Karl Siebel (1836-1868)  - Liebesgedichte



Karl Siebel
(1836-1868)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:



 

Mädel! mein Mädel!

Blick'st du mich an mit den Aeugelein klar,
Wird mir so seltsam, wie nimmer mir war;
Lächelst so schelmisch und herzig dazu:
All' meine Seele bezaubertest du:
Mädel! mein Mädel!

Blick nicht zur Erde! ich sage es noch:
Sagt' ich es nimmermehr, wahr wär' es doch,
Fragt' ich und sucht' ich im Lande umher,
Keine, die schöner wär', fände ich mehr:
Mädel! mein Mädel!

O du mein Lieb, du mein herziges Kind!
Laß mich dich drücken an's Herze geschwind:
Nehme nicht Himmel und Erde für dich,
Du nur alleine beseligest mich;
Mädel! mein Mädel!
(S. 181)
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Triumph der Liebe

Der erste Gruß der Blicke
Ist ein Triumph der Liebe! -
Der glüh'nde Kuß der Lippen
Ist ein Triumph der Liebe!
Des Scheidens heiße Thräne
Ist ein Triumph der Liebe!
Und ein gebroch'nes Herz
Ist ein Triumph der Liebe!
(S. 88)
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Maria
(Nach dem Holländischen)

Der Heimath fern, der Heimath nah,
Allorten muß ich träumen,
Wie ich Maria schlafend sah,
Beschirmt von grünen Bäumen.
Die Nachtigall im nahen Strauch
Sang sehnendes Verlangen;
Es küßte leis' des Zephyrs Hauch
Die Rosen ihrer Wangen. -

Doch kennt sie keinen andern Gruß
Von sehnendem Verlangen?
Und küßte nur des Zephyrs Kuß
Die Rosen ihrer Wangen?
Nur sie! – du fragst? du sahest nicht
Die Reizende erwachen,
Erröthen leicht ihr Angesicht
Und ihre Aeuglein lachen!
(S. 223)
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Ich mußte dir mich ergeben

Des Lebens Sorgen und Plagen
Sind schwer, ach, viel zu schwer,
Ein Herze kann sie tragen
Alleine nimmermehr.

Ich muß dir mich ergeben
Mit Seele, Hand und Herz;
Da wird im Liebeleben
Zu Wonne jeder Schmerz.

Des Lebens Sorgen und Plagen,
Sie wurden süße Ruh';
Seitdem ich durfte tragen
Die deinigen dazu.
(S. 182)
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Bezaubert

Die Wange läßt die Wange nicht;
Es läßt nicht Mund von Mund,
Und ach! es läßt sich lange nicht,
Was ein's in Herzens Grund.

Möcht' bei dir weilen immerdar; -
Dich schauen selig an! -
Bei Gott, es hat's uns wunderbar
Ein Zauber angethan.
(S. 210)
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Alles

Du bist mir viel gewesen;
In deinem dunklen Blick
Hab' lange ich gelesen
Mein froh und trüb' Geschick.

Bin ich mit dir gemeinsam,
Die Seele selig ist -
So fühl' ich, bin ich einsam,
Daß du mir Alles bist.
(S. 197)
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Sonnett

Du hieltest mich so fest, so traut umschlungen;
Es ruhte, ach, so selig Brust an Brust;
Da hab' ich dir, da hast du mir gesungen
Viel tausend Lieder voll von Liebeslust.

Sie sind vom Herzen in das Herz geklungen,
Sie haben Nichts, als Seligkeit gewußt;
Sie sind in's Herze tief hineingedrungen,
Sind nicht gefloh'n, als scheiden sie gemußt.

Und wenn ich nun mit mir so ganz allein,
Dann kehren jene alten Zeiten wieder
Und lispeln mir viel holde Grüße zu.

Sie bargen sich mir tief in's Herz hinein
Und keimen auf und werden süße Lieder:
Denn in den Liedern lebest einzig du!
(S. 201)
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An ***

Du schönes Kind! die du am Altar kniest,
Die Liebe suchest und das Leben fliehst,
O mög' dein Gott dir seinen Frieden schenken!

O mög' sich still in des Gemüthes Welt
Herab vom hohen, hehren Himmelszelt
Der ew'ge Strahl der Gottesliebe senken!

Du faßtest einst so seltsam meine Hand,
Ich fühlte wohl, daß mich dein Herz verstand,
Doch will dein Gott dein Schicksal anders lenken.

