Karl Julius Schröer (1825-1900) - Liebesgedichte

 

Karl Julius Schröer
(1825-1900)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Verschiedene Weisen

Der Bäume Weis' ist - zu rauschen,
Der Blumen Art ist - zu lauschen,
Der Vöglein Natur ist - zu singen,
Der Rehlein Manier ist - zu springen.
Die Mägdelein holdselig schauen
Hinein in die prangenden Auen,
Die Knaben aber verstricken
Sich in den holdseligen Blicken.
Sie enteilen mit pochendem Herzen,
Im Herzen aber sind - Schmerzen;
Sie erfüllen mit Weinen und Klagen
Die Wälder, die Fluren, den Hagen! -
(S. 1)
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Guter Rat für die lieben Mädchen

Die Lieb' ist eine holde Glut,
Die Seele drein zu tauchen,
Sie steht den Mädchen gar so gut
Zu ihren sanften Augen.

Mit wunderbarem Reiz beseelt
Das sehnende Verlangen;
Selbst wo die reine Schönheit fehlt,
Es rötet hold die Wangen.

Ihr Mädchen, nehmt euch's zu Gemüt
Und lieber schnell entschlossen:
Dann steht ihr wie mit Rosenblüt
Holdselig übergossen.
(S. 2)
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Der Mond weint

Es ist schon spät, tief steht der Mond
Und schaut aus Wolken, trübe,
Und bleich und still, wie ein Herz in der Nacht,
Wie ein einsames Herz voll Liebe.

Es fallen Tropfen herab, herab,
Der Mond wehmütig scheinet,
Dieweil er auf den stillen Wald
Verstohlene Thränen weinet:

Wenn Alles schläft, er allein nur wacht,
Da schaut er nieder - trübe!
Und weinet dazu, wie ein Herz in der Nacht,
Wie ein einsames Herz, voll Liebe.
(S. 3)
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Die süße Mähr'

Das Weltmeer trennt uns; mächtig wogt
Das Element:
O Sehnsucht, wenn zwei Liebende
Das Weltmeer trennt!

Von dieser Liebe weiß kein Mensch,
Kaum selber du.
Weiß ich's? ich mein' es flüstern mir's
Die Wellen zu.

Die süße Mähr' auf Wellen bebt
Nur hin und her,
Von dir und mir; sonst Niemand weiß
Die süße Mähr'.
(S. 4)
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Der Ungeliebte

Sie liebt dich nicht - o laß die Glut
Verglühen, nur verglühen!
Der Liebe zarte Blüten laß
Verblühen, nur verblühen.

Und klage nicht; was willst du noch?
Laß fahren, o laß fahren!
Das Liebesleid, das soll man still
Bewahren, o bewahren.

Und solltest du in deiner Glut
Verglühen auch, verglühen;
Verschmähte Lieb' soll einsamlich
Verblühen, nur verblühen!
(S. 5)
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Die arme Verlassene

Rosen ihre Häupter wiegen,
Wiegen, wogen still im Wind,
Bienen durch die Lüfte fliegen,
Durch die Lüfte lau und lind.

Laue Lüfte, duftig Wehen
Und die Blumen seh'n mich an,
Können mich nun nicht verstehen,
Da sie blühen einst mich sah'n.

Blühen, Glühen voll Verlangen -
's ist vorüber und vorbei!
Blass und bleich sind meine Wangen,
Nur Erinn'rung - mancherlei!
(S. 6)
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Genesung

Und nun ein End' dem Trauern,
Dem Schauern in den Mauern,
Und nun ein End' den Thränen,
Und nun ein ander Lied!
Was dulden und was tragen!
Das Klagen und Entsagen,
Das Sinnen und das Sehnen
Bin ich nun einmal müd'.

Ich hab' sie mir erkoren,
Ich fühl' mich neu geboren.
Ich habe sie gefunden
Und fühle neuen Mut:
Will ringen ohne Zagen,
Will jagen, wetten, wagen,
Bis daß sie überwunden
An meinem Herzen ruht.

Und wenn es wird gelingen,
Dann will ich Lieder singen,
Will singen Herz an Herzen,
Und singen für und für.
Doch sollt' es nimmer glücken,
Dann schlag' ich es in Stücken
Mein Saitenspiel voll Schmerzen
Und schweige für und für! -
(S. 7-8)
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Glückes trunken

Ihr lieben Sternlein in der Höh,
Schaut all' in meine Brust,
Mir ist so wohl, mir ist so weh,
Vor lauter Liebeslust.

