Karl Streckfuss (1779-1844) - Liebesgedichte

Karl Streckfuss



Karl Streckfuss
(1779-1844)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Des Freundes Besuch

Horch, horch, was reget sich an der Thür,
Was flüstert draussen so leise?
Mir ist's, als rufe der Freund nach mir,
Mit zärtlicher bittender Weise.
Ach! still ist's im Zimmer -
Wenn Lämpchenschimmer
Doch nur das Dunkel durchdränge!
Lass ab vom Gesuche,
Die späten Besuche
Verbot ja die Mutter so strenge.

Doch immer lauter und lauter schlägt
Er an die verschlossene Pforte,
Und immer weiter und weiter trägt
Der Schall die verrathenden Worte.
Ich zittre, ich glühe,
Ich bitte dich, fliehe, -
O fliehe von dannen behende!
Wie könnt' ich es wagen,
Was sollt' ich nur sagen,
Wenn hier noch die Mutter dich fände.

Doch noch ist's so spät nicht und Mondenschein
Blickt her, die Nacht zu zerstreuen -
So komme denn, Lieber, so komm herein,
Und mache mich's nicht bereuen.
Sey sittig und stille,
Es sey nur dein Wille,
Mit mir noch ein Weilchen zu plaudern.

Schon auf ist die Thüre -
So komm doch, verliere
Die Zeit nicht mit längerem Zaudern.
Wo bist du, Geliebter, wo bist du hin?
Hast du, was ich scherzend gesprochen,
Genommen etwa für ernsten Sinn,
Und hast dich entweichend gerochen?

Du sollst mir verweilen,
Ich will dich ereilen,
Zurücke den Fliehenden bringen,
Ich will dich versöhnen
Mit zärtlichen Tönen,
Mein Kuss soll dein Zürnen bezwingen.
Du Loser, du Lieber, da bist du ja!

Wie hast du mich Arme geschrecket.
Ach! sicher warst du mir immer nah,
Warst nur zum Belauschen verstecket.
Ich bitte dich, schweige,
Schon fühl' ich, es steige
Vor Schaam mir das Blut in die Wangen;
So komm denn in's Zimmer,
Bey Mondenschimmer
Wird minder die Seele mir bangen.
(S. 24-26)
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Des Narcissus Verwandlung

Narciss, der schönste Hirt der Flur
Von reicher Anmuth Glanz umstrahlet,
Sucht überall der Schönheit Spur,
Die sich in seinem Innern mahlet.

Was formlos ihm im Herzen wallt,
Will zum Gedanken er erwecken,
Bestrebt, im Spiegel der Gestalt
Das Nahmenlose zu entdecken.

So irrt er über Berg und Thal,
Geäfft von irrer Hoffnung Schimmer,
Ermattet von der Sehnsucht Quaal,
Und findet das Gesuchte nimmer.

Einst sieht er unter jungen Main
Im Rasen eine Quelle spielen,
Sanft lispelnd ladet sie ihn ein,
Sein glühend Herz an ihr zu kühlen.

Narcissus folgt dem Ruf, und giebt
Dem Blumenbord die holden Glieder,
Da strahlet hell und ungetrübt
Ihm seiner Formen Zauber wieder.

Er sieht's und staunt - die Schönheit lacht
Aus stillen Wellen ihm entgegen,
Er fühlet ihre Göttermacht
Sein wonnetrunknes Herz bewegen.

Und er vergisst sich selbst, er sieht
Nur sie, die der Olymp geboren,
Der er, von Ahndungen entglüht,
Auf ewig Huldigung geschworen.

Doch Zeus erblickt von seinem Thron
Des reinen Jünglings heilig Beben,
Ihm will er nun den schönsten Lohn
Für die geweihten Flammen geben.

Denn wer sein Herz dem Schönen weiht,
Der weiht es ewig auch dem Guten,
Und läutert sich zur Göttlichkeit
Durch beyder nie getrennte Gluthen.

Und Zeus gebeut: Kann so dein Herz
Der Schönheit heil'ger Strahl entzünden,
So sollst du des Vergehens Schmerz
Der schönen Formen nie empfinden.

Drum sey der Erd' im Flug entwandt,
Der alles Schöne schnell entfliehet,
Zu wohnen in dem seel'gen Land,
Wo ewig jung die Schönheit blühet.

Doch eine Blume blühe da,
Wo einst, zur Quelle hingesunken,
Dein Blick das Tiefempfundne sah,
In wundersüssem Schauen trunken.

In voller Blüthe soll die Macht
Des Sturmes ihren Stängel knicken,
Sie soll, wenn neu der Lenz erwacht,
Auch neuerblüht der Quelle nicken.
(S. 27-29)
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Der Kuss

Nie kann die Liebe ganz ihr Wesen sagen,
Und tief im Herzen glimmt die reinste Gluth.
Sich zu enthüllen wär' ihr höchstes Gut,
Doch kann sie nie in lichte Flammen schlagen.

Die Sprache kann das Heiligste nicht tragen,
Kann nicht entschleyern, was im Herzen ruht,
Doch treibt der Sehnsucht ungestümer Muth,
Selbst das Unmögliche mit Kraft zu wagen.

Vergebens - nach dem Mädchen hingewandt,
Fühlt sich der Liebende das Herz beklommen,
Und selbst der Sprache armen Trost entnommen;

Da öffnet sich der Arme Wechselband -
Da flieget Lipp' und Lippe heiß zusammen
Und beyde Seelen glühn in gleichen Flammen.
(S. 31-32)
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Entzücken im Frühlinge

Es grünt das Feld,
Es blüht die Haide,
Und junge Freude
Weht durch die Welt.
Es glänzt mir das Auge, es schwillt mir die Brust
Vor Lust, vor Lust.

Ein Sehnen dringt
Mir durch die Seele,
Wenn Philomele
Im Strauche singt.
Es glänzt mir das Auge, es pocht mir das Herz
Vor Schmerz, vor Schmerz.

Und diese Lust,
Und diese Schmerzen,
In meinem Herzen,
In meiner Brust,
Sie heben vereint von der Erde Plan
Mich himmelan.
(S. 45)
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Liebe und Hoffnung

Lieb' und Hoffnung, wie oft habt ihr mich grausam betrogen,
Lieb' und Hoffnung, und doch habt ihr mich öfter beglückt!
Ewig will ich euch Göttlichen traun, will lieben und hoffen,
Und so sink' ich einst lächelnd hinab in die Gruft.
Denn die Hoffnung verspricht noch süsse Liebe mir jenseits,
Und die Liebe, sie drückt weinend die Augen mir zu.
(S. 46)
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Phantasieengemälde

Im Mondenschein, der was das Herz verborgen,
In schönen Träumen wunderbar enthüllt,
Weil' ich allein, ein Raub von düstern Sorgen,
Von Lieb' und Gram die bange Brust erfüllt;
Doch keimt der Phantasie ein junger Morgen,
Sie bringt, Geliebte, mir dein holdes Bild.
Voll Seligkeit und voll von tausend Schmerzen,
Heg' ich es liebend an dem wunden Herzen.