Mich treibt hinaus mein wilder, wirrer Sinn!
Du weißt, daß ich nicht deines Glaubens bin;
Doch im Gebete wolle mein gedenken!
(S. 224)
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Hüte dich!

Du thatest so spröde und sah'st zur Erd'
Und blicktest durch's Fenster in's Grün hinein:
O glaub' mir! dein Herze ist schlecht bewehrt,
Hüte dich! hüte dich! Jungfräulein.

Ja – wenn ich nicht wüßte, wie leis' und sacht
Sich schleicht ein Geheimniß in's Herz hinein: -
So leise und sacht, wie nie du gedacht:
Hüte dich! hüte dich! Jungfräulein!

Er blickte in's Auge dir so tief – so tief -
Und tiefer, noch tiefer in's Herz hinein -
Er schaute, was d'rinnen verborgen schlief:
Hüte dich! hüte dich! Jungfräulein!
(S. 221)
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Dunkelbraune Aeugelein

Dunkelbraune Aeugelein,
Wenn ihr lächelnd winket,
In mein tiefstes Herz hinein
Eure Seele sinket;
Wie der liebe Sonnenschein
Lächelt in die Welt hinein,
Blickt ihr in mich klar und rein,
Braune Aeugelein.

Und ich weiß nicht, wie es kam,
Daß ich hold vertrauend
Ihre weißen Hände nahm,
In die Aeuglein schauend;
Herzens Wogen halten ein,
Fühlen sich so selig rein;
Schaut ihr so in sie hinein,
Braune Aeugelein.
(S. 183)
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Wie's geht

Ein junger Pilger zog durch's Leben hin
Mit rüst'gen Händen und mit frohem Sinn.

Da sah am Weg er eine Rose stehn,
Nicht ohne Grüßen konnt' er weiter gehn.

Ihr rüst'gen Hände und du froher Sinn,
Wo seid ihr hin? wo seid ihr hin?
(S. 202)
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Mein Herz

Es ist mein Herz ein kleines Haus,
Mitten, mitten im Walde;
Viel Vöglein fliegen wohl ein und aus,
Wohl über Flur und Halde.

Sie fliegen hin, sie fliegen her,
Singen trauliche Lieder;
Ziehn über Berge, fliehn über's Meer
Und kommen singend wieder.

Sie pflücken sich im Morgenschein
Gold'ne, glänzende Rosen;
Sie lernen von dem Zephyr im Hain
Mit Veilchenblüthen kosen. -

Wohl ist mein Herz ein glücklich Herz;
D'rin thront eine Königinne,
Die macht zur Wonne jeglichen Schmerz
Mit ihrer süßen Minne.

Ihr fliegen all' die Vöglein zu,
Kosen mit ihr und küssen,
Und sie, - sie wird in lächelnder Ruh'
Wohl Alles leiden müssen.

Ach, seit im Haus die Königin,
Ist's d'rin so licht und helle; -
Mich dünkt, es ist so traulich darin,
's ist ein Waldkapelle.
(S. 199-200)
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Es schien ein Stern

Es schien ein Stern in meine dunkle Nacht
Und sieh: ein Heer von Sternen war erwacht;
Ein Frühlingsleben und ein Wonnesprühn
Erwachte mild bei dieses Sternes Glühn.

Des Lebens Wolken zogen schwer einher,
Der eine Stern – er scheinet nimmermehr,
Und einsam träumend von geliebter Pracht,
Steh' ich ein Wandrer in der dunklen Nacht.

O holdes Licht – geliebtes Angesicht,
Mein Sehnen, Träumen läßt dich ewig nicht,
Durch Schicksalswolken fleh' ich auf zu dir:
O holdes Licht! warum erschienst du mir?
(S. 178)
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Der treue Ritter

Es war ein Ritter ohne Furcht,
Ein Ritter ohne Tadel;
Sein Arm von Kraft, sein Schwert von Stahl,
Sein Herz von Edel und Adel.

Hüte dich! hüte dich, Jungfräulein!
Das muß ein gefährlicher Ritter sein!

Und wo er ging, und wo er stand,
Blieb still kein Schleier hangen;
Sie sah'n ihm zu, sie sah'n ihm nach,
Sie sah'n mit bangem Verlangen.

Hüte dich! hüte dich, Jungfräulein!
Das muß ein gefährlicher Ritter sein!

