Eulogius Schneider (1756-1794) - Liebesgedichte

Eulogius Schneider



Eulogius Schneider
(1756-1794)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Mädchenmoral

Mädchen, willst du artig sein?
So gewöhne deinen Busen
An den Zaubersaft der Musen,
Schlürf' der Schriften Honig ein.

Willst du schön und reizend sein?
So bewahre deine Tugend:
Denn mit ihr verblüht die Jugend,
Trocknet alle Schönheit ein,

Wünschest du gesund zu sein?
Wünschest lang' dich zu erhalten?
Nimm die Medicin der Alten,
Mässigkeit und Arbeit ein.

Wünschest du geliebt zu sein?
Such' nur EINEM zu gefallen!
Nimm Verehrungszoll von Allen,
Liebeszoll von Einem ein.

Willst du ewig glücklich sein?
Lass dein Pfund nicht müssig liegen:
Wohlzuthun sei dein Vergnügen:
Liebe führt zum Himmel ein.
(S. 5-6)
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Das DU

Wahre Liebe bindet nie
Sich an's steife, ernste: SIE.
Sie vergisst's, und weiss nicht wie.
Trautes Liebchen, fraget sie,
Bist du nicht mein Liebchen, du?
Liebchen lächelt, ja, dazu.
(S. 19)
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An Lina
aus dem Kloster

Einsam schmacht' ich hier im Bette;
Thränen fallen auf die Kette,
Die der Tieger Hildebrand
Mir um Herz und Hände wand.

Joseph - kann der uns nicht retten?
Nicht zerschmettern unsre Ketten?
Nein; noch nicht; er fängt nur an,
Was vielleicht sein Erbe kann.

Alles gehet stufenweise.
Wenn dein Jüngling einst als Greise
Zittert, und am Stabe keucht;
Lina, dann geschieht's vielleicht.

Dann, wenn seine Manneskräfte,
Mark, und Geist, und Lebenssäfte
Schwinden, wenn das, was er fühlt,
Gram erstickt, und Alter kühlt;

Dann vielleicht, wenn ich im Grabe
Endlich jene Ruhe habe,
Die ich ohne deine Hand
immer suchte, nirgends fand;

Dann vielleicht, wenn ich schon modre,
Nichts mehr wünsche, nichts mehr fodre,
Wenn mich zwar der Wurm zernagt,
Aber kein Tyrann mehr plagt;

Dann, o Freundinn, kann's geschehen,
Dass die Quelle unsrer Wehen
Sich verstopfe! Möcht' es doch!
Freute mich im Grabe noch!
(S. 20-22)
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An eben dieselbe

Wenn Tyrannei mich niederdrücket;
Wenn heiligstolze Grausamkeit
Das Leben jener Brust ersticket,
Die ganz sich deiner Liebe weiht;

Wenn mich die Last der Amtsgeschäfte
Entnervet; wenn, von Gram verzehrt,
Mein Geist und Körper neue Kräfte,
Mein Odem frische Luft begehrt;

Wenn dann dein Freund an Dich sich schmieget;
Entzückt, wenn gleich nur auf Papier,
An deinem Engelbusen lieget;
Verstössest Du ihn dann von Dir!
(S. 23)
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An Lina

Sage mir, wo ist der Mann,
Der Dich könnte mir entreissen?
O! wie sollte dieser heissen?
Herzensmädchen, sag' es an,
Sprich! wo wäre so ein Mann?

Sage mir, wo ist der Mann
Dessen Herz so hellauf brennte?
Der so innig küssen könnte?
Schelmenmäulchen, sag' es an,
Sprich! wo wäre so ein Mann?

Sage mir, wo ist der Mann,
Der nach festen Gründen wandelt,
Stäts nach Ueberzeugung handelt,
Philosophinn, sag' es an,
Sprich! wo wäre so ein Mann?

Sage mir, wo ist der Mann,
Der sich im Genuss der Freuden
Gleich ist, wie im Druck der Leiden?
Gutes Mädchen, sag' es an,
Sprich! wo wäre so ein Mann?

Sage mir, wo ist der Mann,
Der mit tausend Hindernissen
Kämpft, und siegt, um Dich zu küssen?
Trauter Engel, sag' es an,
Sprich! wo wäre so ein Mann?

Sage mir, wo ist der Mann,
Der von Amors Necktartränken
Weiss so niedlich einzuschenken?
Purpurlippen, sagt es an,
Sprecht, wo wäre so ein Mann?

Sage mir, wo ist der Mann,
Der der Liebe Streitigkeiten
Weiss so klüglich einzuleiten?
Pochend Dingchen, sag' es an,
Sprich! wo wäre so ein Mann?
(S. 75-77)
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Liebchen an W.

