Elegien 
      
      
      4.
      
      
      Höre mich an! Still weil' ich im frostigen Hauch des Oktobers,
      Liebchen, vor deinem Gemach; öffne mir freundlich das Haus!
      Liebchen, o hörst du mich nicht? Umsonst, schon liegst du entschlummert,
      Und ein gaukelnder Traum küsset dir friedlich die Stirn.
      O der glückliche Traum! Er darf dich sicher umflattern,
      Und die entfesselte Brust gönnt ihm das lüsterne Spiel;
      Dankbar schenkt er dafür dir die zartesten seiner Gebilde.
      Ich auch, wenn mir ein Gott lächelte, nahe dir jetzt.
      Schmeichelnd sprichst du es aus, was so oft auf der Wange die Schaam mir
      Kündete, was in der Brust schüchtern die Schaam mir verschwieg.
      Aber entflieh, zu reizender Wahn! schweig, täuschende Hoffnung!
      Zeigte sie gestern nicht noch, daß sie mich nimmer geliebt?
      Leise betrat und leicht sie des Gartens falbe Gebüsche,
      Nahete still, und es schlug laut mir im Busen das Herz;
      Ach, da stahl sich ein Andrer hinzu, und, wehe, sie grüßt' ihn
      Freundlich und schmiegte sich schnell an den gebotenen Arm.
      Einig wallten sie nun, versenkt in leises Geflüster;
      Doch mir kochte die Brust heißer im siedenden Zorn.
      Ha, ich sah es zu gut, Verrätherin, wie er die Hand dir
      Drückt' und den kosenden Mund traulich zum Ohre dir bog.
      Geh nur, ich liebe dich nicht, ich glaub', ich liebte dich nimmer;
      Stets noch fand ich dich falsch, wenn du am zärtlichsten schienst,
      Mich nur wolltest du fesseln und nicht dich selber, nur Herrschsucht
      Leitete dich, des Gefühls spottete listig die Kunst.
      Hätte dich weniger doch die Natur holdselig gebildet,
      Hätte sie minderen Reiz doch in den strahlenden Blick,
      Mindere Zaubergewalt in das schmeichelnde Wort der Bethörung,
      Mindere Grazie doch dir in die Seele gelegt!
 Oeffne die Thüre mir nur, schnell ist dir Alles verziehen;
      Sündigen darfst du so oft, als du zu küssen vermagst.
      (S. 10-11)
      _____
      
      
      
      5.
      
      
      Liebchen, du schwebst jetzt fröhlich dahin im glänzenden Saale,
      Leicht im flüchtigen Tanz regst du den zierlichen Leib,
      Höheres Roth durchrieselt die Wang', und es hebt der Begeistrung
      Ueppiger Rausch hochauf wogend die glühende Brust.
      Doch dein Freund, fern trauert er jetzt im stillen Gemache,
      Wild um den brütenden Geist tobt ihm der Sorgen Gewühl.
      Ach, wohl denkst du nicht mehr des Liebenden, welcher von dir nur
      Lernte die Lust, von dir, Einziggeliebte, den Schmerz;
      Längst wohl schwand im bethörenden Rausch des frohen Getümmels
      Sein hindämmerndes Bild ganz aus der Seele dir fort.
      Amor spannet so gern im Tanz die verstohlenen Netze,
      Reichliche Beute belohnt immer den listigen Gott.
      Lieblich bist du, wie nimmer ein anderes Mädchen der Erde,
      Wer dir nahete, bleibt gern in der Fessel zurück;
      Doch du bist flüchtig und leicht, wie die hüpfende Woge des Meeres,
      Neues allein nur reizt immer den gaukelnden Sinn;
      Wie mit Bällen das Kind, so spielst du mit Herzen, gelobst gern
      Jeglichem, doch kein Gott, wähnst du, bestrafe den Trug.
      Oft schon nannt' ich dich falsch, und auf ewig wollt' ich dich meiden,
      Aber die zögernde Flucht brachte mir neue Gefahr:
      Eifersüchtig schaltest du mich mit Lachen und thöricht,
      Und ein glühender Kuß machte von Sünden dich rein.
      Ach, jetzt windet ein Anderer wohl, aufwallend in Sehnsucht,
      Rings um den zierlichen Leib leise den zitternden Arm,
      Lispelt mit kosendem Flüstern im Sturm des wogenden Tanzes
      Manches verstohlene Wort liebeverlangend dir zu.
      Hör' ihn nicht, er betrügt dich nur, falsch ist der Verräther;
      Ach, sein flatternder Sinn gleichet dem deinen, entflieh!
      Reicht er nicht jetzt dir die Hand? O hinweg mit ihr, sie ist giftig,
      Und Basiliskengewalt wohnt ihm im schmeichelnden Blick.
      O, verhüllte dich doch ein undurchdringlicher Schleier,
      Könnte nur ich allein sicher die Reizende sehn,
      Wär' es doch mir allein nur vergönnt, an der Brust dir zu ruhen,
      Dürfte nur ich allein küssen den rosigen Mund!
      Aber ich selber erschuf mir die quälende Sorg' in dem Herzen,
      Und mein eignes Vergehn raubte mir heute die Ruh.
      Wehe, warum auch zürnet' ich gleich, als den ersten der Tänze
      Du mir geweigert, warum schwur ich zu meiden das Fest?
      Trage nun selbst, o Thor, des eisernen Sinnes Bestrafung!
      Wenn sie dich morgen nicht küßt, denke du hast es verdient!
      (S. 12-13)
      _____
      
      
      
      6.
      
      
      Liebchen, wie hast du geruht nach der Lust des rauschenden Tanzes?
      Ist dir das Köpfchen nicht noch schwer von dem wüsten Gelärm?
      Tobte nicht lang' in der Nacht der Musik nachtönender Aufruhr
      Disharmonisch und wild rings dir um's hüpfende Bett?
      Oder belastete nicht dir die Brust, als quälender Rachgeist,
      Welcher die Schwärmer der Nacht ängstet, ein feindlicher Alp?
      Aber verzeih, holdseliges Weib, dem tückischen Spötter!
      Gern an fremdem Genuß rächt man den eigenen Schmerz.
      Nein, ein reizender Traum umgaukelte sicher die Stirn dir;
      Führt' in ein Feengefild deinen entfesselten Geist,
      Kränzte dein Haupt mit den Blüthen des Mais und wiegte behende
      Auf hellblauem Gewölk über die Erde dich hin.
      Früh schon sitzest du dort mir gegenüber am Fenster;
      Zwar ist schmachtend dein Blick, aber doch heiter  und mild,
      Sinnend lehnst auf die zierliche Hand du das lockige Köpfchen;
      Zählst du, Schelmin, vielleicht deine Gefangenen nach,
      Die du beim fröhlichen Fest mit dem siegenden Zauber der Blicke
      Und mit des Geistes Gewalt dir in die Netze gescheucht?
      Ach, ich war dir ein Thor, dem frevelnden Wahne zu folgen,
      Welcher die Ruhe der Nacht, welcher die Träume mir nahm.
      Untreu wähnet' ich dich, und ich zürnt' aufgrollend dem Herzen,
      Daß es aus deiner Gewalt nimmer zu fliehen vermag.
      Unglückseliger, konntest du so dem eigenen Glücke
      Gram seyn? konntest du so wünschen den eigenen Tod?
      Stets war grauendes Dunkel der Freund tiefbrütenden Trübsinns,
      Auf dem Gewölke der Nacht wiegte die Trauer sich stets;
      Doch der erglühende Tag verbannt die verhaßte zum Orkus,
      Und Aurorens Gespann leitet ein fröhlicher Geist.
      Doch nicht blos die Natur, auch du gebietest der Dämmrung,
      Und ätherisches Licht folget dir, Zauberin, gern.
      Bin ich dir fern, ist schwarz mir die Sonn' und dunkel der Erdkreis,
      Doch dein lächelnder Blick füllet mit Strahlen die Nacht.
      Aber du winkst mir, du lächelst mir zu, schnell flieg' ich hinüber;
      Küssest du heute mich nicht, Frevlerin, nimm dich in Acht!
      Kennst du den magischen Quell, der einst Rinaldo verwandelt,
      Als Angelika ihm folgte mit sehnendem Blick!
      Immer noch rieselt der Quell, und stets noch währt die Bezaubrung;
      Reize nicht Amors Zorn! fürchterlich rächt sich der Gott.
      (S. 14-15)
      _____
      
      
      
      7.
      
      
      Hast du noch nimmer geliebt, so geh und liebe noch heute!
      Unempfunden entflieht sonst dir das reizendste Glück.
      Ach, sie hat mich geküßt! in rosenfarbenem Glanze,
      Rasch von den Horen beschwingt, schwimmet mir heute die Welt.
      Knieend lag ich vor ihr und zitterte leise vor Sehnsucht,
      Weniges flehte der Mund, vieles der schmachtende Blick,
      Zagen beklemmte mein Herz, und die Hoffnung kämpfte gewaltsam
      Gegen die Furcht, und es hob rasch sich die klopfende Brust.
      Aber dem Auge der Holden entfunkelte süße Gewährung:
      Siehe, das reizende Weib beugte sich schüchtern herab,
      Schlang um den Glücklichen leise den kettenden Arm, und mit Lächeln
      Hob sie, wie folgt' ich so gern, sanft an die Brust mich empor.
      Nimm, du hast es verdient, so sprach sie mit süßem  Gelispel,
      Und ihr rosiger Mund nahte dem meinigen sich,
      Glühend weht' um die Lippen der Hauch, und ein brennender Kuß sank
      Langsam, gleich des Accords Schwinden, in's Herz mir hinab.
      Ach, wie bebt' ich vor Lust und schauderte, wähnte zu sterben,
      Und doch hatt' ich noch nie reiner und schöner gelebt.
      Seliger Rausch! O möcht' ich doch einst so scheiden, in solchem
      Taumel! ich kaufte den Tod gern für die Schätze der Welt.
      Lang noch wünscht' ich zu leben mir dann, daß lange die Hoffnung
      Mit dem beglückenden Ziel winkte dem sehnenden Geist;
      Und dann sänk' ich dahin, von deinen Armen umschlungen,
      Und im glühenden Kuß schwebte die Seele dahin;
      Kein Elysium fordert' ich dann, und bange vermied' ich
      Lethe's dunkele Fluth, gleich dem betäubenden Gift;
      Sinnend lehnt' ich mich hin auf rosige Wolken und dächte
      Ewigkeiten hindurch an das genossene Glück,
      Fühlte den seligen Kuß noch Ewigkeiten und tauschte
      Für des Olympiers Thron selbst die Erinnerung nicht.
      Hast du noch nimmer geliebt, so geh und liebe noch heute!
      Unempfunden entflieht sonst dir das reizendste Glück.
      (S. 16-17)
      _____
      
      
      
      8.
      