Der Ritter sprach: "Mein Arm! mein Schwert!
Dem Kaiser weih' ich's immer!
Es starb die Maid, die ich geliebt,
Eine Andre liebe ich nimmer!"

Schaurige, traurige Liebespein!
O selig! o fröhlich! geliebt zu sein!
(S. 216-217)
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Friede

Ich frug die Freunde. – Sie drückten
Herzinniglich mir die Hand,
Doch fühlt' ich – Keiner von allen
So recht mein Wort verstand.

Ich frug die Sterne. – Sie schwiegen,
Sie wußten zu rathen nicht; -
Ich frug die Blumen. – Sie wiegten
Ihr lächelnd Angesicht. -

Dir schaut' ich nur in die Augen,
Du lächeltest mild mich an:
Das hat dem krankenden Herzen
Unendlich wohl gethan.

Denn Alles, was es ersehnet,
Dir tief in der Seele blüht -
Ein stiller seliger Friede,
Ein fromm und keusch Gemüth.

Und ruhest du mir am Busen,
So heilet jeglicher Schmerz;
Den Frieden halt' ich umfangen,
Der Friede zieht in's Herz.
(S. 212-213)
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Wonne der Wonnen

Ich wußte, nun hatte ich Alles besessen,
Nun hatte ich Frieden; nun hatte ich Ruh';
Himmel und Erde und Alles vergessen,
Himmel und Erd' und mich selber dazu.

O Wonne der Wonnen, wer kann dich ergründen?
Vergessen sich selbst, und die Welt und die Noth -
O Wonne der Wonnen, wo bist du zu finden?
"Nur in der Liebe und nur in dem Tod!"
(S. 196)
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Dichterchor

Im Reich der Schönheit dienen wir,
Da gilt nicht goldner Kronen Zier,
Da strahlt, als himmlisch höchster Schein
Des Weibes reines Menschlichsein!

Drum, wo des Weibes blitzend Aug',
Des schönen Mundes süßer Hauch,
Der holde Gruß uns hoch beglückt,
Da sind zum Schaffen wir entzückt.

In unserm Reich, der Königin
Weih'n wir mit Hoffen Herz und Sinn.
Und wenn sie uns ein Lächeln beut,
So hat sie Lieder ausgestreut.
(S. 208)
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Spruch

In Liebe eng verbunden,
Im Leben weit getrennt;
Wohl schlägt das tiefe Wunden,
Die nur die Liebe kennt:

Doch ob solch' tiefem Schmerze
Klag' dein Geschick nicht an.
Beglückt ist nur das Herze,
Das wahr ihn fühlen kann!
(S. 195)
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Kommst du noch einmal wieder

Kommst du noch einmal wieder,
Du wunderbares Bild?
Darf ich an dir mich weiden,
So wird mein Herz gestillt.

Ich war ein Kind, wie alle, -
Und vor mir, da saß sie; -
Ich spielt' mit ihren Flechten
Und mir war wohl wie nie.

Es lag ein stiller Kirchhof
Nah' an der Schule Thür;
Bei den bemoosten Steinen,
Da spielten fröhlich wir.

Wie konnt' ich selig singend
Im Ringeltanz mich drehn;
Doch sucht' dabei ich immer
An ihrer Seit' zu gehn.

Und schlug die Mittagsstunde,
Dann gab ich ihr die Hand.
Ich sagt' nicht viel, - doch glaub' ich,
Daß sie mich ganz verstand.

Ich sagt' nicht viel – und dachte
Auch nicht an ein Verstehn;
War auch nicht überselig,
Ich dacht', es müßt' so gehn.

Ich war ein Kind wie alle,
Und vor mir, da saß sie;
Ich spielt' mit ihren Flechten
Und mir war wohl – wie nie.
(S. 14-15)
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Zur Musik

Lockst du nur ein Tönlein,
Stirbt es trübe fort: -
Töne werden Klänge
Einzig im Accord.

Und wenn auf Accorden
Deine Seele flieht,
Lausch', ob nicht ein Sehnen
Leis' in's Herze zieht.

Eine Seel' alleine
Stirbet trübe fort:
Seelen werden selig
Einzig im Accord.
(S. 184)
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Warnung

Mädel, Mädel, ich rathe dir gut:
Wahre die braunen Guckäugelein;
Senk' sie zur Erde und sei auf der Huth,
Sie sind die Wege in's Herze hinein.

