Adele Schopenhauer (1797-1849) - Liebesgedichte

Adele Schopenhauer

 


Adele Schopenhauer
(1797-1849)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:



Als Riemer das Lob der geliebten Augen vorgelesen hatte

Tausendfache Schmeichelnamen
Fand der Liebe Sorglichkeit,
Machte Euch zum Wunderrahmen
Jeder Wunderseligkeit;
Nennt Euch Sterne, Meere, Blumen,
Diamanten, Sonnenstrahl -
Sinnet Euch zum Liebesruhme
Zarte Bilder sonder Zahl.

Augen! wie soll ich Euch nennen?
All' der Bilder reiche Pracht
Will mein Herz nicht anerkennen,
Keines ward Euch gleich erdacht.
Wohl und Weh, und Qual und Frieden,
Himmelsglück und Erdenlust,
Könnt Ihr strahlend mir gebieten,
Wecken sie in tiefster Brust? -

Dennoch wird es nie gelingen,
Nicht in Wort- und Farbenpracht
Diesen Zauber zu besingen -
Zauber wird nie klar gedacht!
Ueber jedes Glück der Erden,
Ueber jeden Lebenslaut,
Muß der Zauber sich bewähren,
Der den Augen anvertraut.

Und was jenes uns mag bieten,
Ob es schön und herrlich sei,
Nennt es Sterne, nennt es Blüthen:
Liebeszauber bleibet neu;
Mahlt's in tausendfachen Zügen
Jeden Morgen spielend hin:
Nimmer wird ein Wort genügen -
Unaussprechlich bleibt sein Sinn.
(S. 65)
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Liebe und Sonne

Andre Liebe, andres Leben
Will ein andres Herz mir geben,
Nimmt deshalb mir all mein Glück,
Giebt dafür mir seins zurück.

Doch, wie läßt es sich vereinen,
Daß zugleich zwei Sonnen scheinen:
Eine Sonn' am Himmel steht -
Eine Lieb' durchs Leben geht.

Hast Du jemals tadeln hören,
Daß nicht zwei am Himmel wären?
Sonne währet manchen Tag -
Liebe ewig dauern mag.

Sonne scheint stets zu ergötzen,
Und kein Stern soll sie ersetzen.
Wird die Sonne Euch nicht alt -
Warum mir die Liebe kalt?

Lieb' und Sonne sind im Leben
Einmal einzig uns gegeben;
Jeden Tag kehrt sie zurück,
Liebe - jeden Augenblick.
(S. 66)
Im Februar 1817
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Capella

Zur Capella aufwärts schauen
Muß ich oft in stiller Nacht,
Ihr den lieben Gram vertrauen,
Der mich oft so selig macht.

Und an der geweihten Stelle
Bricht der Sehnsucht wilder Schmerz,
Und der weite Himmel wird Capelle
Für mein stille betend Herz.

Täglich muß ich Dein gedenken,
Einz'ger Freund, so ernst und mild;
Alle Lebensstrahlen senken
Sich zur Glorie, Deinem Bild.

Doch vor Allem, was zu gleichen
Deinem Wesen oft mir scheint,
Will ein Bild mir nimmer weichen,
Das dem Ernst das Milde eint.

Waldesgrün, von Sonnenstrahlen
Hell durchwoben, grünend Licht,
Scheinen Dich mir stets zu malen,
Wenn Gefühl durchs Lächeln bricht.
(S. 67)
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An meinen Freund

Täglich durft' ich sonst Dich schauen,
Deiner lieben Nähe mich erfreun,
Jedem Tag das stille Glück vertrauen,
Morgen, wußt' ich, mußt' es sich erneu'n!

Keinen Gruß bringt nun die weite Ferne,
Keinen Blick die todte Nähe mir,
Und kein Himmel trägt die alten Sterne,
Die mir einst so hell gestrahlet hier!

Jede Stelle scheint Euch noch wie immer,
Jeder Tag wie eh'mals hinzugehn,
Keinem mangelt jener Farbenschimmer,
Keiner will den stummen Wink verstehn.

Keiner nennt die alten heilgen Namen, -
Keiner stört der leisen Thränen Lauf -
Alte Bilder steigen aus dem Rahmen,
Alte Träume wachen wieder auf! -

Was ich mühsam, kraftvoll mir errungen,
Nimmt dies ewig starre Schweigen mir -
Alle Lebenstöne sind verklungen,
Denn, ach! Keiner redet mehr von Dir!
(S. 69)
Im März 1817
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An H. von C.
Abschiedslied, als ich am Morgen meiner Rückkehr
erfuhr, er sei schon fort

Aus dem Saamen keimt der Blume
Freudig helle Farbenlust!
Stolz im schönen Eigenthume
Jedes Reizes Dir bewußt;
Freuen Dich die zarten Düfte,
Freuet Dich der Farben Pracht -
Da verwehen rasch die Lüfte,
Was der Frühling kaum gebracht!

