Eduard Schulz (Ps. Eduard Ferrand) (1813-1842) - Liebesgedichte

 



Eduard Schulz (Ps. Eduard Ferrand)
(1813-1842)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Liebes-Erwachen

1.
Wie lieblich spielt der Morgenhauch
Im thaubeperlten Blüthenstrauch,
Und golden flammt der Morgenstrahl
Hin über Wiese, Berg und Thal.

Ach, frische, heitre Morgenlust
Durchzittert wonnig meine Brust.
Ein goldner Morgen auch erwacht
In meines Herzens düstrer Nacht.


2.
Heiter singend mit der Lerche,
Schwing' ich mich in blaue Luft,
Schweb' ich durch des Himmels Fernen,
Bade mich im Aetherduft.

Und erfüllt von dunklem Sehnen,
Klag' ich bei des Mondes Schein
Mit der Nachtigall, im stillen,
Abenddunklen Schattenhain.

So in stetem Wechsel füllen
Lust und Schmerz des Busens Raum -
Mächtig regt sich in dem Innern
Erster Liebe Himmelstraum.


3.
Zu dem übervollen Herzen
Spricht das Lied der Nachtigall,
Spricht der Blumen buntes Blühen
Und der Quelle Silberfall.

Die Natur im Frühlingsprangen
Grüßt mich wie mit Geisterlaut,
Und das Höchste und das Fernste
Ist mir nah und wohlvertraut.

Meiner Kindheit Mährchenbilder
Werden mir zur Wirklichkeit,
Holde, süße Stimmen flüstern
Von der alten Wunderzeit.

Kalt und farblos war mein Leben;
Doch es glänzt in Frühlingspracht,
Nun das Glück der ersten Liebe
Meinem trunknen Herzen lacht;

Nun Ihr sonnenhelles Auge
Schnell in's wache Leben rief,
Was in dunklen Winterträumen
Mir im kalten Herzen schlief.
(S. 45-47)
_____



In die Ferne!

In die Ferne! In die Ferne!
Meine Wünsche streben
Dorthin, wo die blauen Berge
Sich zum Himmel heben.

Könnt' ich euch, ihr Wolken, folgen
Durch die freien Lüfte!
Strom, ach! wer mit dir durch jene
Grünen Fluren schiffte! -

Träumend blick' ich in die Weite
Von dem grünen Hügel -
O ihr Vögel in den Lüften,
Hätt' ich eure Flügel!

Hätt' ich sie - was hülf' es? Längst schon
Folgt' ich jenem Triebe,
Hielte mich mit Zauberbanden
Nicht die Macht der Liebe.
(S. 48)
_____



Fragen

Der Chrysalide, welche ihn umfing,
Entschlüpft der jugendliche Schmetterling.
Er regt das Schwingenpaar - Wie herrlich lacht
Im Sonnenglanz der Farben bunte Pracht!

Und bei dem warmen Frühlingshauch des Mai's
Zerreißt der Strom sein Winterkleid von Eis,
Und freier rollt er seine stolze Bahn
Durch ferne Länder hin zum Ocean.

Das Samenkorn, das in der Erde tief,
Des Lenzes bunten Glanz nicht ahnend, schlief,
Es streift des Keimes rauhe Hülle ab,
Und hebt sich blühend aus dem dunklen Grab. -

Bricht deine Psyche nie des Kerkers Nacht,
Von einem schönren Leben angelacht?
Wann, in des Frühlings Strahl, zerfließt
Die Eisesdecke, die dein Herz umschließt?

Entfaltet nimmer sich zu Schmerz und Lust
Der Liebe Himmelsblum' in deiner Brust? -

Du gleichst der holden Rose, doch ihr fehlt
Der süße Duft, der Rosen sonst beseelt.
(S. 49-50)
_____



Stummer Schmerz

Jenem Schmerz, der in mir tobt,
Worte muß ich ihm versagen.
Wähne nicht erstickt die Flammen,
Weil sie nicht zum Himmel schlagen.

Ruhig scheint auch der Vulkan,
Blumen sieht man auf ihm blühen;
Nichts giebt von den Lavaströmen
Kunde, welche in ihm glühen.
(S. 50)
_____



Die Bäume

Einst verglich ich meine Hoffnung
In der trüben Winterzeit
Jenen nackten, kahlen Bäumen
Ohne Blüth' und Blätterkleid,
Die verlassen, einsam trauern,
Von dem Winter überschneit.

Wem soll ich die jetzt vergleichen
In der holden Maienzeit?
Wieder glänzt an allen Bäumen
Blüthenflor und Blätterkleid,
Die im Herbste welkend fielen
In der Stürme rauhem Streit.

Nenn' ich dies ein günstig Zeichen,
Das sich meiner Liebe beut?
Darf ich hoffen, o Geliebte,
Enden werde Gram und Leid?
Darf ich hoffen, daß es endlich
Auch in deinem Busen mai't?

Meiner oft getäuschten Hoffnung
Nackter, blätterloser Baum,
Wirst du wieder grünend, blühend
Streben in des Aethers Raum?
Werd' ich ruh'n in deinem Schatten,
Träumend süßen Liebestraum? -
(S. 51-52)
_____



Die Braut

An des stolzen Mannes Seite
Sitzt die Braut beim Hochzeitmahl.
Festlich heitre Klänge tönen
In dem glanzgeschmückten Saal.

Lachen, Scherz und Jubel werden
In dem Kreis der Gäste laut -
Doch der Bräut'gam lächelt finster,
Bleich und stille sitzt die Braut.

Düster flammt des Ritters Auge,
Unstät irrt es, wild und scheu.
Vor des Hauses Fenstern ziehet
Jetzt ein Leichenzug vorbei

Einen Jüngling, von dem Tode
In des Lebens Lenz erfaßt,
Unter Mörderhand gefallen,
Trägt man dort zur letzten Rast.

Scheuer glühn des Ritters Blicke -
Bleicher, bleicher wird die Braut,
Die mit langem Blicke, ahnend,
Auf den düstren Gatten schaut. -
(S. 53-54)
_____



Die Lieder

Sie, die Holde, der ich liebend
Meine kleinen Lieder singe,
Ahnt nicht, daß ich ihr der Liebe
Stille Huldigungen bringe.

Wenn des Liedes Zauberwogen
Meinen trunknen Busen schwellen,
Wenn der Dichtkunst heil'ge Flammen
Meinen trüben Blick erhellen:

Schau' ich wohl mit heißem Sehnen
Auf zu jenem holden Bilde,
Das, mir ewig, ewig ferne,
Leuchtend thront voll Engelmilde.

Und in ihrem Blick entkeimen
Blüthen reiner Himmelswonne
Meinem Herzen, wie des Lenzes
Blumen blühn im Strahl der Sonne.

Und die Blüthen meines Herzens
Biet' ich ihr zum Kranz gewunden,
Die in's Licht sie aufgerufen
In des Lebens schönsten Stunden.

Doch die ferne Sonne schauet
Nicht die Blumen auf den Auen,
Die, von ihrem Strahl entfaltet,
Nur nach ihren Strahlen schauen.

So auch meines Liedes Blumen
Freu'n sich selig ihres Glückes,
Dürfen sie nur blühn und welken
In den Strahlen Ihres Blickes.
(S. 55-56)
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Der Himmel

Wie droben der Himmelsbogen
Den Wandrer stets umfängt,
Wohin er im Lebensgewühle
Die eilenden Schritte auch lenkt,
Umfängt auch mich ein Himmel
Selbst in der fernsten Ferne -
Es ist der Himmel der Liebe,
Voll wunderherrlicher Sterne!

Doch nie erreicht der Wandrer
Das lachende Aetherblau,
In ewiger Ferne strahlt ihm
Die leuchtende Sternenau:
So blick' auch ich vergebens
Nach der Liebe holden Sternen;
Umsonst mich mühend find' ich
Nach der Ferne - neue Fernen!
(S. 57)
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Treue Liebe

Ein Mägdlein saß am Meeresstrand,
Und blickte voll Sehnsucht in's Weite.
"Wo bleibst du, mein Liebster, wo weilst du so lang'?
Nicht ruhen läßt des Herzens Drang -
Ach! kämst du, mein Liebster, doch heute!" -

Der Abend nahte, die Sonne sank
Am Saume des Himmels nieder.
"So trägt dich die Welle mir nimmer zurück?
Vergebens späht in die Ferne mein Blick -
Wo find' ich, mein Liebster, dich wieder?"

Die Wasser umspielten ihr schmeichelnd den Fuß,
Wie Träume von seligen Stunden -
Es zog sie zur Tiefe mit stiller Gewalt,
Nie stand mehr am Ufer die holde Gestalt:
Sie hat den Geliebten gefunden. -
(S. 67)
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Der Regenbogen

Nach langen Stürmen glänzte,
Aus düstrer Wolken Nacht,
Am Himmel der Regenbogen
In farbiger Strahlenpracht.

Ich schaute freudig zum Himmel,
Zum Zeichen des Friedens empor,
Das um so heller glühte
Auf dunklem Wolkenflor.

Da dacht' ich an meine Liebe,
Die auch in heller Pracht,
Des Friedens holdes Zeichen,
Aus düstren Wolken lacht.
(S. 68)
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Die Rose

Oft geh' ich, die Holde zu schauen,
Vor ihrem Fenster vorbei.
Dort blühen auch jetzt im Winter
Die Blumen so schön wie im Mai.

Dort blühet vor allen die Rose,
Die Blume der Liebe, gar schön:
Nie hab' ich, selbst mitten im Maien,
So herrlich sie blühen gesehn.