Es lächelt mir, es lispelt süsse Töne,
Es fesseln mich der Arme Lilienketten,
Dem Aug' entquillt der heissen Liebe Thräne,
Der Odem weht, wie linde Zephyretten.
Voll Lieb' und Huld, in göttergleicher Schöne,
Mich aus der Sehnsucht Labyrinth zu retten,
Giebt mir sich's hin, mir neues reiches Leben
Und Thatenkraft in jedem Kuss zu geben.

Mit jedem Kuss fühl' ich ein Feuermeer
Allmächtig in mein Innres sich ergiessen,
In Zauberfarben prangt die Welt umher,
Der liebliche Erscheinungen entspriessen.
Die Menschen sind's, die vorigen, nicht mehr,
Die treulos mich in meinem Schmerz verliessen.
Die Menschheit fliesst, entglüht von heil'gen Flammen,
In eine göttliche Gestalt zusammen.

Ihr weicht des Todes Genius zurück,
Und der Vernichtung grause Schrecken schwinden,
In ew'ger Einheit sieht mein trunkner Blick
Sie mit dem Geist des Weltalls sich verbinden;
Da sieht er sie ein gränzenloses Glück,
Ein kaum geahntes Ziel der Sehnsucht finden,
Da ist kein Gott vom Sterblichen verschieden,
Ein Wesen lebt, erfüllt von seel'gem Frieden.

O weilet, weilt, ihr holden Phantasieen,
Ihr aus der Liebe heil'ger Gluth entfaltet,
O weilt, dass ihr mit euren Harmonieen
Des Innern Chaos wieder neu gestaltet.
Lasst da der Freude Blumen wieder blühen,
Wo jetzt des Grames düstre Herrschaft waltet. -
Doch zum Olymp, wo sie herab gestiegen,
Seh' ich die schönen Träume wieder fliegen.

Amanda's Bild entringt sich meiner Brust,
Und flieht hinauf zu heimatlichen Sternen.
Da zieht von mir den weichen Arm die Lust,
Und folgt ihr nach in gränzenlose Fernen.
Nur meines Schmerzens bin ich mir bewusst,
Und nichts vermag das Dunkel zu entfernen,
Das mich umgiebt - des heissen Sehnens Quaal,
Der Liebe Schmerz verschlingt der Hoffnung Strahl.

Sie liebt mich nicht - Das fühl' ich in mir toben,
Nur dem Gedanken hab' ich mich geweiht.
Ein sterblich Weib, aus irrd'schem Stoff gewoben,
Ist sie dem Chor der Götter angereiht.
Hoch über mich ist sie empor gehoben,
Und lebt in seel'ger Abgeschiedenheit;
All' ihre Reiz' und ihre Wonnen riefen
Sich selbst hervor aus ihres Busens Tiefen.

Ein hohes Wesen, in sich selbst zufrieden,
In ew'ger Jugend blühend, ewig alt,
Kann nicht des Lebens Fessel sie ermüden,
Sie trägt sie leicht mit duldender Gewalt,
Und eine Fremdlingin scheint sie hinieden,
Und jeder staunt der himmlischen Gestalt,
Verweilt von fern, beschaut ihr schönes Leben,
Sein eignes Herz zum Schönen zu erheben.

Doch keiner wagt's, mit Liebe ihr zu nahn,
Denn jeder ahnt ein überirrdisch Wesen,
Und jedes Herz füllt stille Ehrfurcht an,
Von jedem Triebe fühlen sich genesen,
Die ihres Friedens ew'ge Klarheit sahn -
Nur mich kann diess nicht von dem Zauber lösen.
Mit unserm Seyn, mit unserm Leben schalten
Nach eigner Willkür höhere Gewalten.

Mein Genius befahl: Du sollst dein Leben
Der Grazie der stillen Wehmuth weihn.
Dir sey allein der Klage Trost gegeben,
Und bloss der Sehnsucht irre Kraft sey dein.
Hin nach Amanden sollst du ewig streben,
Und sollst ihr Herz nur rühren, nicht erfreun.
Die Liebe soll in deinem Blick sich spiegeln,
Doch soll den Mund gerechte Furcht versiegeln.

So streb' ich denn, und finde nirgends Frieden -
Oft klagt mein Leid dir thränenvoll mein Blick,
Oft scheint mir deine Thräne zu gebieten:
O hoffe! bald erblüht dir Lieb' und Glück.
Dann zuckt ein Strahl von Wonne durch den Müden,
Doch deine Göttlichkeit treibt mich zurück
Aus der Begeistrung lichterfüllter Sphäre,
In meines düstern Wesens grause Leere.

Und aus dem Leben treibt mit raschen Schlägen
Dem Grab mich zu das ungestillte Sehnen,
Doch gähnt die Gruft mir fürchterlich entgegen,
Auch hinter ihr erblick' ich Leid und Thränen.
Des Lebens Hass kann mir nur Quaal erregen,
Kann mit des Todes Graus mich nicht versöhnen;
Nichts ist mir hold, da selbst der Wehmuth Klagen
Mir ihres Trostes Linderung versagen.

Die Flur ist todt, der grimme Nordwind brüllt,
Am nahen Felsen brechen sich die Wogen,
Von schwarzen Wolken ist der Mond verhüllt,
Es kreisst der Schnee in regellosen Bogen.
Von Schmerz und Wuth ist die Natur erfüllt,
Als hätte sie wie mich ein Gott betrogen,
Hinaus zu dir, o zürnende Natur!
An deinem Busen find' ich Labung nur.
(S. 55-60)
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Echo

Stolz in seiner Schönheit Blüthe,
Wild in seiner Jugend Macht,
Sehnt Narciss sich nicht nach anderm Glücke,
Fragt nicht, ob in holdem Blicke
Ihm der Liebe Zauber lacht.
Doch für seinen Reiz entglühte
Längst die zarteste der Schönen,
Liebevoll, mit heissem Sehnen
Denkt sie sein bey Tag und Nacht.

Und sie folget ihm von ferne
In die Thäler, in den Wald,
Folgt ihm leise nach mit bangem Schweigen,
Wagt es nicht, sich ihm zu zeigen,
Birgt ihm schüchtern die Gestalt.
Ach! wie sagte sie so gerne,
Was in ihrem Busen lebet,
Doch wenn Sehnsucht vorwärts strebet,
Fesselt sie der Furcht Gewalt.

Und so lauscht sie seiner Rede,
In der Büsche Nacht versteckt,
Lauschet sorglich jeglicher Bewegung,
Oft von wunderbarer Regung
Tief im Innersten erschreckt.
Ihr ist selbst der Frühling öde,
Wo sie nicht den Holden siehet,
Doch ein Zauberland erblühet,
Wo sie zitternd ihn entdeckt.

Einst in der Gefährten Mitte
Sieht sie den Geliebten stehn.
Liebe treibt sie, ihm ans Herz zu sinken,
Und sie sieht den Jüngling winken,
Höret seine Stimme wehn. -
Aus dem Busch mit raschem Schritte
Eilt sie, ihm ans Herz zu fliegen,
Sehnend sich an ihn zu schmiegen,
Glaubt vor Wonne zu vergehn.