Buntes Vöglein kommt geflogen,
Aus dem fernen Wunderland
Deiner Träume hergezogen,
Thut so lieb Dir, so bekannt -
Und die holden Zaubertöne
Ziehen alle Träume her -
Da verhallet ihre Schöne
In der blauen Lüfte Meer.

Doch die Nacht bringt Dir die Sterne
Goldne Himmelsblüthen bald,
Und Dir winket helle Ferne,
Läßt Dich nun die Nähe kalt.
Milder Strahlen reiner Schimmer
Giebt der Erde Himmelslicht
Und verklärt selbst ihre Trümmer -
Doch, noch eh der Tag anbricht,

Scheiden alle süßen Sterne
Und erbleichen in der Luft;
Fliegt der Vogel in die Ferne;
Und der Blüthen zarter Duft
Flattert in den weiten Räumen;
Und Dein Herz, es bleibt allein,
Ach von allen luft'gen Träumen
Will kein einz'ger treu Dir seyn.

"Was so leis und lieb gekommen,
Was der Wunsch so lang erfleht,
Hat die dunkle Nacht genommen,
Eh Du den Verlust erspäht!
Und Dir zeigt der nächste Morgen,
Daß Dein süßes Glück Dich mied;
Läßt Dir nur die stillen Sorgen -
Weil es still und heimlich schied."

Stern und Blume war Dein Wesen,
Vöglein, Traum, Dein treues Bild,
Fröhlich sind wir oft gewesen -
Nun entflatterst Du so wild?
Fliehest fort von diesem Orte,
Leichten Flügels übers Meer! -
Flattert nach, Ihr Abschiedsworte,
Bringt den Flüchtling wieder her!
(S. 73-74)
Im August 1817
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Als ich einmal um Mitternacht
von einer Landpartie wiederkam,
wo ich Ihn gesehen

Ich sah ein Bild auf klarem Meeresspiegel,
Der Himmel schien dort unten still zu ruhn,
Der müden Hand entsank des Lebens Zügel -
Dort strahlten Glück und alle Sterne nun.

Mir ward so bang, von Allem abzuscheiden,
Was sonst mich hielt in früher schöner Zeit -
Das eigne Leben schien mich nun zu meiden,
Doch riß michs hin zu neuem Freud' und Leid!

Da blickt' ich tief und tiefer stets zum Grunde,
Mein ganzes Selbst löst' sich in diesem Blick -
Es schien vereint zu mächt'gem Zauberbunde
Die ganze Welt, verloren schien mein Glück!

Es ist vorbei, - der Himmel dort im Spiegel,
Ich seh' es wohl, ist nur ein Himmelsbild.
Dein holdes Selbst, es trägt der Liebe Siegel,
Der Liebe Blick - ist nicht von ihr erfüllt!

O Du allein, in Deiner Schönheit Prangen,
In diesem Schein, der himmlisch Dich umgiebt,
Giebst frei das Herz, das Du beinah gefangen,
Den Himmel kennt's, denn es hat einst geliebt.

Du schönes Bild, kannst zwar die Seele rühren,
Doch täuschen nie - Erinnerung bleibt mir treu;
Zum Himmel kann mich diese Hand nicht führen,
Glück auf, mein Herz, die Ketten sind entzwei.
(S. 80)
Im März 1819
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Grundidee zu Gabrielens Liede

Ich sang diese Worte in Stries,
zu einer volksliederähnlichen Melodie,
mit großer Sehnsucht Weimars gedenkend;
später machte Gerstenbergk ein Lied daraus,
und Kniewel komponierte es, es steht in der "Gabriele"

Ich muß noch einmal vor Dir stehn,
Noch einmal Dein klar Auge sehn!
Dich fassen bei der lieben Hand
So recht mit einem Mal!
Drum wenn ich nur erst bei Dir wär',
Dann wär' schon Alles recht,
Und wenn ich nur erst bei Dir wär',
Wie's Gott dann schicken möcht'!

