Thekla Schneider (1854-1936) - Liebesgedichte

 

 

 Thekla Schneider
(1854-1936)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:



 


Am Morgen

Früh bin ich heut aufgewacht,
In Garten früh gegangen,
Da sah ich an dem Rosenstrauch
Die erste Blume prangen.
Ich hab' sie lange angeseh'n
Und dann bei mir gedacht:
So blüht vielleicht auch einmal mir
Ein Glück auf über Nacht.
(S. 13)
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Am Abend

Nur den Wolken, die dort blauen,
Und den stillen Sternelein
Darf mein Leid ich anvertrauen,
Euch, ja euch nur ganz allein.

Meine Grüße, meine Lieder
Trugt ihr dem Geliebten zu,
Alle, alle Abend wieder,
Eh' ich legte mich zu Ruh'.

Nun, ihr lieben, gold'nen Sterne
Dort am Himmel licht und hehr,
Ziehet einsam in die Ferne,
Habe keine Grüße mehr;

Hab' nur bitt're, heiße Thränen,
Um den Stern, der mir erblich,
Dieses Schmerzen, dieses Sehnen
Aber ist allein für mich.
(S. 14)
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Bei Nacht

Wenn manchmal ich in dunkler Nacht
An's Fenster bin geschlichen,
Dann hab ich deine Augen oft
Den Sternelein verglichen.

Sie strahlen ja so lieb, so hell,
So heimlich wie die Sterne,
Doch wie die Sterne strahlen sie,
Mich an nur aus der Ferne.

Die Sternlein und die Augen dein,
Ich kann sie nie erreichen,
Und traurig muß zurücke ich,
In's Dunkle immer schleichen.
(S. 15)
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Im Gebirg

Ich hab' von Alpenrosen
Mir einen Strauß gepflückt,
Und über alle Berge
Dann einen Gruß geschickt.
Denn wisset, wie die Blume
Bei Schnee und Eis erblüht,
So ist auch meine Liebe,
Zur Winterszeit erglüht.
(S. 16)
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Die Rose

Kund ist uns die alte Sage,
Daß die Rose niemals klage,
Wenn man sie aus Liebe bricht,
Leise sie zum Pflücker spricht:
Nimm nur meine volle Blüthe,
Steck' sie an den Busen hin,
Möge darin Lust und Liebe,
Frisch, wie meine Farben glüh'n.
Laß dem Stiele seine Dornen,
Denn die Liebe sticht auch gern,
Solltest einmal du vergessen
Der Geliebten in der Fern'.
Auch drei Blätter hab' der Stengel,
Daß sich d'rauf die Blume legt,
An der Hoffnung grünen Ranken
Sich die zarte Liebe pflegt.
Noch ein Knösplein mußt du fügen
Diesem kleinen Sträußchen bei,
Daß die Liebe niemals welke,
Daß sie immer blühe neu.
Doch wenn du dein ganzes Herze
Nicht willst der Geliebten weih'n,
Werd' ich auf das Grab der Liebe,
Meine welken Blätter streu'n.
(S. 22)
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Deingedenken

Dein dacht' ich, als die Geisterstunde
Der Mitternacht, mich kürzlich fand,
Wie in der Dichtkunst Reichen forschend
Ich sinnend noch am Pulte stand.
Die ganze Welt hatt' ich vergessen
Mit ihren Schmerzen, ihrer Lust,
Melodisch klang allein dein Name
Aus ihr auf einmal durch die Brust.
Ich legte weg darauf die Feder,
Grub in die Hand mein Angesicht,
Und sah mit meines Geistes Augen
Dich selbst, ein liebliches Gesicht.
Das Ebenmaß in deinen Zügen,
Der schönste Rhythmus, ja fürwahr,
Was wären aber diese Formen,
Entbehrten sie dein Augenpaar?
Sie sind der Ausdruck deines Geistes,
Verrathen dein Gedankenreich,
Drum blicken sie so lieb, so innig,
So offen und verschämt zugleich!

Drauf ging ich hin zum kleinen Fenster,
Rief durch die sternenhelle Nacht:
"Dir sei in weiter, weiter Ferne,
Wohl tausendmal mein Gruß gebracht."
Du hast die Grüße wohl vernommen,
In einem schönen goldnen Traum,
"Dein denk' ich" hört' zurück ich rauschen
Im Garten den Kastanienbaum.
(S. 32)
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Lied und Liebe

Weiß nicht, was ich singen soll,
Geh' hinaus in Wald,
Wo der Chor der Vögelein,
Von den Zweigen schallt;
Ob's auch flüstert sanft im Ried,
Fällt mir ein kein einzig Lied.