Sind die Wege zum Herzen hinaus;
Alles, was im Verborgenen ruht,
Plaudern die braunen Guckäugelein aus;
Mädel! mein Mädel! d'rum sei auf der Huth!
(S. 188)
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Mein Hüttlein steht im Tannengrün
(Nach dem Holländischen)

Man kann nicht immer fröhlich sein;
Muß manch' mal düster sehen -
Ach, wären alle Wasser Wein,
Wär's um mein Leid geschehen.
Doch müßten deine Lippen
Zuerst vom Weine nippen,
Du holdes Mägdelein!

Mein Hüttlein steht im Tannengrün,
So recht um Wild zu jagen!
Ach, hätt' ich Burgen stolz und kühn,
Ich käm' um Liebe fragen;
Doch kann auf Königsthronen
Nicht treuere Liebe wohnen
Als zwischen Tannengrün!
(S. 180)
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Zecherliebe

Mein Herz ist ein Becher
Voll perlendem Wein, -
Und du bist der Zecher,
Mein Liebchen vom Rhein.

Die Perlen sind Lieder,
Die Lieb' ist der Wein,
Und Liebe und Lieder
Und Herze sind dein!
(S. 189)
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Troubadour

Nach Liebe dürstend und von Schönheit trunken,
So bin vor dir ich sehnend hingesunken.

Du bist die Fürstin in dem Feenreiche,
Anmuthumwob'ne, Herrlich' ohne Gleiche.

Du bist die Göttin dieser schönen Erde.
O schaffe du, daß mein ein Himmel werde!

Wo du mich liebst, ist an der kleinsten Stätte
Der Sonne hohes Zelt, des Segens Bette.
(S. 222)
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Vorbei

Nun blüht die Linde wieder
Vor Liebchens stiller Thür,
Und holde Frühlingslieder
Ertönen froh in ihr.

Sie ist hinweg gezogen,
Was, Blüthe, blühst du noch?
Was wollt ihr, duft'gen Wogen,
Was wollt! was wollt ihr doch?

Sie ist hinweg gezogen
Und mit ihr zog der Mai -
Und mit ihr ist geflogen
Mein Frühlingstraum vorbei.
(S. 194)
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Frühling

Nun ist es Alles anders worden!
Der Frühling kam auf Hain und Flur
Nun schwelgt in seligen Accorden
Die auferstandene Natur.

Der Hoffnung junge Lerchen steigen
In Himmels heitre Pracht.
Und in der Nächte stillem Schweigen
Der Sang der Nachtigall erwacht.

O schmieg' mit innigem Vertrauen
Dich fest an mich, du meine Lust!
Mit frohem Auge sollst du schauen
Den Frühling einer Menschenbrust.

Sie hofft in sel'gem Wonnebeben!
Sie hofft so fest, sie liebt so rein!
Sie liebt! o komm! ihr ganzes Leben
O komm, die Welt ist dein.

Du bist die ewig heil'ge Sonne
Die dieses Leben hat entfacht;
Du bist das Lerchenlied der Wonne
Du bist des Himmels heit're Pracht.

O schmieg mit innigem Vertrauen
Dich fest an mich, du meine Lust!
Mit frohem Auge sollst du schauen
Den Frühling einer Menschenbrust.
(S. 175-176)
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Aus der romantischen Schule

Nun wollen wir singen ein altes Lied,
Ein Lied aus dem Heiligthume,
Wo immer noch blüht, wo immer noch glüht
Der Romantik duftende Blume.

Es wandern die Sterne, es klinget der Wald;
Ein Rehlein grast unter den Rosen.
Ein Hüfthorn schallt und ein Hüfthorn verhallt,
Der Jäger will küssen und kosen.

Am Rocken sitzet die junge Maid;
An's Fenster die Vögelein picken.
Sie spinnet und singet ein Lied von Leid
Und von geheimem Beglücken.

Was blickst du so selig, o Jägersmann?
Was blickt ihr so traulich ihr Sterne? -
Zwei liebende Herzen schauen sich an -
Das Rehlein grast in der Ferne.
(S. 218-219)
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Ein Don Juan

"O diese rothen Wangen!
O dieses goldne Haar!
Verstrickt! In Wahn gefangen!
Gefesselt wunderbar!