In meine Brust o schaut behend
Von eurem Himmelsland,
Wenn ihr die Lieb verstehen könnt
In eurem Unverstand!

Ihr armen kleinen Sternelein!
Liebt wohl das Mondenlicht -
Und kennt doch nicht die Liebste mein,
Und kennt die Liebe nicht!
(S. 9)
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Liebe trunken

Voller seliger Minnegedanken
Bin ich heute auferwacht;
Meine Sinne taumeln und schwanken
Von den Träumen dieser Nacht.

O wär' sie da in dieser Stunde,
O wär' sie's doch in Wirklichkeit!
So Aug in Aug, so Mund an Munde,
So ganz und gar Holdseligkeit!
(S. 10)
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Mondnacht
Zu singen

Der Mondenschein
Möcht' ich schon sein!
Mit alle der zaubrischen Pracht,
Mich zu breiten still über die Nacht.
Am Himmel zu schweben,
Mich still zu ergießen,
In Wipfeln zu weben,
In Wassern zu fließen:
Ganz stille bei Nacht,
Wenn Niemand wacht,
Im Wässerlein glitzernd mit fließen sacht.
Klar Wässerlein
Möcht' ich schon sein:
Zwei helle liebe Aeugelein,
Die würden jetzt schauen hinein.
Im Mondenscheine halt ich sie in Armen,
Ich hab sie umschlungen ohn alles Erbarmen,
Will fester sie fassen,
Und mag sie nicht lassen,
Und mag sie nicht lassen, verlassen!
Klar Wässerlein?
Mag ich nicht sein!
Nicht einmal der silberne Mondenschein!
(S. 11)
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Der Schleier

Du lieber Mond! in deinem milden Lichte
Gieng ich, du weißt's, mit der Geliebten hin;
Dein Glanz, er weilt' auf ihrem Angesichte
Das durch den Schleier klar und heiter schien.

Du durftest weilen auf den frischen Wangen,
Die heitren Augen weileten auf dir,
Die Augen, sanft wie Veilchen aufgegangen!
Was blieb denn da am Ende aber mir?

Und Frühling wars, beseligt war die Stunde
Und still die Nacht, und munter wie ein Reh
War die Geliebte; ich sah nach ihrem Munde,
Voll Wonne und voll Sehnsucht wohl und weh.

Und wenn vor uns nicht jetzt vier Augen wachten,
Zuweilen rückwärts blickend immerdar,
Zuweilen schalkhaft über uns nicht lachten,
Wie wir versunken giengen ganz und gar;

Wer hindert' mich, den lieben Mund zu küssen?
Du, lieber Mond, bist solcherlei gewohnt,
Hast schon gar oft dergleichen schauen müssen
Und stets verschwiegen, du bescheidner Mond!

Und sieh, ein Windhauch mußte sich erbarmen,
Er hob den Schleier wunderbar empor,
Wie eine Wolke um das Haupt mir Armen;
Vereinigt waren wir nun unterm Flor.

Ein Augenblick - der Windhauch legt' sich wieder,
Wir giengen ehrsam nach wie vor einher,
Der Schleier war sogleich gefallen wieder -
Und doch war ich beseligt, o wie sehr!

Geliebter Mond, frag nicht, ich mags nicht leiden!
Was in der Zeit etwan mit uns geschehn:
Nicht einmal du hast diesmal es gesehn;
Drum frage nicht und schweige still bescheiden.
(S. 12-13)
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Immer Lieder

Ich bin als wie ein Baum, der blüht,
So übervoll ist mein Gemüt;
Bei jedem Anstoß Blüten fallen,
Bei jedem Windhauch Lieder schallen.

Sie aber ist der Maienhauch,
Der Blüten lös't von Baum und Strauch:
Sie zürnet mir - da regnets Lieder,
Sie lächelt sanft - da sind sie wieder!
(S. 14)
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Trennung

1.
Mir kommt kein Schlaf mehr in der Nacht,
Es treibt mich hinaus, hinaus;
Frühmorgens geh ich alle Tag
Nach jenem stillen Haus.

Am Fenster steht sie nimmermehr,
Dess ist mein Schmerz so groß,
In den Gassen irr ich hin und her,
So bang, so heimatlos!

2.
Dunkle Nacht, in deinen Schleier
Hüllst du mich auf meinem Pfad,
Jetzt weiß Niemand wo ich wandle,
Welchem Ziel mein Tritt sich naht.