      
      Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
      In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
      Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
      Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
      Nein, du reizendes Kind, du flüchtiges, welches die Götter
      Mit ätherischem Band lieblich und lose verknüpft!
      Komm, du romantischer Knabe, der Abenteuer Beschützer,
      Zarten Geflüsters Freund, Freund der verschwiegenen Lust,
      Der du keusch und üppig zugleich und flüchtig und treu bist,
      Feind der Fesseln und doch immer in Fesseln geschmiegt,
      Du, der Schmerz und Freude gewährt, doch nimmer in Trübsinn
      Unsere Schmerzen und nie wandelt in Ekel die Lust!
      Komm vom Himmel herab, und bring mir die reizenden Mädchen,
 Welche dich immer umblühn, bring mir die Grazien mit!
      Sieh, schon nahte die Stunde, worin dein Schwesterchen ehmals
      Unserem Lichte zuerst heiter entgegengelacht.
      Damals war dir der Tag ein Fest, siegkündende Lieder
      Wehten den frühesten Schlaf auf die Geborene hin,
      Schalkheit hauchte dein Kuß ihr in's Herz, fantastischen Leichtsinn,
      Tändelnden Witz und der stets wechselnden Laune Begier.
      Doch was du muthwillig ihr gabst, das schmückte die Charis,
      Und um's Dornengebüsch webte sie Rosen umher.
      Feire den Tag auch jetzt; denn sie ward nun größer und holder,
      In der Gestalt und im Geist gleicht sie, du Schelmischer, dir.
      Schweb' um's seidene Bett mit der lieblichen Schaar; noch ruht sie,
      Sanft um den rosigen Mund weht das Gelispel des Schlafs.
      Wehre mit schützender Schwinge den bösen Träumen, den Unglück
      Kündenden, welche den Schoos füllen der  brütenden Nacht;
      Laß nur die freundlichen leise sich nahn, die Kinder Auroras,
      Daß sie mit rosigem Tanz schmücken das stille Gemach!
      Mal' auf die Flügel des gaukelnden Schwarms kunstvoll das Verlangen,
      Welches der Reizenden Blick rings in den Herzen erregt!
      Malet, ihr Huldgöttinnen, der unausprechlichen Anmuth
      Zaubergewalt und den Scherz, welcher sie ewig umbuhlt,
      Daß sie sich selber erblick' in des Traums irrsamer Gestaltung!
      Ach, kein schöneres Bild zeigt ihr der süßeste Traum!
      Lächeln wird sie im Schlaf, ihr Glücklichen! Fülle den Köcher,
      Amor, damit! O ahmt, Grazien, ahmet es nach!
      Regt sie dann sanft zum Erwachen die reizenden Glieder, so haucht rings
      Süße Gedüft' umher, füllet mit goldenem Glanz,
      Füllt mit Harfengelispel das freundliche Zimmer und schwindet,
      Daß sie im Scheiden euch noch sehe, zum Himmel zurück!
      (S. 18-19)
      _____
      
      
      
      9.
      
      
      Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
      Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
      Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
      Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
      Dichten vereint Spottliederchen oft auf den kindischen Amor,
      Necken mit stechendem Dorn sicher den trotzigen Gott;
      Und doch lieg' ich so oft zu deinen Füßen und flüstre,
      Was mich das Herz allein, was nur die Liebe mich lehrt,
      Und du beugst dich herab, und ein glühender Kuß, der des Leichtsinns
      Lüge bestraft und des Spotts Dornen, beglücket den Freund.
      Froh dann scheid' ich von dir und schwelg' in süßer Erinnrung,
      Wähn' ein ewiges Band kette mein flüchtiges Herz;
      Doch kaum flieht der Moment, so umstrickt arglistig den Frevler,
 Welcher die Fessel so gern duldet ein anderes Netz,
      Ach, und jeglichen Schwur, den ich dir that, tilgt die Bezaubrung,
      Gleich dem Gewölk, das rasch gaukelnde Winde zerstreun.
      Doch noch nimmer vergaß ich dich selbst, und, bin ich auch treulos,
      Nur dein eigener Reiz trage des Irrenden Schuld.
      Ach, du fesseltest mich mit ewigen Banden der Sehnsucht,
      Jegliches holde Gesicht zeigt dem Getäuschten dein Bild!
      Doch kaum bin ich dir wieder genaht, so beugt mich gewaltsam
      Dein allmächtiger Blick wieder in's vorige Joch.
      Wahrlich, dir schenkte Cythere gewiß den magischen Gürtel,
      Welchen mit Zaubergeflecht webte der Grazien Hand.
      Was du auch thust, du thust es mit Reiz, und heimliche Anmuth
      Schwebt im Blick dir und schwebt rings um die ganze Gestalt.
      Kehr' ich dir wieder zurück, ja dann gesteh' ich dir Alles,
      Preise die Schönen sogar, welche mich gestern besiegt;
      Und, bei Gott, kaum trau' ich mir selbst, du hörst es geduldig,
      Stimmst in's schmeichelnde Lob gern und gefällig mit ein,
      Lobst den beweglichen Geist, der nur die Genüsse des Lebens
      Leis' umschwebt und den Schmerz unter die Winde verstreut,
      Neckst nur zuweilen mit stechendem Scherz den Armen, der Dornen
      Statt der Rosen empfing, die er zu pflücken gehofft;
      Schalkhaft zeigst du ein Briefchen mir dann, das du eben empfangen,
      Aber die Unterschrift deckst du mit sorglicher Hand,
      Rühmst mir die Blume, die jüngst ein Unbekannter dir sandte,
      Sprichst: schön ist das Geschenk, sollt' es der Geber nicht seyn?
      Faßt mich dann plötzlicher Zorn, so ergreifst du die nahe Guitarre,
      Uebertäubest mein Wort rasch mit der Saiten Getön,
      Singst mir des Mißtrauns Qual mit komischem Pathos, und wahrlich,
      Endlich muß ich noch selbst wieder mich flehend dir nahn.
      Wahrlich uns gaben die Götter den Sinn der ewigen Kindheit,
      Lang ist immer die Lust, kurz uns der flüchtige Schmerz;
      Oder es wurde schon jetzt der Olympischen Götter Geschick uns,
      Welches die Leidenschaft würzet, doch nimmer vergällt.
      (S. 20-21)
      _____
      
      
      
      10.
      
      
      Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
      Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
      O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
      Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
      Also sprachst du zu mir, und ich zürnt' und sagte: Du liebst mich,
      Und doch scheust du den Spott, welcher nur Schuldige kränkt,
      Gönnst die Freude mir nicht, der Grazie Dichter zu heißen,
      Nicht das verstohlene Glück, rings mich beneidet zu sehn?
      Feindlich wandt' ich mich ab und schwieg. Du senktest das Köpfchen,
      Doch bald hobst du den Blick schüchtern von neuem empor,
      Regtest den rosigen Mund und wolltest reden, doch plötzlich
      Floß dir ein höheres Roth über die Wange - du schwiegst.
      Rasch nun ging ich hinweg, und zürnen wollt' ich, doch immer
      Traf mich der eigene Pfeil, immer nur zürnt' ich mir selbst.
      Sieh, da erhellte den düsteren Geist ein plötzlicher Lichtglanz,
      Und ich erkannte des Worts süßen, verborgenen Sinn.
      Ha, du reizendes Weib, wie fühlst du den Zauber der Liebe
      Und ihr inneres Glück tiefer und zarter als ich!
      Nur in der Dämmerung weht der Viol' erquickender Aushauch,
      Und im dunkelsten Hain singet die Nachtigall nur:
      So auch meidet die Liebe das Licht, im mondlichen Glanz nur
      Und im Gesäusel des Hains blüht sie verstohlen empor.
      Wohnt doch Idalia selbst in verschwiegenem Schatten, und deckt doch
      Amorn, wenn er entschlief, immer ein Rosengebüsch.
      Richtig erscheint mir ein Kuß und geschmacklos, wenn du im Kreise
      Spähender Augen mir ihn giebst, im Getändel des Spiels;
      Doch wenn ein heimlicher Druck ihn versüßt, wenn  höher die Lippen,
      Eng an die meinen gepreßt, schwellen, dann bin ich ein Gott.
      O verzeih mir den thörichten Wahn, o strafe mich! schuldig
      Steh' ich vor dir, doch sey streng und gelinde zugleich!
      Banne mich fort aus deinem Gesicht zwölf traurige Monden!
      Groß zwar wäre der Schmerz, aber ich duldet' ihn doch;
      Nur laß deinen Namen mich nie, für solch ein Vergehen
      Wäre die Strafe zu hart, nennen der spähenden Welt!
      (S. 22-23)
      _____
      
      
      
      11.
      
      
      Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
      Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
      Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
      Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
      Flüsterndes Laub wölbt schattig den Dom, zum duftenden Altar
      Schwellet der Rasen, es haucht säuselnde Hymnen der West.
      Priesterin bist du selbst der rosigen Freude, für mich nur
      Sey, o höre mein Flehn, Priesterin zarterer Gluth!
      Könnt' ich mit dir allein, du Reizende, könnt ich dies Fest doch
      Feiern, ohne daß schlau lauscht' in der Ferne der Neid!
      Ach, mit schneidendem Schwert trennt Glück und Liebe der Volkswahn,
      Grämliche Sitte verbeut manche romantische Lust.
      Aber nur Muth! Schon ist alles bereit: der tappende Plutus
 Feßle, mit goldener Hand winkend, die Männer an's Spiel,
      Und fest banne den weiblichen Kreis die Betrügerin Fama,
      Neue Gerüchte genug sammelt' ich heute für sie.
      Manches stille Gebüsch hegt rings des verschwiegenen Hains Nacht,
      Manches heimliche Thal lockt zum verstohlenen Kuß,
      Quellen rieseln umher, und weich ist der Rasen, der Westhauch
      Plaudert das süße Gespräch tändelnder Liebe nicht aus.
      Schmückt mit dichterer Dämmerung euch, ihr schattigen Haine!
      Nur in der Dämmerung Schoos blühet die Rose des Glücks,
      Ueppiger duftet, ihr Blumen, empor! vom Fittig des Dufthauchs
      Träuft ein weicherer Sinn in das geöffnete Herz.
      Komm zum Fest! bald nahet der Trennung Stunde, zurück bringt
      Nimmer die Ewigkeit dir, was die Minute geraubt.
      (S. 24-25)
      _____
      
      
      
      12.
      