Dich sah' ich und ich kannte
Nur den Gedanken: "Mein!"
Die schönste Frühlingsblume
Muß mir gebrochen sein!" -

Da trat mit scheuem Fuße
Herein die blonde Maid;
Sie neigt' sich, wie zum Gruße
Nach abgewandter Seit'.

Der Diener sprach: "Da drüben
Steht euer hoher Gast!"
Da neigte sie sich wieder,
Verlegen und mit Hast.

"Welch anmuthvolle Weise!
Ein Engel, und ein Kind!"
Der Diener raunte leise:
"Verzeiht Herr! sie ist blind!"

"Blind?" Einen Schritt zurücke
Der stete Sieger sprang.
"Blind! das sind Teufelsstricke! -
Wie ist mir seltsam bang!"

Er sinnt. – Dann milder Weise
Er zu dem Mädchen spricht:
"Glück deiner Lebensreise!
Und mich – mich fürchte nicht!

Ist deiner Augen Schimmer
Auch stets verschleiert nur,
Dich wahrt, dich schützet immer
Das Auge der Natur!

Wer deinen Mund entweihet,
Die Schönheit wunderbar,
Der ist vermaledeiet
Ein Thier – ist ein Barbar!" -

Das Mädchen steht erröthend,
Holdlächelnd da und spricht:
"Ihr meint es gut, das fühl' ich,
Doch ich versteh' euch nicht!" –
(S. 7-9)
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Ob du mein Lieb bist?

Ob du mein Lieb bist?
Soll ich dir sagen?
Wenn dich die Sonne küßt,
Kannst du noch fragen,
Ob es der Mond ist?

Daß ich dich gern hab',
Steht 'mal geschrieben -
Kost' es das kühle Grab,
Dich muß ich lieben,
Weil ich dich gern hab'!

O, so vertrau mir,
Blühende Rose!
Liebe die Schläfe dir
Leise umkose!
O, so vertrau' mir!
(S. 187)
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Ein Mädchenleben

1.
Schau' ich ihm in's dunkle
Liebe Auge hinein, -
Füllen heiße Thränen
Oft die Wimper mein.

Thränen weint die Sehnsucht,
Thränen weint der Schmerz -
Doch in diesen Thränen
Liegt mein ganzes Herz.

Küßt er sie vom Auge,
Ist mir wohl und weh -
Denn mein ganzes Herze
Ich ihn nehmen seh'. -


2.
"Er steht so hoch und steht so fern,
Glänzt über mir als lichter Stern; -
So selig nah – und doch so fern!
Ach könnt' ich das vergessen!

Er zog mein Herz in sein's hinein
Und sprach: - "Es soll d'rin ewig sein!"
Sein Herz so weit und mein's so klein!
Ach könnt' ich das vergessen!

Er steht so hoch und steht so fern,
Glänzt über mir als lichter Stern; -
So selig nah – und doch so fern!
Ach könnt' ich das vergessen!"


3.
Ich möchte liegen und schlafen
Und schlafen die ewige Ruh -
Ich wollte, die Engelein kämen
Und drückten die Augen mir zu.

Ich wollt', ich wollt', es wär' Winter
Und Alles in ewigem Schnee,
Und Winter – ewiger Winter,
Er deckte auch mich und mein Weh.

O Winter! ewiger Winter! -
Mir bangt vor der eisigen Ruh -
Doch weiß ich, die Engelein kämen
Und drückten die Augen mir zu.


4.
Ach was soll dies ew'ge Spähen!?
Kommst doch nie zu deinem Ziele,
Kannst den Himmel nicht verstehen,
Neig' dich, Auge! Herze, fühle!

Gott! du mußt dich selbst mir zeigen!
Mußt dich selbst an mir erfüllen!
Sieh'! ich geb' mich dir zu eigen,
Thu' mit mir nach deinem Willen!

Nimm mir Alles hier auf Erden!
Hast du Alles mir genommen,
Laß mich wie die Kinder werden,
Und als Kindlein zu dir kommen!


5.
Es ist ein holder Traum die Liebe,
Ein Traum, den Phantasie gewebt;
Ein Traum, der gleich dem Schmetterlinge
Auf mancher schönen Blüthe schwebt.

Ein Traum, der allzubald verflieget,
Ein Traum, der allzubald vergeht, -
Der wie ein Duft, wie Lerchensingen
Im weiten Himmelsblau verweht.

