse, nicht zu zählen,
Umathmen alle mich.
Ihr Blüthenfinsternisse
Des Hains! - ihr ersten Küsse! - -
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Aufzählen alle Pfänder
Getreuer Liebe, Bänder
Und Lockenhaar will ich.
"Sie, sie hat das getragen!"
Will ich mit Schluchzen sagen.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen
Die Brief' aus schönern Tagen,
Sie liegen aufgeschlagen,
Ein Himmelsbuch! um mich.
Von Thränen und von Küssen
Hat mancher leiden müssen!
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ein Zufall raubt, was Jahre
Voll Lieb' an uns verschwenden;
Wie eine Hand, so wenden
Die besten Herzen sich.
Wenn neue Huldigungen
Mein Bild bei Ihr verdrungen:
O Gott! vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich! -

Ach! denk' an unser Scheiden!
Dies Blatt, von dir geschrieben:
"Du wollst mich ewig lieben!"
Dies richte mich und dich!
Dies Zeugniß ernster Sache
Trag' ich, ein Geist der Rache,
Noch vor dein Todesbette,
Vergißt Luisa mich. -

Doch nein! - Wenn sie vergäße,
Vergäße den Getreuen! -
Luisa! mit Verzeihen
Rächt edle Liebe sich.
Wenn Untreu' uns geschieden,
So leb', und leb' in Frieden!
Ich sei des Schicksals Opfer;
Der Trauernde sei ich!

Ja, leb' und stirb in Frieden!
Auf deinem Sterbekissen
Erinn're das Gewissen
Mit keinem Laut an mich!
Mein Geist soll um dich weinen;
Soll aber nicht erscheinen.
Ein Geist, den du einst liebtest,
Sei Keinem fürchterlich!
(Band 2, S. 276-280)
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An Eloisen

Als wir sanft und furchtsam doch
Blicke tauschten, die verwandten
Seelen sich einander kannten:
Liebes Mädchen, weißt du noch?

Als wir sanft und furchtsam doch
Zu den Blicken Worte fanden,
Die das Schönste sich gestanden:
Liebes Mädchen, weißt du noch?

Als der Mutter strenges Joch
Wir zerbrachen unter Küssen
In des Waldes Finsternissen:
Liebes Mädchen, weißt du noch?

Alles weiß ich, jeden Blick,
Wort und Kuß! Nichts ging von hinnen;
Ach! es ist ein süßes Sinnen
In vergang'ne Zeit zurück.

Süßes Sinnen, sollt' ich dir
An des Lethe strengen Flüssen
Auf einmal entsagen müssen . . .
Lieber die Vernichtung mir!
(Band 2, S. 281)
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Das Vergißmeinnicht
An Eloisa

Wenn du einst in neuem Liebesstrahle
Wege gehst, die du vordem nicht gingst,
Und für mich die fürchterliche Schale
Des Vergessens an die Lippen bringst;
Wenn dein Auge, das für mich nur glühte,
Mir abwendig, einem Andern spricht,
Dann dich mahnen mag die kleine Blüthe:
Sünderin, vergiß ihn nicht!

Wenn ein Jüngling, mächtiger und weiser,
Doch nicht treuer, um dein Lächeln wirbt,
Und du lächelst, und die Treue leiser
Meinen Namen nennt, und dann erstirbt;
Dann verbiet', o Mädchen, dann verbiete
Jeder Thräne, die für mich noch spricht!
Sprechen aber wird die kleine Blüthe:
Sünderin, vergiß ihn nicht!

Wenn in Blicken, die wie Funken stäuben,
Der geliebte Glückliche nun praßt;
Und nach kurzem mädchenhaften Sträuben,
Dich sein voller Liebesarm umfaßt;
Dann verbiet', o Mädchen, dann verbiete
Jedem Seufzer, der für mich noch spricht;
Sprechen aber wird die kleine Blüthe:
Sünderin, vergiß ihn nicht!
(Band 2, S. 282)
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An Laura

Immer noch, du Herrliche, du Eine,
Malst du dir das fürchterliche Bild,
Daß ich dich, o dich allein nicht meine,
Die mein ganzes Innerstes erfüllt?
Dich, die meines Lebens schönste Stunden
Mit der höchsten Willenseinheit theilt,
Und, wenn Neid und Dummheit es verwunden,
Mich mit halben schönen Blicken heilt?

Seit ich dich in diesem Herzen trage,
O wie sehr, wie einzig bist du mein!
Gott nur lebt der Klausner seine Tage,
Ich die meinen Gott und dir allein!
Ach! von meinen Lebensfaden allen
Ist die Treue selbst die Spinnerin;
Heute noch ließ' ich das Ende fallen,
Säh' ich heute Wankelmuth darin!