      
      Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
      Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
      Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
      Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
      Bräutlich entschlüpfte mit zagendem Fuß dem Himmel die Dämmrung,
      Ihren frühesten Kuß feierte lispelnd der Hain.
      Siehe, da wandelten wir durch des Thalgrunds buschichte Krümmung,
      Unter dem säuselnden Dach dunkeler Buchen dahin,
      Um den entragenden Fels wand aufwärtsstrebend der Pfad sich,
      Und wild rauschte der Bach durch das zerrißne Gestein.
      Ach, wir wagten es kaum uns anzublicken, denn Mißgunst
      Schlich sich und Eifersucht hinter uns leise daher.
      Lauernde Hyder, du wähnst, es sinke, von deines Mundes
      Giftigem Hauche berührt, welkend die Liebe dahin?
      Aber es ist umsonst der Triumph, hoch flattert der Phönix
      Ueber der Asche, der Schmerz nähret die Liebe wie Thau.
      Blumen pflückte die Reizende sich, der dürftigen Felshöhn
      Einfach blühenden Schmuck, suchte die Blüthe des Klees,
      Brach Stiefmütterchen sich, und, des unscheinbaren Geschenks froh,
      Schmückte sie Busen und Haar, ach, mit dem glücklichen Raub.
      Siehe, da kränzten die Quelle Vergißmeinnicht, und behende
      Stieg ich hinab und brach froh das bedeutende Blau.
      Wirf, so sprach ich mit flüsterndem Laut und nahte behutsam,
      Wirf die Blumen hinweg! schönere blühten für dich,
      Schönere blühten für mich; o nimm sie! kennst du sie, Freundin?
      Holde, vergiß mein nicht! laß sie am Herzen dir blühn!
      Und sie nahte mit dankendem Blick und winkte Gewährung,
      Drauf, abweichend vom Pfad, nahte dem Haine sie  sich,
      Daß unmerklich ein Zweig von der Brust abstreifte den Feldstraus,
      Und den zertretenen Schmuck klagte die Heuchlerin jetzt.
      Mit nachlässiger Hand nun barg mein zartes Geschenk sie,
      Doch mit bedeutendem Wink, an der erbebenden Brust;
      Und stolz thronte der Straus und blühete üppiger, doch bald
      Sanken, von heimlicher Gluth welkend, die Blätter dahin.
      Fort nun wandelten wir in dem Graun des kühleren Nachthauchs,
      Und mir stärkten des Hains dichtere Schatten den Muth.
      Gieb, so flüstert' ich jetzt, o gieb ein einziges Blümchen
      Nur, und die Bitte, die ich flehete, gieb sie zurück!
      Ach, nie flieht die Erinnerung mich des seligen Abends,
      Doch viel schöner noch ist's, hab' ich ein bindendes Pfand.
      Sieh, schon welkten die Blumen dahin, so hört ich es lispeln,
      Und der Erinnerung frommt nimmer ein welkes  Geschenk;
      Schönere pflück' ich und frische dir einst; stets blühet der Kranz dann,
      Wenn mitleidig ein Gott heimliche Wünsche gewährt.
      Also sprach sie und nahete leis' und drückte mit Beben
      Sanft die gebotene Hand an die erglühende Brust.
      (S. 26-27)
      _____
      
      
      
      13.
      
      
      Feindlich schaust du und finster hinweg, muthwilliges Liebchen,
      Plötzlicher Unmuth thront auf der gerunzelten Stirn,
      Jeglichen heiteren Gott verscheucht aus dem Auge des Zorns Blitz,
      Und unfreundliches Roth färbet die Wange dir jetzt.
      Was ich auch rede, du hörest es nicht, und red' ich auch Schönes,
      Kein süßlohnender Blick lehret mich, daß ich gefiel.
      Ha, so hab' ich dich nimmer gesehn; doch zürne nur, Neuheit
      Nährt die Liebe, zu lang dauert ein ewiger Lenz.
      Tauscht doch oft mit den Waffen des Mars Cytherea den Gürtel,
      Und in Panzer und Helm schleppt sich ihr Knabe daher.
      Reizend kleidet der Trotz die Reizende; bist du auch stets mir
      Nicht zu gefallen bemüht, immer gefällst du mir mehr.
      Grazie, wind' um die düstere Stirn die Trauercypresse,
      Flicht mit tändelnder Hand duftende Rosen in's  Haar;
      Lächle mich an mit dem schmachtenden Blick hingebender Sehnsucht,
      Scheuche den Kühneren rasch fort mit der Flamme des Zorns:
      Stets doch knie' ich vor deinem Altar, und jede Verwandlung
      Scheint mir die holdere, stets sah ich dich nimmer so schön.
      Küssen möcht' ich den reizenden Mund, der die Küsse mir abschlägt,
      Möcht' an der wogenden Brust ruhen, die zürnend sich hebt,
      Hangen an deinem Blick der sich abkehrt, feindlicher Gluth voll,
      Und festhalten die Hand, welche der Fessel sich sträubt.
      Also schmückte Clorinde sich einst zur tobenden Feldschlacht,
      Kühn nach der Palme des Siegs strebte das muthige Weib;
      Doch kaum fühlte sie Tancreds Blick, so kränzte sie, selbst sich
      Zürnend, mit Myrtengeflecht, meidend die Fehde, den Helm.
      Lockender ist die verbotene Frucht, und Tyndaris hätte,
 War sie dem Troer bestimmt, nimmer den Troer geliebt.
      Zürne nur fort, nie warst du mir reizender; wahrlich ich selbst will
      Zürnen, damit noch fern jede Vereinigung sey.
      (S. 28-29)
      _____
      
      
      
      14.
      
      
      Scheiden müssen wir schon - komm, gieb mir der düsteren Trennung
      Bitteren Kuß, und gieb tausend der Küsse mir noch!
      Einmal flüstre mir noch ein Wort voll Liebe, noch einmal
      Schlinge den glühenden Arm um den Verzagenden hin!
      Scheiden müssen wir schon, und ach, wie kettet mich stets doch
      Alles an dich, wie zieht jeglicher schüchterne Reiz,
      Was die Natur der Gestalt, was die Grazie deinem Gemüth gab,
      Was dem Geiste die Kunst weihte, mich wieder dahin!
      Jegliche Stunde des Glücks und der Hoffnung, jede der Sehnsucht,
      Jede des liebenden Grams nahet verklärter dem Geist.
      Fester umschlingt mit dem Zaubergeflecht mich stets die Erinnrung,
      Und dem weicheren Sinn zürnet der kalte Verstand.
      Ha, wild kämpft in dem Busen mir jetzt der gedoppelten Seelen
 Streit, und die schwächere siegt über die stärkere stets.
      Einmal kostet' ich nur von deinen Küssen, nur einmal
      Sank ich an deiner Brust üppige Wellen dahin;
      Ach, da wand der Bezauberung Macht mir ewige Fesseln,
      Und unendlichen Durst weckte das schmeichelnde Gift.
      Hätt' ich dich nimmer gesehn! dann tobte kein Sturm in der Brust mir,
      Und kein eiteler Wunsch zürnte dem harten Geschick;
      Friedlich schaut' ich zurück in die blühenden Thäler, und friedlich
      Blickt ich in's dämmernde Blau winkender Ferne dahin.
      Ach, du nahmst mir den heiteren Geist, des flüchtigen Wechsels
      Rasche Begierde, der Ruh sinnende Träume hinweg,
      Gabst für den rosigen Tag mir feindliches Dunkel und raubtest
      Selber der Hoffnung Strahl aus der chaotischen Nacht.
      Aber entfleuch, wahnsinniger Wunsch, unheiliger Frevel,
      Der des empfangenen Glücks selige Stunden
 vergißt!
      Vielfach blühet die Blume der Lust, süß ist der Erinnrung
      Gaukelndes Bild, und süß zarteren Herzen der Gram;
      Selbst in des Leids herbsprudelnden Kelch, in die Stunde der Trennung
      Mischte der Wehmuth Hauch schmerzlicher Wonne Genuß.
      Sprich, o welch ein Gefühl durchströmt uns, wenn wir verzagend,
      Fest umschlungen und heiß Lippen an Lippen gepreßt,
      Tief in die Brust einsaugen des Wehs unendliche Fülle,
      Thräne mit Thrän' und Hauch seufzend vermischen mit Hauch?
      Still dann schwimmt durch den schweigenden Gram wehmüthige Wollust,
      Und ein goldener Strahl dämmert ins finstere Herz;
      Sturm verwandelt in Ruhe sich dann, und starrender Trübsinn
      Löst im reichlichen Strom lindernder Thränen sich auf.
      Süß ist jeglicher Schmerz, wo die Brust kein tobender Aufruhr
      Füllt, der zart des Gefühls klagende Saiten berührt,
      Süß wie der Abenddämmerung Nahn, wenn friedlicher Westhauch
      Leise des stilleren Hains säuselnde Blätter umbuhlt.
      So, so fühl' ich mich jetzt; um den Kranz graunvoller Cypressen
      Spielt, o reizender Trug! spielet ein rosiger Glanz.
      Ist es der hoffende Wahn der erdumfangenen Psyche,
      Daß kein ewiger Schmerz liebende Seelen entfernt,
      Oder umwebt dein glühender Kuß, der Rausch der Umarmung
      Mit helldämmerndem Gold mild die Gewölke des Grams?
      Weine nicht so! o schaue zurück in die selige Zeit hin,
      Wo nur Thränen der Lust unsere Augen gekannt;
      Denk' an die heimlichen Stunden des Glücks, an des schaurigen Harzwalds
      Dämmernde Thäler, so oft Zeugen des süßen Gesprächs;
      Denk' an den lüsternen Rausch des Erstlingskusses, und fernhin
      Fliehe der jetzige Gram vor der entschwundenen Lust!
      (S. 30-32)
      _____
      
      
      
      15.
      