Ich muß Dir sagen noch einmal
All meines Herzens Lust und Qual,
Dir sagen, was Dir lang bekannt,
All' meine Lieb' und Treu.
Drum wenn ich nur erst bei Dir wär',
Dann wär' schon Alles recht,
Und wenn ich nur erst bei Dir wär',
Wie's Gott dann schicken möcht'!

Muß hören Deiner Stimme Klang,
Gebet, und all der Schmerzen Drang,
Erd' muß noch einmal Himmel seyn,
Und selig ich und Du!
Drum wenn ich nur erst bei Dir wär',
Dann wär' schon Alles recht,
Und wenn ich nur erst bei Dir wär',
Wie's Gott dann schicken möcht'! -
(S. 86)
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An Ottilie

Ich habe gelebt! ich habe geliebt!
Ich habe mich innig gefreut und betrübt,
Mir manchen Kranz keck auf die Stirne gedrückt
Und der Lebensblüthen gar viele gepflückt -
Und am Ende erwacht' ich - wie Alle erwachen!

Und es war Sturm, und es war Nacht!
Und die Jugend zu Ende, noch eh' ich's gedacht!
Mancher Rose Dorn war im Herzen geblieben
Von zu kühner Wagniß im Brechen getrieben -
Und ich mußte mich selber im Weinen belachen.

Und nun stand ich allein auf des Lebens Höh',
Überblickte des Lebens Gaben
Und betrachtete kalt das eigene Weh -
Wollte nichts hier mehr wünschen, noch haben.
- Da brach durch die Nebel ein Sonnenstrahl,
Und mein Blick traf auf Deine Gestalt!
Und Leben und Lieben war wieder mir Wahl,
Rasch vernichtet des Bösen Gewalt.

Ich habe geliebt! am meisten Dich!
Gelebt und gelitten - In Dir und für Dich!
Und in Dir umgiebt noch die Jugend mich,
Kühn gewonnen hab' ich des Lebens Spiel:
Du standest am Anfang, Dich find' ich am Ziel.
(S. 88)
anno 1820
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Hesperus

Ich bat das Leben um ein freundlich Wort,
Das Kunde mir von dem Geliebten brächte!
Die Tage rollen unaufhaltsam fort -
Nun wend' ich flehend mich zu euch, Ihr Nächte!

Bringt, da der Sonne Glanz nichts mehr erhellt
Was meinem Herzen innig lieb gewesen,
Im Traume das geliebte Bild - im Feld
Der Sterne laßt mich seinen Nahmen lesen!
(S. 100)
Im Juli 1821
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Nach dem Abschied

In meinen Ohren klingt noch immer
Der leise Ton der lieben Worte;
Der klaren Augen stiller Schimmer
Umstrahlt noch die bekannten Orte,
Den festen Druck der treuen Hände -
Ich fühl' ihn noch - die alten Wände
Umfassen Dich mit ihrem Rahmen,
Und unwillkührlich ruf' ich Deinen Nahmen!
- Und wie Du ganz noch hier geblieben
In meinem Sinn, in meinem Lieben,
Kann ich die Wahrheit noch nicht fassen:
Hast Du denn wirklich mich verlassen?
(S. 101)
23. November 1821
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Nach dem Abschiede eines jungen Freundes

Du bist geschieden, ich verlassen,
Und Beide sind wir nun allein!
Die Rosen uns'res Glücks erblassen,
Es schwindet unser Morgenschein -
Und in des Tages hellem Lichte
Erkenn' ich Dich, und leider mich,
Der Wand'rer schwindet dem Gesichte,
Er glänzt im Sonnenschein, und ich? -
Im trüben Grau der Dämmerungen,
Dem längst das Morgenroth verschwand,
Steh ich allein, und längst verklungen
Ist meiner Freude Zauberland.
Dorthin wird Dich kein Pfad geleiten,
Dich führt gar andershin Dein Weg!
Allein muß ich durch's Dunkel schreiten
Denn Keiner um mich kennt den Steg!
Und keiner hat den Laut vernommen,
Womit man einst mein Glück genannt.

Mir war ein Fackelschein entglommen,
Du schiedst, sie blieb in Deiner Hand.
Im Doppelschein magst Du nun wallen,
Du darfst kein nächtlich Dunkel scheu'n!
Vom Sonnen-Fackelschein und allen
Sternen wirst Du umleuchtet seyn!