Nur zum Auge, nie zum Herzen wandern
Lass' ich jede reizende Gestalt,
Die den Frieden eines jeden Andern
Niederwirft mit Blitzes Allgewalt.
Hält bisweilen auch der Blick der Seele
Bei dem Glanz der fremden Schönheit still;
O so ist's, zu sehn, was ihr nicht fehle,
Wenn sie, Laura, dich erreichen will!

Oder weinst du, daß von ältern Flammen
Noch ein Funken mir im Herzen glimmt;
O dann kennst du nicht den Reiz zusammen,
Der den Platz vor allen Reizen nimmt.
Wenn der Mond an Gottes blauen Himmel
Sich erhebt, das Heer des Himmels führt;
Dann, dann weiß das funkelnde Gewimmel
Aller Sterne, wer die Nacht regiert!

Lust des Auges nur an schönen Farben,
An der Jugend frischer Malerei,
War mein Lieben aus der Vorzeit; darben
Mußte mein Unsterbliches dabei.
Du allein, du hast mit Lebensodem
Den bestäubten Todten angeweht;
Und seitdem ist dieses Herz ein Boden,
Wo die Frucht, wie Himmelsfrüchte, steht.

Was für Frucht! Besonnt von deinen Blicken,
Und von deinen Thränen überthaut!
O kein Engel dürfte sie zu pflücken
Schamroth werden. Selbst der Schöpfer schaut
In mein Herz mit Schöpfers-Wohlgefallen,
Lächelnd, daß kein hoher Wunsch darin
Wohnhaft ist von meinen Wünschen allen,
Als nur Er, und du, o Zauberin.

Du, o Laura, bist mir Alles, Alles!
Jede Tugend, die noch übrig blieb,
Seit der Zeit des großen Sündenfalles,
Der die reinsten Tugenden vertrieb;
Jeder Reiz, den unsre Gleime singen,
Unsre Mengse malen, ist in dir!
Laura, lichter als in allen Dingen,
Hat sich Gott geoffenbart in dir.

Dreizehnmal erschienen und verschwunden
Ist der Mond: ein langes süßes Jahr
Ist erwachsen aus den süßen Stunden,
Die wir theilten; und wie wunderbar!
Immer noch derselbe Geist der Liebe
Geht in mir, wie Engel, um,
Und der Dämon, der von dir mich triebe,
Brächte mich um mein Elysium!

Selbst der Geist, den schon so Viele scheuten,
Weil er viel der Blumen niedertrat,
Der Genuß von kleinen Traulichkeiten,
Wirft der Blumen mehr auf unsern Pfad.
Sieh, nach unsern tausend Küssen allen
Ist dein letzter noch von heute mir
Zündend auf mein Innerstes gefallen,
Wie der erste Hebe-Kuß von dir!

Und du zweifelst, du, aus allen Welten
Auserwähltes, hohes Mädchen, du:
Ob allein dir meine Seufzer gelten?
Diese Zweifel tödtet meine Ruh.
Habe Glauben! habe Glauben, Liebe!
Ach, bei dieser Augen sanftem Licht,
Das mich hin zum Himmel leuchtet, trübe
Mir das Herz durch finstre Zweifel nicht!
(Band 2, S. 283-285)
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An Fanny
Versicherung neuer Treue

Dir mit Seufzern, dir mit Blut,
Dir mit heißer Thränenflut,
That ich meinen Schwur der Treue!
Dornen, scharfe Dornen streue
Gott auf meinen Pilgerpfad,
Wenn ich schnöden Meineid that.

Meuchelgift, das langsam frißt,
Hier, wo du verrathen bist,
Mische sich zu meinen Freuden;
Und wenn Leib und Seele scheiden,
Trete selbst den stärksten Mann,
Der mich sieht, ein Grausen an!

Wie ein Blinder, nach dem Licht
Müss' ich suchen, müsse nicht
Finden können, was ich suche!
Finster Alles vor dem Fluche
Des Gewissens werde mir,
Selbst der Sühneblick von dir!

Aber leg', o Phantasei,
Leg' den schwarzen Schleier bei;
Noch Verlaß ist hier zu Linken!
Engel machte Hoffart sinken:
Ich, fürwahr! ich sinke nie;
Bin ich stolz, bin ich's auf sie!

Stolz im tiefsten Herzensmark
Auf die Gute, die so stark
Mich mit Liebesarm umklammert!
Hohes Mädchen, o mich jammert
Jeder freudenlose Neid,
Der mich Eines Leichtsinns zeiht!

Nur der Neid erfrecht sich das!
Ach! bei ihm ist kein Gelaß
Für Gefühl der höchsten Weihe!
Jeder Blick, womit die Treue
Mir verschönert jeden Tag,
Ist für ihn ein Wetterschlag.