      
      Liebchen, ich traue dir nicht, und wenn reizender noch dir die Aeuglein
      Blickten, die nur dein Geist lenket und nimmer dein Herz,
      Lächeltest du viel freundlicher auch, zwar ist es unmöglich,
      Und dein schmeichelndes Wort, wär' es auch doppelt so süß.
      Oft schon riefst du zurück den Entfliehenden, reuig gehorcht' er,
      Und schnell, wenn du gebotst, linderte Zorn sich und Schmerz;
      Dein nur war der Triumph und mein schuldlose Bestrafung,
      Und ich büßte, wo du, flüchtiges Wesen, gefehlt.
      Doch bald panzerte wieder mit tödtlichem Frost sich die Brust dir:
      Schmeichler schaltest du den, der dir geöffnet das Herz,
      Zürntest dem kühneren Freund und verlachtest stolz den Verzagten;
      Nur wer muthig entfloh, zwang dich mit eigener List.
      So viel hüpfende Funken entsprühn dem lodernden Herd nicht,
      So viel Wellen umhegt nicht das unendliche Meer,
      Als feindselige Launen sich dir im Busen bekämpfen;
      Sklavin bist du dir selbst; Liebchen, erröthest du nicht?
      Nur wer fest die begonnene Bahn fortwandelt, beherrscht sich,
      Treue, wie Ketten von Gold, fesselt und schmückt sie zugleich.
      Wie? du lächelst mich an und spottest keck der Vermahnung?
      Siehe dich vor, fast schon wünsch' ich dein Schüler zu seyn.
      Winke mir nur, ich folge dir gern, und, bist du auch treulos,
      Ist uns die Wahrheit fern, immer doch reizet der Schein.
      Schmeichle mir nur und küsse mich oft; nie soll es mir weh thun,
      Daß nicht Liebe, daß nur Laune mich glücklicher macht!
      Rasch den Genuß des entfliehenden Jetzt fortraffen ist Weisheit,
      Und die Erinnrung bleibt immer ein dauerndes Gut.
      Doch wenn ich still hinsink' in den Rausch gluthvoller Umarmung,
      Wenn hochklopfend das Herz jegliche Fessel  zersprengt,
      Wenn dein ewiger Kuß auf dem Flug der gewaltigen Sehnsucht
      Hoch den erbebenden Geist hebt in den Himmel der Lust,
      Kann ich auch dann im bethörenden Wahn, o kann ich auch dann noch
      Rufen das frostige Wort: Liebchen, ich traue dir nicht!
      (S. 33-34)
      _____
      
      
      
      16.
      
      
      Fernher schallt durch die schweigende Nacht des rauschenden Tanzes
      Wilde Musik, und lind schaukelt die Töne der West
      Durch den umdämmerten Hain zu dem Sehnenden, gaukelnde Ahnung
      Flattert herbei, und süß hallt mir im Herzen der Klang.
      Laulicher Hauch, was säuselst du so? O sink' in der Blüthe
      Duftenden Kelch, und still schlummr' in der Liebenden Schoos!
      Schmiegt, ihr fröhlichen Sänger des Hains, in's wärmende Nest euch,
      Und euch wiege des Zweigs Beben in Träume der Lust!
      Ach, süß ist's an dem Busen zu ruhn der erröthenden Liebe,
      Süß, wenn das sehnende Herz heiß sich an's sehnende schließt,
      Wenn im erschütternden Taumel der Lust lauttobend die Brust klopft,
      Und in stillen Triumph schweigend die Seele versinkt.
      Komm durch die duftige Nacht, komm, Reizende, leicht wie des Mondlichts
      Zauberisch gaukelnder Tanz, still wie der sinkende Thau,
      Daß nicht neidische Blicke das Fest belauschen und frech dann
      Ihrer eigenen Schmach Fiebergebilde verstreun!
      Mißgunst sieht nur Küsse der Gluth, doch der Grazie Hauch, der
      Ueber uns waltet, erkennt nur der geweihete Sinn.
      Schleiche dich fort aus des Tanzes Gewühl; noch glühe die Brust, noch
      Strahle die Wange vom Rausch flüchtig entgleitender Lust!
      Kühl ist die schaurige Nacht, doch lodernd der Athem der Sehnsucht,
      Flamm' und Flamme verscheucht schützend den eisigen Hauch.
      Schmiege dich traulich mir an, und lisple Worte des Zartsinns,
      Welche die Grazie nicht, welche die Liebe nicht schmähn!
      Küsse mich still, doch wecke dein Kuß nicht frevelnden Aufruhr,
      Sanft in den Armen der Scham ruhe gebändigt die Lust!
      Also entschlummert der grimmige Leu, wenn der  himmlische Amor,
      Wenn ihm die Charis mit Mohn friedlich die Schläfe bekränzt.
      Hangen möcht' ich am Busen dir stets, in ewiger Sehnsucht
      Süß hinbangend und doch schwelgend in stetem Genuß,
      Möchte mit lauterem Sinne die Schuld ausgleichen durch Unschuld
      Und in düsterer Nacht ehren das züchtige Licht.
      Eros und Anteros, kommt, zartfühlende, kommt zu dem Altar,
      Welchen Uranias Hand freundlich mit Lilien schmückt!
      (S. 35-36)
      _____
      
      
      
      17.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Sieh, es erscheint der Liebe Gestirn, und freundliche Weste
      Wiegen mit duftigem Hauch leise das Dunkel einher.
      Hörst du den Nachtigallengesang? Komm, Liebchen, und schlüpfe
      Leise die Stiegen herab in des Erwartenden Arm!
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Ach, wohl seh' ich der Liebe Gestirn, wohl schmieget dein Wort sich
      Süß wie der Nachtigall Lied in die verlangende Brust:
      Doch mich bindet des Vaters Gebot und die Sorge der Mutter,
      Und in Träumen allein darfst du, Geliebter mir nahn.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Wie, du liebst und fürchtest zugleich? Du fühlest der Sehnsucht
 Schmeichelnden Hauch, und doch willst du entsagen der Lust?
      Lieb' ist ohne Gesetz; der irdisch geborenen Psyche
      Hat nicht Amor umsonst himmlische Flügel geschenkt.
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Furcht ist Schwester der Lieb', und Entsagung würzet das Glück erst,
      Heimliche Sehnsucht schweigt vor den Geboten der Scheu.
      Psyche flattert empor aus der Hand des Gottes, doch schmiegt sich
      Um den entfliehenden Fuß leise die Fessel der Schaam.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Siehe, die Gassen sind leer, und der Schlaf umstrickt die Gemächer,
      Kein schlauspähender Blick lauschet den Wandelnden nach;
      Sterne nur leuchten herab auf den Pfad, und die freundliche Nacht leiht
      Heimlicher Liebe zum Zelt mild den umhüllenden Flor.
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Doch still wacht in dem Busen der That nieschlummernder Rächer;
      Schweiget der Ruf, so schweigt nimmer das eigene Herz.
      Zart ist der Sitte Gefühl, wie das leichthinwelkende Sinnkraut,
      Jeglichem rauheren Hauch schließt es den züchtigen Schoos.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Glühend blühet die Jugend empor in unendlicher Sehnsucht;
      Soll kein freundlicher Thau kühlen den schmachtenden Halm?
      Wurde Gefühl dem Herzen allein, daß früher es welke,
      Wurde zu Kämpfen allein unserem Busen die Kraft?
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Glühn mag immer das klopfende Herz, die innere Reinheit
 Kühlet wie duftiger Thau leise die flammende Brust.
      Ist dir Genuß und Liebe denn Eins? Still bauet uns diese
      Friedliche Hütten, doch wild schmettert sie jener dahin.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Ach, kein tobend Gelüst durchflammt hochlodernd die Brust mir;
      Nur den gelindesten Druck deiner entfalteten Hand,
      Nur der Umarmung leisesten Traum und des seidnen Gewandes
      Wehn zu fühlen begehrt schüchtern das sehnende Herz.
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Vieles verspricht der bethörende Mund, doch Weniges hält er;
      Glühender Wahnsinn tilgt rasch den erzwungenen Schwur,
      Durch die Gewölke der Nacht schwingt hoch Verlangen die Fackel,
      Und ein vergifteter Hauch weilet im Säuseln des Wests.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Denkst du des Abends noch? Du wandeltest still durch die Dämmrung,
      Schüchtern folgt' ich von fern deiner geheiligten Spur,
      Nahete rascher mich dann, das Herz voll kühner Entschließung,
      Grüßte dich freundlich, und schnell starb mir im Munde das Wort.
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Ach, wohl denk' ich daran: Zurück oft schaut' ich und pflückte,
      Dein zu harren, mich selbst täuschend, mir Blumen zum Straus,
      Eilte dann schnell, wie du nahetest, fort als folgte der Tod mir,
      Und doch hüpfte mein Herz, da du mich endlich erreicht.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Schüchtern bot ich den Arm dir dar, und lieblich erröthend
 Reichtest du deine Hand leise dem Bittenden hin.
      Zitternde Gluth durchflammte mein Herz bei der süßen Berührung,
      Und kein höheres Ziel hatte mein feurigster Wunsch.
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Einsam wallten wir jetzt durch des Hains labyrinthische Dämmrung:
      Wenn dein Auge mich traf, senkte das meinige sich,
      Still dann lauscht' ich wieder empor, und du wandtest den Blick fort,
      Jeglicher suchte das Wort, Jeglicher scheute das Wort.
      
      
      Der Jüngling.
      
      
      Ach, da klopfte mein Herz voll unaussprechlicher Sehnsucht,
      Und ich zittert' herab, beugte die Kniee vor dir,
      Und du sankst an den Busen mir hin, noch ehe mein Flehn dich
      Mahnt', und ein glühender Kuß - - Holde, gedenkst du daran?
      
      
      
      Das Mädchen.
      
      
      Schmeichler,
      zauberisch schlüpft das liebliche Gift in die Brust mir,
      Und der Erinnerung Bild lockt mich mit mächtigem Reiz.
      Schweig, ich komme ja schon! Seyd treu, ihr Schatten des Nachtgrauns,
      Und du, raube mir nicht, was du dir selber ja raubst!
      (S. 37-40)
      _____
      
      
      
      18.
      