Wie ich nun so im Dunkel stehe,
Schimmerst Du fern wie Sternenlicht!
Doch wenn ich auf Dich rückwärts sehe:
Der ferne Strahl erhellt mich nicht.
(S. 102)
1821
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Der Blick

Zu einer Erzählung gehörend,
die aber nachher anders geschrieben,
wodurch das Gedicht weggelassen wurde

Du siehst mich an! - Ein unbegreiflich Irren
Hält meinen Blick, - will mir das Herz verwirren!
Ein bunter Pfeil durchfliegt die klare Luft,
Ein Farbenflor verhüllt die Welt in Duft.
Der Himmel wird ein flammend Meteor,
Und überall dringt Zauberklang hervor,
Leis, wie der West, wie Millionen Glocken
Mit höchster Kraft verwirrend mich zu locken.

So wechselnd rasch mir Qual und Lust zu geben,
Bald flammend heiß, durchdringend all mein Leben,
Bald eisig starr zum Todten mich zu wandeln -
Unfähig nun zum Denken, Sprechen, Handeln,
Löst all mein Wesen sich in diesem Blick -
Da siehst Du fort - Besinnung kehrt zurück!
Zum Tode matt, will ich mich Dir entziehen
Und folge Dir, und meine, Dich zu fliehen.
(S. 105)
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Im Namen des Kunstreiters Baptiste

(Zu diesem Gedicht sollten noch zwei andere
im Namen Bassins und Stephanies kommen;
ich machte es, als ich aus der Vorstellung
nach Hause kam.) Er ist ein Findelkind.

Von dunklem Ursprung, gleicht mein Fabelleben
Dem Wellenspiel, dem Wolkenbild, der Luft;
Dein Sonnenblick hat Farbe ihm gegeben,
Dein erster Gruß es zur Gestaltung ruft.

Was war ich, ach! noch eh ich Dir begegnet,
Was bin ich, weh! vergleich' ich mich und Dich!
Ein Augenblick, er hat mein Seyn gesegnet,
Ein Augenblick - verarmet läßt er mich!

Noch ist er fern! Mein Leben kühn zu wagen,
Um Deines Blicks, um Deines Lächelns Lohn,
Und den Gewinn kühn in die Schanze schlagen
Noch ist's vergönnt, noch trägt's den Sieg davon!

Bald sinkt - weh mir! Das Farbenspiel des Lebens,
In mattes Grau verlöscht es, wie der Tag -
Das Sonnenbild, ich such' es dann vergebens,
Gemein und leer droht mir des Dienstes Schmach.

Nicht frag' ich dann mich: ob ich wirklich lebe?
Nicht Wunder dünkt mich meiner Rettung Spiel -
Und wenn ich mich zur Schau dem Volke gebe,
Nicht Beifall mehr ist meines Wunsches Ziel!
Nicht frei erheb' ich dann die schlanken Glieder,
Nicht fröhlich wagt mein Roß den kühnen Sprung;
Die Künste kehren alle Tage wieder,
Doch nimmer kehrt der Liebe Heiligung.
(S. 108-109)
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Am 14. Juni

Es klang ein Ton mir im Herzen -
Wiedertönt ihn mein ganzes Leben,
Weiter trugen ihn Lust und Schmerzen,
Haben ihn dem Echo Erinnern gegeben.
- Will er denn nimmer im Sehnen verhallen?
Ach! da nehmen ihn die Träume
In ihre weiten, endelosen Räume,
In der Phantasie hellkrystallnen Hallen
Lassen sie weithin den Zauberton schallen!
(S. 114)
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In deiner Seele klarem Leben
Da ruht mein wahres Glück allein,
Die Ferne kann mir Freude geben,
Mit Dir nur kann ich selig seyn.

In Deines Geistes raschen Flügen
Trägt leicht das schwere Leben sich -
Das Andre kann mir wohl genügen -
Du nur allein befriedigst mich!

Aus Deiner Liebe tiefen Quellen
Strömt eine Kraft, die mich erhebt,
Auf deren lichtumsäumten Wellen
Mein Lebensschiff vorüberschwebt!
(S. 115)
[September 1823]
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Könnt' ich einmal, einmal nur
Deine klaren Augen sehen!
Still wollt' ich dann weiter gehen
Und das Leben wieder lieben,
Keine Wolke sollte trüben
Mir der hellen Sterne Spur.

Könnt' ich einmal, einmal nur,
Wie Du Dich mir hingegeben,
So Dein ganzes klares Leben
Einmal noch in's Auge fassen
Still' wollt' ich Dich dann verlassen,
Nicht mehr folgen Deiner Spur!