Doch nicht ihr hat er gewinket,
Und er flieht erstaunt zurück.
Ach! von ihrer Lust, von ihren Schmerzen,
Fühlt er nichts in seinem Herzen,
Kalt und düster ist sein Blick.
Und in Reu und Schaam versinket
Die Betrogne, sie entfliehet,
Doch im Innersten durchglühet
Sie das süss erträumte Glück.

In der Berge tiefste Klüfte,
Zu den schroffsten Felsen trägt
Sie der Liebe Harm, das treue Sehnen -
Einsam lauscht sie seinen Tönen,
Und wenn fern ein Laut sich regt,
Lässt ihn leise durch die Lüfte
Die Betrogne wiederschallen;
Hört sie dann den Ton verhallen,
Wird ihr Busen neu bewegt.

Und so schwand ihr zartes Leben,
Und ihr treues Auge brach;
Doch ihr Sehnen blieb den düstern Klüften,
Ihre Stimme noch den Lüften,
Wird bey jedem Rufe wach.
Und wenn Töne sich erheben,
Wähnt sie, dass der Liebling rede,
Und so lispelt aus der Oede
Sie getäuscht die Worte nach.
(S. 63-65)
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Das Geständniss

Ein Wörtchen muss ich dir verkünden,
Ein leises Wörtchen, dir allein;
Längst fühlt' ich's schon mein Herz entzünden,
Doch schloss ich's tief im Busen ein.
Du siehst mich fragend an? O schlage
Nur jetzt noch nieder deinen Blick,
Mir weicht der Muth, es treibt die Frage
Ins Innerste das Wort zurück.

Nein, sieh mich an - die Wange glühet,
Und zu der Erde sinkt mein Blick,
Mir pocht das Herz, der Athem fliehet,
Und so verscheucht die Furcht das Glück.
Ich kann - ich kann das Wort nicht sagen,
Ob es mein Innres gleich verzehrt,
Denn Reue folgt dem kühnen Wagen,
Wenn uns ein blinder Wahn bethört.

O möchtest du mich doch verstehen,
Und dann dem Schüchternen verzeihn!
Du lächelst? Deine Blicke sehen
Mein schön Geheimniss sicher ein.
Du nick'st mit freundlicher Geberde?
Du zürnest, Holde, nicht auf mich?
Wohl mir, dem Glücklichsten der Erde,
Amana, ja, ich liebe dich!
(S. 66-67)
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Der Unbeständige
Nach dem Französischen

Mein Herz ist nicht mehr dein, - der reizenden Nannette
Gehört es jetzt - Elmire, zürne nicht!
Wenn gegen Amors Macht ich mich empöret hätte,
Was hälf' es dir, da mir's an Kraft gebricht.

Er führt mein Herz mit nimmer müdem Flügel
Hin durch die ganze weite Welt,
Durch Stadt und Land, hoch über Thal und Hügel,
Wie's seinem Eigensinn gefällt.

Bald bringt er dir's vielleicht zurück, Elmire,
Doch rath' ich dir, vertraue nicht
Der Wahrheit dann und Dauer meiner Schwüre,
Wenn Treue dir mein Mund verspricht.

Denn nirgends lässt Cupid mein Herz verweilen,
Ja, er versteht, so wahr ich bin,
Wenn's ihm beliebt recht künstlich es zu theilen,
Und giebt zugleich es mehrern Schönen hin.
(S. 70-71)
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Die Verlassene an die Quelle

Felsentochter, die du mit holdem Kosen
Durch die Wiesen dich schlängelst, und der Ufer
Mannigfaches Gebild so hell zurückstrahlst,
Liebliche Quelle!

Wenn ich sehnend zu dir herab mich neige,
Strahlt mir deutlich mein Bild aus dir entgegen,
Doch kaum weich' ich, so ist das hell gestrahlte
Wieder verschwunden.

Soll ich hassen dich oder lieben? hassen
Sollt' ich, Flüchtige dich, doch wider Willen
Lauscht mein Sehnen dir noch - du gleichst dem Jüngling,
Der mich verlassen.
(S. 72)
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Entsagung
An -

Ein dichter Nebel schwamm auf meinen Loosen,
Die Zukunft hüllten düstre Wolken ein.
Ich hörte schon des Lebens Stürme tosen,
Und sahe rings umher Gefahren dräun.
Mit schwachem Kahn auf wildempörten Wogen,
Geschleudert von der grimmen Winde Wuth,
War mir der heimatliche Strand entflogen,
Und rings umschäumte feindlich mich die Fluth.

Kein Stern erschien die irre Fahrt zu leiten,
Und düstre Nacht umhüllte meinen Blick,
Versinken galt es, oder muthig streiten;
Nur Muth, sprach ich, besieget das Geschick.
Komm denn, o Schicksal, ich will mit dir kämpfen!
Nicht ängstlich stockt bey deinem Zorn mein Blut;
Mir gab Natur um deinen Stolz zu dämpfen,
Der Sehnen Kraft, des Herzen frohen Muth.

Die Welt ist gross, in ihren weiten Räumen
Blüht überall der Freude Ros' empor.
Die holden Blumen, Lieb' und Freundschaft keimen
Selbst aus des Felsen hartem Schooss hervor.
Oft wenn am öden freudenlosen Strande
Die letzte Hoffnung treulos mich verliess,
Schuf ja allmächtig sich im dürren Sande
Das reiche Herz ein holdes Paradies.

So dacht' ich sonst, und schaute frohen Blickes,
Und stolz und kühn auf meine Zukunft hin,
In mir fand ich die Quelle meines Glückes,
In mir des Lebens köstlichsten Gewinn.
Der Frohsinn war mein lächelnder Begleiter,
Komm, sprach er, komm, ich führe dich zur Ruh -
Und freudig glaubt' ich ihm, und strebte weiter
Voll Muth und Kraft dem schönen Ziele zu.

Doch ach! in düstre Traurigkeit versunken,
Flieht irr und scheu mein Auge jetzt umher,
Verloschen ist des Muthes letzter Funken,
Die stolze Kraft füllt nicht den Busen mehr.
Ich weiss es, was der Zukunft Schleyer decken,
Ich kenne nun das Loos, das meiner harrt,
Und grausam drohende Gestalten schrecken
Mich im Genuss der schönsten Gegenwart.

Du bist allein das Ziel von meinem Streben,
Dich will ich nur im ganzen weiten All,
Und ohne dich kann nichts mir Freude geben,
Ist Glück und Lust mir nur ein leerer Schall.
Schnell muss sein Haupt der junge Frühling beugen,
Wo du nicht bist - der bunten Wiesen Pracht
Erbleicht, und alle Lebenslaute schweigen -
Der goldne Tag verglüht in dumpfer Nacht.

Ich liebte dich - da stieg ein schöner Morgen
An meinem Himmel jugendlich empor,
Die seel'ge Kraft, in meiner Brust verborgen,
Brach schnell entzündet, wunderbar hervor.
Kommt her, o Welten, rief ich mit Entzücken,
Des innern Reichthums plötzlich mir bewusst,
Kommt her, o Welten, ich will euch beglücken,
Für alle quillt die Freud' in meiner Brust.

