Viktor von Strauß und Torney (1809-1899) - Liebesgedichte

Viktor von Strauß und Torney



Viktor von Strauß und Torney
(1809-1899)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:




Der selige Tag
(21. März 1831)

O Lieb' im Himmel,
Du warest wach!
Er ist mir erschienen,
Der seligste Tag!
O du wogender Busen,
An dem ich lag,
Du lieblicher Mund,
Der das Süßeste sprach,

Ihr weißen Arme,
Die ihr mich umfingt,
Ihr Augen, die thauend
Ihr übergingt,
Der Segen Gottes
Euch allzugleich!
O Liebe, wie machst du
Mich überreich!

Ist das der Weg,
Den ich gestern trat?
Der Wald, die Fluren,
Das Haus, die Stadt?
O Welt, o Himmel,
Wie anders ganz!
Bestrahlt, vergoldet,
Von Licht und Glanz!

O du Meine, Meine
Für Ewigkeit,
Du Fülle der Liebe,
Dir mir geweiht, -
Dir lohne der Himmel,
Was du mir verliehn,
Ich kan nur jubeln
Und dankend knie'n.
(S. 51-52)
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Besinnung

Fliehst du einmal, dich zu sammeln
Von dem Rausch, der dich umkreist?
Erd' und Himmel vorzustammeln,
Wie du überselig seist?
An den kalten Bergesklippen,
Die der Nachtthau übersprüht,
Kühl', o Busen, kühlt, ihr Lippen,
Noch von ihrem Kuß durchglüht!

Von des Glückes goldnem Wagen,
Während sie dein Arm umflicht,
Wie im Flug emporgetragen,
Bebst du vor dem Abgrund nicht?
Ist es möglich, all' ihr Götter,
Trägst du solchen Preis davon?
Höhnt nicht bald der kalte Spötter
Des gestürzten Phaeton?

O der Sorgen finsterm Schwarme!
Kehrt er abermals zurück?
Fliehe! flieh' in ihre Arme,
Fühle ganz dein volles Glück!
Willst du dir die Wonne kürzen,
Eh sie selber dir entflöh'? -
Sollst du in den Abgrund stürzen,
Sei's aus höchster Lebenshöh'!
(S. 53-54)
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Beruhigung

Wangen an Wangen,
Brust an der Brust,
Süßtes Umfangen,
Fülle der Lust!

All' in den Sinnen
Glück bis zum Weh!
Laß mich von hinnen
Eh' ich vergeh!

Küsse ohn' Ende
Tödten mich fast;
Kosende Hände,
Laßt mich, o laßt!

Schmerzlich entlassen,
Flieh' ich zurück.
Ist es zu fassen,
Alle das Glück,

Freuden und Schmerzen,
Qual und Genuß?
Immer im Herzen
Glüht mir der Kuß,

Und es umfängt mich
Schauer und Graus,
Jaget und drängt mich
Trunken hinaus;

Stern', und in euern
Seligen Chor
Jauchz' ich der Theuern
Namen empor;

Lege mein Sehnen,
Ringen und Glühn,
Selige Thränen,
Alles euch hin;

Find' auf der Erde
Himmel der Ruh,
Liebe, und werde
Heilig wie du.

Denken und Leben
Strömen zu dir.
Was kann ich geben?
Was gabst du mir!
(S. 55-57)
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Scheidestunde

Es harrt der Wagen schon mit seinen Rossen,
Es graut, Geliebte, schon des Tages Licht;
Zur Eile mahnt der Ruf der Fahrtgenossen; -
Noch halt' ich dich, du treues Herz, umschlossen;
O weine nicht!

O zeige mir dein schönes Auge heiter,
Verdüstre nicht dein liebes Angesicht;
Ja, solch ein Sonnenblick sei mein Begleiter!
Und rollt der Wagen fort und führt mich weiter:
O weine nicht!