Doch oft auch starren die Fenster,
Von kaltem Eise bedeckt,
Und haben die lieblichen Blumen,
Die duftende Rose versteckt. -

Dem gleichet das Herz der Geliebten:
Oft scheint es so kalt mir wie Eis;
Doch hinter dem Eise blühet
Die Blume der Liebe, des Mai's!
(S. 69)
_____



Liebesfrühling

Lind umweht von Blüthendüften,
Nahte sich der junge Mai.
Vögel sangen in den Lüften,
Bächlein wallte eisesfrei.
Vor des Frühlings mildem Weben
Mußte schnell der Winter fliehn,
Und ein holdes Blumenleben
Der erstarrten Erd' entblühn.

Also träumt' ich; - doch zerronnen
War zu bald der schöne Traum.
Ach, der Lenz mit seinen Wonnen
Weilet noch in fernem Raum.
Traurig ruhen die Gefilde,
Stürme brausen durch die Flur,
Von des Frühlings süßer Milde
Zeigt sich nirgend eine Spur. -

Mag der kalte Winter wüthen,
Und veröden die Natur,
Ohne Duft und Klang und Blüthen
Trauern Wald und Wiesenflur, -
Warum klag' ich noch? Entzücken,
Wonne fülle meine Brust!
Denn in Ihren holden Blicken,
Glüht mir ew'ge Frühlingslust!
(S. 70-71)
_____



Entschuldigung

Neulich sprach ich zur Geliebten:
Dich nur lieb' ich, ewig dich!
"Ach, das alte Liedchen!" rief sie,
"Neues, Lieber, weißt du nicht!"
Rechte deshalb mit dir selber,
Aber zürne nicht auf mich!
Ewig neu ist deine Schönheit,
Und in jedem Augenblick
Mein' ich, dich verkläre wieder
Neuer Reize Zauberlicht.
Von dem Wunderglanz geblendet,
Der aus deinen Augen bricht,
Kann ich nicht in Worte fassen,
Was  so laut im Herzen spricht.
Schwillt im glühendsten Entzücken
Auch die Brust, doch kann ich nichts
Als die armen Worte stammeln:
Dich nur lieb ich, ewig dich! -
(S. 72)
_____



Ersatz

Golden sank die Sonne nieder
An des Himmels fernem Saum.
Dunkel schon umhüllt die Erde,
Dämmernd schweigen Wald und Au.

Sehnend blick' ich in die Ferne,
Ruhend unterm Blüthenbaum;
Ihrer harr' ich, die ich liebe
Bis zum letzten Lebenshauch.

Freudig hoffend schwillt mein Busen -
Rauscht es nicht im Blüthenlaub? -
Ja, sie ist's! und selig träumen
Wir der Erde schönsten Traum! - -

Immer, wenn die goldne Sonne
Endet ihren Himmelslauf,
Geht mir in dem stillen Dunkel
Eine schön're Sonne auf. -
(S. 73)
_____



Hochzeitabend

Lichter flirren hin und wieder,
Wagen rollen durch die Gassen;
Zu dem hellen Hause drängen
Frohbewegte Volkesmassen.

In dem festlich bunten Saale,
Bei der Kerzen hellem Glanze,
Bei der Instrumente Jubel,
Glüht die Braut vom raschen Tanze.

Durch die goldnen Locken schlinget
Sich das dunkle Laub der Myrthe
Wie ihr Auge stolz und freudig
Durch die weiten Säle irrte!

Leuchtend von dem innren Glücke,
Glühen ihre Rosenwangen,
Und es schwellt den jungen Busen
Süßes, bräutliches Verlangen. -

Und sein großes, dunkles Auge
Wird von heißen Thränen trübe.
Ach! sie fließen still dem Traume
Seiner heil'gen Jugendliebe. -
(S. 74-75)
_____



Das alte Lied

Dort steht die Geliebte am Fenster,
Und schaut nach dem Vogel im Käfig,
Und horchet seinem Gesange -
O horche auch meinen Liedern!

Ach! wär' ich doch jetzo der Vogel,
Ich sänge ein altes Lied ihr,
Ein Lied von gebrochener Treue:
Ein Lied von gebrochenem Herzen!
(S. 75)
_____



Im Garten

Der Sonne letzter Strahl verglüht,
Kühl wehen Abendlüfte;
Der Blumenflor, der mich umblüht,
Haucht träumend süßre Düfte.

In trübem Sinnen wandl' ich hier
Durch thaubeperlte Beete,
Und blicke düster auf zu dir,
Du goldne Abendröthe.

Mir strahlt dein holdes Zauberlicht
Nicht Hoffnung in die trübe,
Zerriss'ne Seele, lindert nicht
Den Schmerz verrathner Liebe.

Ob tröstend meine Wangen still
Die Lüfte auch umspielen:
Des Abend süße Kühle will
Den heißen Schmerz nicht kühlen. -

Wie Alles hier von Blumen prangt
Im bunten Farbenglanze!
Doch sie, nach der mein Blick verlangt,
Sie fehlt dem reichen Kranze.

Vergebens such' ich sie, wie hier,
In meinem Leben immer!
Blühn auch noch andre Blumen mir:
Die Rose find' ich nimmer!
(S. 76-77)
_____



Sonst

Die Stätte seh' ich heute wieder,
Wo ich so froh und glücklich war!
Seit jenen schönen Tagen rauschte
An mir vorüber manches Jahr.

Mit andren Augen sah der Jüngling
Dies Alles einst, in Ihrem Arm;
Denn Frühling herrschte, Rosen blühten,
Die Lüfte wehten lind und warm.

Auch mir im Herzen blühten Rosen,
Und Frühling war's in meiner Brust!
Den übervollen Busen schwellte
Des Lenzes und der Liebe Lust!

Wie hat das Alles umgewandelt
Der Zeiten rauhe Allgewalt:
Die Lüfte wehen kalt und traurig,
Und traurig ist mein Herz und kalt. -
(S. 85)
_____



Das Spiegelbild

Von hellem Lichterschimmer
Erglänzt das kleine Haus.
Die Jungfrau steht am Fenster,
Und blickt in die Nacht hinaus.

Es hebt sich ungeduldig
Die jungendlich schwellende Brust,
Ihr leuchtendes Auge strahlet
In sehnender Liebeslust.

Der Wind saust durch die Bäume,
Die Straßen sind öd' und leer:
Da trübt sich ihr leuchtendes Auge,
Da wird ihr das Herz so schwer.

"Was zögerst du, Geliebter?
O eile in meinen Arm!
Laß mich nicht einsam vergehen
In bangem, stummen Harm.

"So lange läßt du mich harren,
Die sich nach dir nur sehnt,
Die, dir nur anzugehören,
Die heiligsten Schwüre gehöhnt.

Um deinetwillen brach ich
Ein treues, liebendes Herz,
Nun glüht mir nagend im Busen
Der Reue bittrer Schmerz.

O eile! In deinen Armen
Verläßt mich die marternde Qual,
Wie Nachtgespenster fliehen
Im goldnen Morgenstrahl.

Die flüchtigen Stunden eilen,
Die Braut harrt festlich geschmückt,
An deiner Brust zu ruhen,
Beglückend und beglückt!"

Und auf den hellen Spiegel
Fällt selbstzufrieden ihr Blick:
Da tönt die Mitternachtsstunde -
Erbebend führt sie zurück.

Ihr tritt aus dem Spiegel entgegen
Ein bleiches Jünglingsbild,
Aus offner Todeswunde
Das rothe Herzblut quillt.

Der bleiche, blutige Schatten
Hebt drohend empor die Hand -
Am Finger glänzt ein Ringlein,
Der Jungfrau wohlbekannt.

Durch ihre Adern rieselt
Entsetzen eisig kalt,
Es flirrt ihr vor den Augen -
Da schwindet die Gestalt.

Am Boden liegt die Jungfrau,
Die Lichter löschen aus,
Die Glockenschläge verhallen,
Und Dunkel deckt das Haus. -

Da pocht es leise, leise,
Und flüsternd klingt es her:
"Ich bin's, ich bin's, Geliebte!"
Umsonst! sie hört dich nicht mehr. -
(S. 86-88)
_____



Der Traum

Ich sah die Geliebte im Traume,
Schön wie sie einstmals war,
Die holden, süßen Züge
Umwallt von goldnem Haar.

Ihr Auge blickte so milde,
Wie sonst im Leben nie,
Und um sie webt' und klang es
Wie Himmelsmelodie.

Ich sprach: Du bist schon lange
Des finstren Todes Raub,
Und längst schon ist zerfallen
Dein holder Leib in Staub.

Was treibt dich aus dem Grabe
Im bleichen Mondenlicht?
Der Liebe Zauber nimmer -
Du liebtest mich ja nicht!

Sie sprach: "Aus jenen Räumen
Zieht mich dein stummer Schmerz,
Und kalt im Leben, neigt sich
Im Tode dir mein Herz.

Bald trocknen diese Thränen,
Die jetzt dein Auge weint;
Bald wird die Stunde nahen,
Die uns auf ewig eint."

Und ihre Lippen hauchten
In leisem Kuß mir zu.
In meinen kranken Busen
Zog süße Himmelsruh.

Ich fuhr empor - Entschwunden
War schnell mein Traumgesicht.
Hell blickte durch das Fenster
Des Mondes bleiches Licht. -

Und Tage und Monde und Jahre
Vergehn - ich merk' es kaum.
Still hoffend träum' ich noch immer
Den alten, süßen Traum.
(S. 91-92)
_____



Das Ständchen

Im kalten Schneegewande
Ruht still und öde die Flur.
Unter deinem Fenster sing' ich
Von den Schmerzen der Liebe nur.

Erbärmlich mag es zwar klingen,
Die Zähne klappern vor Frost -
Ich höre dich heimlich lachen -
Das ist ein schlechter Trost!