So sah ich mich in deiner Blicke Spiegel,
So fühlt' ich mich bey deinem warmen Kuss,
So hob mein Geist empor die leichten Flügel,
Vergass sich selbst im göttlichen Genuss.
Mich hatten seel'ge Himmel aufgenommen,
Der Erdensorgen letzter Schatten wich,
Und wunderbar vor hoher Lust beklommen,
Wer, rief ich, wer ist glücklicher als ich.

Sie kennet mich, sie hat mich ganz ergründet,
Sie weiss es, was in meinem Innern lebt,
In meinem Blick in meiner Rede findet
Sie, was das Herz zu sagen sich bestrebt.
Ein Blick, ein Wort, ein Händedruck genüget,
Ein Seufzer, der der Brust sich halb entwand -
Ihr Lächeln, das die Lippen leicht umflieget,
Es sagt mir deutlich, dass sie mich verstand.

So hatt' ich mich im Wonnerausch verloren,
So gaukelt' um mich Liebe Lust und Scherz,
Doch aus der Freude sanftem Schooss geboren,
Tobt nun in mir mit wilder Kraft der Schmerz.
Ich habe nur den Weg zum Licht gefunden,
Um zu versinken in die ew'ge Nacht;
Der Arm des Glückes hat mich nur umwunden,
Mich auszuliefern in des Leidens Macht.

Kaum hatt' ich dir der Liebe zartes Sehnen,
Das liebliche Geheimniss kaum vertraut,
Kaum hattest du mit schüchtern leisen Tönen
Erröthend mir ins Angesicht geschaut.
Kaum schmolz, bey deines ersten Kusses Wonnen,
In Harmonie mein ganzes Wesen hin,
So war auch meine Seeligkeit zerronnen,
Verwelkt die Blume vor der Furcht Beginn.

Denn schrecklich naht in meiner Freuden Mitte
Mir eine düster drohende Gestalt,
Fort, zürnt sie, fort, beflügle deine Schritte,
Du musst sie fliehn, die Scheidestunde schallt -
Nicht hoffe, sie hienieden mehr zu sehen,
Auf ewig trennt euch meine strenge Hand,
Du sollst allein, verwaist durch's Leben gehen,
Sie wieder finden erst an Lethe's Strand.

So ist, Geliebte, nun mein Loos entschieden,
Verloschen ist der Hoffnung goldnes Licht,
Und keine Freude lacht mir mehr hienieden,
Kein Stern erscheint, der meine Nacht durchbricht.
Entfernt von dir, zernagt von düsterm Harme
Führt mich durch Dornen meiner Zukunft Pfad,
Bis tröstend einst mit offnem Freundesarme,
Der Tod sich mir, ein holder Retter naht.

Dort, wo ein ängstlich quälendes Verlangen
Nie mehr der Freude zarte Blume beugt,
Wo von dem Arm der Ruhe sanft umfangen,
Die Leidenschaft im seel'gen Busen schweigt,
Dort, wo genährt von ungetrübtem Glücke,
Der Liebe Gluth im reinen Herzen brennt,
Wo nicht mehr grausam waltend das Geschicke,
Die Liebenden mit bitterm Hohne trennt;

Dort komm' ich einst vollendet dir entgegen -
Du kennest mich, du eilst mir freudig zu,
Und Hand in Hand, auf sanft gebahnten Wegen,
Durchwandeln wir das stille Land der Ruh;
Im Vollgenuss unwandelbarer Freuden,
Von allen Erdenlasten los und frey,
Fliegt dann noch einmal vor der Erde Leiden
Der reine Sinn, der heitre Blick vorbey.

So lebe wohl denn - Weit von dir vertrieben,
Bleibt ewig mir dein theures Bild zurück.
Ich schwör' es dir, ich will dich ewig lieben,
Und diess sey fortan mein Beruf, mein Glück.
Der Liebe Schatz soll keine Zeit mir rauben,
Wohin mich auch des Lebens Welle trägt,
Und ewig halt' ich an dem süssen Glauben,
Dass fühlend auch für mich dein Busen schlägt.
(S. 73-80)
_____



Zweytes Buch

Einleitung

1.
Hört ihr mich von Amandens Reizen singen,
So glaubt nicht, dass ein irrdisch Weib ich liebe.
Entflohen aus dem niedern Land der Triebe,
Erhebt zum Aether Sehnsucht ihre Schwingen.

Dort weiss sie sich das Höchste zu erringen,
Von dorther bringt sie mir die Gluth der Liebe,
Und was ich rede, denke, dicht' und übe,
Seht ihr aus diesem reinen Quell entspringen.

Wohl glaubt' ich einst auch aussen aufzufinden
Die holden Blumen, die aus dunkeln Keimen
In meinem reichen Herzen aufgeblühet;

Doch sah ich traurend bald die Täuschung schwinden,
Und weiss es sicher nun, dass nur in Träumen
Der wahren Liebe heil'ges Feuer glühet.


2.
Noch fand ich auf der Erde weiten Auen
Nicht eine Seele, die mich ganz ergründet,
Am eitlen Glanz der Erdenlust erblindet,
Kann keine ganz mein Innerstes durchschauen.

Dir, holde Dichtung, will ich mich vertrauen,
Dir will ich sagen, was mein Herz empfindet,
Der heil'gen Gluth, die meine Brust entzündet,
Will ich des Liedes ew'gen Tempel bauen.

In dir, o Dichtung, blüht mein wahres Leben,
In dir nur kann ich ganz mein Wesen sagen,
Du nur vermagst der Sehnsucht Sturm zu stillen.

Was sollt' ich noch nach andrer Wonne streben,
Da himmlisch, selbst wenn meine Töne klagen,
Mich tausend Freuden wunderbar erfüllen.
(S. 83-85)
_____



Sonette an Amanda


1.
Gewährung des Wunsches

Zum Himmel streckt' ich flehend oft die Hände,
Das unbekannt Ersehnte zu erbitten;
Ihr Götter, rief ich, viel hab' ich gelitten,
Gebt, dass in Ruhe meine Sehnsucht ende.

Dass Zeus im Traum mir das Erflehte sende,
Glaubt' ich, als du, die Hohe, kamst geschritten,
Und als ich mit dem Zweifel lang gestritten,
Glaubt' ich noch, dass mich süsser Wahn verblende.

Doch Wahrheit war es, und vor ihren Strahlen
War meiner Zweifel düstre Nacht verschwunden,
Und Ruhe kühlte meine heissen Wangen.

Und ach! ein ängstlich quälendes Verlangen,
Hat ihrem sanften Schoosse sich entwunden,
Und mich erfüllt mit unbekannten Quaalen.
(S. 86)


2.
Das höchste Schöne

Die Götter in der Seeligkeiten Fülle,
Unwandelbar auf ihren ew'gen Thronen,
Sie fühlen Ruh in ihrem Busen wohnen,
Und schaun auf uns herab in ernster Stille.

Des edlen Sterblichen allmächt'ger Wille
Schwingt sich hinauf zu des Olympos Zonen;
Der Götter Ruhe, nicht der Götter Kronen
Wünscht er, dass sie sein ew'ges Sehnen stille.