Könnt' ich einmal, einmal nur
Dir mein ganzes Lieben sagen!
Niemals wollt' ich wieder klagen -
Und von all' dem heißen Sehnen
Sollten weder Wort' noch Thränen
Jemals zeigen eine Spur.
(S. 117)
Weimar, im März 1824
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Erstes Gefühl des Glücks

Den 9. März 1824, früh 8 Uhr,
als der erste Vogel sang.

Der erste holde Frühlingston
Ist mir in's kranke Herz gedrungen!
Der langen Qualen ersten Lohn
Hat mir ein Vöglein zugesungen.

Der Frühling kommt, und Er kommt mit!
Und jung und hell wird dann das Leben!
Natur und Treue halten Schritt,
Der Frühling ist zurückgegeben!

Der rauhe Nord hat mir den Freund,
Der Winter Dir den Sang genommen!
Weil nun die Frühlingssonne scheint,
So werden Beide wieder kommen.
(S. 118)
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Als ich nach langer Ungewißheit
die erste Nachricht bekam

Du lebst! obschon mir unerreichbar ferne!
Du lebst! wenn auch nicht mir Dein Auge lacht,
Dem Glück der Näh' entsag' ich schweigend gerne -
Dein Lebensglanz erleuchtet meine Nacht!

Dein Name klang in den verwöhnten Ohren,
Und licht und schön ward plötzlich mir die Welt.
Du lebst! und so bist Du mir unverloren,
Wenn auch sonst nichts uns aneinander hält.

In meiner Seele tiefsten Lebensquellen
Da spiegelt klar sich Deines Herzens Bild,
Mag uns die Welt mit Klippen rings umstellen,
Kein Schatten hat je seinen Glanz umhüllt.

Weil ich es weiß im tief geheimsten Leben,
Daß mein Du bist, wie ferne du auch gehst -
Drum laß ich Dich, mir bist Du doch gegeben,
Weil Du allein mein ganzes Seyn verstehst.
(S. 119)
21. März 1824
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An L. S.

Wir sind geschieden - ewig uns zu missen
In Glück und Schmerz, in jedem Lebensstrahl;
Wir sind geschieden, weil wir Beide wissen,
Daß man's erträgt in tausendfacher Qual.
Wir sind geschieden, haben's ausgesprochen,
Und haben selbst das Herz in uns gebrochen.

Wir finden wohl am End' der Bahn uns wieder
Und fragen uns: hast Du es leicht verschmerzt?
Es drückt ein Weh die Augen stumm uns nieder,
Und keiner spricht, noch schaut er auf beherzt
Ins trübe Aug' des einst geliebten Lebens -
Um nicht zu sehn - wir schieden doch vergebens?

Wir wundern uns - denn leicht schien's im Beginnen,
Es trug sich leicht das schwere Abschiedsweh -
Wir möchten uns noch einmal lang besinnen,
Wie es wohl war auf unsers Lebens Höh'? -
Und plötzlich überkommt uns unaufhaltsam Weinen,
Jetzt fällt's uns ein: Wir konnten glücklich scheinen.
(S 120-121)
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Nur bei Dir!
L. S. an A.

Noch tausendmal wird sichs erneuen
Dies klare schöne Frühlingsscheinen -
Es wird mich tausendfach erfreuen
Und ohne Klage, ohne Weinen
Gesteh' ich ein: Gern leb' ich hier -
Doch glücklich - war ich nur bei Dir!

Es wird der Lenz die inn're Welt
Mit schönern Rosen noch umröthen,
Und was dem regen Sinn gefällt,
Die leid'ge Spur des Kummers tödten -
Wohl blüht noch Lust und Freude mir -
Doch glücklich - war ich nur bei Dir!

Kunst und Natur mag sich verbinden
Zu meines Lebens Freudenkranz,
Ruhm mag ich, Lieb' und Treue finden,
Nichts füllt mir je die Seele ganz.
Ich bin nicht kalt, nicht todt dafür,
Doch glücklich - werd' ich nur bei Dir!
(S. 122)
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An L. S.

Zieh' hin, wo Lieb' und Freude blühen,
Mein Kummer ruft Dich doch zurück!
Zieh hin durch Lebensglück und Mühen,
Ich schwinde nimmer Deinem Blick.
Wie kann sich Schönes je gestalten
Das nicht im "Damals!" auch enthalten?

Ruh denn in weicher Liebe Armen,
Versink in schöner Augen Licht -
Urplötzlich wird Dein Herz erwarmen,
Weil mein Erinnern es durchbricht!
Was kann die Erde Höhres geben,
Als Deiner ersten Liebe Leben? -
(S. 123)
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An L. S.