      
      O wie vereinet sich Scherz mit Ernst bei meiner Geliebten,
      Wie mit den Sitten der Welt tiefer romantischer Sinn!
      Jetzt erheitert mit fröhlichem Witz sie den glänzenden Zirkel,
      Und jetzt schwärmt sie mit mir über die Erde hinaus.
      Gleich dem Chamäleon wandelt ihr Geist sich in jegliche Form um,
      Und in jeglicher Form reizt und entzücket ihr Geist.
      Jüngst durchschwärmt' ich mit ihr Ariosto's göttliche Dichtung,
      Und wir entschwanden der Welt, irrten durch Wunder dahin,
      Fröhlich ergriff mich des bunten Gewirrs fantastischer Zauber,
      Und mit glühendem Blick rief ich im Taumel des Wahns:
      Liebchen, o blühete doch noch jetzt die begeisternde Zeit uns,
      Wo nur Mühe den Lohn, Liebe nur Liebe gewann,
      Wo sich im Wort nicht blos ausprägte des Herzens  Empfindung,
      Wo auch kräftig die That bürgte für's innre Gefühl!
      Ha, dann stürzt' ich für dich zum Kampf beim schmetternden Schlachtruf,
      Siegt' in jeglichem Kampf, holde Geliebte, für dich;
      Denn hoch weht', an den Speer mir geknüpft, muthwinkend die Farbe,
      Die du mir gabst, dein Blick schenkte mir eiserne Kraft.
      Ha, dann sträubt' ich mich nicht durch Libya's Wüste zu wandern,
      Tappte durch Klüfte, die nie Strahlen des Tages gesehn,
      Wollte durch's Meer, durch's stürmische Meer hinschwimmen, ein Blümchen
      Dir zu brechen, das fern schmückte den feindlichen Strand.
      Doch dann lohnt' auch selige Ruh' die beständige Treue,
      Und nicht bliebe der Lohn zärtlicher Minne mir aus:
      Friedlich wallten wir dann durch blühende Fluren und spannten,
      Wo es der Laune Gebot wollte, das schattige Zelt,
      Wohnten auf duftigen Wiesen, wo süß rings wärmerer Lufthauch
      Säuselt', und ewiges Blau schmückte den  himmlischen Dom;
      Lieder dichtet' ich dann voll Lieb' und schüchterner Sehnsucht,
      Schmelzend sänge des Hains Muse die Weisen dazu;
      Oft auch raubt' ich mit leiser Gewalt dir bebend ein Küßchen,
      Und du drohetest zwar, aber doch zürntest du nie.
      Doch das ist jetzt alles vorbei; mit eisernen Banden
      Hält uns die Welt, und der Wahn kürzte die Schwingen uns ab.
      Also rief ich entflammt. Sie lächelte: Wahrlich, in Manchas
      Luft nur, wähnet' ich sonst, könn' ein Ouixote gedeihn.
      Sprich, wie zeugte der kältere Nord und der ewigen Haiden
      Unfruchtbares Gefild solch ein romantisches Herz?
      Nun so kniee denn nieder, mein Amadis, wenn es dir Ernst ist,
      Daß ich zum Ritter dich mir weihe nach altem Gebrauch!
      Also rief sie mit scherzendem Ton. Ich sank ihr zu Füßen;
      Lächerlich schien mir das Spiel, aber bedeutend zugleich.
      Großes verlang' ich von dir, so sprach sie mit  ernsterer Stimme,
      Großes verlang' ich von dir, prüfe dich wacker, mein Freund!
      Nicht heischt Müh' und Gefahr mein Dienst, nicht blutige Kämpfe,
      Ehrsucht peinigte nie dieses zufriedene Herz,
      Keine beleidigte Fee verfolgt in mir die Rivalin,
      Nimmer, so viel ich erfuhr, fand mich ein Zauberer schön;
      Du nur bist mein einziger Feind, dich selber bekämpfe,
      Banne mit tapferem Muth siegend den flüchtigen Sinn,
      Banne des Mißtrauns Schlang' aus der Brust und der Eifersucht Lindwurm,
      Und zum ewigen Dienst gieb mir gefangen dein Herz!
      Also rief sie. Das große Gelübd' schon wollt' ich beginnen,
      Aber ein langer Kuß schloß mir behende den Mund.
      Listige, weißt du vielleicht, daß der Liebenden Schwüre nur Schaum sind?
      Sagt dir dein Inneres wohl: Selten ist Treue wie Gold?
      Jetzt entriß sie ein seidenes Band dem Kleide - noch glühte
       Schmeichelnd der wallenden Brust üppiges Feuer darauf -
      Küssend weihete sie's und schlang mit flüchtigen Fingern
      Um des enthülleten Arms zitternde Nerven es fest;
      Nimm dies, rief sie mir feierlich zu - holdseliges Lächeln
      Füllte den schwärmenden Blick, leise nur lauschte der Scherz
      Hinter der Rührung Thränen hervor - nimm dieses, und ewig
      Weihe dies magische Band meinen Geboten dein Herz!
      Oft schon hast du mir Treue gelobt, doch deine Gelübde
      Brachst du noch stets, und stets rächt' ich mich fröhlich dafür.
      Jetzt sey Sünd' und Strafe vorbei, ausdauernde Liebe
      Wohne bei dir, bei mir weiche die Rache der Huld!
      Also sprach sie und hob mich empor, und trunken enteilt' ich,
      Und erinnernd des Schwurs drohte sie lächelnd mir nach.
      Schlaue, wie kennst du die Schwächen so gut der bethörten Empfindung!
      Was mich besiegt und rührt hast du noch nimmer verfehlt.
      Doch dein Reich ist nur der Moment, und der taumelnde Rausch flieht
      Schnell den beweglichen Geist, wittert er kältere Luft.
      Fern zwar bin von dir sechs traurige Monden, doch standhaft
      Halt' ich das große Gelübd', brichst du nicht selbst es zuerst.
      Duldsam zeigten die Ritter sich stets, doch nimmer gefühllos;
      Bist du Angelica, schnell folg' ich dem Englischen Pair.
      (S. 41-44)
      _____
      
      
      
      19.
      
      
      Komm, nach Arkadien wollen wir ziehn, in's blühende Tempe,
      Sieh, schon dämmert der Tag; Liebchen, o gieb mir die Hand!
      Weit ist die Wandrung zwar, doch Liebende schützen die Götter
      Willig, im ganzen Olymp herrschet Idalia's Sohn.
      Aber begleitet uns auch der Flüchtige? Kannst du noch zweifeln?
      Bandest du ihn nicht jüngst, Grazie, da du im Hain
      Schlummernd auf duftigen Blüthen ihn sahst? Jetzt dient er dir ewig,
      Nach der Idalischen Flur sehnt er sich nimmer zurück.
      Ach, kein schmeichelndes Wort der Erzeugerin kann ihn hinwegziehn;
      Huldgöttinnen, umsonst locket ihr kosend den Freund.
      Gern wohl leiht er uns jetzt den Taubenwagen, und dienstbar
      Lenkt er, wohin du befiehlst, selber das leichte Gespann.
      Führ' uns nach Tempe jetzt, du Freundlicher! Siehe der Winter
 Nahete schon, und rauh schüttelt die Haine der Sturm,
      Längst schon sanken die Blumen dahin, Cythereens Geschmeide,
      Und mit den Blumen entfloh jeglicher heitere Gott.
      Frost erstarret das Herz, Frost ist der Liebe Verderben,
      Zephyrus Schwingen allein duldet das zärtliche Kind.
      Wärme nur hebt die Knospen der Flur, im lauen Gesäusel
      Schleichet die Sehnsucht sich leis' in's verlangende Herz.
      Wärme nur öffnet der Blüthe den Kelch, beim schmeichelnden Lenzhauch
      Schließt dem zarten Gefühl willig der Busen sich auf.
      Ach, mich verlangt in ein schöneres Land, wo ewiger Frühling
      Unter dem schattigen Dach flüsternder Blüthen verweilt!
      Komm, nach Arkadien wollen wir ziehn, in's blühende Tempe!
      Sieh, schon dämmert der Tag, Liebchen, o gieb mir die Hand!
      (S. 45-46)
      _____
      
      
      
      20.
      
      
      Heimliche Laube des Glücks, dichtgrünendes Blättergewebe,
      Welches den spähenden Blick hemmt und den Lauscher betrügt;
      Schweigendes Thal in dem sicheren Schoos hochragender Felshöhn,
      Das ein Elysium mir öffnete, selig und still;
      Rieselnde Bäche, von süßem Gesang umflötet, und du, ein
      Zeuge des friedlichen Spiels, weiches, elastisches Grün;
      Seyd mir gegrüßt, mit Thränen gegrüßt, und schenkt der Erinnrung
      Träume, wo ihr mir sonst wirkliche Freuden geschenkt!
      Ach, so sollt' ich euch einsam wiedererblicken und schweigend
      Wandeln im Hain, den sonst Liebesgelispel durchfloß?
      Fruchtlos sollt' ich den Arm ausstrecken in eitele Luft hin,
      Wo sonst wogend und warm an die erbebende Brust
      Mich die Geliebte mit schwärmendem Blick
 festdrückte, wo glühend,
      Halb errungen und halb willig ihr Kuß mich empfing?
      Ach, dort saß sie im duftenden Grün: rings spielt' um die Locken
      Ueppig der West und goß Blüthen auf Busen und Haar.
      Blumen, ihr küßtet die reizenden Knie der Geliebten und webtet
      Um das geschürzte Gewand einen ambrosischen Flor;
      Ach, wie pflückt' ich so oft euch still, wenn sie eben hinwegsah,
      Küßt' euch leis' und an's Herz drückt ich den lieblichen Raub,
      Zürnte den Bienen, die früher den Hauch der süßen Berührung
      Euch entstahlen, und rasch scheucht' ich die Lüsternen fort.
      Jeglicher West, der empor von der Brust ihr den gaukelnden Flor hob,
      Jeglicher Sylphe der Flur, der ihr den Nacken geküßt,
      Weckte mir still aufschleichenden Neid, doch konnt' ich nicht zürnen,
      Stets war, was sich ihr nur nahte, mir heilig und hehr.
      Wahrlich, es' ist ein erhabneres Glück als trunkne Betäubung,
      Und ein schönerer Sieg als des Genusses Triumph!
      Fern war jeglicher frevelnde Wunsch vom Himmel der Unschuld,
      Und die Erwartung nur füllte den Zirkel der Lust.
      Kehre zurück, o kehre zurück, du Reizende! sieh, dein
      Harret der Hain, und es harrt still das verödete Thal.
      Längst schon schwieg der gefiederten Schaar süßtönendes Brautlied;
      Amor nahet und flieht, an dich gekettet, mit dir.
      Trüb' ist der glänzende Spiegel des Quells; kein anderes Bild soll
      In ihm gaukeln, denn nie hascht' er ein schöneres Bild.
      Stolz nur hebet die Rose den Kelch und stolz die Narcisse,
      Denn nicht raubst du des Wests Küsse den Schmachtenden mehr.
      Kehre zurück in den harrenden Arm des Geliebten, begeisternd
      Tilge dein Kuß des Grams düstere Schatten hinweg!
      Sinke dahin in den Taumel der Gluth, schon klopfet mein Herz, schon
      Flammt mir der Blick, hochauf schäume, du  glühender Kelch!
      Brich, wildschlagendes Herz, im unendlichen Rausch der Betäubung!
      Um der Vernichtung Schlund webt sich ein duftender Kranz. -
      Wehe mir! - Schweig' unseliger Wunsch! - O wehe mir! frevelnd
      Scheucht' ich der Grazie Hauch aus der entweiheten Brust,
      Raubte die Perle des himmlischen Thaus aus der Rose der Sehnsucht,
      Schutzlos steht sie, und heiß trifft sie der sengende Strahl.
      Kehre zurück, daß ein milderer Sinn in den Busen mir kehre!
      Zagen und heilige Scheu folgen als Genien dir,
      Amor legte die Schwingen für dich und legte den Pfeil ab,
      In dein Auge gebannt, ward er zum zartesten Blick,
      Süß wie Harmonicaton und leicht wie gaukelnder Mondschein
      Schlüpft der ätherische Gott in das erzitternde Herz.
      Selbst dein Kuß, die erschütternde Lust gluthvoller Umarmung
      Hebt die Sinne hinauf in die entkörperte Welt;
 Wer dich erblickt, ihn fliehn des Gelüsts unholde Dämonen,
      Und sein heißester Wunsch fordert nur Blicke von dir.
      (S. 47-49)
      _____
      
      
      
      21.
      