Du aber zeigst in Blick und in Geberde,
Verbunden schwesterlich, in That und Worte,
Der Gottheit Ruhe mit des Menschen Sehnen,

Denn ruhig heiter wallend auf der Erde,
Blickst du voll Sehnsucht nach des Himmels Pforte,
Und zeigst uns so das Bild des höchsten Schönen.
(S. 87)


3.
Gefühl der Heimath

Oft glaubt' ich bey des Busens bangem Wallen,
Dass ich ein armer Fremdling sey hinieden,
Drum hatt' ich von der Welt mich abgeschieden,
Und sehnte mich, zum Vaterland zu wallen;

Da hört' ich deiner Stimme Silber schallen,
Da sah' ich deines Lächelns süssen Frieden,
Da liessest du den Strahlenblick dem Müden
Erhellend in der Seele Dunkel fallen.

Und als erwacht' ich froh aus bangen Träumen,
Blickt' ich umher, und sah die Fluren grünen,
Und lächelte sie an mit süssem Grauen.

Die Heimath fühlt' ich in der Erde Räumen,
Und rief, als wär' mir Gottes Glanz erschienen:
Hier ist es schön, hier lass uns Hütten bauen.
(S. 88)


4.
Der Abend

Es schlief der Abend auf den stillen Auen,
Doch glänzten hell der Sterne wache Blicke;
Dass Lunens Strahl des Haines Nacht durchzücke,
Liess Zephyr ihn durch rege Blätter schauen.

Da gieng ich neben dir in süssem Grauen,
Und mächtig zog michs nach dem Götterglücke
An deiner Brust - doch schaudert' ich zurücke,
Und konnte mich der Hoffnung nicht vertrauen.

Da traten wir hervor aus stillem Haine,
Im Mondenduft glänzt' uns das Thal entgegen,
Und Freudenthränen sah ich dich vergiessen.

Und wie ich so dich sah, du göttlich Reine,
Fühlt' ich von keinem Trieb mich mehr bewegen,
Und meine Brust in Melodie'n zerfliessen.
(S. 89)


5.
Amors Launen

Mir ist so wohl, mir ist so weh, so bange!
O höre mich - doch nein, ich kann's nicht sagen,
Ich möchte jubeln, und erhebe Klagen,
Ich wünsche - doch wer sagt, was ich verlange?

Wie eilig flieht die Zeit - wie ewig lange
Währts, eh die Horen mich zum Ziele tragen.
Unendlich Land bestrahlet Phöbus Wagen,
Doch nirgends find' ich Raum dem ew'gen Drange.

Ich eile fort, da heisst das Herz mich weilen,
Ich weil', und Hoffnung treibt mich an zum Scheiden,
Ich lächl', und fühl' im Auge Thränen beben.

So kann ich Amors Händen nie enteilen,
Er ist ein Kind, und findet seine Freuden,
Den Launen seiner Kraft sich hinzugeben.
(S. 90)


6.
Erste Hoffnung

Sey freundlich mit mir! Ach, dem ew'gen Brande
Kann nicht des Auges düstres Zürnen wehren.
Nur eine von des Mitleids frommen Zähren,
Und neu ergrünen die versengten Lande.

Ein Lächeln nur - und zum beglückten Strande
Rett' ich mich aus der Wünsche wilden Meeren.
Ich will ja nicht der Liebe Becher leeren,
Will nippen nur von seinem goldnen Rande.

Du bist so gut, du kannst mir's nicht versagen,
Und dem vertrauend, füllt ein leises Hoffen
Die Brust mir an mit Welten hoher Wonne.

Verstummt denn, Seufzer, schweigt, ihr bangen Klagen!
Schon sind des Tages goldne Pforten offen,
Schon glänzt Aurora, bald erglüht die Sonne.
(S. 91)


7.
Erste Seeligkeit

Du bist mir gut - dein Auge hat's gestanden,
Der Stirne Falten können's nicht verneinen -
Ich sah der Augen Doppelsonne scheinen,
Und meiner Seele düstre Wolken schwanden

Wie wer entschlummert in der Erde Landen,
Sich wiederfindet in Elysiens Hainen,
So staun' ich lächelnd und die Augen weinen,
Seit in den deinen sie den Himmel fanden.

Und Blumen spriessen unter meinem Schritte,
Genährt vom Thau der wundersüssen Zähren,
Und in mir tönen himmlisch linde Saiten,

Und Stimmen säuseln aus des Herzens Mitte:
Sie ist dir gut, sie will dem müden Sehnen
An ihrem Herzen holden Lohn bereiten.
(S. 92)



8.
Das schöne Leben

Mit düsterm Streben und mit bangen Mühen
Zieht fort der Mensch im engen Lebensgleise;
Er reis't, doch kennt er nicht das Ziel der Reise,
Flieht, dem Geflohnen eilig zuzufliehen.

Bald fühlt er sich vor irrer Hoffnung glühen,
Bald starrt er in des grausen Schreckens Eise.
So dreht er blind sich durch die alten Kreise
Und kann sich nie der düstern Nacht entziehen.

So lebt' auch ich - doch wie am blauen Himmel
Der Abendwolken goldne Schaaren fliehen,
So weht mich jetzt der Liebe Hauch durch's Leben.

Tief unter mir erblick' ich das Gewimmel,
Und neben mir seh' ich ein Eden blühen,
Seit jenes Blickes Zauber mich umschweben.
(S. 93)


9.
Ueberzeugung der Liebe

Wie linder Hauch umwehet mich das Leben,
Wie Blumendüfte schwinden meine Stunden,
Von jeder Fessel bin ich losgebunden,
Auf leichten Träumen lächelnd hinzuschweben,

Seit mich der Liebe Rosenband umgeben,
Seit ich in deinem Blick den Himmel funden -
Du warst mir hold - die Erde war verschwunden,
Mit ihren Mühn und ihrem bangen Streben.

Und wie des Aethers ruhig klare Helle,
Wie seine Sterne nie der Zeit erliegen,
Wie nie das Hohe, Himmlische vergehet,

So wird auch meiner Seeligkeiten Quelle
In deinem treuen Auge nie versiegen,
So lang um mich des Lebens Odem wehet.
(S. 94)


10.
Reichthum im Innern

Wie goldne Funken durch die Haine beben,
Wie Phöbus Strahlen auf dem Strome zittern,
Wie schnell entstanden nach den Ungewittern
Der Iris Farben in den Lüften schweben;

Wie in den Blättern tausend Zungen leben,
Wenn Zephyr spielt in schwanker Zweige Gittern,
Wie wenn die Harfe seine Hauch' erschüttern,
Den Saiten leise Harmonie'n entbeben;

So schwimmet tausend reicher Farben Schöne
Auf meiner frohen Seele dunkeln Tiefen,
Seit du in Sonnenglanz mir aufgegangen;

So leben in mir wunderbare Töne,
Die tief erstarrt in meinem Busen schliefen,
Seit deines Wesens Wohllaut mich umfangen.
(S. 95)


11.
Begeisterung

Schön ist mein Lied! - Ich sag' es mit Entzücken,
Und keiner tadle mir das stolze Wort,
Denn mächtig reisst Begeistrung mit sich fort,
Wen Lieb' und Genius vereint beglücken.