Geliebter, wirst du mir nicht schreiben?
Nein, sagt die Trägheit, lass es bleiben,
Dein Liebchen macht sich nichts daraus.
Sie hat zu thun in ihrem Haus,
Und hoffet morgen mit Entzücken
Dich selbst an ihre Brust zu drücken,
Und morgen ist nicht weit entfernt!
Doch nein! du musst ihr heute schreiben,
Denn Liebchen hat noch nicht gelernt,
Zwölf Stunden ohne Brief zu bleiben.
O! wenn du wüsstest, wie sie izt
Verlassen auf dem Sopha sitzt,
Bald ungeduldig nach dem Fenster blicket,
Bald aufwärts, und bald abwärts rücket,
Die Mägde ruft, und wieder von sich jagt,
Nach diesem und nach jenem fragt,
Und doch auf keine Antwort achtet:
Wie sie nach dir, nach Allem schmachtet,
Was nur aus deiner Feder fliesst:
Wie jedes Wort, von dir geschrieben,
Ihr Wonne in die Seele giesst;
Du würdest schreiben, oder gar nicht lieben.
(S. 95-96)
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Der verrathene Kuss
(An Minette)

Wie Knaben ihre Nester,
So hast mit deiner Schwester
Du jeden meiner Küsse?
Ist's nöthig, dass sie's wisse?
Ich will in meinem Leben
Dir keinen Kuss mehr geben,
Dies mag Nannette wissen!
Ja wohl noch einmal küssen!
Ja wohl das kleinste Theilchen
Von jenen süssen Mäulchen,
Die du, wenn du nur dürftest,
Mit Rosenlippen schlürftest.

Jezt werde klug durch Schaden!
Warum hast du's verrathen?
Hast noch dazu gedichtet,
Gewissenlos berichtet,
Beim Ofen sei's geschehen?
Ist so was auszustehen?
Ist's Wunder, wenn ich zanke?
War's nicht beim Kleiderschranke?
(S. 123-124)
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An Nannette
über denselben Gegenstand

Dass ich Minette küsste,
Und dass mich's noch gelüste,
Sie wieder frisch zu küssen;
Das darfst, das sollst du wissen.
Hast du nicht manche Stunde
An ihrem Zaubermunde,
An Augen, Stirne, Wangen,
Mich ungefragt, gehangen?
Und dass dich's recht verdriesse;
So sag' ich dir: so süsse,
So süsse, wie Babette,
Küsst selber nicht, ich wette,
Die Königinn der Liebe.
Und wenn ich's übertriebe;
So dürft' ich's nur noch wagen,
Dir rund heraus zusagen:
Fast küsste mich Minette
So süsse, wie Nannette.
(S. 125-126)
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Der abwesende Gatte
an sein Weibchen

Ja, ja! ich muss Dir, Beste, schreiben,
Muss, unsern Kummer zu vertreiben,
Dir sagen: Ewig bin ich Dein,
Und ewig, Weibchen, bist Du mein!

Ach! dass ich nicht mit einem Kusse,
Mit einem süssen Thränengusse
Den schönen Satz: "Ich bin dein Mann",
Den Augenblick versiegeln kann.

O! könnt' ich diesen heitern Morgen
Auf deines Herzens Klopfen horchen;
Wenn mir's mit jedem Pulse schwört,
Dass mir es, mir allein gehört.

Wie prächtig dort die ersten Stralen
Der Sonne das Gebürge malen!
Wie frisch nach dieser Regennacht
Die ganze Schöpfung um mich lacht!

Wie lieblich weht von jenen Triften
Die Luft, gefüllt mit Ambradüften!
Wie wogt und wiegt sich auf der Flur
Der grüne Reichthum der Natur!

Nur Eines, nur mein Weibchen fehlet;
Nur Sie, die fern von mir sich quälet,
Nur stäts nach mir, nach mir sich sehnt,
Und selbst am schönsten Morgen gähnt,

Jetzt liegt sie noch im heissen Bette,
Und seufzt: Ach! dass ich ihn doch hätte!
Wo bleibet er? Ach! käm' er doch!
Wie lange ach! verweilt er noch?

Sei ruhig, Kind! Die Zeit der Wehen
Wird auch für uns vorüber gehen.
Auch unser harrt, vielleicht nicht weit
Entfernt, der Liebe Seligkeit.