Und dennoch reden heil'ge Bücher
Von einer Lieb' in Noth und Tod;
Von einer ew'gen heil'gen Liebe,
Die ew'ge Liebe: - sie ist Gott.

Versenke dich in diese Liebe,
Versenk' dich ganz und gar hinein,
Und ist auch Alles Trug und Thränen,
Du wirst in lichter Wahrheit sein.
(S. 46-50)
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Erstes Begegnen

Sie hat einen Zug im Gesichte,
Der zieht mich wunderbar -
D'rin las ich meine Geschichte:
"Ihr eigen ganz und gar!"

Sie hat einen Zug im Gesichte
Mir ist – ich weiß nicht wie -
Und all' mein Denken richte
Ich einzig nur auf sie.

Ich weiß nicht – ich denke und dichte,
Was selbst mir nimmer klar.
Sie hat einen Zug im Gesichte,
Der zieht mich wunderbar.
(S. 203)
_____



Gewohnheit

Sie hatten sich nimmer gehaßt,
Sie hatten sich nimmer geliebt;
Sie nahmen sich selbst und sie nahmen das Glück,
So wie die Stunde es giebt.

Sie waren zusammen erblüht;
Sie hatten sich täglich geschaut;
Sie hatten gespielt in vergangener Zeit
Den Bräutigam und die Braut.

Als einmal sie scheiden gemußt,
Da wurden die Wangen nicht naß -
Sie schieden mit Lächeln – doch merkten sie bald:
"Es fehlt!" – sie wußten nicht was.

Es fehlte – sie wußten nicht was -
Sein Plätzchen am Tische blieb leer.
Und knarrte die Stiege und hallte ein Schritt,
Sie glaubt' und hofft', es sei er.

Er grübelte stumm und verstimmt;
Doch hallte vom Thurme es neun,
So wollte wie immer er eilen zu ihr,
Und sonst mocht' Nichts ihn zerstreun.

So dachte sie immer an ihn,
So dachte er immer an sie -
Sich nimmer gehaßt und sich nimmer geliebt,
Vergessen doch sie sich nie.

Wie endlich sie nun sich vereint,
Da lächelt ein gnädig Geschick -
Sie eint' eine milde und heilige Macht
Und segnend grüßet das Glück.
(S. 53-54)
_____



Heimliche Liebe

Sie reden so selig von Wonne,
Von Wonne und sonnigem Schein;
O Liebe, du böse Liebe,
Wie schaffst du tiefinnere Pein
Und kommst doch so heimlich und leise
In's Herze hinein!

Es grünen die Reben am Hügel,
Es blühen die Blumen im Thal;
O Frühling, du trüber Frühling,
So trüb' noch kein einziges Mal -
Das schaffet die heimliche Liebe,
Die liebende Qual.

Sie reden so selig von Wonne,
Von Sonne und sonnigem Schein.
O Liebe, du böse Liebe
Wie schaffst du tiefinnere Pein
Und kommst doch so heimlich und leise
In's Herze hinein.
(S. 177)
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So falte deine Hände in meine Hände ein!

So falte deine Hände in meine Hände ein
Und hauche deine Seele in meine Seele hinein;
Ich will auf meinen Knien dir stille ruh'n zu Füßen,
Will lauschen, wie die Herzen aus ihren Tiefen grüßen.

Die Blumen sind nun schlafen, die Sternlein aufgewacht,
Der Mond spricht seinen Segen zu uns'rer Liebesnacht.
Die Blätter flüstern heimlich bei weichem Kuß der Lüfte,
Als Weihrauch zu uns sendet Jasmin die süßen Düfte.

Die Blumen sind nun schlafen! Du meine schönste Blum',
Du öffnest mir des Herzens geweihtes Heiligthum.
Es steigen heil'ge Engel aus deines Busens Tiefen
Und singen Liebeslieder, die tief im Herzen schliefen.

Und durch die Lieder wehet ein wunderbarer Klang,
Ich kann ihn nie vergessen mein ganzes Leben lang:
"Die Ewigkeit der Liebe und ihre Gottesnähe!"
Ich lausche und dann wieder ich dir in's Auge sehe.
(S. 198)
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Steig' in der Schachten Dunkel

Steig' in der Schachten Dunkel!
Tief zu des Goldes Geheg
Baue dir sicheren Weg,
Dir zu den Füßen leg'
Aller Schätze Gefunkel.