      
      Tauche hervor aus dem dichten Gewölk, bleichschimmerndes Mondlicht,
      Leite des Liebenden Schritt durch die chaotische Nacht,
      Und ihr Blumen der himmlischen Flur, hülfreiche Gestirne,
      Sendet den traulichen Strahl auf den unendlichen Weg!
      Ueber die Weiten enteilt mit geflügeltem Fuße die Hoffnung,
      Aber Verlangen erneut stets den gewandelten Pfad.
      Still durch's dichte Gebüsch hin dräng' ich mich, suche des Harzwalds
      Oedesten Steig, und scheu beb' ich vor jeglichem West.
      Lieb' ist ein Blümchen der Flur, süßduftend im heiteren Maiglanz,
      Aber dem lindesten Hauch weicht es und fürchtet Verrath.
      Käm' auch ein Freund entgegen mir itzt, er würde zum Feind mir;
      Hebt sich die Sonne, so flieht jeglicher andere Schein.
      Süß ist traulicher Freunde Gespräch und süß die  Umarmung,
      Aber vergütet sie mir, was mir im Zögern entfloh?
      Kennt sie den Zauber der hoffenden Brust, wenn stets die Erwartung
      An dem entblüheten Glück keimende Knospen noch beut?
      Ruhiges Glück ist wahrlich ein Glück, doch Schmerz und Entsagung,
      Hoffnung, Sehnen und Lust flechten den bunteren Kranz.
      Ach, wohl harret sie meiner vielleicht, vom umdufteten Altan
      Schaut sie spähend hinaus in die entfaltete Nacht.
      Sehnsucht ziehet den magischen Kreis um die Reizende, pfeilschnell
      Flattern die Bilder herbei, welche die Zauberin ruft.
      Sieh, das erzitternde Blatt und der leicht hinschlüpfende Vogel,
      Was nur säuselt und rauscht, bringet ihr Kunde von mir.
      Jetzt im hüpfenden Strahl und im Schattengebild des Gesträuchs jetzt,
      Jetzt im alternden Stamm hofft und erkennt sie mich.
      Und sie enteilt mit klopfender Brust, ein lispelnder Gruß schon
      Schwellt ihr die Lippe, doch rasch schwindet der  eitele Traum,
      Zürnend entsagt sie dem täuschenden Wahn und schwört, dem Betrug nicht
      Ferner zu trauen, und doch täuscht sie der andre Moment.
      Oder es wand um die Harrende wohl nach langer Erwartung
      Leise der schüchterne Schlaf seinen ambrosischen Arm;
      Liebend rang er mit ihr, und mit säuselnden Fittigen buhlt' er
      Süß um die Wimpern und goß lauliche Düfte herab,
      Schlang um den Busen der Reizenden sich und flüsterte zart wie
      Wellengeriesel und West luftige Lieder ihr zu;
      Und sie erlag, wie die Blume den Schoos in der schweigenden Nacht 
      schließt;
      In sein Feengefild führt er die liebliche Braut.
      Sieh, er versammelt den gaukelnden Kreis fantastischer Träume,
      Um die Gebieterin her reihen die Fröhlichen sich:
      Diese bekränzen mit Rosen die Brust und wiegen sich freundlich
      Im labyrinthischen Kelch, leise wie Grillen der Flur;
      Jen' umflattern das Haupt und die Wang' auf den
      Schwingen des Westhauchs,
      Und im seidnen Gewand hascht sich ein lüsterner Schwarm.
      Jetzt, verschlungen zum magischen Reihn in friedlicher Zwietracht,
      Trennen und ordnen sie sich, wie es die Laune gebeut.
      Durch die erglänzende Luft webt jeglicher Tanz ein Gemäld' hin,
      Rasch, wie Gedanken und Licht, wechselt ein jeglicher Tanz.
      Ländliche Fluren des friedlichen Glücks und flötende Hirten,
      Heerden mit Glockengeläut, Grotten in traulicher Nacht,
      Lieb' um Lieb' und Küsse der Lust und Küsse der Sehnsucht,
      Gaukelnder Scherz und der zart dämmernde Thau des Gefühls,
      Alles erweckt vor dem schmachtenden Blick rings süße Verwirrung,
      Heimliche Sehnsucht gießt Alles ins ahnende Herz.
      Träum', ihr wart stets Liebenden hold, und süßes Vergessen
      Gebt ihr Klagenden gern, oder verbotenes Glück;
      Malt mein Bild ihr, malet den Flug unstäten  Verlangens,
      Bringet ihr Kund' und, ach, bringet ihr Küsse von mir,
      Daß sich im seligen Taumel die Brust hoch hebe, die Sehnsucht
      Auszuathmen, der Mund wölbe zum glühenden Kuß!
      Und wenn dann nicht eitele Luft nur die schwellenden Lippen
      Anhaucht, wecket sie auf, froh des erfülleten Traums!
      (S. 50-52)
      _____
      
      
      
      22.
      
      
      Einsam stieg ich empor auf des Harzwalds steilerem Bergpfad,
      Nahete dir mich schon, ewiger, alter Granit,
      Wo hochlodernd einst durch die Nacht vom felsigen Altar
      Hell ins ferne Gefild flammte das Opfer des Mais.
      Träumend schritt ich dahin, und es dämmerte leise der Vorzeit
      Riesengebild mit des Wahns Wundergestalten umher.
      Schaurig scholl, wie die Sagen entschwundener Zeit, das Gesäusel
      Flüsternder Tannen, und fern rauschte der Bach des Gesteins.
      Geier umflatterten Felsen und Wald lautkrächzend, und graunvoll
      Schwieg, um Thäler und Höhn starrend, das Haidegefild.
      Sieh, da nahetest du mit munterem Schritt aus des Waldes
      Heiliger Nacht, und ich stand staunend und schaute dich an.
      Hell umfloß dich das weiße Gewand, frisch grünte des Epheus
 Kranz um die Stirn, und es hielt Nelken die zierliche Hand.
      Ach, wohl wähnt' ich ein Wunder zu sehn aus des früheren Glaubens
      Zaubergebiet, denn nicht schienst du ein sterbliches Bild.
      Leuchtete nicht im Blick dir der Hoheit Ernst, und erschien nicht
      Geistig, um Wangen und Mund blühend, die Rose der Schaam?
      Lieh dein Nahn nicht Licht und Gesang der verödeten Waldflur?
      Blüheten nicht ringsum Blumen aus Haid' und Geklipp?
      Und doch ließest du hold mich nahn, und der zagenden Rede
      Standest du gern und gabst freundlich dem Worte das Wort.
      Denn noch hüllte der Unschuld Flor dir die täuschende Welt ein,
      Und nur Engel zu sehn wähnte der Engel in dir.
      Traulich entwandelten wir, und bald nun nahte dem Jagdschloß,
      Das im finsteren Hain glänzte, das kosende Paar.
      Kundig zeigtest du jetzt mir die einfach edlen Gemächer,
      Spartest Schöneres noch stets nach dem Schönen  mir auf.
      Ach, längst hatt' ich das Schönste gesehn; dein Auge nur sucht' ich,
      Wenn du mir Farb' und Glanz rühmtest und heiteren Reiz.
      Doch nicht zittertest du vor dem kühneren Blick, jungfräulich
      Standest du da; nie naht Züchtigen niedrer Verdacht.
      Huldigend beugte mein Herz sich dir, ich zagte der Hoheit
      Leuchtendem Strahl, und schnell rief ich das staunende Wort:
      Königin solltest du seyn, nicht still in des hohen Gebirges
      Oede verblühn, nicht fern prangen vom Preise der Welt!
      Lächelnd sahst du mich an und sprachst, aufhebend der Nelken
      Duftigen Strauß und sanft lüftend den zierlichen Kranz:
      Bin ich Königin nicht im Hain? Leicht schwinget den blühnden
      Scepter die Hand, und es schmückt grünend die Krone mein Haupt.
      O so theile mit mir dein Reich, Holdselige, rief ich,
      Und ich biete dir ganz, was mir die Muse verlieh!
      Zweifelnd wiegtest du leise das Haupt mit sinnigem Lächeln,
      Und um Blumen und Kranz tändelte zögernd die Hand;
      Nimm von der Freundschaft denn, so sprachst du, die Hälfte der Blumen;
      Aber des Dichters Stirn schmücke der völlige Kranz!
      (S. 53-54)
      _____
      
      
      
      23.
      