So laß uns Beide - Beide schweigen!
Kein Blick, kein Hauch verkünd' es je!
Stumm schied ich, stumm will ich mich zeigen,
Wenn ich Dich jemals wiederseh!

Es giebt kein Wort, damit zu sagen,
Was meine Seele für Dich fühlt!
Nicht Wonnelaut, nicht Todesklagen -
Drum sei mit Beiden nicht gespielt!

Wir haben auf der weiten Erde
Nichts füreinander, als den Schmerz -
Und vor uns einst ein schönres Werde -
Und ein gebrochnes Doppelherz.
(S. 124)
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Stolz und stumm

"Ich weiß es wohl, Du hast um mich geweint"
Es soll kein Wort, kein Hauch die Überzeugung nennen,
Es soll Dein Wesen nur still leuchtend in mir brennen;
Wenn Alles an mir kalt und regungslos erscheint,
Was kümmert es die Welt? Du hast um mich geweint!

Du weißt es wohl, wir haben stumm geweint!
Wir tragen durch die Welt die schwere Last im Innern,
Es braucht kein flüchtig Wort zu ewigem Erinnern,
Da uns kein glückliches zu ew'gem Bund vereint -
Was böte mir die Welt? Du hast um mich geweint!
(S. 125)
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An Gottfried

In jener Dämm'rung räthselhaften Stunden,
Wo, von dem Strahl des höchsten Glücks geschieden,
Das Herz sich mit dem Leben abgefunden
Und stolz und fest nichts fordert, als nur Frieden!
In jenem Wahn, dem Irrthum raschen Lebens,
Daß hinter uns der Wünsche Quell versiege,
Träumt man sich frei von Sehnsucht, der vergebens
Man Schranken baut - daß sie sie überfliege!

In jener stillen äußern Lebenskühle,
Zu der die Welt, der Schmerz, die Kraft uns zwingen -
Da fand ich Dich! Dein Herz und die Gefühle,
Die mich zurück zu Edens Pforten bringen.
Wie einst im Ost des Paradieses Pforten
Zum erstenmal die Peri bang umflogen,
Geschlossen sie den bittend sanften Worten
Auf ewig fand - wie sie dann fortgezogen,
Wie zu der Erde, ihres Himmels Bilder
Im Herzen tragend, sie herabgewiesen
Und suchend irrt, bis ihr im Frühling milder
Der Abglanz strahlt von flücht'gen Paradiesen -
Bis selig nun, o namenlos Entzücken!
Das Bild sie grüßt von ihrer Heimath Himmel.
So fand ich Dich! Nie wag' ich's auszudrücken,
Wie Du allein aufleuchtest im Gewimmel.

Der Erde Lenz zieht flüchtig bald von hinnen -
Die Peri hat vor den geschlossnen Thoren
Des Himmels, den sie träumte zu gewinnen,
Zum zweitenmal ihr Paradies verloren. -
- Weh mir! auch ich, zum zweitenmal vertrauend,
Betrat zu kühn der Träume gold'ne Brücke,
Auf flücht'gen Lenz zu feste Hoffnung bauend -
Nun wirft der Sturm mein zagend Herz zurücke.

Der Peri Herz vermag es nicht zu tragen,
Ihr Schmerz erregt der Götter mild Erbarmen,
In sanftem Schlaf wird sie hinausgetragen
Von der Gefährten hilfbereiten Armen.

- So wird der Tod auch mich von hinnen leiten,
Wenn Du mir fehlst in ew'ger Lebensleere,
Daß so die Ruh', die selbst mir zu bereiten
Ich lang' gehofft, zuletzt der Schmerz gewähre.
(S. 127-128)
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(Ich hatte eine Rose im Fluß schwimmen sehen)

Stille, nur stille mein Herz!
Ist eine Zeit gewesen,
Da war die Welt so farbenhell!
Da konntest vom Schmerz du genesen.
Da schritten die Tage wie Riesen schnell.
Ueber die Klippen und Höhen des Lebens. -
Da waren die Nächte so sternenhell! -
All das Erinnern vergebens, vergebens!
Stille, nur stille mein Herz! -
- Und weil ich Dein stilles Auge nicht sah,
Konnt' ich nicht mehr den Frieden mir denken,
Und da nun dein Abschied dem Herzen so nah,
Konnte nichts mehr die Zukunft mir schenken.
Wie jene Rose im Flusse daher,
War blühend das Glück mir gekommen,
Und auf den Wellen im Zeitenmeer
War's plötzlich vorübergeschwommen.
- Sah so zerrissen die rosige Pracht,
Wollte mein Herz überzeugen,
Daß nur die Welle die Blüthe gebracht,
Daß sie den Fluthen nicht eigen. -
Weh mir! ich suche das Ufer noch,
Dem wohl die Rosen entblühen!
Wellen der Tage! ich suche es noch -
Doch hab' den Raub ich verziehen.