Und was er thut und spricht, das muss sich schicken,
Ist stets zur rechten Zeit, am rechten Ort.
Kein kalter Krittler spreche, hier und dort
Ist diess und das zu feilen und zu rücken.

Drum bleib', o Lied, wie Liebe dich gebar -
Ein ew'ges Denkmal meiner Lust und Schmerzen,
Leg' ich dich auf der Grazien Altar,

Und wie du kamst von meinem warmen Herzen,
Schön, freundlich, leicht und spiegelrein und klar,
Soll nie ein Tadel deinen Schimmer schwärzen.
(S. 96)
_____



Getäuschte Liebe

1.
So war es nur ein Traum, was ich gesehen,
Und fort hat ihn die Morgenluft getragen?
Noch wag' ich kaum die Augen aufzuschlagen,
Noch zweifl' ich, und weiss nicht, wie mir geschehen.

"O komm, lass uns vereint durchs Leben gehen,
Vereint uns freuen und vereinet klagen,"
So schien zu mir ein holdes Weib zu sagen,
Und Aethers Düfte fühlt' ich um mich wehen.

Der Erde neu verknüpft durch süsse Banden,
Hatt' ich der schönsten Hoffnung mich ergeben,
Und alle Wolken meiner Sorgen schwanden.

Wie schön, wie heiter lachte mir das Leben,
Wie herrlich lief vor mir in Zauberlanden
Ein Blumenpfad zum Ziel von meinem Streben.
(S. 97)


2.
Die Blumen sind verblüht, der Pfad verschwunden,
Von dichter Wildniss seh' ich mich umfangen,
Die Luft ist schwühl, mein Herz fühl' ich erbangen,
Und trüb' und düster schleichen meine Stunden,

Durch nichts bin ich an's Leben mehr gebunden,
Zum Tode treibt mich schmerzliches Verlangen.
Was soll ich hier? Die Hoffnung ist vergangen,
Und meines Lebens Ziel hab' ich gefunden.

So nah' ich mich mit starrem Blick dem Grabe,
So fühl' ich schon mein innres Leben schwinden,
So fühl' ich matt und ohne Kraft die Glieder -

Das trübe Daseyn nur ist meine Habe,
Und gern legt' ich, der Last mich zu entwinden,
Mein müdes Haupt zum letzten Schlummer nieder.
(S. 98)


3.
Ich bin so arm, so traurig, so verlassen,
Und meiner Freude Blüthen sind zerstöret,
Von harten Kämpfen ist mein Herz verzehret,
Und glühn fühl' ich mein Antlitz und erblassen.

Die ich so heiss geliebt, dich soll ich hassen?
Verachten dich, die ich so hoch geehret?
Vernichten, was ich liebevoll genähret?
Mir lacht das Glück - ich darf es nicht umfassen.

Verlassen muss ich dich, diess ist der Wille
Der strengen Tugend, doch mit sanftem Winken
Lockt Amor schmeichelnd mich zu dir zurücke.

Und dass in mir der bange Streit sich stille,
Sehn' ich mich, in die ew'ge Nacht zu sinken,
Denn Leid nur sehn auf Erden meine Blicke.
(S. 99)


4.
Kommt nun die Stunde, wo mit schnellem Flügel
Der Lieb' ich sonst an deine Brust geflogen,
Dann toben in mir wilder Sehnsucht Wogen,
Und der Vernunft entringt der Gram die Zügel.

Mich treibts von Menschen weg - Durch Thal und Hügel,
Durch Sturm und Schnee gewaltsam fortgezogen,
Eil' ich und sinne: Sie hat mich betrogen,
Und ach! ihr Antlitz war der Wahrheit Spiegel.

Wie schön sie war, wie gut, wie treu ergeben -
Voll holder Einfalt schien ihr ganzes Wesen,
Von hoher Tugend schien ihr Herz entzündet.

O schöner Traum, o Glück von meinem Leben,
O kehre wieder, immer dich zu lösen,
Bis meines Lebens Licht in Nacht verschwindet.
(S. 100)


5.
So treu, so innig war ich dir ergeben,
Und du - du konntest so mein Herz betrügen?
Noch zweifl' ich, ob nicht meine Sinne lügen,
Ob Truggestalten nicht den Blick umschweben.

Allein nach mir schien ja dein Wunsch zu streben,
Und heisse Liebe sprach aus allen Zügen,
Wie eiltest du, in meinen Arm zu fliegen,
Wie schienst du ganz in meinem Blick zu leben!

Wie reich fühlt' ich mich da an tausend Wonnen,
Mit ewig jungen Blumen deine Pfade
Zu schmücken, jeden Schmerz von dir zu scheuchen.

Doch arm ist nun mein Herz, die Kraft zerronnen -
Mir selbst blüht nun kein Blümchen am Gestade,
Ich selbst muss kraftlos meinem Kummer weichen.
(S. 101)


6.
Voll Seeligkeit, vom schönsten Traum geblendet,
Von deinen Armen innig heiss umwunden,
War mir des Pilgerlebens Angst verschwunden,
Und Herz und Sinn mir wunderbar gewendet.

Dich, rief ich, hat ein Gott mir zugesendet,
Nun bluten nicht mehr meiner Sehnsucht Wunden,
In dir hab' ich des Lebens Ziel gefunden,
Und wohl mir nun, mein Irren ist beendet.

Du sahst mich an, es schwamm dein Blick in Thränen -
Mein Freund, mein Einziger, hört' ich dich lallen,
Und fühlte heiss dein Herz an meinem schlagen -

Wie sollt' ich da nicht hochbeglückt mich wähnen?
Wer zweifelt noch, wenn voll von Wohlgefallen,
Ich liebe dich, ihm deine Augen sagen.
(S. 102)


7.
Und diese treuen Augen konnten trügen,
Und dieses Blickes sanftes Wohlgefallen,
Und dieses Busens liebevolles Wallen?
Und diese Schmeichelworte konnten lügen?

Nicht trauen sollt' ich diesen edeln Zügen -
Ich seh' es nun, der Schleyer ist gefallen;
Doch wem soll noch mein Herz entgegenwallen,
An wen soll ich mich noch vertrauend schmiegen?

So will ichs denn mit festem Muthe schwören,
Von nun an wandl' ich einsam durch das Leben,
Will keiner mehr die Hand zum Bündniss reichen.

Und sollte mich des Edeln Schein bethören,
Dann soll den Wankenden dein Bild umschweben,
Mich warnend in mich selbst zurück zu scheuchen.
(S. 103)


8.
Dir zürn' ich nicht, du hast mich nicht betrogen,
Denn was du hattest, hast du mir gegeben;
Schuld ist mein Herz, mit seinem heissen Streben,
Das Engelstugend mir an dir gelogen.

Ich schuf dich mir - der Erde leicht entflogen,
Riss dich hin, mit mir empor zu schweben;
Auch blüht' in dir ein neues, schönes Leben,
Als ich in meine Welt dich fortgezogen.