Hu! Grimme Dezemberkälte!
Schneidend weht des Windes Hauch.
Meines Mundes Athem gefrieret,
Und meine Seufzer wohl auch.

Fürwahr, das muß ich fast glauben -
Wie ließen sie sonst dich so kalt?
Sie kommen aus glühendem Herzen,
Und deines ist ewig kalt! -
(S. 96)
_____



Veränderung

Ob durch die Straßen der Sturmwind sauste,
Ob Schnee und Regen niederbrauste,
Ich lehnte an deines Hauses Thür,
Und brachte nächtlich mein Ständchen dir.
Die Nachbarn bekamen den Ohrenzwang,
Die Hunde heulten, - ich sang und sang.
Und starrte auch oft vor Frost mein Blut,
Doch war ich froh und wohlgemuth:
Es brannte mein Herz ja in Liebesgluth.

Das ist nun anders - Im warmen Stübchen
Sitz' ich bei dir, mein holdes Liebchen;
Du schlingst um mich den weichen Arm,
An deinem Busen ruh' ich warm -
Doch erlosch die Flamme im Innern bald:
Ich friere nicht mehr, doch mein Herz ist kalt. -
(S. 97)
_____



Ade

1.
Der Onkel starb, und ließ mir sein Geld.
Mit Geschenken dich überschüttend,
Mein Schätzchen, vergaß ich die ganze Welt,
Um deine Liebe nur bittend.

Was war denn all meiner Mühe Frucht?
Nichts hab' ich damit gewonnen,
Und es ist, weil ich dich zu erringen gesucht,
Mein Schätzchen, - mein Schatz zerronnen.


2.
Du bist mir fern - dein Bild ist mir geblieben,
Und innig lieb' ich dieses schöne Bild.
Du bist mir fern, das soll mich nicht betrüben!
Du bist mir fern - dein Bild ist mir geblieben:
Was warst du anders, als ein schönes Bild?


3.
O wie hat mich einst dein reiches,
Goldnes Lockenhaar entzückt,
Und ein einzig kleines Härchen
Hätte sonst mich hoch beglückt.

Jene Träume sind vergangen;
Falsch, wie du, mein Engel, war
Die mir oft gelogne Liebe,
Falsch dein goldnes Lockenhaar.

Jetzt - des Angedenkens wegen! -
Bitt' ich dich - nicht um Ein Haar:
Gieb mir doch von deinen Locken
Ein vollständig Exemplar!
(S. 98-99)
_____



Wiedersehn

Wieder sah ich heut die Holde,
Der mein Herz so glühend schlug,
Deren Bild ich liebend lange
Im verschwiegnen Busen trug.

Doch die holden, süßen Züge,
Licht umwallt vom Lockenhaar,
Und das milde Engelslächeln
Und das Auge himmelklar -

Alles sah ich kalt und ruhig;
Jener Glanz der Phantasie
War verblichen, den der Liebe
Süßer Rausch der Theuren lieh. -

Klüger bin ich wohl geworden,
Aber glücklich, glücklich? - Nein! -
Für die wundersüße Täuschung
Tauscht' ich kalte Wahrheit ein. -
(S. 100)
_____



Ahnung

Die Jungfrau weilt am Stromesufer,
Und pflückt zum Kranz Vergißmeinnicht.
Still träumend blickt sie auf die Wellen,
Die heiter glänzen im Sonnenlicht.

Und eines Jugendfreundes denket
Die Holde, unwillkürlich bang,
Der unbeglückt, mit treuem Herzen
Nach ihrer Gegenliebe rang.

Da plötzlich zieht ein heimlich Grauen
Vom freundlichen Ufer sie zurück:
Ich war, als flüsterten ihr die Wellen -
Sie flieht mit scheuem, ängstlichen Blick. -

Tief unten aber treibt die Leiche
Des Jünglings in der Stromesfluth,
Der in dem Wellengrab verzweifelnd
Gekühlt des Herzens Flammengluth. -
(S. 103)
_____



Winterschlaf

Schlummernd ruht die weite Erde in des Winters Schneegewande,
Bis der mildre Strahl der Sonne wieder lös't die kalten Bande,
Bis der Lenz mit Lerchenliedern und mit süßem Blumenduft
Auf zu neuer Frühlingswonne die erwachte Schöpfung ruft.

Also schlummert mir im Herzen auch des Lenzes Lebensfülle,
Jugendlicher Blüthen Keime, überdeckt von kalter Hülle;
Also ruhn der Liebe Gluthen tief in meiner Brust versteckt,
Bis ein Blick von dir, Geliebte, neu die alten Flammen weckt.
(S. 104)
_____



Liebesreime

1.
Blüthenknospen, die der Zephyr spielend von den Bäumen streift,
Ehe sie der Sonne Strahlen noch zur schönern Frucht gereift,
Gleichen diese kleinen Lieder - Nimm sie, Holde, freundlich an,
Bis ich statt des Blüthenkranzes reife Früchte bieten kann.


2.
Du, Geliebte, bist die Muse, die mir gab des Liedes Macht -
Wieder hab' ich jetzt gedichtet, denn ich habe dein gedacht.


3.
Der Stern der Liebe
Auf zu dir, Geliebte, blick' ich, wie zu jenem goldnen Sterne,
Welcher dort am Himmel wandelt, ewig leuchtend - ewig ferne.


4.
In des Baumes Rinde grub ich liebend deinen Namen ein;
Doch es wird in wenig Jahren jeder Zug verwachsen sein.
Deinen Namen grub die Liebe in mein Herz mit zarter Hand -
Seine Flammenzüge schwinden dann erst, wenn mein Leben schwand.


5.
Meinen Blicken barg der Schleier neidisch deiner Reize Fülle -
Ach, ich sah den lichten Himmel in der Wolken dichter Hülle.


6.
Schwere Krankheit wühlt im Herzen - Ahnest du des Uebels Grund?
Mädchen, wenn auch du erkranktest, wären beide wir gesund.


7.
Düstrem Sinnen, dumpfem Brüten hingegeben, sah ich dich,
Und des Frühlings Blüthentreiben regt' im kalten Herzen sich.
Doch mit deinen holden Augen blicktest du mich feindlich an -
Und um meines Herzens Blüthen, meinen Frühling war's gethan.


8.
Mag im wilden Sturm der Zeiten Alles wanken und vergehn:
Meine Liebe wird dir bleiben, meine Liebe wird bestehn,
Bis ich einst ein schönes Mädchen, schöner noch als du, gesehn -
Meine Liebe wird dir bleiben! Meine Liebe wird bestehn! -


9.
Mondenlang mich mühend, such' ich nun ein Räthsel aufzulösen,
Aber all mein Sinnen, Brüten ist verlor'ne Müh' gewesen.
Nimmer übt' ich meinen Scharfsinn noch an einem größren Räthsel -
"Schnell! Ich treff' es! Sprich!" - Kaum glaub' ich's,
ist Dein Herzchen gleich dies Räthsel.


10.
Um die welke Rose bat ich, die den Busen ihr geschmückt;
Der Gewährung sicher, hob sich schon mein Busen still entzückt.
Aber kalt verweigernd schlug sie mir die kleine Bitte ab,
Der sein ganzes Sein und Leben ewig ihr zu eigen gab!


11.
Foltern mich die herbsten Schmerzen, winkt mir fern das höchste Glück -
Hölle trag' ich in dem Herzen, und den Himmel schaut mein Blick.


12.
Einst in schöner Stunde schenkte sie mir ein Vergißmeinnicht,
Und das höchste Glück verheißend, traf mich ihres Auges Licht.
Immer denkt mein Herz an jene schöne Stunde nun zurück -
Ob auch längst verwelkt das Blümchen: nie verglüht mir jener Blick!


13.
Wie die öden Winterfluren lächeln in der Sonne Licht,
Wenn es endlich durch den Schleier düstrer Schneegewölke bricht:
So verklärt mit wunderbarem, holden Reiz - ein seltnes Glück!
Auch mein kaltes, düstres Leben deines Auges Sonnenblick.


14.
Weg, ihr abgebrochnen Blumen! Ach, ich seh' euch schmerzerfüllt,
Denn ihr führt vor meine Seele ein geliebtes, theures Bild.
Einer andren Blume send' ich trauernd dann der Liebe Gruß,
Welche fern vom Heimathlande in der Fremde welken muß.


15.
Bringt mir Blumen! - Lenzeskinder! Athm' ich euren süßen Duft,
Weht durch meines Herzens Winter linde, goldne Frühlingslust.


16.
Oft mit heißen Thränen denk' ich an die schöne Zeit zurück,
Als mir deine Liebe wurde - Ach! ein unverdientes Glück!
Oft mit heißen Thränen denk' ich dann an jene Zeit zurück,
Als du in die Ferne schiedest und mit dir mein ganzes Glück. -


17.
In der bangen Scheidestunde sprach ich: "Dich vergess' ich nicht,
Bis mein Herz, das qualzerrissne, in dem Schmerz der Trennung bricht!"
Weinend hast mit heil'gen Eiden du dasselbe mir versprochen,
Und nach wenig kurzen Monden Treue schon und Schwur gebrochen.
Treulich hab' ich ihn gehalten: "Dich vergess' ich ewig nicht,
Bis im herben Schmerz der Trennung mir das Herz bricht" - nun, das bricht! -


18.
Einen wüsten Garten weiß ich - mein zerrissnes, armes Herz! -
Wo nur giftig Unkraut wuchert - der verrathnen Liebe Schmerz! -
Und wie oft ich's ausgerissen, immer, immer keimt es wieder,
Treibt empor in Blatt und Blüthe - und die Blüthen nenn' ich Lieder.


19.
Durch die weite Erde irr' ich, trauernd, freuden-, ruhelos:
Sie, die mich so hoch beglückte, schlummert in der Erde Schooß.
Eine schönre Blüthe knickte noch die Wuth des Sturmes nie -
Das "des Schönen Loos auf Erden!" und das Schönste war ja sie!