Weiß nicht, was ich singen soll,
Steige auf die Höh'n,
Wo mir um das Haupt so lind
Sommerlüfte wehn.
Ringsum heller Sonnenschein, -
Dennoch fällt kein Lied mir ein.

Weiß nicht, was ich singen soll,
Geh' hinab in's Thal,
Sieh' da fällt mir auf das Herz
Zweier Augen Strahl.
Durch die Seele aber zieht
Mir ein wunderbares Lied.

Auf das liebe Augenpaar,
Drück' ich einen Kuß,
Und ich weiß jetzt immerdar
Was ich singen muß.
Bis die Seele heimwärts flieht,
Sing' von Liebe ich ein Lied.
(S. 33)
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Die Elemente als Liebesboten

O, daß die Lüfte wüßten,
Wie ich dich hab' so gern,
Daß sie, statt meiner küßten
Den treuen Augenstern.

O, laß die Wasser rauschen
Von dir mir einen Gruß,
Ich will ja ewig lauschen
Dem Quell, am Bergesfuß.

Daß dir das Feuer sage,
Wie heiß die Flamme brennt,
Die ich im Herzen trage,
Die man die Liebe nennt.

O, blumenreiche Erde,
Schling in ihr blondes Haar
Den Brautkranz, daß sie werde
Die meine am Altar!
(S. 34)
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Das Lied des Postillon

Horch, horch den schmetternd hellen Ton
In aller Früh,
Gewiß, das ist der Postillon,
Trara, Trari!
Es hat's gehört im Jägerhaus
Das schöne Kind,
Und eilt zum Blumenfenster hin
Geschwind, geschwind.

Wie da zum Sims sein Haupt sich neigt,
So tief hinab,
Da kommt es schon den Berg herauf,
Trab, trab, trab, trab.
Und kaum der Postillon die Maid
Am Fenster sieht,
Stimmt er auf seinem Horne an
Ein herzig Lied.

Das Liedchen, das sie gestern sang
Im Abendschein,
Als sie am Rosenhage saß
So ganz allein.
Die Liebe trug es durch den Wald,
Weit fort, weit fort,
Im Posthorn bringt sie's nun zurück,
An seinen Heimathort.
(S. 36)
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Der Verseschmied

Tausend schöne Melodien
Tanzen stets mir durch den Sinn,
Die ich alle zu bemeistern
Ja doch nicht im Stande bin.

Sage täglich d'rum zu vielen,
Die nicht fasset mein Gemüth:
Ziehet hin zu dem Geliebten
Er ist auch ein Verseschmied.

Wisset, seine Werkstatt stehet
An des Flusses grünem Strand,
Bringt ihm Grüße, bringt ihm Küsse,
Sagt, ich habe euch gesandt.

Müßt als heiße Feuerfunken
Munter um die Esse sprühn,
Daß von Poesie betrunken
Ihm die bleichen Wangen glühn.

Sagt, wenn wir beisammen wohnen
Einst am eigenen trauten Heerd,
Flammt's noch heller, weil dann nimmer,
Heimweh unsern Geist beschwert.

Sorgen will ich, daß erlischet
Unterm Dache nie der Spahn,
Denn der zarte Hauch der Liebe,
Fach' ihn stets von Neuem an.
(S. 37)
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Ob er mich liebt?

O, in den Sternen möcht ich lesen,
Ob er mir einmal gut gewesen.
Ich möchte fragen jedes Blatt,
Ob er auch jetzt noch lieb mich hat.
Möcht' mit den Vöglein zu ihm fliegen,
Und lesen in den theuren Zügen
Ob er mich liebt?

Kein Lüftchen will mir Grüße bringen,
Auf seinen leichten Silberschwingen,
Und auch die Wellen an dem Bord
Erzählen mir von ihm kein Wort,
Die Nachtigall will mir's nicht sagen,
Und Menschen mag ich nicht drum fragen,
Ob er mich liebt?
(S. 38)
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Liebe

Auf hoher Felsenspitze
Ein Edelweiß erblüht,
Und tief im Thale unten
Die Alpenrose glüht.

Sie schaut so voller Sehnen
Hinauf zu Schnee und Eis;
Ich glaube gar, sie liebet
Das zarte Edelweiß.

Da blitzt vom Himmelszelte
Herab ein goldner Strahl,
Der wirft die Felsenspitze
Hinunter in das Thal.

Das Edelweiß, so minnig,
Sinkt ohne Schmerz und Harm,
Der duftigen Alpenrose
Liebkosend in den Arm.

Also führt Lieb' zusammen,
Und wenn die ganze Welt,
Mit allem, was da blühet,
In tausend Stücke fällt.
(S. 39)
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Warum?