Wie wollen wir sie dann geniessen!
Wie schnell wird jedes Jahr verfliessen!
Viel schneller in der Liebe Glück,
Als jezt im Gram ein Augenblick!
(S. 131-134)
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An Minette,
nach einem Besuche

Nun ist er fort, mein trauter Jüngling fort!
So dachtest Du am Thore dort,
Da ich das lezte Mal mich aus dem Wagen neigte.
Wie war, Minette, da mein Herz so voll,
Wie theuer mir der Kummer, der mich beugte,
Wie süss der Thränenstrom, der diesem Aug' entquoll!
Nicht jedes Aug' kann solche Thränen weinen;
Nicht jeder Busen öffnet sich dem reinen,
Dem göttlichen Vergnügen, Freund zu sein,
Zu lieben, und geliebt zu werden.
Wer liebt, der lebt nicht mehr auf Erden;
Der athmet Himmelsfreuden ein.

Mir war so wohl an Deinem Engelmunde,
So wohl in jener Viertelstunde,
Da mir Minette, Hand in Hand gelegt,
Und Mund auf Mund - Man darf es wissen,
Die Menschen, und die Engel dürfen's wissen,
Dass wir einander küssen -
Da mir Minette auf mein dumpfes Ach
Durchglühet von Empfindung sprach:
Ach! dass uns Menschen trennen müssen!
Das sagtest Du, und drücktest mich
So herzlich, und so sanft an Dich.
O Beste! lass mich ganz mein Glück geniessen,
Lass ganz mein Herz von Liebe überfliessen!
Das innre Zeugnis: "WIR SIND GUT"
Durchglüh' uns jeden Tropfen Blut,
Verbreite Licht durch unsre Seelen,
Begeistre uns zu jeder schönen That,
Sei unser Trost, und unser Rath,
Wenn wir, getrennt, uns ohne Hoffnung quälen.
(S. 140-142)
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Die Moral der Liebe
(An Lina)

Alles weiss ich zu geniessen,
Weiss die Liebe zu versüssen,
Weiss auch Alles zu entbehr'n,
Was Gesetze mir verwehr'n.

Wenn ich Dir ins Auge blicke,
Dich an meinen Busen drücke,
Sage: o wie lieb' ich Dich!
Welche Sünde thue ich?

Halbgewaltsam Dich umschlingen,
Jezt Dir einen Kuss erzwingen,
Jezt an Deinem Busen ruh'n,
Ist das mehr, als Engel thun?

Dir um Kinn und Wange tändeln,
Freilich unter tausend Händeln,
Freilich, wie von Ohngefähr,
Wer verdammt's? - Der Stoiker.

Dann mit einer Flut von Küssen
Die begangne Sünde büssen,
Und aufs neue sie begeh'n,
Sei's nicht recht - es ist doch schön!
(S. 155-156)
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Auf eine Melone
die ich an LINA schickte

Küsse mir das kleine, runde
Mäulchen, das von Nektar fliesst.
Sei so süsse Linens Munde,
Wie ihr Kuss dem meinen ist.
(S. 204)
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An Irene
(Stuttgart den 1. Febr. 1789)

Oft, wenn ich in der finstern Zelle
Auf hartem Strohe lag;
Da malte mir der Gott des Traumes
Mein künftig Mädchen vor.

Da sah ich sie, die Göttlichschöne:
Ihr Auge sprach Gefühl:
Und ahndend schlug im weissen Busen
Ihr unschuldsvolles Herz.

Ich sah, von Phöbus selbst gestimmet,
Das goldne Saitenspiel
In ihrer Hand: mit einem Worte
Ich sah, IRENE, DICH!

Der Himmel lös'te meine Bande:
Ich kam, und suchte Dich.
Dich suchte ich drei lange Jahre,
Und ach! ich fand Dich nicht.

Jezt da mein Schicksal fern mich schleudert,
Jezt, Engel, find' ich Dich!
Wie weh ist mir! wie trüb im Auge!
Wie schlägt mein banges Herz!

Nur eine, ach! nur eine Zähre
Des Mitleids schenke mir!
Dann wein' ich gerne, bis ein Hügel
Am Rhenus mich bedeckt.
(S. 215-217)
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Auf Irenens Porträt

Ja! das ist, IRENE,
Deiner Seele Bild.
Sähest Du die Thräne,
Die mir jezt entquillt!

Charitinnen schweben
Um die Wange Dir:
Und den Busen heben
Wünsche - ach! nach mir.

Deine Leiden malen
Sich im sanften Blick:
Alle meine Qualen
Les' ich, und mein Glück!
(S. 243-244)
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Aus: Gedichte von Eulogius Schneider
Mit dem Portrait des Verfassers
Frankfurt 1790
In Commission der Andräischen Buchhandlung

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Eulogius_Schneider




 

 


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