20.
Herz, was soll das düstre Trauern? Ohne Ursach quälst du dich:
Blühend lebt ja die Geliebte! "Ja, sie lebt - und starb für mich!"


21.
Jahre fliehen, Jahre kommen, immer noch im Herzen glüht
Jene alte, heil'ge Flamme, welche einst so hell gesprüht,
Die in farbig buntem Strahlen Liebesfunken reich verstreut,
Und wie jener Wundervogel aus der Asche sich erneut.


22.
Draußen stürmt es, und im Herzen stürmt mir jetzt das alte Sehnen -
Von dem Himmel strömt der Regen, und es fließen meine Thränen.


23.
Mag es regnen, mag es stürmen, endlich wird der Himmel licht -
Wird es nur der trübe Himmel meiner Liebe ewig nicht?


24.
Zwischen Schmerz und Wonne schwankend, fürchtend, hoffend pocht die Brust -
Wären das die Frühlingsstürme einer neuen Liebeslust?


25.
"Müde wird man dieser Reime! Freund, wirst du es denn nicht auch?"
Amor ist ein Kind - O laß es spielen nach der Kinder Brauch.
(S. 105-114)
_____



Klänge

1.
Winter herrscht in meinem Herzen - endlich ist ein kleines Lied
Nach so langen, trüben Tagen mir im Busen still erblüht.
Tönet, tönet, heitre Klänge! Seid mir freudig hoch gegrüßt -
Sei willkommen, Erstlingsblume, die mir sagt: der Winter flieht!


2.
Heut soll zu der Geliebten Preis mein Lied erklingen!
- Ich sprach es, doch umsonst; nichts wollte mir gelingen.
Vergebens sucht' ich Worte, würdig sie zu schildern,
Und ich besang sie nicht, sie schöner zu besingen!


3.
Kühler wehen schon die Lüfte, rauher schon durch Wald und Flur,
Blätter fallen von den Zweigen, Alles trägt des Herbstes Spur -
Mir nur ist der Lenz geblieben, denn in ihr vereinigt blühn
Veilchen, Lilien, Rosen, alle Frühlingsblumen - schöner nur!


4.
Ich liebe dich! - so spricht mein Blick, doch schweigt mein Mund,
Und daß du mich verstehst, thut mir dein Auge kund.
Man nennet Amor blind, - stumm ist er, doch nicht blind:
Nicht Worte, - Blicke schlossen unsren Liebesbund!


5.
Als ich's wagte, meine Liebe zu gestehen,
Konntest du dies ewig treue Herz verschmähen?
Ach, du zürnst mir! dennoch lieb' ich dich nur heißer -
Schöner läßt nach Stürmen die Natur sich sehen.


6.
Nachtigall! du singst noch immer, und der holde Frühling schied,
Aehren wogen, Früchte reifen, doch die Rosen sind verblüht.
Schweige, schweige! Wehmuthsschauer wecktest du in meiner Brust -
Wie des Frühlings Grablied tönet mir dein süßes Schwanenlied.
(S. 115-117)
_____



Der Schein trügt

Weil du, o Heißgeliebte, es begehrt,
Verberg' ich jenen Schmerz, der in mir glüht,
Der meine ganze Lebenskraft verzehrt,
Und lächle, wenn mich alle Freude flieht,
Weil du, o Heißgeliebte, es begehrt.
So scheint es, daß die welke Blume blüht,
Die schon des Herbstes kalter Hauch verheert.
Weil du, o Heißgeliebte, es begehrt,
Verberg' ich jenen Schmerz, der mich durchglüht.

Wie freundlich scheint die Wolke, die dort zieht:
Wer weiß, ob nicht Gewitter in ihr glühn!
Sie schwebt vom Abendstrahl verklärt dahin:
Die Wolke denke, die dort freundlich zieht,
Wenn mich dein holdes Auge lächeln sieht.
Nicht will mir Liebesglück und Freude blühn,
Tönt oft von Lieb' und Freude auch mein Lied.
Wie freundlich scheint die Wolke, die dort zieht, -
Wer weiß, ob nicht Gewitter sie durchglühn! -
(S. 118)
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Ritornelle

1.
Der Liebe Schmerzen fühlt' ich in mir glühen,
Seit ich zum ersten Male dich gesehen,
Und meine Blicke sprachen, was ich fühlte.

Doch ihre Sprache hast du nicht verstanden
Da suchten bange Seufzer dir zu künden,
Was lange schon in meinem Herzen brannte.

Was du in meinen Seufzern nicht verstanden,
Das wag' ich jetzt in Liedern dir zu senden -
Wann, Holde, darf ich dir es küssend sagen?


2.
Ihr, die ihr glaubt, daß wahrer Liebe Flammen
Vergehn, wenn ihnen Nahrung nur genommen,
Von welchem Irrthum seid ihr doch befangen!

Entfernung wird die Liebe nur erhöhen,
Und wenn ihr sie schon glaubt erstickt zu sehen,
Habt ihr der Flamme Glühen nur befördert.

Erwecken wird, was wiegen soll in Schlummer.
Vergleichen möcht' ich sie den Blumen immer,
Die beim Gewitter schöner blühn und duften.


3.
Oft sing' ich von der Liebe Glück und Wonne,
Doch trüb' und düster ist es mir im Sinne:
Der Liebe Wonnen sind mir nie geworden.

Ich träume mich nach einem Feenlande,
Damit ich dort die sel'gen Freuden finde,
Die mir die kalte Wirklichkeit versagte.

Dem Vogel gleich' ich, der im dumpfen Zimmer,
Im engen Kerker von des Frühlings Schimmer,
Von Blumenduft und Maienwonne singet.


4.
O Holde, laß mich dir zu Füßen knieen,
Zum lichten Himmel deiner Augen schauen,
Und bebend dir gestehn, daß ich dich liebe.

Wirst du auch nimmer meine Gluth erwiedern,
Doch werd' ich nimmer mit der Liebe hadern;
Denn glücklich bin ich, darf ich dich nur lieben.

Zu jenem Himmel laß mich freudig blicken,
Wenn Sorgen meine Seele niederdrücken,
Und hoffen, daß ich jenseits ihn erringe.


5.
In deinen sonnenhellen Lockenringen
Hat sich mein leicht verwahrtes Herz gefangen,
Und lös't sich nimmer aus den süßen Schlingen.

O Wundernetz, das Amor selbst gesponnen,
Und in den lichten Glanz getaucht der Sonnen,
Der jeden blendet, der es fliehen wollte!

Die Menschen alle knieen vor dem Golde -
Auch ich, seit ich dich liebe, meine Holde;
Doch einzig vor dem Golde deiner Locken.


6.
Die Lerche will empor auf schnellen Schwingen
Zum lichten Reich des blauen Aethers dringen,
Dem Himmel ihre süßen Lieder singend.

Bald aber wird sie aus den lichten Räumen
Sich wieder senken zu der Erde Blumen -
Ihr gleicht mein Geist in seinen kühnen Träumen.

Zu der Geliebten kehren die Gedanken,
Aus ihrem Auge Himmelsglück zu trinken,
Die eben noch zum sel'gen Himmel drangen.


7.
Dich lieb' ich nur, dich werd' ich ewig lieben!
Wie lange soll dein Zweifel mich betrüben?
Wann lernst du kennen deine eignen Siege?

Doch eben, daß du, Holde, sie nicht kennest,
Macht, daß du ewig neue stets gewinnest,
Das unterwirft dir immer neue Herzen.

Du gleichest dem, der dir die Macht gegeben:
Er sieht nicht - dennoch muß man vor ihm beben;
Denn sicher kann der Pfeil des Blinden treffen.


8.
So liebst du mich? Des Himmels wurde
Mir schon auf dieser schmerzenreichen Erde?
Das Glück, nach dem ich strebte, ist errungen?

Erreicht hab' ich das Ziel, das lang' ersehnte!
In meinem Herzen, wo der Kummer wohnte,
Herrscht nun die höchste Freude dieses Lebens.

Schnell flieht der Winter bei des Frühlings Nahen -
So macht ein Blick von dir die Trauer fliehen,
Und heilt die Wunden, die er selbst geschlagen.


9.
Das Licht des Mondes und der goldnen Sterne
Blickt hell und heller aus der blauen Ferne;
Doch immer dunkler wird es mir im Herzen.

Die Nachtigall singt Liebeslieder,
Der Liebe Stern blickt freundlich auf mich nieder -
Wo aber zögert nur die Heißgeliebte?

Sie naht! - Verschwinde, goldner Stern der Liebe!
Dein heller Himmelsglanz wird bleich und trübe,
Da, wo die Augen strahlen der Geliebten.


10.
Der Schlaf umschlingt mich leis' mit weichen Armen;
Da hallt die zwölfte Stunde von den Thürmen,
Und schon beginnt der Geister dunkles Walten.

Aus Wand und Decke quellen Nebelbilder,
Umflirren mich in Kreise wild und wilder,
Und wollen mich mit eis'gem Arm umschlingen.

Da taucht aus düstrem Graus das Bild der Lieben -
Schnell ist der finstre Spuk der Nacht zerstoben,
Und mich umschauert süßer Himmelsfriede.


11.
Der ersten Liebe himmlisch schöne Stunden,
Die mir die reichsten Rosenkränze wanden,
Sind sie auf ewig schon dahin geschwunden?

Ach, glühend brennen nun des Herzens Wunden,
Die Flammenqual im Innern will nicht enden;
Doch klag' ich nicht, bald find' ich Trost und Ruhe. -

Wenn einst der Rose Dornen dich verwunden,
Verzage nicht, denn Heilung wirst du finden -
Genesen wird dein Herz in ihrem Dufte.