Geh' auf der Wolken Brücke!
Greif' in den Himmel hinein;
Raube den Sternen den Schein,
Daß er im Edelstein
Deine Krone dir schmücke:

Bleibest ein Kind der Erden!
Was du auch immer erdacht,
Keines dich glücklicher macht,
Als, was so leicht gesagt:
Treu geliebet zu werden.
(S. 204)
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Umsonst gelebt!

Und hast du nur ein einzig Herz
Erwärmt mit deiner Gluth;
Hast je in Wonne oder Schmerz
An And'rer Brust geruht!

Hat je mit dir in Sympathie
Ein zweites Herz gebebt:
O so verzag' und klage nie:
"Ich hab' umsonst gelebt!"
(S. 96)
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Und weil's nun einmal nicht anders ist

Und weil's nun einmal nicht anders ist,
Daß du mein herzliebes Mädel bist; -
Und weil die Sonne uns lächelt an,
Daß auch nicht Einer ihr's wehren kann:
So wollen wir's singen und sagen!

Hüllt sich die Sonne in Wolken ein,
Nicht lange birgt sie den hellen Schein;
Schlich sich die Lieb' in ein Herz hinein,
O! so verrathen's die Aeugelein:
D'rum wollen wir's singen und sagen!

Die Sonne scheinet! die Liebe glüht!
Ein holdes, rosiges Mädel blüht;
Wenn nicht dies rosige Mädel wär',
Glüht Sonn' und Liebe wohl nimmermehr:
Das wollen wir singen und sagen!
(S. 211)
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Junge Liebe

Vom Himmel lächeln die Sterne
Der träumenden Erde zu.
Aus ihrer duftigen Ferne
Kommt's Märchen von Fried' und Ruh'.

Was scheeren mich Sterne und Sonne!
Was hilft mir, was droben es giebt!
Und doch: o träumende Wonne,
Die liebet ein Herz, das verliebt.

Du seltsam Geheimniß der Frauen,
Der Jungfraun bewußtlose Kunst; -
Nun eil' ich durch Wälder und Auen
Und träume von naher Gunst.

Ich sah sie seit Tagen, seit Wochen,
Am blühenden Fenster sie stand;
Nie hat sie ein Wort nur gesprochen,
Kein Blick ward mir wonniges Pfand.

Doch Mund und Stirne und Wangen,
Sie sprachen so schweigend laut;
So sah ich, wie Liebesverlangen
Aus jeder Bewegung schaut! -

Vom Himmel lächeln die Sterne
Der träumenden Erde zu,
Aus ihrer duftigen Ferne
Kommt's Märchen von Fried' und Ruh'.
(S. 185-186)
_____



Vergangenheit

War's nicht ein schöner Morgen?
War's nicht ein Maientag,
Wo ich, im Glück geborgen,
Im Arm der Liebe lag?

War nicht es sternenhelle,
Und sonnenhell zugleich?
Lag nicht an armer Schwelle
Ein unermeßlich Reich?

Zog nicht vom Himmel nieder
Unsterblich tausendmal
Die Göttin ew'ger Lieder
Mit Kränzen ohne Zahl?

Ihr wiegt das Haupt verneinend,
Zieht mich zur Welt zurück -
Mir selbst gestorben scheinend -
Alt Glück, du bist mein Glück! –
(S. 179)
_____



Mein Engel

Wenn dein tiefdunkles Auge
Sich mir zu lesen giebt -
Fühl' ich mit stiller Wonne,
Daß mich ein Engel liebt.

Und jede trübe Klage
Das frohe Herz vergißt;
Es weiß, daß es nun selber -
Im Himmel heimisch ist. –
(S. 205)
_____



Zur Hochzeitsfeier meines Freundes
Emil Rittershaus

1.
Wenn ihr die Hände faltet,
Ihr Zwei in einander ein,
Und so ein Bildniß gestaltet
Von Liebe und Glücklichsein,

Wenn ihr die Lippen drücket,
Ihr Zwei auf einander fest,
Wenn innig, herzlich beglücket
Nicht Einer vom Andern läßt:

Dann muß die Dichtung schweigen,
Dann bleicht ihr schimmernder Glanz; -
Dann habt ihr Beiden zu eigen
Die Fülle der Dichtung ganz.


2.
Es sind zwei blühende Rosen
Auf einem Strauche erglüht;
Es sind zwei holde Geschwister
In einem Garten erblüht.

Das ist tiefsinnige Liebe,
Die tief und innig beglückt;
Das ist ernst lächelnde Dichtung,
Die Geist und Herz dir entzückt.