Doch ich weiß es, ich empfind' es,
Schnell und schneller pocht das Herz:
Mit dem Ungestüm des Windes
Wall ich nächtlich - liebchenwärts.
(S. 15)
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Liebchen ist da!

Blümlein im Garten,
Schaut euch doch um,
Steht nicht so traurig,
Steht nicht so stumm!
Denn wißt was ich weiß
Und sah:
Liebchen ist da,
Ist da!

Sie schüttelten sich,
Sie sahen sich um,
Und bald erklang es
Im Kreise herum,
Und balde fern
Und nah:
Liebchen ist da,
Ist da!
(S. 16)
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Täuschen wir uns

Die Liebe ist Täuschung, so sagt uns die Welt;
O liebliches Kind, so täuschen wir uns!
Verwirklicht unter dem Himmelsgezelt
Sind nimmer die Träume, drum täuschen wir uns!

O täuschen wir uns, es sei nur ein Wahn
Des Schicksals Gewalt - o täuschen wir uns!
Untrennbar werd' ewiglich unserer Bahn
Selbander gewallt, so täuschen wir uns.

Am Rande des Abgrunds, doch Hand in Hand;
Die Trennung, sie winket - o täuschen wir uns!
Zum Hoffnungenlande die Blicke gewandt,
Wenn Alles versinket noch täuschen wir uns.

Ist Täuschung der Glaube und Täuschung die Treu
Und die Liebe ein Wahn - o so täuschen wir uns!
Wer trüg' es zu schaun wie das Alles vorbei
Im Nebel zerrann - drum, o täuschen wir uns!
(S. 17)
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Scheiden

Was mag es bedeuten?
Mein Herz pocht so geschwind,
Die Glocken, sie läuten
Im Morgenwind.

Was mag es bedeuten?
Mein Herz ist wund:
Die Glocken, sie läuten
Die Abschiedsstund.

Die Glocken, sie klagen,
Das Herz thut mir weh,
Die Stund hat geschlagen:
Ade! Ade!

Die Stund hat geschlagen,
Das Herz klopft so sehr,
Ich sitz in dem Wagen,
Komm nimmermehr!
(S. 18)
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Vorfrühling

1.
Konnt' schlafen nicht,
Konnt' träumen nicht,
Da hört' ich drauß
Wie das Eis zerbricht.
's war als ob aus der Fern,
Ob es sich nahete, -
Wehete, lüftete,
Und in den Lüften es
Atmete, düftete,
Ueber die Felder her,
Thalherab, berghinauf:
Wenn das der Frühling wär
In vollem Lauf?


2.
Was ist das für ein Rauschen,
Von den Bergen herab entlang?
Das ist der Frühlingsbäche Sang;
Dem mag ich gerne lauschen!
Ein frischer Wind durchströmt die Luft,
Und duftet wie Frühlingsveilchenduft;
Laß rauschen, mein Herz, laß rauschen!

Was ist das für ein Singen,
In dem Herzen so wohl und bang?
Das ist ein junger Frühlingssang,
Der will in die Weite klingen.
Ein frischer Wind durchströmt die Brust,
O ströme dich aus, du Frühlingslust;
Laß klingen, mein Herz, laß klingen!


3.
Seid gegrüßt, ihr alten Bäume!
Winter hat geräumt das Feld,
Frühlingsduft durchweht die Räume
Dieser wunderbaren Welt.

Habt ihn standhaft überdauert,
Winter, euern wilden Gast,
Wie er euch auch kalt durchschauert,
Wie auch stürmisch euch erfaßt.

Weiße Birken, nackte Flieder,
Mächt'ge Eichen ihr im Wald:
Bald, o bald ziehn Vogellieder
Durch den stillen Aufenthalt.

Grüne Zweige werden rauschen,
Wipfel nicken wie im Traum;
Werden manchmal ihnen lauschen,
Träumend nur und atmend kaum!
(S. 19-21)
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Im Vorfrühling

Wenn der Frühling aus dem Eise
Sich löset allgemach,
Die Bächlein rinnen leise,
Die Gräser werden wach;

Da geh ich zu den Eichen,
Da geh ich in den Wald,
Da weht es in den Zweigen,
Da sproßt es mannigfalt.

Da geh ich zu den Erlen,
Die Sonne scheint so lind,
Tautropfen niederperlen,
Im frischen Frühlingswind.