12.
Erinnrung ruft der Jugend heitre Lenze
Vor meinen Blick, und hellt mit mildem Glanze
Das kalte, trübe Dunkel meines Lebens.

So bricht, wenn Blatt und Blüthe trauernd welken,
Hell durch den Schleier düstrer Regenwolken
Der goldne Sonnenstrahl im späten Herbste.

Doch wird er nicht die Blätter wieder färben,
Nicht Blüthen neu beleben, die erstarben,
Es kann noch leuchten, aber nicht mehr wärmen.
(S. 119-125)
_____



Der Schmerz

Des Himmels Wonne leuchtet mild aus deinen blauen Augen;
Doch immer werd' ich Schmerzen nur aus ihren Strahlen saugen.
Ein zauberischer Nektarkelch sind deine süßen Lippen;
Doch immer muß ich Wermuth nur von seinem Rande nippen.
Dein Busen leuchtet rein und weiß, wie frische Lilienblüthe, -
Ich sehe kalten Marmor nur, wie stürmisch er auch glühte.
Wie Morgenstrahlen glänzt dein Haar, die licht den Aether säumen,
Doch seh' ich es, so wird es Nacht in meines Herzens Räumen.
So weiß mein immer reger Schmerz stets deinen Reiz zu trüben -
Das macht allein: du liebst mich nicht, und wirst mich nimmer lieben!
(S. 126)
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Seufzer

Nichts vermag zu widerstehen,
Hör' ich oft, der Macht der Zeit:
Oft schon haben Regentropfen
Ausgehöhlt den harten Stein.
Dennoch wag' ich nicht zu hoffen
Freude nach so langem Leid:
Ach, es haben meine Thränen
Nie dein Felsenherz erweicht!
(S. 127)
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Mein Herz

Dich, mein armes Herz, vergleich' ich
Einem wild bewegten Meere -
Einem ewig klaren Himmel
Der Geliebten reine Seele.
Wiederstrahlt das Bild der Holden
Mir im wild bewegten Herzen,
Wie das Spiegelbild des Himmels
Wiederstrahlt im dunklen Meere.
Aber nimmer strahlt des Meeres
Wild bewegte, düstre Welle
Wieder aus dem ruhig klaren,
Ewig heitren Himmelszelte.
So auch spiegeln in dem Himmel
Deiner engelreinen Seele
Nimmer sich die wilden Wogen
Meines schmerzzerrissnen Herzens
(S. 128)
_____



Wintergrün

Des Winters Stürme brausen durch die Flur,
Verklungen sind der Nachtigallen Lieder,
Und stumm und öde trauert die Natur,
Und träumt die alten, düstren Träume wieder.

Die duft'gen Blumen seh' ich nicht mehr blühn,
Verwelkt ist längst des Frühlings reiche Fülle,
Erstorben Alles! - Nur das Wintergrün
Blickt aus des Schnees eisig kalter Hülle.

Nicht Myrthen, Rosen sind der Liebe Bild:
Du bist es, dunkle, anspruchslose Pflanze -
Du welktest nicht, von Schnee und Eis umhüllt,
Sie blühten nur im lichten Frühlingsglanze. -

Auf meinem Busen lag des Winters Eis,
Und trüb und düster war es mir im Herzen;
Doch regte oft ein dunkles Sehnen heiß
Nach süßen Freuden sich und süßren Schmerzen.

Da sah ich sie, der Seele Ideal,
Und in mir fühlt' ich schnell des Frühlings Weben;
In ihres Auges sonnenhellem Strahl
Erblühten Himmelsblumen meinem Leben!

Sie mußte scheiden - jede Freude schied,
Den Lenz des Lebens sah ich mit ihr fliehen:
Die duft'gen, bunten Blumen sind verblüht,
Verklungen sind des Haines Melodieen.

Doch ob von allen, allen Blumen auch,
Die einst mein Leben schmückten, keine bliebe,
Und alle welkten in des Nordes Hauch -
Nie welkt die Himmelsblüthe reiner Liebe.
(S. 132-133)
_____



Die Todtenbraut

"So ruhst du still in dunkler Kammer,
Und hörst nicht meiner Klage Laut?
Ich rufe dir in meinem Jammer,
Ob Morgen graut, ob Abend thaut.

In blut'ger Brust die Todeswunde,
In tiefem Schlafe schlummerst du.
Treibt es dich nie in nächt'ger Stunde,
Herauf aus deines Grabes Ruh?

Verlaß der Grüfte grause Stille,
Eh' modernd noch dein Leib zerstiebt,
Und komm in nächt'ger Nebel Hülle
Zu mir, die dich so heiß geliebt!

In meinen lebensfrischen Armen
Sollst du von neuem Leben blühn,
An meiner Brust sollst du erwarmen,
In meines Herzens Flammen glühn!

Du hörst mich nicht! - Mit kaltem Grimme
Hält dich des Todes finstre Gruft.
Du hörst sie nicht, der Liebe Stimme,
Die dich zu neuem Leben ruft.

Doch zag' ich nicht! Noch darf ich hoffen!
Verhallt mein Schmerz in leerer Luft,
So ist zu dir der Weg mir offen,
Der düstre Weg zur Todtengruft.

Dort in des Grabes dunklen Räumen,
An deiner blutig bleichen Brust,
Da will ich liegen, will ich träumen,
Von Lebensglück und Liebeslust!" -

Und hoffend schwillt ihr Busen wieder,
Sie eilt dahin durch Nacht und Sturm.
In Strömen gießt der Regen nieder,
Der Schrei der Eule tönt vom Thurm.

Da steht sie an dem grausen Orte,
Der ihr das liebste birgt - sein Grab.
Der Schlüssel klirrt, es gähnt die Pforte,
Sie schwankt die Stufen scheu hinab.

Der Särge lange Reihen ziehen
Sich düster durch den weiten Raum.
Dort ruhn sie von des Lebens Mühen -
Was störst du ihren schweren Traum?

Der Fackel bleiche Lichter fallen
Mit grellem Scheine auf den Sarg,
Der ihr - der jüngste unter allen -
Die Leiche des Geliebten barg.

"Euch stör' ich nicht, ihr theuren Ahnen,
Schlaft ruhig, ruhig weiter nur.
Nur den Geliebten will ich mahnen,
Ihn mahnen an der Liebe Schwur!

Den Weg zu dir hab' ich gefunden,
Nicht schreckt mich Nacht und Todesgraus.
Ein heil'ger Schwur hält dich gebunden
Bis über Grab und Tod hinaus.

Ich rufe dich mit starkem Herzen -
Ich rufe dich bei deinem Eid,
Bei meines Busens Flammenschmerzen,
Bei unsrer Liebe Seligkeit!" -

Da saust des Sturms eis'ger Flügel
Wild pfeifend durch die Moderluft,
Er rüttelt an des Sarges Riegel,
Und grauser Ton durchheult die Gruft.

Des Sarges eh'rne Decken springen,
Und wie umwallt von Nebelflor,
Hebt, die Geliebte zu umschlingen,
Der Todte langsam sich empor. - -

Still ist die Nacht dahin geschwunden:
Als bleich der trübe Morgen graut,
Ward in des Todten Arm gefunden
Entseelt und kalt die Todtenbraut. -
(S. 145-148)
_____



Liebesfahrt

Wenn ich auf dem Lager liege,
Von der stillen Nacht umhüllt,
Und den Geist in Träumen wiege,
Naht mir oft ein liebes Bild.

Meines armen, kleinen Zimmers
Enge Wände sinken ein,
Und durch blaue Lüfte schimmert
Heller, goldner Abendschein.

Vor den trunknen Blicken fluthet
Blau und weit der Ocean.
Auf den spiegelklaren Wassern
Schwankt ein zierlich leichter Kahn.

Und es tönet aus den Wellen
Zauberischer Liederklang,
Lockend kosen sie und schwellen
An dem Blumenstrand entlang.

In dem seligsten Entzücken
Sink' ich nieder in den Kahn,
Und mich trägt auf blauem Rücken
Leicht dahin der Ocean.

Träumend ruh' ich in dem Nachen,
Süß umweht von Mährchenwahn.
Holde Engelsköpfchen lachen
Aus der klaren Fluth mich an.

Aus den hellen Tiefen klingt es
Her wie süßer Liebesgruß,
Und mit zartem Häubchen winkt es
Traulich kosend Kuß auf Kuß.

Und der flücht'ge Nachen gleitet
Hin im zauberschnellen Lauf,
Da aus blauen, fernen Weiten
Taucht ein blühend Eiland auf.

Wunderland, wohin mich immer
Meines Herzens Sehnen ruft!
Näher winkt schon deine Küste,
Schon umweht mich Blumenduft.

Nieder sank die Abendsonne,
Um die Blüthenhaine flicht
Milden, feierlichen Schimmer
Schon des Mondes Silberlicht.

Klänge irren durch die Lüfte,
Süß umstrickend Herz und Sinn,
Dunkle, blaue Augen winken -
Flügel! Flügel! Hin! o hin! -

Da erlischt des Mondes Flimmer,
Düster brütet schwüle Nacht,
Heulend fegt der Sturm die Wogen,
Und der Nachen wankt und kracht.

Aber durch des Donners Rollen
Wehet noch der süße Klang,
Und die Zauberaugen flammen -
Brich, o Herz, im Sehnsuchtsdrang!

Da zerstiebt der morsche Nachen,
Donnernd gähnt ein weites Grab -
In des Meeres dunkle Grüfte
Reißt die Brandung mich hinab. - -

In des Morgens goldnen Lichtern
Glüht das schöne Inselland,
Und die Wellen tragen flüsternd
Still mich an den Blumenstrand.