Um deiner Locken blond Gekräusel,
Um deiner Augen blaues Licht,
Um deine Rosen auf den Wangen,
Liebchen, liebe ich dich nicht.
Aber um der Seele willen,
Die aus deinem Angesicht
Wie aus einem goldumrahmten,
Reinen Spiegel zu mir spricht.
(S. 40)
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Volkslied

Habe meine Lieb geneckt
Mit einem Blumenstrauß,
Den ich ihr hingesteckt
Dort, an ihr Haus.

Habe ihn angebracht,
So an dem Fensterlein,
Daß, wenn sie auf es macht,
Er fällt hinein.

Bückt sie sich dann nach dir
Sträußlein so frisch und bunt,
Küsse sie, gleich von mir
Auf ihren Mund.

Und wenn sie nicht versteht,
Wer dich zu ihr gesandt,
Sage: "Die Liebe geht
Frei durch das Land!"
(S. 43)
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Im Schmerz

Es ist mein Herz,
Zu voll vom Schmerz,
Als daß es könnte singen;
Ich kann nur blicken himmelwärts,
Die Hände betend ringen,
Daß es nicht muß zerspringen!
(S. 54)
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Adlerflug

Ein hohes Glück wollt ich erreichen,
Eh' sich die schöne Jugend neigt,
Wollt' einem kühnen Adler gleichen,
Der früh zum Sonnenlichte steigt.
Ich flog, - und als ich lang geflogen,
Mich schon dem Ziele nah gewähnt,
Sah ich, daß mich der Raum betrogen,
Daß er noch weit sich vor mir dehnt.
Noch einmal rührte ich die Schwingen,
Und habe frisch mich aufgerafft;
Ich muß, ich muß mein Glück erringen,
D'ran setze ich die letzte Kraft. -
Da endlich, endlich bin ich oben, -
Noch einen Flügelschlag es gilt,
Doch eh' mein Glück ich konnte loben,
Hat eine Wolke es verhüllt.
Nun waren mir gelähmt die Flügel,
Ringsum die Lüfte dumpf und schwül, -
Auf einem einsam stillen Hügel,
Todmüde ich zur Erde fiel.
(S. 64)
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Gebet

Dein Herz, o Jesu, ist so warm,
Das meine ist so kalt,
O stille meiner Seele Harm,
O Jesu, still ihn bald.

Dein Herz, o Jesu, ist so reich,
Das meine ist so arm,
O, mach' es deinem Herzen gleich
Mach's reich und liebewarm.

Dein heilig Herz ist demuthvoll,
Du starbst am Kreuzesholz,
Mein Herz, ach! ist voll Haß und Groll,
So kalt, so arm, so stolz.
(S. 103)
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O komm!

Es steht mein Herz dir offen,
O Jesu komm' herein,
O sieh' ich bin allein,
Mein Lieben und mein Hoffen
Ist einzig nur in dir;
O komm', o komm' zu mir!

Ich möchte dich empfangen
Mit meinem schönen Lied,
Das durch das Herz mir zieht.
Es glühen meine Wangen
Vor Sehnsucht, Herr, nach dir,
O komm', o komm' zu mir!

Hör' gnädig an mein Flehen,
O ihr Minuten eilt,
Bis Jesu bei mir weilt, -
Dann aber bleibe stehen
Du allzu flücht'ge Zeit,
Dann komme, - Ewigkeit!
(S. 107)
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Herz Jesu

Ich hab' ein stilles Plätzchen
Zur Ruhe mir erwählt,
Wo mir ein reicher König
Von Liebe viel erzählt.

Die Demuth hat's erbauet
Doch gleicht ihm kein Palast,
Weil es im kleinen Raume
Ja alle Welten faßt.

Bin ich von Leid gebeuget,
Ward eine Freude mir,
Eil' ich zu diesem Plätzchen,
Und klopfe an die Thür.

Und eine süße Stimme
Ruft dann so mild "Herein!"
Und sieh, der liebe Heiland
Schließt in sein Herz mich ein.

O wißt, das ist mein Plätzchen,
So heilig, lieb und still,
In dem so gern ich weile
Und wo ich sterben will.
(S. 119)
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Am Herz-Jesu-Fest

In's Herz des Herrn hab' ich versenket
Mein eigen Herz so schwach und klein,
In seiner Lieb' hab' ich's ertränket,
Daß es sein eigen solle sein.

Ich hab' mein Herz ihm anempfohlen, -
Nun wird es ihn wohl lieben bald,
Im Feuer glühen alle Kohlen -
Und sind sie noch so schwarz und kalt.
(S. 120)
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Gedichte aus: Wellen vom Bodensee
von Thekla Schneider
Mit einem Vorwort von Professor Dr. Ch. Schlüter
Sigmaringen 1882


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Thekla_Schneider

 

 


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