Da geh ich zu den Buchen
Und tief in's Waldrevier;
Als wollt' ich Veilchen suchen,
Und sie gieng auch mit mir!
(S. 22)
_____



Unerfüllt

Wenn das erste Eis zerronnen,
Bald am ersten Frühlingstag,
Wenn die erste warme Sonne
Knospen treibt auf Busch und Hag.

Wenn das erste Schiff geschwommen
Rinnet auf der blauen Flut,
Wenn der Frühling erst gekommen,
O dann wird noch Alles gut.

Alle Lüfte werden schweigen
Da in stiller Abendstund,
Da wird sie zu mir sich neigen -
Also that ein Traum mir kund.

Und die Schifflein sind geschwommen,
Doch Feinliebchen fern von hier,
Und der Frühling ist gekommen -
Was soll all der Frühling mir!
(S. 25)
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Mai

1.
Das ist der Mai, der Maienmond,
Die Winde kommen von Westen,
Die Blumen schießen hervor so bunt,
Der Flieder weht mit den Aesten.

Den Maimond hab ich vor Allen lieb,
Den luftigen, duftigen, freien!
Was senkst du dich, mein Aug, so trüb?
Mein Herz, sieh an den Maien!

Der Mai ist da, wach auf, mein Herz,
Wach auf, wach auf zu singen!
Die Lerchen jubeln himmelwärts
Und die Knospen im Walde springen.

Die Knospen im Walde springen leis'
Und die Veilchen düften beklommen,
Sie stehn wie erwartend still im Kreis:
Weil bald nun die Rosen kommen.


2.
Das ist der Mai, der Maienmond,
Die Winde kommen von Westen,
Die Blumen schießen hervor so bunt,
Der Flieder weht mit den Aesten.

Da wall ich auf den Giebichenstein,
Die alte Burgruin',
Wo unendlich wuchernd aus Felsgestein
Die Fliederbüsche blühn.

Dort schau ich hinunter in's grüne Land,
Die Saale fließet vorbei,
Die Segelschifflein fließen hinab,
Der Lenzwind weht so frei.

Verschollen jeder Menschenruf,
Versunken Welt und Zeit;
Es dehnt sich mehr, als all das Land,
Das Herz so weit, so weit!

3.
Mitten in dem Blütenschnee
Saß ich unterm Baume,
Flocken fielen immerzu
Wie von Federflaume.

Noch nicht lang daß aus der Höh
Andre Flocken fielen:
O Natur, wie weißt du schön,
Wie so schön zu spielen!

Damals täuscht' ich mich so gern,
Daß es Blüten streute:
Jetzt im Frühling, jetzt im Mai
Ist's als ob es schneite!
(S. 26-28)
_____



Wildrosenzeit

Da die Veilchen noch blühten,
Die Zeit ist vorbei,
Und ist doch noch Frühling
Und ist doch noch Mai.

Und als sie noch blühten
Dacht ich still in der Brust:
Wenn sie welken, dann ists auch
Bald aus mit der Lust!

Und nun dehnt sich das Herz doch
Noch immer so weit,
In dieser viel schönen
Wildrosenzeit!
(S. 29)
_____



Lied

Der Mai ist vorüber
Und laubig der Wald,
Der Wald ist mein lieber,
Mein Hauptaufenthalt!

Es blüht das Gefilde,
Es fließet der Quell,
Die Nächte sind milde,
Der Mond scheint so hell.

Es fehlt nur die Liebe -
Doch die ist ja - todt;
Am Grab stehn die wilden,
Die Röselein rot.
(S. 30)
_____



Stiller Abend

Hundert Abende niedersteigen
In mein Herz und Fried und Ruh:
Wie wenn alle die Vögelein schweigen,
In des Haines schattigen Zweigen,
Sich mit ihnen beugen, neigen,
Stille Veilchen düften dazu.

Doch aus bleicher Erinnerung Tagen
Steigt empor vergangenes Glück,
Doch im Herzen fühl ich es schlagen,
Vom Vergang'nen singen und sagen,
Dumpfe Gesänge klingen und klagen:
Was dir entschwunden, kehrt nicht zurück!
(S. 31)
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Frühlingsgefühl

Ach, politisieret und lärmet doch!
Ich ruhe im schwellenden Grünen;
Die Frühlingsdüfte sie wehen noch,
In den Blüten summen die Bienen!

Und hätt' ich ein Liebchen in dieser Zeit,
Wir wollten selbander entfliehen,
Aus all der Misere, ach weit, so weit!
Nach Italien wollten wir ziehen.