      
      Graunvoll saust durch den gellenden Forst hintobend der Sturmwind,
      Laut an Fenster und Dach schmettert des Regens Gewalt;
      Sieh, wie die Fichte sich tief hinbeugt, wie sie kämpfend emporstrebt,
      Horch, wie herab von den Höhn wild das Gewässer sich stürzt!
      Ueber den Harzwald wälzt, wie ein finsterer Geist, sich der Wolke
      Kämpfendes Spiel, und es wogt rings die beflügelte Nacht.
      Kalt ist's draußen und dunkel im Hain; doch es flammt mir im Zimmer
      Fröhlich die Gluth, und das Herz leuchtet im heiteren Glanz.
      Lieder der Schlacht heult draußen der Sturm; doch dem friedlichen Dichter
      Sendet des Liebchens Blick Lieder der Lieb' und der Lust.
      Würzt sie selbst doch das Mahl mir im stillen Gemach, und bekränzt sie
      Selbst doch freundlich mit Wein, wenn ich ihr winke, den Kelch,
      Nippt mit dem rosigen Mund, vorkostend den Trank, und erröthend
      Beut sie der Wang' und des Weins doppelte Gluthen mir dar.
      Mährchen erzählen wir uns, graunhafte Gedichte der Vorzeit,
      Wähnen die Nixe zu sehn, welche den Knaben geraubt,
      Hören, wie laut die verzauberte Jagd ins gellende Horn stößt,
      Und wie die Elf' im Hain singend den Schleier sich webt.
      Süß ist's, wenn aufdämmernd die Furcht wie ein Nebelgebild' uns
      Schweigend um Augen und Herz schleicht aus der Tiefe der Brust.
      Näher rücken wir dann auf dem traulichen Sitz, und die Hand sucht
      Schmeichelnd die Hand, und es klopft bebend am Herzen das Herz.
      Leise beruhiget bald mein kosendes Wort die Verzagte,
      Während im Busen mir selbst heimliches Grausen noch weilt.
      Ach, dann hebt sie das Auge so klar, und mein sehnender Geist sinkt
      Still in des seligen Blicks heilige Tiefen hinab.
      Kinder scheinen wir dann; doch es braust aufwachend der Jüngling
      Stürmischer oft, und es wehrt ernster das sittige Weib.
      Blume des öden Gebirgs, wie hat die Natur in den Kelch dir
      Jeglichen Reiz, den die Kunst nimmer ertheilte, gelegt!
      Du nur lehrtest zuerst mich die reinere Lust, wenn der Sehnsucht
      Brennender Hauch in der Zucht freundlichem Thaue sich kühlt.
      Schüchterner werd' ich und friedlicher stets, je freier dein Blick mir
      Lächelt, je mehr dein Herz gläubig dem meinen vertraut.
      Walte nur fort, schwarzwogende Nacht! hier glänzt mir der Sonne
      Heiterster Strahl, hier wärmt fröhlich die Flamme der Lust;
      Rastlos tob', o Sturm! dein Drohn schützt sicher der Liebe
      Stilles Gemach und hält jeglichen Wanderer fern.
      (S. 55-57)
      _____
      
      
      
      24.
      
      
      Als wir uns Blumen suchten im Hain, wildrankendes Geisblatt,
      Röthliche Haiden und Waldklocken und ewiges Grün,
      Dort wo kühn sich der Harzwald thürmt', und die säuselnde Tanne
      Rings um Felsen und Thal schaurige Dämmerung wob -
      Tändelnd saßen wir beid' und ordneten Kränz', und du kröntest
      Mit frischglänzendem Schmuck freundlich das nackte Gestein;
      Oft auch fragtest du mich nach der wechselnden Blumen Benennung,
      Und stets nannt' ich sie so, wie es dein Reiz mir gebot -
      Ach, da zitterte still in der Brust mir glühende Sehnsucht,
      Um die Erbebende schlang rasch ich den fesselnden Arm.
      Weißt du noch wohl, wie du da dich sanft loswandest und schüchtern
      Bald in die Stille des Hains, bald in das Auge mir sahst?
      Lieber, flüstertest du, o bleib mein Freund und zerstöre
      Nicht muthwillig in mir, welche dir traute, dein Bild!
      Züchtiges Kind der Natur, du rettetest mild den Verlornen;
      Ewiger Dank sey dir freundlich im Herzen bewahrt!
      (S. 58)
      _____
      
      
      
      25.
      
      
      Ach, kein flüchtiges Wort, kein traulicher Blick der Geliebten
      Ist mir um ewiges Glück feil und um ewigen Ruhm.
      Glück, was ist es? Ein lockendes Spiel mit betrügenden Göttern;
      Wenn du gewannst, so macht ärmer dich oft der Gewinn.
      Ruhm? Ein unendlicher Kampf mit der Welt und dem eigenen Herzen;
      Flucht dir jene, so lohnt selten das andere dich.
      Nur in den Armen der Liebe zu ruhn, nicht sorgend um Zukunft,
      Auf dem Gefilde des Jetzt pflückend die Blüthe der Lust,
      Nährend im Herzen das reizende Bild der entschwundenen Freude,
      Todt für die Pfeile der Qual, die dir Erinnerung schickt,
      Das nur hebt zu den Göttern dich auf; dem friedlichen Eiland
      Gleicht dein Leben, umrauscht rings von dem stürmischen Meer.
      (S. 59)
      _____
      
      
      
      26.
      
      
      Schwärmen will ich und tändeln mit dir; o kränze mir, Liebchen,
      Kränze den goldenen Kelch hurtig mit sprudelndem Wein!
      Koste mit lüsterner Lippe zuvor, und, wenn der Berührung
      Geist am Rande noch schwebt, reiche den Becher mir dar,
      Daß ich zugleich mit dem Trank ausschlürfe des rosigen Mundes
      Wallenden Hauch, und Wein wandle zum zartesten Kuß!
      Züchtige, nippe nicht so! Still lauscht in der Tiefe des Bechers
      Amor; weise doch nicht hart den Gewognen zurück.
      Scherz und schmeichelnde Worte verleiht und leises Verlangen,
      Schwingen dem zögernden Geist, Rosen den Wangen der Gott;
      Was dir noch reizendes schlief in der Brust, das weckt er, und mächtig
      Impft er dem duftenden Strauch schönere Blüthen noch ein;
      Holderes Lächeln umgaukelt den Mund, in dem leuchtenden Blick strahlt
      Hellerer Geist, und es tönt süßer das kosende Wort;
      Zartere Schaam wohnt still auf den seidenen Wimpern, und Sehnsucht
      Lauscht dir im Aug', und es bebt hüpfend im Busen die Lust.
      Schlürf' ihn hinab in die Brust! doch ach, nicht lange verweil' er,
      Und im glühenden Kuß gieb mir den Holden zurück!
      (S. 60)
      _____
      
      
      
      27.
      
      
      Seidenes Bett, bald hegst du den reizenden Leib der Geliebten,
      Ach, schon harret dein Schoos auf die beglückende Last,
      Ueppiger schwillst du empor, in den Flaum sank friedliche Ruhe,
      Still durch's dämmernde Zelt schlüpfen die Träume dahin.
      Darf ich dir nahn, unheilig dem heiligen? Wandle mir, Sehnsucht,
      Wandle zum rosigen Jetzt magisch die kommende Zeit!
      Hier wird, leis' an die Hülle geschmiegt, aufathmen der Busen;
      Flattern in ihr nicht schon Funken der üppigen Gluth?
      Hör' ich nicht schon das ätherische Wehn des blühenden Mundes?
      Winkt durch die Dämmrung nicht scheu und erröthend ihr Bild?
      Küssen will ich den Ort, wo dem Bett mit der Wange sie nahn wird,
      Und im seligen Traum wähnen, ich küsse sie selbst,
      Will fest schlingen den sehnenden Arm um's wallende Lager;
      Blühet das Glück doch allein Jenem, der glücklich sich wähnt.
      Also küßt der Verlobte das Bild der Geliebten mit Inbrunst,
      Wenn noch fern in dem Arm holder Gespielen sie weilt.
      Ruhen soll sie, wo ich jetzt ruhete! Nehmet, ihr Träume,
      Huldvoll, was ich gefühlt, auf in den magischen Schoos;
      Hegt mit zärtlicher Sorge das Pfand, und, wenn sie herannaht,
      In die entschlummerte Brust gießet es Alles hinab!
      Doch nicht ich, sie fühle nun Jegliches, und die Bezaubrung
      Mische mein heißes Gefühl leise mit ihrem Gefühl!
      Laßt sie schwärmen und hoffen, wie ich, und gleiche Verklärung
      Leucht' ihr im Blicke, wie mir, wenn ihr Gedanke mich nennt!
      Laßt sie glühen, wie ich, und laßt, ich opfre die Sehnsucht
      Willig den Grazien auf, lasset sie zagen wie ich!
      (S. 61-62)
      _____
      
      
      
      28.
      
      
      Sympathieengewalt verlachst du und der Berührung
      Mächtigen Zauber, der rasch schlummernde Kräfte bewegt?
      Nennst nur Wahn die geheime Verwandtschaft ähnlicher Seelen?
      Unglückseliger, ach, hast du denn nimmer geliebt?
      Beug' ich mich still zum schwellenden Mund der Geliebten, o sprich, was
      Zieht mich mit süßer Gewalt hin zu dem seligen Kuß?
      Rede, woher der elektrische Druck, wenn die Hand sich der Hand naht,
      Und was fesselt den Arm um die Umschlungene fest?
      Schaff' ich die Glorie selbst, die mit rosigem Glanz mir das Daseyn
      Kränzt, wenn holder ihr Blick lächelt und näher sie weilt?
      Bin ich es selbst, der den Geist aufschwingt und mit tieferm Gefühl das
      Herz mir begabt, wenn sie hold in dem Liede mir schwebt?
      Warum wähl' ich zum Ruhen so gern die Stelle, wo sie saß,
 Finde den Pfad, den sie wandelte, reizend allein?
      Pflücke so gern von dem Strauche, wo sie sich Blüthen gepflückt hat,
      Nippe so gern, wo sie nippt', an dem Rande des Kelchs?
      Sprich, was bebt mir dahin durch's Herz, wenn ihr seidnes Gewand mich
      Streift, was lodert in mir, wenn mich ihr Athem berührt?
      Warum trübt im Spiele der Lust mein Auge sich plötzlich,
      Wenn ihr trauriger Blick weinend zur Erde sich senkt?
      Warum flieht aus der Brust mir die düstere Nacht, wenn hold rings
      Ihr um den rosigen Mund lächelt der Morgen der Lust?
      Ach, wir weilten gewiß in schöneren Welten zuvor schon,
      Und der Erinnrung Trost blieb dem verbanneten Geist;
      Was wir fühlen, wir fühlten es einst, wir fühlen es ewig,
      Jegliche Wonne sie würzt schöner die kommende Zeit.
      (S. 63-64)
      _____
      
      
      
      29.
      