Es gilt, in's Leben frisch hineinzudringen,
Das nur dem Tapfern Sieg und Lohn verspricht;
Den Baum zu pflanzen, der dir Frucht soll bringen,
Für sichern Heerd den Platz dir zu erringen;
O weine nicht!

Und dieser Mund, der meinem Mund begegnet,
Und dieser Blick voll Treu' und Zuversicht, -
Ob Wetter auch mein Frühroth überregnet,
Wie bleibt mir jeder Tag durch sie gesegnet!
O weine nicht!

Nun schallt der Ruf. Noch einen Kuß, noch Einen!
Er sagt uns Alles, was dem Wort gebricht.
O lange wird uns keiner mehr vereinen!
Leb' wohl! und siehst du nun den Freund auch weinen:
O weine nicht!
(S. 58-59)
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Die Nachtigallfeder schreibt

Die liebliche Sängerin zu dir zu tragen,
Schon war ich geschwungen, schon war ich bereit;
Sie sollte von deinem Geliebten dir sagen,
Sein sehnliches Wünschen, sein heimliches Klagen,
Sie sollte erquickend dir Nächtelang schlagen,
Zu verkürzen der Trennung, ach! schmerzliche Zeit.

Er hatt' ihr von dir, von dem Liebchen, gesungen,
Von Unschuld und Treue das herzlichste Lied.
Das ist ihr so innig zum Herzen gedrungen,
Da hat sie geschmettert, da hat sie gesungen,
Nach den höchsten, den herrlichsten Tönen gerungen,
Bis erschöpft in die Blumen sie sank und verschied.

Ihr ward ich die Erbin der süßesten Pflichten,
O wären die Wunder des Tons mir geschenkt!
Nun stock' ich und stammle, wie soll ich's verrichten?
Wie zeichnen und schreiben? Wohl muß ich verzichten,
Von deinem Geliebten dir treu zu berichten,
Wie er dein und nur dein und des Wiedersehns denkt.
(S. 60)
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Blumenbotschaft

Das Blümchen, das wir Beide lieben,
Lag auf den Lettern, die du schriebst,
Ich las in ihm als wär's geschrieben:
Dein harrt die Holde, die du liebst.

So legte sonst ein guter Engel
Dem Mönche, der das Jahr entschlief,
Im Chorstuhl einen Lilienstengel
Am Advent hin, der ihn berief.

Der Fromme, der sich im Gemüthe
Der höchsten Liebe treu erwies,
Schwang froh die unverwelkte Blüthe
Zum Zeugniß bald am Paradies.

Dein Blümchen war verwelkt, vergangen,
Doch frisch das Zeugniß, das er wies,
Und sel'ge Botschaft ist ergangen,
Es ruft auch mich in's Paradies.
(S. 61)
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Rückkehr

Horch, horch! mein Wagen rollt zu Thal!
Als Phöbus ausfuhr, fuhr auch ich;
Sein Wagen sucht den Himmelssaal,
Und meiner meinen Himmel, dich.

Auf goldnen Strahlen wiegen sich
Die Vögel jubelnd mit Gesang,
Zum Himmel jauchzt ihr Lied für sich,
Wie meins für mich zu dir erklang.

Weit schließt die Blume vor der Pracht
Sich auf wie eine Menschenbrust,
Und jedes Knöspchens Auge lacht
In heller frischer Morgenlust.

Erröthend flieht der letzte Traum
Und zögert noch in deinem Kuß;
Am Fenster nickt der Ulmenbaum
Dir flüsternd schon den Morgengruß.

Der Wagen rollt, der Wagen hält,
Ein Sel'ger stürmt die Trepp' empor, -
Und was dann vor auf Erden fällt,
Fällt nur im Himmel wieder vor.
(S. 62-63)
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Lenzmorgen

Der Morgen glühet,
Der Himmel hellt;
Vom Thau besprühet,
Wie strahlt das Feld!

Vor Wonne rüttelt
Sich Busch und Baum,
Wie wachgeschüttelt
Aus dunklem Traum.