Wer brach die Rose? wie nahm sie der Fluß?
Erreicht sie denn nimmer mein Wille?
Da sie dem Strome nun folgen muß,
O endlich, mein Herz, werde stille!
(S. 132)
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Unter den hellen nickenden Blüthen
Da möcht' ich liegen - und träumen!
Wie Englein den Schlaf mir behüten,
All meine Wolken mit Golde umsäumen,
Erwecke mich nicht!
Ich bin so müde!

Und wie die Winde leise hinwehen -
Wie heimlich die Vögelein singen -
Wie sie mich alle zu lieben verstehen,
Friede und Schlummer mir bringen,
Störe sie nicht!
Ich bin so müde!

Und dann dringt mir das Leben so grell hinein,
Und die Menschen, sie rennen und jagen,
Sie vertreiben mir grausam den goldnen Schein
Und erfüllen die Luft mir mit Klagen -
Und fallen alle das Herz mir an,
Daß ich vor Thränen nicht sagen kann:
Wie bin ich müde!
(S. 133)
Köln am Rhein 1828
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Abschied
1830

Falsch bist Du nicht! - nur auch nicht offen,
Und was mich kränkt, ist kein Vergehn;
Noch Manches könnt' ich von Dir hoffen,
Doch treibt der Schmerz mich zum Verschmähn.

Ich hatte Alles Dir gegeben,
Trug Dich wie eine Welt in mir!
Du - kannst nicht ohne Wechsel leben,
Und Halbheit scheidet mich von Dir.

Du hast zuweilen mich verstanden,
Und öft'rer wohl so ausgesehn;
Die Seligkeit, die wir empfanden,
Mußt' im Verworr'nen untergehn.

Hier hilft kein Wort und kein Versprechen,
Kein gegenseitiges Gestehn;
Es war Dein Loos, mein Herz zu brechen,
Laß das Nothwend'ge stumm geschehn.
(S. 137)
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Wie eine Blume der Sturm hat Kummer das Herz mir entblättert,
Und das zerrißne Gefühl flattert nun irrend umher.

Ist's doch noch lange nicht Herbst, wohin ihr verwehenden Blüthen?
Fruchtlos verödender Stamm, wurzelst umsonst du so fest?

Räthselhaft-leidiger Gram! Suchst du den Lenz oder Winter;
Liebesglück, tödtende Ruh, beide vermissend zugleich?

Lehrt dich nicht rings die Natur den Kreislauf der Zeiten erkennen,
Daß du, zu frühe erstarrt, träumend des Frühlings gedenkst?
(S. 138)
anno 1831
_____



Mit einem Ringe an S.

Mein Liebchen ist ein kleines Ding,
Reicht grade mir zum Herzen,
Ich faß' es mit dem kleinen Ring,
Es ist mir nicht zum Scherzen!
Juwelen, Perlen sind ja klein,
Drum faßt man sie in Ringe ein.

Ein großer Ring faßt uns're Welt
Mit noch viel Tausend andern,
Sie blitzen in dem lichten Feld
Des Rings, den sie durchwandern -
Du aber bleibst nun meine Welt
Im Ring, der uns zusammenhält!
(S. 139)
_____



Mich grüßt der Lenz in tausend Blüthenkronen,
Mich ruft der Wald, mich lockt das stille Thal,
Was mir so fern, scheint wie in lichtem Traume,
Wie Geisterflug vorüber mir zu streifen,
Will mit Gewalt noch einmal mich ergreifen!
Was von der Zeit, vom Glück mir und vom Raume
Entrissen ward, so Seligkeit, als Qual,
Will noch einmal in meinem Busen wohnen!
(S. 143)
_____



An die Liebste

Klar wie der Himmel
Ist Deine Seele,
Rein wie der Aether
Ist Dein Gemüth!

Reich wie die Erde
Ist meine Liebe,
Tausendgestaltig
Tritt sie ans Licht.

Töne und Bilder,
Innere Welten
Schafft Dir Dein Dichter,
Liebchen, zum Schmuck.