Ueber den Erblaßten neiget
Sich ein lichtes Wunderbild,
In den dunklen Sternenaugen
Zittern Thränen hell und mild.

Und die Thränenperlen fallen
Auf mein bleiches Angesicht -
"Schlummre still, du kalter Schläfer!
Schlummre still erwache nicht!" - -

Doch die Bilder fliehn, und immer
Find' ich mich, vom Traum erwacht,
Ueberströmt von heißen Thränen
Einsam in der kalten Nacht. -
(S. 149-152)
_____



Die Wurzel

Einst hat hier ein Baum gestanden,
Der mit blätterreichen, stolzen
Zweigen auf zum Himmel strebte.
Längst schon ist sein Stamm gebrochen
In dem Sausen wilder Stürme;
Doch die Wurzel blieb im Boden
Und mit jedem Frühling treibt sie
Aus der Erde junge Sprossen.

Treues Sinnbild meiner Liebe,
Deren Blüthe längst erstorben!
Ihre Wurzel blieb im Herzen,
Als der Blume Glanz entflohen;
Ihre Wurzel blieb im Herzen,
Als der stolze Stamm gebrochen.

Doch in deines Auges Strahlen,
Meines Lebens holde Sonne,
Regt sich neu das alte Leben,
Fühlt sie junge Lenzeswonnen,
Und ein Frühling neuer Lieder
Treibt aus winterlichem Boden
Meines kalten, starren Herzens
Seine jungen Blüthensprossen.
(S. 154-155)
_____



Frühlingsmorgen

Wie ist der Himmel so rein, so blau,
Wie funkelt so hell im Grase der Thau!
Waldröschen lacht rosig vom grünen Dorn,
Blau äugeln Cyanen aus wogendem Korn.
Die buntesten, farbigsten Blumen blühn
Dort aus der Wiese duftigem Grün.
Ach! Alles lächelt in Frühlingspracht -
Mein Herz nur trägt die Farbe der Nacht.
(S. 156)
_____



Neuer Frühling

Noch einmal lodert mir im Herzen
In Flammen auf die alte Gluth,
Und Freuden regen sich und Schmerzen,
Die längst im Busen still geruht.

Der Jugend helle Träum' erwachen,
Es bricht des Grames düstrer Bann,
Und Wald und Flur und Wiese lachen
Mich wie in jenen Tagen an.

Und was in jenen Tagen glühend
Des Jünglings trunkne Brust durchbebt,
Es tritt vor meine Seele blühend;
Was ich geahnt, geträumt, - es lebt!

Entringt der Jugend Lenz sich wieder
Den Gräbern der Vergangenheit?
Umtönet mich, ihr süßen Lieder
Aus meines Lebens Wonnezeit!

Du unverstandnes, heil'ges Sehnen
Durchzittre glühend meine Brust.
Steigt auf im starren Aug', ihr Thränen,
Fließt meinem Schmerz, fließt meiner Lust!

Ihr holden Träume, regt die Schwingen,
Entrückt mich in ein Wunderland!
Umschlingt mich dort mit Blüthenschlingen,
Bis still dahin mein Leben schwand.

Erwacht, ihr Träume erster Liebe,
Wie Blumen aus dem dumpfen Schlaf,
Die nach dem Winter, kalt und trübe,
Der goldne Strahl des Frühlings traf! -

Und doch durchbebt geheimer Schauer
Die Brust, von bangem Weh erfüllt,
Und schattend legt sich finstre Trauer
Auf das besonnte Frühlingsbild.

Der goldne Liebeslenz des Lebens
Ist längst verblüht, mit ihm mein Glück,
Und immer, immer ruft vergebens
Der Sehnsucht Flehen ihn zurück. -

Oft treibt der Baum die duft'gen Blüthen
Im späten Herbste erst empor,
Und scheint des nahen Winters Wüthen
Zu spotten mit dem bunten Flor.

Dies Blühn, wenn schon die Blätter bleichen,
Dies Blühn im letzten Herbstesstrahl,
Von seinem Tode ist's ein Zeichen -
Er grünt und blüht zum letzten Mai.

Bald sinkt die grüne Hülle nieder,
Die frisch und blühend ihn umlaubt,
Und ach! kein Frühling bringt ihn wieder,
Was ihm der Wintersturm geraubt.
(S. 160-162)
_____



Die Heimkehr

Abend war's, nach langen Jahren
Kam ich in die Stadt zurück,
Wo mir einst so schön gelächelt
Dieser Erde höchstes Glück.

Einsam wankt' ich durch die Straßen,
Traurig ward mein Herz und schwer;
Alles, Alles war verändert -
Ach! ich Armer war es mehr!

Längst erstarben die Gefühle,
Welche einst mein Herz geschwellt,
Längst verglühten jene Sterne,
Die des Jünglings Pfad erhellt. -

Doch was zögern meine Schritte?
Warum pochst du stärker, Herz?
Was sich regt in meinem Innern,
Ist es Freude, ist es Schmerz?

Zu des Himmels Pforte wurde
Einst mir jenes Hauses Thür -
Küssen möcht' ich diese Schwelle!
Die Geliebte wohnte hier! - -

Und der kranke Busen hebt sich
Einmal noch in Jugendgluth,
Wie in jener Zeit, wo trunken
Ich in ihrem Arm geruht.

Die Erinnrung naht mir tröstend,
Und ihr milder Zauber ruft
Längst verwelkte Blüthen wieder
Blühend aus der dunklen Gruft;

Läßt der Kindheit goldne Tage
Meinem Blick vorüberziehn -
Mich umduften Himmelsblumen,
Die auf ihren Wink erblühn!

Und ein Nachhall jener Lieder,
Die den Jüngling einst erfreut,
Klingt in meinem Herzen wieder
Aus der schönen Jugendzeit! -

In der duft'gen Rosenlaube
Seh' ich Sie; ein Jüngling knie't
Ihr zu Füßen, welchem Liebe
In dem trunknen Herzen glüht.

Schmelzend singt im Blüthenhaine
Nachtigall der Liebe Glück,
Liebe duften rings die Blumen,
Liebe fleht des Jünglings Blick!

Ihre Rosenwangen glühen,
Und von Lieb' und Mitleid warm,
Schwillt ihr Busen, - Fest umschlungen
Ruhn sie bebend Arm in Arm! - -

O der Wandlung! Weh! zerflossen
Ist der Träume Zauberkreis -
Die Geliebte ruht im Grabe,
Und der Jüngling ward zum Greis! - -
(S. 184-186)
_____



Am Fenster

Hinunter blick' ich auf die Straße,
Vorüber geht ein schönes Kind.
Schnell öffn' ich das verquollne Fenster,
Die Scheiben sind so trüb' und blind.

Wie schön sie ist! - Ihr Auge leuchtet
So sternenhell, so rein und klar,
Und um die zarten Rosenwangen
Lockt zierlich sich das goldne Haar. -

Sie ging vorbei. In stillem Träumen
Schaut' ich ihr lange, lange nach,
Und liebe, süße Bilder wurden
In meinem kalten Herzen wach.

Da blies der Wintersturm so eisig -
Die Traumgebilde flohn im Nu,
Ich fuhr empor aus meinem Sinnen,
Und klirrend flog das Fenster zu.
(S. 187)
_____



Das steinerne Brautbett

Weit durch die Nacht hin leuchtet
Der Lichter heller Glanz,
Und heitre Musik erklinget
Zum hochzeitlichen Tanz.
Von lauter Freude hallet
Das buntgeschmückte Haus,
Fast übertönet der Jubel
Des Sturmes wilden Braus.

Im Brautgemache glimmet
Nur eines Lämpchens Schein;
Dorthin floh Braut und Bräutigam
Aus der Gäste wildem Reihn.
Still ist's im düstren Raume;
Starr vor sich blickend, liegt
An des Geliebten Busen
Die schöne Braut geschmiegt.

Es fliegt ein böser Traum wohl
Verstörend durch ihren Sinn,
Und "Mutter! Mutter!" flüstert
Sie leise vor sich hin.
Sie küssend spricht er: "Was murmelt
Von der Mutter dein süßer Mund,
Die lange feindlich zürnte
Auf unsrer Liebe Bund?

Was denkst du am schönen Ziele,
In unsrem jungen Glück
An jene trüben Tage
Voll Gram und Schmerz zurück?
Vergiß die vergangenen Zeiten,
Vergiß den langen Harm:
Sie schlummert sanft im Grabe,
Du ruhst in meinem Arm."

Doch bebend spricht sie weiter:
"Ein unheilbar Gebrest
Hielt sie seit langen Jahren
Auf ihrem Lager fest.
Und an das Krankenbette
Band mich die harte Pflicht -
Die Mutter konnte nicht sterben,
Und leben konnt' ich nicht!

Wie sie unendliche Jahre
In ihren Schmerzen lag,
Mit scharfer, giftiger Rede
Verbitternd mir jeden Tag,
Da hadert' ich mit dem Leben,
Das keine Freude mir bot,
Da hab' ich gehofft und geharret
Auf meiner Mutter Tod.

Und einst entfuhr das Wort mir
In blinder, toller Wuth:
Lieb' Mutter, im Brautbett schlaf' ich,
Wenn Ihr im Grabe ruht!
Da hob im schäumenden Grimme
Die Kranke vom Lager sich:
Von grausem Zorn geschüttelt,
Verfluchte sie mich und dich!

""Du hast von Tage zu Tage
Auf meinen Tod geharrt;
Verfluchte Liebe hat dir
Das Herz versteint und erstarrt:
So werde dir auch das Brautbett,
Das heißersehnte, zu Stein,
Und Mutterfluch lulle in Träume
In seinem Arm dich ein!""