Doch matt vom hohen, ungewohnten Fluge,
Fielst du zurück durch deines Wesens Schwere,
Und warfest von dir, was ich dir geliehen.

Da schwand dein Reiz, da staunt' ich ob dem Truge,
Da riss ich mich von dir, der lichten Sphäre
Des Vaterlandes einsam zuzufliehen.
(S. 104)
_____



Aus Fragmente

Sechstes Fragment

Sehet, so schlürft' ich hinunter den Becher himmlischer Liebe,
Bis geleeret der Kelch seeligen Händen entsank.
Liebliche Schwachheit folgte dem schnellentflohenen Rausche,
Und es sank mein Haupt ihr an die ruhige Brust.
Wie der Glocke Ton in milden Lüften verhallet,
So verhallet' in uns, Leben, dein stürmischer Laut,
Süsser Schlummer befieng uns, es flatterten goldene Träume
Aus den Wolken herab uns um die Schläfe herum.
Bald vertrieb ein frohes Erwachen die gaukelnden Bilder,
Neu belebet kam Lieb' uns und Wonne zurück.
Frohen Geschwätzes viel floss von den Lippen, und viele
Küsse verschlangen noch oft halb nur gesprochen das Wort.
Mein auf ewig bist du, o theure Geliebte, und einzig,
Dein, Amanda, bin ich, ewig und einzig und ganz.
Fester verbindet die Wohlthat den Geber und den Beschenkten,
Beyde empfiengen wir, schenkten uns Liebe und Glück.
Alles bist du mir nun, auf dich beschränkt sich mein Leben,
Ewig leb' ich in dir, ewig in besserer Welt -
Ja, hoch über den Sternen, die jetzt dem Liebenden winken,
Find' ich ein Seeliger einst auf den verschwisterten Geist.
Was die Vernunft mir verneint, bejaht mir jetzt die Empfindung,
Amor scheuchet mir jeglichen Zweifel zurück.
Ach, Geliebte, du kannst die ganze Liebe nicht fühlen,
Nicht begreifen, was tief mir in dem Busen sich regt,
Vieles Grosse giebt es auf der unendlichen Erde,
Und Erstaunen füllt darum der Sterblichen Sinn,
Aber könnt' ich ganz mein innerstes Wesen enthüllen,
Zeigen die seelige Kraft, die mir Amanda verliehn,
Staunen sollten dann alle dem nie geahndeten Anblick,
Staunen, dass mich so einzig die Götter beglückt.
Ja, ich fühl' es, Amanda, was in mir lebet, ist einzig,
Aber einzig bist du, die mir diess Leben geschenkt.
Deines Wesens Wohllaut vereinet die Fülle der süssen
Harmonieen, die nur einzeln die andern erfreun.
Eine Sonn' erscheinst du, und rufst mit himmlischen Strahlen
Jede Blume hervor, die noch der Boden verbarg.
Mit des Lenzes Schmuck bekleidest du gern den Geliebten,
Jede Wolke zerstreut ihm dein allmächtiger Blick,
Dass ein fröhlicher Himmel ihn, den Beglückten, umlache,
Dass er die heitere Brust bad' im ätherischen Duft.
Du entschliessest dem Herzen die Pforte verborgener Zukunft,
Hebest den Schleyer, der ihm neidisch sein Wesen verbarg,
Und das Grosse wird ihm unendlich, das Kleine zum Grossen,
Unbedeutendes ist nicht mehr im weiten Gefild.
Alles trägt die Spur der grossen, ewigen Liebe,
Waltend veredelt ihr Geist, was sich dem Liebenden zeigt.
(S. 123-126)
_____



Siebentes Fragment

Immer redet' ich so, und Svada bewohnte die Lippen,
Lächelnd hörte sie gern mir, die Schweigende, zu.
Aber ihr Auge sprach - es sprach, der fest mich umschlungen,
Oft ihr Arm, wenn er fester den Redner umschloss.
Lange Küsse erregten noch höher die Gluth der Begeistrung,
Bis Aurorens Glanz golden im Osten erschien,
Da entzog sie mir schnell die zarten Arme, und eilte,
Dass nicht verrathend der Tag sähe die Liebende fliehn.
Aber oft noch rief mein Blick sie zurücke - sie folgte,
Und noch oft verschloss sie die geöffnete Thür.
Endlich zum Scheiden zwang, die schon sich erhellte, die Dämmrung,
Und sie schlüpfte hinein in das heimatliche Haus.
Sinnend weil' ich nun, und rufe zurücke die Bilder,
Die mir den Träumen gleich flohn in der seeligen Nacht.
Aber dunkel nur ist mir die Erinnerung, führet
Mir nur verworrne Gestalt vor den ermatteten Blick,
Denn die ruhigen Arme streckt mir der Schlummer entgegen -
Gern ergeb' ich mich dir, freundlicher, stärkender Gott.
(S. 127-128)
_____



Schönheitssinn

Im Herzen ruhet tief verborgen,
Was jeder spürt, und keiner kennt.
Es regt sich, wenn am jungen Morgen
In Gold des Aethers Blau entbrennt.
Wir fühlen's, wenn der Abend sinket,
Wenn sich die braune Nacht uns naht,
Wenn Luna's sanftes Auge winket,
Umgaukelt's der Gefühle Pfad.

Es ist ein wunderbares Wesen,
Und scheint aus Aethersduft gewebt,
Ein Räthsel - keiner kann es lösen,
Was auch die Sehnsucht sich bestrebt.
Wenn seine Zauber um uns schweifen,
Sucht es umsonst der irre Blick,
Die Sehnsucht heisst, den Schatten greifen,
Dann tritt er geistergleich zurück.

Doch treibt ein schmerzlich süsses Streben
Uns fort, nach dem Geheimen hin,
Es anzuschaun in That und Leben,
Und deutlich dargestellt dem Sinn.
Oft glauben wir, es zu erblicken,
Wenn uns der Schönheit Zauber winkt,
Dann füllt uns himmlisches Entzücken,
Und jeden Schmerzes Spur versinkt.

Wenn hergesandt von Himmelshöhen,
Die Schönheit der Gestalt sich zeigt,
Wenn wir des Künstlers Werke sehen,
Dem sich die Grazie liebend neigt,
Wenn bey des heil'gen Dichters Tönen,
Das Herz mit Wonne sich erfüllt,
Dann schweigt des Busens banges Sehnen,
Und unser Streben ist gestillt.

Der Ruhe Rosenlippe neiget
Sich dann zu uns mit leisem Kuss,
Und aus des Herzens Tiefen steiget
Melodisch guter Geister Gruss.
Dann drücken nicht der Erde Lüfte
Des Geistes leichte Schwingen mehr.
Es wehen lieblich reine Düfte
Aus unbekannten Welten her.

Das Höchste scheint sich zu entfalten,
Die Gottheit liebend uns zu nahn,
Und über unser Seyn zu walten,
Zu ebnen unsers Lebens Bahn.
Sie scheint zu sich uns zu erheben,
Erhellt des Grabes öde Nacht,
Uns glänzt ein neues, schönes Leben,
Das die Vergänglichkeit verlacht.