O bringt mir Wein eine Kanne voll,
All des Grames und Krams zu vergessen:
Nicht wag' es zu nah'n hier Sorg und Groll,
Noch den Flug der Gedanken zu messen.
(S. 32)
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Herbst

1. Scheiden
Blätter fallen, Wolken ziehn
Schwebend durch die Bläue,
Lindengold und Abendglühn,
Tage kommen, Tage fliehn;
Alles kommt aufs Neue!

Alles kommt wie sonst im Jahr,
Eines mit dem Andern:
Nur das nun für immerdar
Aus der Heimat ich fürwahr
Scheiden muß und wandern!


2. In der Ferne
Als ich noch nicht war geschieden
In die weite Welt,
O wie lachte holder Frieden
Da aus Wald und Feld.

Kam der Herbst, mit ihr, der Holden,
Gieng ich Hand in Hand,
Blätter fielen nieder golden,
Streiften ihr Gewand.

Da war späte Lust und Wonne,
Wo die Liebste wohnt,
Freundlicher schien da die Sonne,
Lieblicher der Mond.

Aber hier - die Blätter fallen,
Matt der Sonne Schein,
Traurig ist es so zu wallen
Durch den Herbst allein!


3. Traum
Ich habe geträumt einen herbstlichen Traum,
Von fallenden Blättern, vom Lindenbaum,
Von herbstlichem Laube und herbstlichem Wind,
Wie Blätter und Blumen verdorret sind.

Ich habe geträumt einen Traum so schön,
Vom Wallen selbander auf Berg und Höhn,
Von Hand in Hand, von Mund an Mund,
Von Hangen und Bangen in seliger Stund.

Der Herbstwind gieng über Wälder kühl,
Die Blumen starben, das Herbstland fiel,
Die Sonne gieng nieder in Wehmut und Schmerz,
Wir aber, wir jubelten Herz an Herz!
(S. 33-35)
_____



Herbstvögel

Herbstvögel schwirrten und krächzten so laut,
Grün grüne Myrthen sucht' ich für die Braut,
Ich suchte Myrthen wohl für ihr Haar,
Wußt' nicht daß sie längst schon gestorben war.

Und als ich ihr brachte den grün grünen Kranz,
Da lag sie so bleich, o so kalt so ganz,
Und als ich ihr drückte den Kranz aufs Haupt,
Da war er verdorben, verdorrt, entlaubt.

Herbstvögel schwirrten und krächzten so laut,
Herbstvögel, sagt mir, wo ist meine Braut?
Sagt' warum mein Herz gebrochen ist?
"Weil deine Braut gestorben ist!"
(S. 39)
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Lieder des Irrsinnigen

1.
Ich habe meine stille Liebe
Gebettet unter den Lindenbaum:
Herbstliche Blätter fallen nieder,
Auf meiner Jugend holden Traum.

"Da lieg begraben, unter der Linde,
Ha treu dir mein Herz auch beigesellt."
So schlich ich fort, ohne Herz, ohne Liebe,
Einsam - in die weite Welt.


2.
Und geht die Sonne unter,
Und ist noch gar nicht spät?
Der Winter ist gekommen,
Der Sommer ist verweht.

Und soll ich denn schon sterben
Und bin doch noch so jung?
Dahin die letzten Küsse,
Und habe noch gar nicht genung!

Die Sonne muß versinken
Und möchte noch nicht ins Grab,
Die Jugend bäumt und sträubt sich:
Komm nur, komm, komm hinab.


3.
Vor langen, alten Zeiten,
Da hatt' ich ein Mädchen lieb;
Da hat sie mich verlassen,
Da wurde mir trüb, so trüb.

Vor Zeiten, ja vor Zeiten!
Da war ich noch kein Narr;
Da hat sie mich verhöhnet,
Da wurde das Blut mir starr.

Vor Zeiten, ach vor Zeiten!
Da war ich stark und gesund;
Jetzt nennen sie mich gemütskrank,
Doch bleibt verschlossen mein Mund.

Wenn das die Thoren wüßten,
Daß ich geliebet hab',
Und daß ich heimlich wandle,
So jung, schon in mein Grab.

Sie wissen es nicht, die Thoren!
Doch wenn ich drinnen lieg,
Da werden sie schaudern zu denken:
Daß selber hinunter ich stieg!
(S. 51-54)
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Aus: Gedichte von Karl Julius Schröer
Zweite vermehrte Auflage
Wien 1862
Wilhelm Braumüller k. k. Hofbuchhändler

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Julius_Schröer

 


 

 


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