Blickt er ins Herz Dir,
Holt er die Schätze
Alle vervielfacht
Wieder herauf.

Laß mich versinken
In Deiner Augen,
In Deiner Wunder
Lieblichen Welt.

Wie Erd' und Himmel
Düfte vereinen,
Eint Lieb' und Schönheit
Leben in uns!
(S. 144)
_____



Ihr Bild

Augen, die zu schlafen scheinen,
Zwischen Träumen, zwischen Weinen,
Um in plötzlichem Erwachen
Morgenklar Dich anzulachen;
Lippen, wie des Schweigens Schwelle,
Dem gefangnen Seufzer wehrend,
Plötzlich dann in Frühlingshelle
Lieb' und Leidenschaft verklärend;
Stirn, so schneeig rein und klar,
Wie das Eis der Heimath war.
Mit dem goldig hellen Bogen
Diesen Lebensquell umzogen,
Den der Wimper zarte Schatten,
Hier und da zur Dämmrung matten;
Fluthet Anmuth auf und nieder,
Allbelebend Gang und Wesen,
Kannst im Spiel der schlanken Glieder
Allahs Schöpferwort Du lesen
Wie im ersten Weltenjahr,
Als die Erde Eden war.
(S. 147)
_____



An Ihn

Ich athme Deinen Namen nicht!
Kein Hauch verräth mein zitternd Herz,
In seinen Adern wühlt der Schmerz,
Geheimer Qualen glühend Erz,
In tiefstem Schacht - doch fern dem Licht!

Ich klag' um meine Liebe nicht!
Sie brach in's Leben ungesucht:
Der Lava Strom trägt reiche Frucht,
Doch der Verheerung wehrt nicht Flucht:
Gewaltsam seine Bahn er bricht!

Ich frage nach dem Ende nicht!
Dein Glück und Elend sei mein Loos;
Aus der Zerstörung dunklem Schooß
Ringt sich der Keim der Blüthe los,
Ich frage nach dem Ende nicht -
Was hilfts, daß man vom Tode spricht!
(S. 148)
_____



Wende die Blicke von mir! O laß Deine Schönheit nicht fragen:
Ob ich die Sonne gekannt? ob nie ihr Strahl mich berührt?
Laß dieses dämmernde Licht, genug, um den Pfad zu erkennen,
Tag und Aurora mir seyn; frage auch schweigend mich nicht!

Ach, Deine Jugend entzückt, indem sie die Öde beseeligt,
Zu allgefährlichem Rausch - scheuchet Dämonen mir auf!
Träume umängsten den Sinn, von lang schon entflohenen Tagen,
Voller Leben und Glanz, voll auch von ätzender Pein.

Ruhe ward mir ja längst, ich lebe beglückend und glücklich,
Scherze mit Liebchen und Kind, walte in Garten und Haus;
Wär' ich noch, was ich sonst war! verstünd' es, die Strahlen zu fassen,
Zündete Phöbus den Heerd, den die Penaten geschmückt,
Wäre befriedigt mein Herz, noch was es im Kampfe gewesen,
Rede stünd' ich Dir dann, dürfte ins Auge Dir sehn!

Schleiche Dich leise hinweg, mit lichtumschimmerten Sohlen
Bring' in die Ferne das Glück, das Deiner Anmuth entströmt,
Bringe der Grazien Traum zu weit entlegenen Zonen,
Ströme in Thränen dahin, wenn Deine Wonne zerbricht;

Dürft' ich in rasendem Schmerz noch einmal die Wollust empfinden,
Welten und Menschen zum Trotz kindisch und selig zu seyn!
Wär' ich secundenlang ich und träumte von ewiger Dauer,
Böt' ich nicht Ruhe und Glück einer Minute zum Kauf?
(S. 160-161)
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Weihnachten wird es für die Welt!
Mir aber - ist mein Lenz bestellt,
Mir ging in solcher Jahresnacht
Einst leuchtend auf der Liebe Pracht!
Und an der Kindheit Weihnachtsbaum
Stand Englein gleich der erste Traum!
Und aus dem eiskrystall'nen Schooß
Rang sich die erste Blüte los -
Seitdem schau' ich nun jedes Jahr
Nicht was noch ist - nur was einst war!
(S. 163)
Den 1. November
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Gedichte aus: Adele Schopenhauer Gedichte und Scheerenschnitte,
2 Bde. (Text u. Taf.) Hrsg. von H. H. Houben und Hans Wahl.
Leipzig: Klinckhardt 1920 (Band 1)


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Adele_Schopenhauer


 

 


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