Die Thiere springen
In freud'gem Hauf,
Die Vögel schwingen
Sich jubelnd auf,

Und tausend Herzen
Glühn heiß und klar
Wie Opferkerzen
Am Hochaltar,

Und tausend Leben
Umblühen mich,
Und duften, schweben
Und freuen sich.

Doch schallt noch heller
Mein Jubelton,
Doch fliegt noch schneller
Mein Fuß davon,

Doch schwebt noch höher
Das Herz in mir;
Denn näher, näher
Eil' ich zu dir,

Und komm' und glühe,
Berauschet ganz.
O Liebesfrühe!
O Lebensglanz!
(S. 64-65)
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Jungfrau Ilse

Wir stiegen vom alten Brocken,
Mein Lieb und ich zumal,
Durch wilde Tannen und Klippen
Hinab in's Ilsethal.
Dort unten tief in den Schluchten
Liegt mitten im Fluß ein Stein,
Da sprangen wir Beide hinüber:
Hier soll's gerastet sein!
Hab' Gruß, Jungfrau Ilse!

Da saßen wir Beide, wie selig!
Die Wellen umschäumten den Stein;
Mein Lieb goß in silbernen Becher
Hold lächelnd den funkelnden Wein.
Und als sie den Becher mir reichte,
Da goß ich ihn in den Fluß:
Dieß habe, o Brockentochter,
Dieß habe von uns zum Gruß!
Hab' Gruß, Jungfrau Ilse!

Wie lange wir dort gesessen,
Wir haben es nicht gezählt;
Es war nichts Süßes vergessen,
Es hat nichts Holdes gefehlt.
Es sangen die Vögel, es rauschten
Die Wellen so klar, so tief;
Wir saßen und kosten und lauschten,
Bis fürder die Stund' uns rief.
Hab' Gruß, Jungfrau Ilse!

Doch drunten hatte mein Grüßen
Die Brockentochter gehört,
Da hat sie im kalten Grunde
Des glücklichen Wandrers begehrt;
Und wo die Wellen sich stürzen
Hoch über das wilde Gestein,
Da riß sie mit blinkendem Arme,
Da riß sie mich zu sich herein.
Weh mir, Jungfrau Ilse!

Mein Lieb sah mich ringen und stürzen,
Verschwinden im schäumenden Schlund.
Sie hob zum Himmel die Hände,
Sie schrie mit bebendem Mund.
Da dachte die Jungfrau Ilse
An's eigne verlorene Glück,
Und reichte mit blinkendem Arme
Mich meiner Treuen zurück.
Hab' Dank, Jungfrau Ilse.

Wir sanken uns Herz zum Herzen,
Wir waren so glücklich, so jung,
Wir schritten und wanderten weiter;
Da rauscht' es vernehmlich genung:
Geht hin in die goldensten Tage
Der eilenden Lebenszeit,
Und kommt euch die Abschiedstunde,
Dann denkt, dann denket an heut! -
Hab' Gruß, Jungfrau Else!
(S. 66-68)
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Fröhlicher Fortgang

Treu' um Lieb' und Lieb' um Treue,
Sage, giebt's ein schön'res Band?
Ohne Furcht und ohne Reue
Schlang die Hand sich in die Hand.
Uns ist nicht die Zeit verschwunden,
Da ich sprach das erste Wort.
Erster Liebe goldne Stunden
Spinnen sich unendlich fort.

Streben ist ein ewig Irren,
Doch die Stunde will ihr Recht,
In des Lebens krause Wirren
Reißt sie fort wie zum Gefecht;
Aber eh' im Weltgedränge
Blick und Schritt ermatten muß,
Führst du mich zu holder Enge,
Wie des Friedens Genius.

Und es mehrt sich das Gelungne,
Und es schließt um uns heran
Dem Errungnen das Errungne
Mehr und mehr sich freundlich an.
O wie wird der Himmel heiter,
Den wir einst so trübe sahn!
Unser Weg wird täglich breiter,
Täglich sichrer unsre Bahn.