So stillt das Schöne unser Streben,
Das jeder spürt und keiner kennt,
Dess Zauber ewig uns umschweben,
Das stets uns ruft, und nie sich nennt,
Das nie gestillte herbe Schmerzen,
Dem, der sich selbst verlor, gebiert,
Und das die kindlich treuen Herzen
Hinauf zum Thron der Gottheit führt.

Und nicht vergehn des Schönen Spuren,
Wenn es der Gegenwart entflieht,
Denn wie durch Sonnenglanz den Fluren
Ein lockig junger Lenz entblüht,
So keimt der höchsten Menschheit Blüthe
Nur bey des Schönen Strahl hervor;
Die Kraft, die einmal sie durchglühte,
Treibt sie zum Stamme hoch empor.

So wuchert in die fernsten Zeiten
Der Schönheit süsser Anblick fort;
So reiche Segnungen verbreiten
Des Dichters Bild und Ton und Wort;
So ist, was du, o Kunst, geboren,
Was die Begeisterung erzeugt,
Für die Unsterblichkeit erkoren,
Und wird von keiner Zeit gebeugt.

Als noch des Himmels blaue Ferne
Den Thron Unsterblicher umschloss,
Als frommer Glaube durch die Sterne
Des regen Lebens Odem goss,
Da jauchzten laut die ew'gen Zecher,
Wenn Hebe ihre Blicke fand,
Und höhre Wonne gab der Becher,
Gereicht von Ganimedes Hand.

Wohin nur Amors Augen flogen,
Da wich vor seinem Blick die Nacht,
Und nicht den Pfeilen, nicht dem Bogen,
Der Schönheit dankt' er seine Macht.
Er wollt' es, und in Lieb' entglühte
Selbst Juno's nie gebeugter Stolz.
Du lächeltest, o Aphrodite,
Und Jovis düstrer Ernst zerschmolz.

Du, der die Grazien gelächelt,
Vor allen hold, Aspasia,
Wenn deines Nahmens Wohllaut fächelt,
Sind uns noch süsse Träume nah.
Noch schlägt, entglüht von schönerm Feuer,
Bey seinem Laut das Herz empor,
Und aus der Zeiten düsterm Schleyer
Glänzt deine Wohlgestalt hervor.

Noch lebt der greise Mäonide,
Noch blühet seiner Schöpfung Pracht,
Noch wird das Herz bey Pindars Liede
Zu hohen Thaten angefacht.
In ewig schönen Flammen glühet
Noch Sapho's mächtiges Gefühl,
Und jede düstre Sorge fliehet
Noch bey des frohen Tejers Spiel.

Und wie die herrlichen Gestalten,
Die Aeschils Genius gebar,
Mit Majestät vorüber wallten
Vor der erstaunten Griechen Schaar,
So gleiten sie mit hoher Würde
Noch jetzt vor unserm Sinn vorbey,
Erleichtern unsers Lebens Bürde,
Und machen das Gebundne frey.

Noch labet uns Blandusia's Quelle,
Wenn Trübsinn unser Blut vergällt,
Noch sehn wir auf des Lebens Welle
Geschaukelt Maro's frommen Held.
Im magischen Gewirr erscheinet
Noch der Verwandelungen Schwarm.
Noch, wenn Ovid im Pontus weinet,
Ehrt unsre Thräne seinen Harm.

Wenn in der Zeiten regem Streben
Der Völker Ruhm die Welt vergass,
So werdet ihr doch ewig leben,
Praxiteles und Phidias.
Zwar eure Werke sind versunken,
Doch ist ihr Wirken nicht zerstört,
Noch wird von eures Geistes Funken
Des Künstlers Seele neu verklärt.

Noch treiben eure hohen Nahmen,
O Zeuxis, o Parrhasius,
Zur Blüth' empor des Schönen Saamen,
Sie schenken uns der Frucht Genuss.
Sie weichen nicht der Zeiten Fluthen,
Kein Schicksal hemmet ihre Macht,
Sie lodern noch in Guido's Gluthen,
Sie leuchten aus Correggio's Nacht.

So wuchert in die fernsten Zeiten
Der Schönheit süsser Anblick fort,
So reiche Segnungen verbreiten
Des Dichters Bild und Ton und Wort.
So ist, was du, o Kunst, geboren,
Was die Begeisterung erzeugt,
Für die Unsterblichkeit erkoren,
Und wird von keiner Zeit gebeugt.

Dort, wo zu grausen Ueberhangen
Sich auf die Felsenmasse thürmt,
Wo durch die Wände, die ihn drängen,
Der Giessbach wild hernieder stürmt,
Wo kärglich klimmend nur der kühne
Epheu dem Boden sich entstahl,
Dort führt, bedeckt von seiner Grüne,
Ein Pfad zu einem schönen Thal.

Es wird von hoher Linden Zweigen
Mit süsser Dämmerung umgraut,
Ihm störet nie der Ruhe Schweigen
Der Stürme schreckenvoller Laut;
Nur den Gesang der Nachtigallen
Lallt Echo's zarte Stimme nach,
Ein Zephyr heisst die Blüthen fallen,
Und schaukelt sich im grünen Dach.

Da blühn aus milder Wiesen Matten
Die Blumen üppig schön empor,
Die nie vor Phöbus Strahl ermatten;
Dort bricht ein Silberquell hervor.
Er spielt mit lieblichem Gekose
Hin durch der Auen frisches Grün,
Die Blumen nicken seinem Schoosse,
Und sehn entzückt, wie schön sie blühn.

Hier, wo des jungen Grases Keime
Vor mir kein Menschenfusstritt bog,
Wo durch die dunkelhellen Räume
Noch nie der Ton der Klage flog,
Wo tosend nie des Lebens Welle
An rauhen Felsen sich ergiesst,
Wo sie so sanft und silberhelle,
Wie aus der dunkeln Quelle fliesst;

Hier will ich einen Altar gründen,
Und ihn dem Dienst des Schönen weihn,
Hier soll des Lenzes Wehn mich finden,
Verborgen, ungestört, allein;
Zufriedenheit soll mich begleiten,
Und wundersüsser Träume Lust,
Es soll kein Zweifel sie bestreiten,
Kein Gram bekämpfen meine Brust.

In tiefes Schauen zu versenken
Den reinen Blick, den reinen Sinn,
Mit Harmonie das Herz zu tränken,
Sey meiner Einsamkeit Gewinn;
Und reich an hohen Idealen,
Die ihre Götterbrust genährt,
Wird mir die Kunst entgegen strahlen,
Die nur die reinen Herzen hört.

Von ihr wird jeder Schleyer fallen,
Und das Geheimste werd' ich sehn,
In allen ihren Reizen, allen,
Wird die Geliebte vor mir stehn.
Ihr Anblick wird mich neu beseelen,
Und ihrer Götterstimme Laut
Wird mächtig meine Kräfte stählen,
Zu singen, was ich angeschaut.
(S. 7-14)
_____
 

Aus: Gedichte von Carl Streckfuss
Wien Bey J. V. Degen Buchdrucker und Buchhändler
1804



Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Streckfuß

 

 


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