      
      Ach, wer löset das Räthsel mir wohl der bangen Erwartung,
      Scheidet den ewigen Streit zwischen dem Dunkel und Licht?
      Hurtiger schafft mir den Geist und die lauschenden Sinne die Hoffnung,
      Und doch täuscht sie den Geist, täuschet die Sinne mir stets.
      Seh' ich ein weißes Gewand hinflattern, so ruft mir die Sehnsucht
      Leis' in das Ohr: Sieh da, siehe, das Liebchen erscheint!
      Und doch gleichen die Grazien nur in der schlanken Gestalt dir,
      Und nur Idalia wähnt süßer zu lächeln wie du.
      Nahet ein Schritt zum Gemach sich heran, stets ist er mir dein Schritt,
      Und doch schwebte der West nimmer so leise wie du.
      Jeglicher Ton, der mein horchendes Ohr trifft, scheinet mir dein Ton,
      Und doch täusch' ich mich nie, Musen, in eurem Gesang.
      Wenn du mich lockst mit dem schmeichelnden Wort, wenn die reizende Wange
      Schüchtern ins dämmernde Roth künftiger Küsse sich taucht,
      Ach, dann bin ich besiegt, treu wähn' ich die Schwüre der Treue,
      Und doch weiß ich zu gut, Schmeichlerin, daß du betrügst!
      (S. 65)
      _____
      
      
      
      30.
      
      
      Liebchen, ich rathe dir jetzt Verderbliches meinen Genüssen,
      Aber den eignen Gewinn achtet die Liebe ja nicht.
      Achtet die Liebe Verlust, wenn nur Einem fröhlicher Vortheil
      Reift, und der Andre betrübt täuschende Saaten beklagt?
      Siehe, du küssest mich oft und winkst mir am Fenster und nickst mir,
      Lächelst verstohlen und reichst heimlich das Händchen mir dar,
      Lispelst Worte der zagenden Schaam und Worte der Sehnsucht,
      Worte der siegenden Lust still dem Umschlungenen zu,
      Reichst ein Blümchen mir jetzt und jetzt mir des wallenden Busens
      Fesselndes Band und lohnst jegliches zärtliche Lied.
      Ach, nie drohn in dem Auge dir jetzt die Gewölke des Unmuths,
      Spottende Launen umziehn nimmer den rosigen Mund.
      Fruchtlos schwimm' ich dahin in dem ruhigen Ocean,  kaum noch
      Ahnet mein Herz, daß es einst rauhere Wellen gekannt.
      Ach, schon ward ich verwandt mit dem Glück durch süße Gewohnheit,
      Nimmer genügt, was einst selig mich machte, mir jetzt.
      Theile die Gaben der Huld, o theile sie! Lust und Erwartung,
      Sehnsucht, Zagen und Furcht würze mir jegliche Gunst!
      Lächle mir heute mit schmachtendem Blick und küsse mich morgen,
      Und ein zartes Geschenk kröne den anderen Tag;
      Doch es umdüstre das folgende Licht mir des schwarzen Gewölks Nacht,
      Und bang zage das Herz unter der drückenden Luft,
      Zittre dem Blitze des Hohns, der herabfährt aus der Umhüllung,
      Nach dem erquickenden Lenz sehn' es von neuem sich hin!
      Schlau ja sah ich dich sonst und gewandt, stets war ich dein Schüler;
      Listige, zürnest du nicht, daß ich zum Lehrer gereift?
 Schutzlos schlummert der ruhige Geist in der Wiege des Zutrauns;
      Trauest du meinem Wort, Liebchen, so traue mir nicht!
      (S. 66-67)
      _____
      
      
      
      31.
      
      
      Ach, mir schmerzet die Stirn, so sprachst du und wandtest den Blick ab,
      Und dein rosiger Mund weigerte zürnend den Kuß.
      Trauernd saß ich und stützte das Haupt und starrte den Tisch an,
      Und kein schmeichelndes Wort flehte von neuem zu dir.
      Stumm nun harrten wir beid' und zürneten beide, der Unmuth
      Streckte die starrende Hand zwischen das schweigende Paar.
      Wahrlich, erblickt' ein Maler uns jetzt, schnell hätt' er der Ehe
      Treffendes Bild und der Treu' eiserne Bande gemalt.
      Sprich, was fehlet dir? lispeltest du jetzt endlich und wandtest
      Halb das holde Gesicht, nahetest leise die Hand.
      Ach mir schmerzet das Herz, so rief ich und wandte den Blick ab,
      Und der gebotenen Hand weigert' ich zürnend die Hand.
      Jeglicher grollte nun sich und dem Anderen, weil er die Gabe
 Selber verscherzt, weil stolz Jener die Gabe verschmäht.
      Oft nur sandten, ob Keinen die That wohl reute, wir Blicke
      Lauschend uns zu, doch sie flohn, wenn sie sich trafen, zurück.
      Siehe, da brach dein Trotz. Holdselige, mußtest du längst nicht
      Fühlen, wie mächtig das Weib herrsche durch zartere Huld?
      Traulicher nahtest du jetzt, halb bogst du die Wange, doch abwärts
      Schaute der Blick noch, und ich nahete leise wie du;
      Und wir fühlten den Kuß, fast eh' wir ihn sahen, und nicht mehr
      Schmerzte die Stirn dir, und mir schmerzte nicht ferner das Herz.
      (S. 68-69)
      _____
      
      
      
      32.
      
      
      Horch, es ertönte der Park von des Volksschwarms dumpfem Gemurmel,
      Rasch in den Gängen des Hains wogte die Welle der Lust:
      Freund' und Freunde begegneten hier sich im bunten Gedränge,
      Traulich vereinte das Fest Jene, die nimmer sich sahn;
      Rauschend streifte das seidne Gewand an dem leinenen Kleid hin,
      Gegen die Perle von Glas blitzte der goldene Schmuck;
      Was sich gepflegt in der Sonne des Glücks, was bang' in des Unglücks
      Frosthauch bebte, vereint prangt' es im Kranze der Lust;
      Magisch umfloß das romantische Bild hellschimmernd der Lampen
      Irrender Schein, durchs Grün gaukelte golden der Glanz;
      Ringsum schien's als sänken zum irdischen Pfad die Gestirne,
      Daß sich dem Himmel genaht wähnte das selige Herz.
      Beide durchwandelten wir des Gesträuchs dufthauchende Dämmrung,
      Traulich schmiegte dein Arm weich an den meinigen sich.
      Kaum erst kannten wir uns seit wenigen Stunden, der Zufall
      Führt' uns zusammen, und schnell fesselt der spielende Gott.
      Damals nannt' ich dich Gnädige noch, doch ahnte mein Herz schon,
      Freundliche würd' ich dich einst nennen und reizende Frau.
      Schnell wie die Bien' um den rosigen Kelch, so spielt' um den Mund dir
      Tändelnder Witz, doch er hielt friedlich den Stachel zurück.
      Fröhlich entschwamm auf dem Silbergewölk des beweglichen Leichtsinns,
      Haschend die wechselnde Lust, rasch der beflügelte Geist;
      Doch oft kettet' ihn süß das Gefühl, und den luftigen Flüchtling
      Führt' in des zarteren Glücks stillere Lauben die Huld.
      Vielfach wandest du mir um den Sinn die bezaubernde Fessel,
      Mächtiger ward dein Reiz stets mit des Sieges  Begier;
      Lächelnd sahst du mich an, und es schwebt' in dem Blick der Triumph dir,
      Daß du gesiegt, und leicht schien dir der spielende Kampf.
      Aber dich trog dein Wahn, Schlausinnige; sieh, es ermannte
      Rasch sich der Geist, vom Netz wand der Gefangne sich los.
      Keck nun hob er das eigne Panier, und es kämpfte mit Leichtsinn
      Leichtsinn, und mit dem Stolz rang der erwachende Stolz.
      Was du mich lehrtest, ich gab es zurück, und ein schützender Gott lieh
      Geist mir und Wort und der List täuschendes Gaukelgewand.
      Doch es entstahl der idalische Gott schlau spähend des Schicksals
      Wage dem Zeus, und warf doppelte Loose hinein;
      Hoch nun hob er sie auf, doch sie hing gradlinig, und Keinem
      Drohten die Band', und es sank Keinem die Schaale des Siegs.
      Lächelnd sahst du mich an und beschämt; doch ehrt' in des Gegners
      Listigem Spiel dein Geist willig die eigene Kunst.
      Schlauer, sprachst du, wir kämpften um Ruhm jetzt; aber es künde
      Künftig ein schwererer Kampf, ob in der Liebe du siegst!
      (S. 70-71)
      _____
      
      
      
      33.
      
      
      Geht, Elegien, des beweglichen Leichtsinns süße Gespielen,
      Geht Elegien, des Gefühls süße Gespielen auch ihr!
      Amor hat euch gezeugt, und die Grazie wiegte die Kindlein,
      Und mit Blüthengedüft zog sie die Freundlichen auf.
      Fröhlich umscherztet im üppigen Strahl muthwilliger Thorheit
      Rings ihr den Freund, und den Kuß gabt ihr dem Bittenden gern,
      Wenn er euch leise genaht und euch fesselte rasch, wie des Herzens
      Laun' und des leichten Gefühls wechselnder Hauch ihm gebot.
      Ach, dann lehrtet ihr mich süßtönende Lieder, und Sehnsucht
      Lauscht' in dem einen, und Lust strahlt' euch im anderen Blick.
      Aber vorbei sind Spiel und Gesang, vor dem brausenden Nordhauch
      Zittert der Hain, ein Grab decket die Lieb' und den Lenz.
      Amor schwand, und die Grazie weint; die verwaiseten Kinder
      Müßt' ich, die reizenden, ach, kleiden ins Trauergewand.
      Doch Muthwilligen ziemet ja nicht schmerzkündender Flor, und
      Lächeln würdet ihr doch, fleht' ich um Thränen euch an.
      Auf dann! Fittige schenkte der Gott euch; flattert hinweg nun,
      Sucht mir den Vater und bringt hold den Verlornen zurück!
      Gern wohl leihet der Grazie Huld euch den Gürtel der Anmuth;
      Fesselt den Flüchtigen nur! endlich belohnt er es selbst.
      Sagt ihm Schönes von mir, daß ich euch voll Treue gepflegt und
      Zärtlich geliebt, daß ich still, als ihr entschwunden, geweint!
      Ach, dann kehrt er zurück, und die Grazie lächelt noch einmal,
      Und das verlassene Spiel spiel' ich von neuem mit euch.
      (S. 72-73)
      _____
       
Aus: 
      Vermischte Gedichte von Ernst Schulze
      Zweite Auflage
      Leipzig F. A. Brockhaus 1841
      
      
      
 
siehe auch:
      Teil 2 (Vermischte Gedichte)
      Teil 3 (Die bezauberte Rose Romantisches 
      Gedicht in drei Gesängen)
      Teil 4 (Psyche ein griechisches Märchen in 
      sieben Büchern)
      
 
      Biographie:
      
      
      http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Schulze_(Dichter)