O dreimal glücklich zu preisen,
Wem Beide schenken die Gunst:
Unsterblich macht ihn die Liebe,
Und glücklich macht ihn die Kunst.
(S. 77-78)
_____



Dauerndes Glück

Wenn sich zwei Herzen ein Leben geliebt
In Freuden und in Leiden:
Es nichts in allen Welten giebt,
Das je sie könnte scheiden.

Und ließ umgeben von höllischer Qual
Ein strenger Gott sie binden;
Sie würden, wie im Erdenthal,
Auch dort den Himmel finden.
(S. 206)
_____



Das eine Wort

Wogt ein halbgehörtes Wort
Wohl im Herzen auf und nieder -
Und man muß das eine Wort
Nun sagen immer wieder.

Und so wollt' ich, daß du mir
Lauschtest bis zum kühlen Grabe,
Wie ich immer sage dir,
Daß ich so lieb dich habe.
(S. 209)
_____



Du bist meine Liebe

Wohl sind mir glühende Rosen erblüht,
Tiefdunkele Augen und lockiges Haar
Umfingen, umstrickten mein träumend Gemüth
Und nahmen die Sinne mir ganz und gar.
Es wogte, es hob sich die sehnende Brust;
Es ward ihr die wilde bezaubernde Lust: -
- - - - Du bist meine Liebe!

Wohl sind mir glühende Rosen erblüht,
Doch schwanden und sanken die Blumen am Tag;
Es sehnte und seufzte mein träumend Gemüth
Den scheidenden Kindern der Nächte nach.
Sie schieden und ließen die Wehmuth zurück,
- - - - Du bist meine Liebe!

Wohl sind mir glühende Rosen erblüht,
Nun senkt sich der Frühling in's Herz mir hinein;
Nun glühet und blühet mir tief im Gemüth
Unendlichbeglückender Sonnenschein.
Nun wallen die Nächte wohl ab und wohl auf,
Nun waltet der Tage stets wechselnder Lauf
- - - - Du bist meine Liebe.
(S. 192-193)
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Alle Gedichte aus: Gedichte von Carl Siebel
Zweite vermehrte Auflage Iserlohn Julius Bädeker 1859
 


Biographie:

Siebel, Karl, wurde als der Sohn eines Kaufmanns am 13. Januar 1836 zu Barmen geboren. Seine Schulbildung erhielt er erst durch Privatlehrer im väterlichen Hause, dann auf der Realschule seiner Vaterstadt und endlich auf der höheren Lehranstalt zu Scheydt. Nach dem Willen seines Vaters trat er 1850 in dessen Geschäft als Lehrling ein. Seine Abneigung gegen dieses Beruf suchte er durch Beschäftigung mit der Poesie zu bemeistern, und so erschienen seine ersten dichterischen Versuche bereits 1853 im "Album aus dem Wupperthale". Von 1856 ab brachte er drei Jahre auf Reisen zu und hielt sich namentlich längere Zeit in Berlin und England auf, sich den Studien und literarischer Thätigkeit widmend. Im Jahre 1860 kehrte er in die Heimat zurück. Später von einem Brustleiden befallen, suchte er auf der Insel Madeira Heilung, aber kaum heimgekehrt, starb er zu Elberfeld am 10. Mai 1868.

D.: Tannhäuser. Dichtung von Emil Thilva (pseud.). Iserlohn 1854. 2. Aufl. verm. um eine andere Dichtung: Ein Sohn der Zeit. Aphorismen aus der Gegenwart. Ebd. 1858. - Jesus von Nazareth. Gedicht. Leipzig 1856. - Gedichte Ebd. 1856. 3. Auflage Iserlohn 1863. - Religion und Liebe. Roman a. d.  Tagebuche eines Anonymen. Hamburg 1860. - Arabesken (Gedichte) Iserlohn 1861. - Dichtungen zur Shakespeare-Feier des Künstler-Vereins Malkasten in Düsseldorf. Barmen 1864. - Lyrik. Elberfeld 1866. - Gruß aus Rheinland. Neue Blüten rheinischer Dichtkunst (Anthologie). Ebd. 2. Aufl. 1866.

Aus: Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mitteilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Von Franz Brümmer. Eichstätt & Stuttgart 1876
 



 


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