Und so klimmen wir allmählig
Unsrer Lebens Berg hinauf.
Sterne winken uns unzählig
Und bestimmen unsern Lauf.
Auch die fernsten Tage schicken
Heitre Bürgschaft treuer Art:
Lies sie in der Kinder Blicken
Wunderlieblich offenbart.
(S. 69-70)
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Zeitrechnung

Als ich dein Bräutigam war
Und du warst meine Braut,
Da schien mir die ganze Erde
Mit Blüthen überthaut,

Da zogen, wohin wir schritten,
Uns süße Düfte nach,
Da war mir das ganze Leben
Ein Nachtigallenschlag.

Die Menschen da draußen sagen,
Das sei nun manches Jahr;
Sag' an, du Liebe, reden
Die Menschen da draußen wahr?

Die Menschen da draußen zählen
Der Zeiten gar mancherlei;
Ich halte dich fest im Arme
Und mir ist's immer noch Mai.
(S. 78)
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Am Hochzeittage

Im Traum sah ich dich am Rädchen,
Mir ist als wär's erst heut',
Ein kleines süßes Mädchen,
Erröthend vor Lebensfreud'.
Die Augen, aufgeschlagen,
Blickten so groß und still,
Als wollt'st du das Leben fragen:
Was das wohl noch bringen will?

Im Traum lag ich dir am Herzen
Und brachte mein Leben dir;
Die Freuden wie die Schmerzen,
Sie wurden es dir wie mir.
Dir war das Schönste gegeben,
Was Menschen zugedacht:
Du hast ein finsteres Leben
Zum glücklich hellsten gemacht.

Im Traum hört' ich am Altare
Das Ja von deinem Mund;
Das liebliche, ewigwahre,
Wie drang es aus Herzensgrund!
Dann klangen freudige Grüße,
In Bechern perlte der Wein;
Du Treue, Gute, du Süße,
Vor Allen nun warest du mein.

Nun sitzest du selber zur Lust dir
Wie ein Bild aus alter Zeit,
Ein holder Knab' an der Brust dir,
Ein anderer dir zur Seit';
Ich aber knie' dir zu Füßen
Und fühle mich innig gestillt,
Ich möchte dich betend grüßen
Wie ein Muttergottesbild.

Die Jahre, sie werden vergehen,
Ihr Schreiten, wir hören es kaum,
Und einst, wenn wir rückwärts sehen,
Dünkt uns auch Heute ein Traum.
Dann werd' ich die Hand dir geben,
Und ein Greis ist, der zu dir spricht:
Ein Traum war das ganze Leben,
Nur, daß wir uns liebten, nicht.
(S. 79-80)
_____



Die Veilchen

Wenn mit der klaren Frühlingslust
Der erste süße Veilchenduft
Um Beet und Anger zieht,
Da wird mir gleich so morgenjung,
Da fühlt's das Herz wie Lerchenschwung,
Und alles Düstre flieht.

Ich denk' an deinen Jahrestag,
Noch eh' ich dir von Liebe sprach,
Im frühsten Lenz des Jahrs.
Wie werth dir meine Gabe schien!
Ein Veilchenbusch im ersten Grün
Mit ersten Knospen war's.

Ein Veilchenbusch, der dicht und voll
Aus offnen Blüthen Düfte quoll,
Belauschte dich und mich, -
Als dich zuerst mein Arm umschlang,
Ich flüsternd an das Herz dir sank:
"Unsäglich lieb' ich dich!"

Drum wird mir's ja so morgenjung,
Drum fühlt's das Herz wie Lerchenschwung
Und alles Düstre flieht,
Wenn mit der frischen Frühlingsluft
Der erste süße Veilchenduft
Um Beet und Anger zieht.
(S. 81-82)
_____


Aus: Gedichte von Victor Strauß
Bielefeld Velhagen & Klasing 1841
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_von_Strauß_und_Torney

 

 


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