In sein Innres schlägt er ein!
Ach! er fühlt es, gar zu rein
Müsse sein das Herz des Einen,
Den so schöne Blicke meinen!
Und mein Herz, mit allem Heil
Hoher Lieb', ist ihm ein Gräul!

Mag es doch, wenn du nur weißt,
Daß kein Tropfen Blut sich kreist
Hin zu dieses Herzens Mitte,
Der zu Gott nicht täglich bitte:
"Sei mein Schicksal, wie es sei,
Gott, erhalte mich nur treu!

Treu, o Gott, erhalt mich dir
Und dem Engel, welcher mir
Ahnung giebt aus seinen Blicken
Von unsterblicherm Entzücken,
Ahnung, daß du droben erst
Schöner uns die Liebe lehrst!"

Mit der Ahnung will ich einst,
Wenn du, gutes Mädchen, weinst
Ueber meinen Sterbebetten,
Dir den Gram so lieblich ketten,
Daß er aus geliebter Gruft
Lächelnd mich bei Namen ruft!

Hiermit - - - Ach! dein Herz verschlug
Manchen Schlag an dieses Tuch! - - -
Will ich trocknen bald die Schweiße
Von der Stirn voll Todesweiße,
Bald das Lied, von dir geweint,
Die mich noch im Tode meint!

"Gutes Mädchen, nur voran
Will ich wandeln!" sag' ich dann:
"Will die Stätte dir bereiten
Zu den bessern Herrlichkeiten!
Liebeszeit hat Flügel, ach!
Lebe wohl, und komm bald nach!"
(Band 2, S. 291-293)
_____



Schwanenlied eines Unglücklichen

Auf der Hoffnung letzter schmaler Scheiter
Treib' ich athmend durch die offne See!
Hilf, o du im Himmel! hilf mir weiter,
Daß ich bald ein stilles Eiland seh!

Wo von allen Menschen abgeschieden
Dich allein der arme Pilger schaut,
Wo er endlich dir und seinem Frieden
Einen kleinen, sichern Tempel baut!

Sieh! des Meeres aufgethürmte Welle
Wirft den müden Wager hin und her,
Wirft ihn bald zum Himmel, bald zur Hölle,
Und der Athem geht ihm bang und schwer!

O du hast der Engel, die uns dienen! - - -
Oder ist es droben so verhängt,
Daß nicht Einer helfen soll von ihnen,
Daß die Fluth zur Beute mich empfängt:

Nur zum Ufer - meine letzte Bitte! -
Treibe nicht unglückliches Gebein!
Menschen nahmen mir die letzte Hütte:
Würden Menschen mir ein Grab verleihn?
(Band 2, S. 294)
_____



Schmerz der Liebe

Es ist kein Spaß, ein hübsches Kind zu meinen;
Ich hab's erfahren, glaubt es mir!
Ich mußte hoffen, fürchten, weinen;
Es ist kein Spaß, ein hübsches Kind zu meinen!
Und doch verschont der Pfeil der Liebe Keinen;
Zu lieben sind wir alle hier.
Es ist kein Spaß, ein hübsches Kind zu meinen;
Ich hab's erfahren, glaubt es mir!
(Band 3, S. 247)
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An die Eine

Dich allein, dich lieb' ich nur,
Mädchen mit den schwarzen Haaren!
Dich allein, dich lieb' ich nur.
Dir that ich der Treue Schwur;
Und mein Herz soll ihn bewahren,
Bis auf Lethe's öde Flur
Charon mich wird überfahren!
Dich allein, dich lieb' ich nur,
Mädchen mit den schwarzen Haaren!
(Band 3, S. 249)
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Blick und Kuß

Wißt ihr was Süßeres hienieden
Als Blick und Kuß von Adelheid?
Wenn mir das Glück die Ferse beut,
Dann spricht den Traurer nichts zufrieden,
Als Blick und Kuß von Adelheid;
Die lindern selbst das schwerste Leid.
Wißt ihr was Süßeres hienieden,
Als Blick und Kuß von Adelheid?
(Band 3, S. 250)
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Man liebt nur Einmal

Einmal, Einmal liebt man nur;
Zweimal lieben ist vergebens.
Einmal, Einmal liebt man nur:
Aber dann - Triumph des Lebens!
Ach! ein Himmel, voll des Gebens,
Voll des Nehmens folgt dem Schwur!
Einmal, Einmal liebt man nur;
Zweimal lieben ist vergebens!
(Band 3, S. 254)
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Aus: Klamer Eberhard Karl Schmidt's Leben
auserlesene Werke
herausgegeben von dessen Sohne
Wilhelm Werner Johann Schmidt
und Schwiegersohne Friedrich Lautsch
Stuttgart und Tübingen
in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
Erster Band 1826 Zweiter Band 1827 Dritter Band 1828
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Klamer_Eberhard_Karl_Schmidt



 

 


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