Die blauen, bebenden Lippen
Verzerrt von wildem Krampf,
Sank sie zurück auf das Lager
In grausen Todeskampf.
Wie ich sie damals gesehen,
So seh' ich sie noch heut" -
Er bittet, sie heißer umschlingend:
"Vergiß die vergangne Zeit!

Sie hat wohl längst bereuet,
Was das empörte Blut
Und Jähzorn aus ihr sprachen
In wüster Fiebergluth.
Des Lebens Wahn und Schwäche
Blieb hinter ihr zurück,
Und segnend blickt ihr Geist wohl
Auf ihrer Kinder Glück!" -

Da klirrten zusammen die Fenster
Im schneidenden Windesstoß,
Und aus der Tiefe hallet
Dumpf donnerndes Getos.
Das düstre Gemach erleuchtet
Des Blitzes grelles Licht,
Und zeigt ihm ihr rollendes Auge,
Ihr todtenblasses Gesicht.

Auf fährt sie schreiend: "Dort steht sie
Wie in der Todesstund'!
Und grimmige Flüche schäumet
Der blaue, verzerrte Mund.
Sie kann mir nicht verzeihen!
Fluch über dich und mich!
Die Mutter wollte nicht sterben -
Und ich - ich liebte dich!" -

Jäh packt ihn Schreck und Schauder:
"Ha! Muttermörderin!" -
Gejagt von Grauen, stürzt er
Fort, durch das Dunkel hin.
Wahnsinnig lacht sie: "Mutter!
Das aergste thatst du mir!
Dein Fluch mag sich erfüllen!
Ich trotze der Hölle und dir!" -

Da trifft ein Blitzstrahl flammend,
Zerschmetternd des Hauses Dach,
Und zuckt mit grellem Scheine
Hin durch das Brautgemach.
Die Erde bebt, laut krachen
Die Balken im Sturmgebraus,
Die Wände schwanken, und donnernd
Zusammen stürzt das Haus.

Hoch wallt und immer höher
Der wankende Boden auf,
Und wächst empor zum Himmel,
Ein riesiger Felsenknauf;
Dort schwebt das Brautbett in Lüften,
Hoch über dem niedern Thal -
Als Hochzeitfackel leuchtet
Der Blitze glühender Strahl.

Dort sitzt die Braut schon lange
Einsam auf kaltem Pfühl,
Mit ihren Locken treibet
Der Sturm sein eisig Spiel.
Dort sitzt die Braut noch immer,
Ein Bild von kaltem Stein,
Und schaut, des Bräutigams harrend,
In's offne Land hinein.
(S. 207-213)
_____



Der See von Schwarzach

Der Ritter blickt in's Wasser,
Erfüllt von dunklem Weh,
Da schallt ein leises Weinen
Herauf aus tiefem See.
Die klagende Stimme dünkt ihn
So süß, so wohlbekannt,
Von wunderbaren Gluthen
Fühlt er sein Herz entbrannt.

Da hält er sich nicht länger,
Und bebend ruft er hinab:
"Lebst du, mein trautes Liebchen,
Noch drunten im kalten Grab,
Das dich zu meinem Leide
Vor manchem Jahr verschlang?
Ruft mich zu dir hinunter
Deiner süßen Stimme Klang?"

Und aus der Tiefe schallt es:
""Ein zauberisches Band
Hält in die dunklen Gründe
Auf ewig mich gebannt.
Um meine Freiheit hat mich
Der erste Trunk gebracht:
O hüte dich, sonst reißt es
Auch dich in meine Nacht!"" -

Er ruft in heißem Sehnen:
"O wär' ich doch bei dir!
Im ewigen Dunkel strahlte
Dein blaues Auge mir!
In weißen Armen ruht' ich
Süß in der schwarzen Fluth,
Die kalte Welle kühlte
Nicht unsrer Liebe Gluth!" -

Da stehen vor ihm plötzlich
Zwei Knaben, wunderbar,
Und reichen ihm süßlächelnd
Einen goldnen Becher dar.
Er trinkt - und taumelnd sinkt er
In dunkle Gründe hinab,
Und über ihm auf ewig
Schließt sich das nasse Grab.

Und aus der Tiefe weint es:
""Den wärmt nicht Liebesgluth,
Der auf dem feuchten Sande
Im Todesschlummer ruht.
Schnell löscht die nasse Woge
Der Augen hellen Schein -
In weißen Armen schläfst du,
Denn weiß ist mein Gebein!"" -
(S. 217-219)
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Der Liebenbach bei Spangenberg

Ich stand am hellen Bache,
Und kühlte der Stirne Gluth,
Vom langen Wandern müde,
Mit seiner kalten Fluth;
Ich starrte mit nassen Augen
Auf seinen Spiegel hin,
Und liebe, alte Träume
Umgaukelten meinen Sinn.

Des Wassers Rieseln klang mir
Wie tröstender Freundeslaut,
Wie Grüße aus meiner Jugend
So innig und vertraut,
Und süß getröstet blickt' ich
Den hellen Wellchen nach -
Du kennst den Gram der Liebe,
Du stiller Liebenbach!

Von dir hat mir berichtet
Der Sage heil'ger Mund.
Ein Jüngling liebt' eine Jungfrau,
Die Aeltern grollten dem Bund,
Und oft am Bache sahn sich
Die Liebenden unbelauscht,
Und haben bei seinem Murmeln
Manch süßes Wort getauscht.

Dort trat vor sie der Vater,
Dort sprach der harte Mann:
"Ich geb' euch meinen Segen -
Das schwör' ich beim Himmel! - nur dann,
Wenn ihr dies Bächlein leitet
Hinüber nach unsrer Stadt,
Die in den Mauern, ihr wißt es,
Kein trinkbar Wasser hat."

Und freudig thaten die Treuen
Nach seinem strengen Wort,
Die Abendsonne fand sie
Noch an dem stillen Ort,
Die Morgensonne sah sie
Bei ihrer Arbeit schon -
So rangen sie, rastlos schaffend,
Nach ihrer Mühe Lohn.

Und sanken sie matt und kraftlos
Von schwerer Arbeit zurück,
So tröstete jeden ein Blick nur
In des Geliebten Blick.
So schufen sie ruhlos weiter
Manch langes, langes Jahr,
Da war ihre Wang' erblichen,
Ergrauet war ihr Haar.

Und vierzig Jahre vergingen -
Da ist das Werk gethan,
Der Bach zieht durch das Städtchen
Die silberhelle Bahn.
Von zitternden Armen umschlungen,
In stummer, wehmüthiger Lust,
Ruhn sie im ersten Kusse
Still weinend Brust an Brust.

So standen sie lange, lange
Im stillen Abendroth;
Dann sanken sie zusammen
Im jähen, süßen Tod.
Der Bach, dem ihre Liebe
Den schönen Namen gab,
Bespült mit seinen Wellen
Ihr längst vergessnes Grab. -

Die Sonne war gesunken,
Ihr letzter Purpurstrahl
Hing glühend noch am Himmel,
Und schweigend lag das Thal.
Still durch das Dunkel goß sich
Der Bach, vernehmlich kaum -
Ihm langsam folgend, kam ich
Zum Städtchen wie im Traum.
(S. 229-232)
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Jugendliebe

Als ich ein glücklicher Knabe noch war
Mit rothen Wangen, mit lockigem Haar,
Da zog es aus der Gespielen Reihn
Mich oft in ein stilles Kämmerlein.

Die Bilder an der Wand, sie sahn
Dort so vertraut mich und heimlich an,
Und jede Knospe war mir bekannt
An der Rose, die vorm Fenster stand.

Im kleinen Stübchen stand, morsch und alt,
Ein Sopha von längst verschollner Gestalt;
Dort saß ein Mädchen mit goldnem Haar,
Die mir das Liebste auf Erden war.

Und neben ihr ruht' ich still beglückt,
Stumm in die eine Ecke gedrückt;
Sie schmiegte sich in die andre dicht,
Und ihr zu nahen wagt' ich nicht.

Dort träumt' ich trunken, im engsten Raum,
Oft Welt und Himmel umfassenden Traum;
Sie senkte das Auge in banger Lust,
Mit glühenden Wangen, mit fliegender Brust. -

Auf schwellendem Polster saß ich heut,
Und dachte an jene alte Zeit.
Sie saß mir zur Seite, ein schönes Weib,
Und schwatzte und schwatzte zum Zeitvertreib.

Mit halbem Ohr nur hört' ich zu,
Mir ließen die alten Träume nicht Ruh;
Im Busen klang mir ein altes Lied
Von einem Frühling, der längst verblüht.

Auch sie verstummte, ich schwieg schon lang',
Mir war so gepreßt, zum Weinen bang.
Mit trübem Blick sah ich sie an,
Sie wandte sich ab und seufzte dann.
(S. 260.261)
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Winterblumen

Erstorben sind des Frühlings Blüthenkeime,
Nun will der Winter neue Blumen bieten:
Der Nachtfrost hat bereift die kahlen Bäume,
Daß sie erglänzen, wie von hellen Blüthen.

Die Sonne bricht aus dunklen Wolkenschatten,
Die starren Knospen wird sie nicht erschließen;
Sie lösen nicht zum Blühn sich in dem matten,
Gluthlosen Strahl - sie tröpfeln und zerfließen. -

Was mir erblühet jetzt in Liederreimen,
Das sind nicht meines Frühlings duft'ge Rosen,
Die unter tausend jungen Blüthenkeimen
Sich wiegen in des Morgenwindes Kosen.

Was mir erblühet jetzt in Liederreimen,
Hat nicht des Lenzes goldner Strahl entfaltet:
Der Winter hat aus grauen Nebelträumen
Die farblos kalten Knospen so gestaltet.

Doch in dem Herzen lebt ein sel'ges Ahnen:
Bald ist erfüllt sein heimlich stilles Sehnen;
Dann schwingt der Lenz die bunten Siegesfahnen,
Dann lös't der starre Zauber sich in Thränen.

Mein Herz durchrieseln wundersüße Schauer,
Die Wange glüht von neuen, heil'gen Flammen:
Bald über'm Grabe meiner Wintertrauer
Schlägt Lieb' und Frühling im Gesang zusammen! -
(S. 262-263)
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Das Ideal

Du bist mein! Die duft'gen Blüthen fallen
Farblos, welk von meines Lebens Baum;
Mit den Blumen, mit den Nachtigallen
Scheidet meiner Jugend Frühlingstraum -
Du bleibst mein! Mag alles Schöne schwinden
In dem Sturm der Zeit, du kannst dich nicht
Meiner Liebe Zaubernetz entwinden,
Welches unzerreißbar dich umflicht! -

Mögen in des Sturmes rauhem Wüthen
Meine Lieder ungehört verwehn,
Und der Jugend bunte Frühlingsblüthen
Fröstelnd welken, sinken und vergehn;
Mag der Träume stolzer Bau zerstäuben,
Von des Lebens kaltem Ernst zerstört:
Du bist mein, und wirst es ewig bleiben,
Wie dem Schöpfer seine Welt gehört!

Du bist mein! - Ich habe diese Seele
Dir gehaucht in deinen schönen Leib,
Aller Erdenmängel aller Fehle
Dich entkleidet, armes, schwaches Weib!
Heil'ge Unschuld, fleckenlose Reinheit,
Reize gab ich dir, die nie vergehn,
Hob dich über dieser Welt Gemeinheit
Zu des Himmels ewig hellen Höh'n.

Morgenröthe lieh ich deiner Wange,
Aetherblau dem sanften Augenpaar;
Deine Stimme ward mir zum Gesange,
Und zum Sonnengold dein Lockenhaar.
Ach, mit Himmelsglanz und Frühlingsmilde
Schmückten dich der Liebe Phantasie's,
Und vor einem hehren Götterbilde
Lag ich andachttrunken auf den Knie'n! -

Doch du blicktest trübe vor dich nieder,
Schwindelnd vor der Träume stolzem Flug,
Wenn ich feiernd dich im Sturm der Lieder
Durch des Himmels goldne Fernen trug.
Thränen, die dein helles Auge trüben,
Künden laut, was du nicht willst gestehn:
Wie ein Weib der Erde willst du lieben,
Wie ein Erdenweib geliebt dich sehn! - -

Meine Liebe gleicht dem Schmetterlinge,
Wie er heiter spielt in blauer Luft -
Willst du ihn ergreifen: von der Schwinge
Streifst du schnell den zarten Farbenduft.
Frei und fröhlich will er leicht sich wiegen
Auf den Wellen heitrer Frühlingslust,
Und den Blüthenhauch in langen Zügen
Selig trinken in die junge Brust.

Nimmer will ich Lieb' um Liebe tauschen,
Will die Brust von Sinnengluth geschwellt;
Nur dein Anblick soll mich süß berauschen,
Schönste Blüthe dieser schönen Welt.
Leuchtend seh' ich dich, verklärt, umflammet
Von der ersten Liebe Morgenlicht:
Diese Liebe, die vom Himmel stammet,
Sie erträgt des Staubes Fessel nicht.

Glück der Erde kann ich dir nicht bieten; -
Badend in des Aethers hellem Glanz,
Schling' ich statt des Frühlings dürft'ger Blüthen
Goldne Sterne dir zum Strahlenkranz.
Schmücken will ich dich mit duft'gen Rosen,
Welche glüh'n in steter Frühlingspracht,
Die kein Winter mit dem schonungslosen,
Rauhen Eiseshauch zerstäuben macht!

Und so lebst du fort in meinem Herzen,
Jugendschön, wenn längst die Jugend schwand,
Unberührt von Erdenlust und Schmerzen,
Bis sich lös't des Lebens letztes Band,
Bis dies Herz vergessen hat zu schlagen,
Das in sel'gem Rausche glühend pocht,
Bis der Tod nach hingeträumten Tagen
Seinen Kranz um meine Schläfe flocht. -
(S. 264-267)
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Abend

Akazien- und Hollunderduft
Durchweht die stille Abendluft,
Und bunte Falter surren schwer
Mit trägem Flügel hin und her.

Verhallt ist des heißen Tages Gewühl -
Wie ist der Abend so frisch und kühl!
Die Sterne blicken so hell und schön
Aus des Himmels weiten, blau dämmernden Höhn.

Wie hell sie auch leuchten, ich acht' es nicht,
Mir winkt in der Nähe ein schöneres Licht:
Aus grün umranktem Fensterlein
Blinkt eines Lämpchens flimmernder Schein.

Nach diesem Schimmer, so bleich und matt,
Schau' ich, und werde des Schauens nicht satt.
Was pochst du, mein Herz? du weißt, wer dort wacht!
Das Lämpchen erlischt - Gute Nacht! Gute Nacht! -

Auf den Scheiben zittert der Mondenschein -
Nun blick' ich empor zum Sternenreih'n.
Mein Träumen und Denken wird zum Gebet,
Das Frieden des Himmels für sie erfleht. -
(S. 268-269)
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Sonnenblicke

Durch die düstren Regenwolken
Bricht der Sonne goldner Schein;
Aber wie er kaum geleuchtet,
Saugt ihn schon die Wolke ein.

Doch in meinem Aug' gezittert
Hat er einen Augenblick,
Hat mich golden warm durchschauert,
Eh er sank in Nacht zurück.

Meine Lieder - Sonnenblicke! -
Sinkt in des Vergessens Nacht,
Wenn ihr nur in einem Herzen,
Nur in einem Blick gelacht! -
(S. 269)
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Das rechte Wort

Manche alte Sagen künden
Uns von alter, hoher Pracht,
Die, seit langer Zeit verzaubert,
Still versank in stummer Nacht.

Die verwünschten Geister zeigen
Oft sich an dem öden Ort,
Trauernd, weinend, händeringend,
Harrend auf das rechte Wort:

Auf das Zauberwort, das mächtig
Allen bösen Trug verscheucht,
Daß die alte Pracht und Größe
Aus zerfallnen Trümmern steigt.

Solche wunderbare Sagen
Hört' ich einst mit gläub'gem Sinn
In der Kindheit frühen Tagen
Aus dem Mund der Wärterin.

Bin seitdem herangewachsen,
Und vergaß die Mährchenwelt,
Die mein junges, heitres Leben
Einst mit Zauberglanz erhellt.

Und in froher Hast erbaut' ich
Mir das goldne Haus des Glücks;
Sicher schien es kühn zu trotzen
Allen Blitzen des Geschicks.

Aber bald in starre Trümmer
Sank der stolze, goldne Bau -
Meines Lebens Blüthen welkten,
Stürme wehten kalt und rauh.

Auf mein Leben warf die Trauer
Ihren eis'gen Zauberbann,
Und verwandelt und erstorben
Sah die weite Welt mich an.

Da gedacht' ich früh'rer Zeiten
Und im Herzen fühlt' ich klar,
Wie in jenen alten Sagen
Doch nicht Alles Täuschung war.

Und mit eingefallnen Wangen
Schlich ich trauernd, nassen Blicks,
Auf das Wort der Lösung harrend,
Um die Trümmer meines Glücks.

Leute gingen wohl vorüber,
Fragten viel und mancherlei:
Immer fühlt' ich, wie das Alles
Doch das rechte Wort nicht sei.

Immer blieb ich einsam wieder
Ohne Trost in meinem Leid -
Ach! da sang ich trübe Lieder
Von verlorner Seligkeit. -

Und ein Mädchen kam des Weges,
Blieb, dem Liede lauschend, stehn,
War, in süßem Mittgefühle
Hold erröthend, doppelt schön.

Langsam, zögernd trat sie näher,
Und in ihres Auges Blick
Stand ich stumm, durchglüht, durchschauert
Wie von altem - jungen Glück.

Schnell, in einer Flamme glühend,
Fand das Herz zum Herzen sich;
Ihre Blicke, ihre Lippen
Sprachen bald: Ich liebe dich!

Da - da fühlt' ich, wie sich lös'te
Lind des Zaubers starrer Bann,
Wie ein neues warmes Leben
Durch der Schöpfung Pulse rann.

Und ich trank entzückt nach bangen
Wintertagen Frühlingsluft;
Bäche sprangen, Vögel sangen,
Blumen hauchten süßen Duft.

Neue, heitre Lieder schlugen,
Wie ein duft'ger Blüthenflor,
Ihre hellen Blumenaugen
Zu dem goldnen Licht empor.

O so tönt in frohen Weisen,
Junge Lieder, fort und fort,
Sie zu feiern, sie zu preisen,
Die es sprach, - das rechte Wort!
(S. 270-273)
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Nachklang

Auch ich sah jenes holde Wunderland
Im sel'gen Traume meinem Blick erschlossen,
Worauf des Himmels höchster Glanz ergossen,
Das ewig prangt in frischem Lenzgewand.

Vergessend ganz der Erde niedren Tand,
Hab' ich die höchsten Freuden dort genossen,
Doch bald war jenes holde Bild zerflossen,
Die süße Täuschung meiner Sinne schwand.

O nahe dich auf leichten Aetherschwingen,
Du holder Traum, der mir zu schnell entschwunden,
Noch einmal mir! - Umsonst! Nie kehrt er wieder-

Und selten nur in stillen Weihestunden
Hör' ich es zu mir herüber klingen
Aus jenem Reich der Liebe und der Lieder.
(S. 276)
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Aus: Gedichte von E. Ferrand [Eduard Schulz]
Berlin im Verlage der Stuhr'schen Buchhandlung 1834


 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Ferrand



 

 


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