Georg Friedrich Treitschke (1796-1842) - Liebesgedichte



Georg Friedrich Treitschke
(1796-1842)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Robert und Klärchen

Veilchen blühten, Rosen glühten,
Bäche murmelten herbey.
Vögel sangen durch die Lüfte,
Herrlich kam der junge May.
Und er brachte neues Leben,
Hiess die Blumen auferstehn.
Schön ist mir die Zeit der Reben,
Aber auch der Frühling schön.

Mayentage, Lust und Klage
Strömen sie in's offne Herz.
Mit dem Frühling kommt die Liebe,
Mit den Wonnen kommt der Schmerz.
Zart geschaffne weiche Seelen,
Fühlend selber fremde Noth:
Lasst euch treue Lieb' erzählen,
Treue Liebe bis zum Tod.

Wo auf Höhen Gemsen gehen,
Dort im alten Schweizerland,
Lebte Robert, lebte Klärchen,
Einig für das schönste Band.
"Mit der Pfingsten heil'gem Feste,"
Also klang der Väter Wort:
"Wird dein Weib der Mädchen beste,
Robert, führst du Klärchen fort!"

Denn von grauer Felsenmauer,
Die ein Waldstrom vielfach theilt,
Wurde Robert's Trifft geschieden,
Von der Trifft, da Klärchen weilt.
Zwar, im Flug von wenig Stunden,
Kannst du her- und hinwärts ziehn.
Doch, die wähnt sich weitentschwunden,
Der ihr Dorf als Welt erschien.

Jeder Morgen, sonst verborgen,
Sonst von Klärchen nur gesehn,
Jetzt die Eltern munter grüssend,
Also sieht man Robert gehn.
Vor dem Schein der Himmelsröthe
Wallt er die bekannte Bahn.
Nach des Hirten Abendflöte
Tritt er still die Heimfahrt an.

Und zu Hause, in der Klause
Lang erprobter Sorgsamkeit,
Wirkt und schafft das Paar der Mütter,
Sinnend für die Folgezeit.
Heftet schneeig weisse Leinen,
Sammelt Dunen ohne Zahl.
Lässt Metall von Brettern scheinen,
Glas und Holzwerk allzumahl.

Sondern Weile, rasch in Eile
Sind die Wochen hingeflohn.
"Morgen, zweyter Tag der Pfingsten,
Morgen, morgen mein Du schon!"
Morgen Dein! Sieh, Robert, Thränen!
Bang und traurig ist er mir!
"Morgen mein! Die heissen Thränen
Trocknen heissre Küsse Dir."

Guter Robert, theurer Robert,
Wenn wir uns nicht wiedersehn?
Wenn ich Dir, Du mir vergebens
Morgen uns entgegen gehn?
"Liebchen, lass die trüben Sorgen:
Mit Musik und Liederklang
Ziehst Du morgen, zieh' ich morgen
Jedes seinen Pfad entlang."

Und mit Klagen und mit Zagen
Hört sie Robert's gute Nacht,
Und schon ist er weit gewandert,
Als ihr starres Herz erwacht.
Einsam wankt sie, matt und trübe,
In gewohnte Kammer ein.
Sich nicht Träumen sel'ger Liebe,
Bussgebeten nur zu weihn.

Robet munter, rasch bergunter
Schreitet seiner Hütte zu.
Die ihn heut allein umschliesset,
Bald verbirgt sie süssre Ruh'!
Froher Ahndungen Gewebe
Gaukeln um sein Angesicht.
Lebensmuthger Jüngling, bebe!
Dir erglänzt kein Morgenlicht.

Nach der Sonne goldner Wonne
Harret sehnend Klärchens Blick.
Endlich kommt der Strahl aus Osten,
Und die Schatten fliehn zurück.
Von dem Thurme hell Geläute;
Vor der Thür Schalmeyen-Chor:
"Tritt hervor, du Braut der Bräute,
Klärchen, Klärchen, tritt hervor!"

Nun im Schimmer, aus dem Zimmer,
Mit dem Myrthenkranz im Haar,
Frische Blumen zum Geschmeide,
Stellt dem Dorf sich Klärchen dar.
Sie, in der Gespielen Mitte,
Eltern, Freunde hinterdrein!
Also fügt, nach frommer Sitte,
Paarweis' sich der Hochzeit-Reih'n.

Psalmen klingen, Alle singen:
"Wie du willt, so schick's mit mir."
Wählt, o wählet andre Lieder,
Trauerweisen bannt von hier!
"Herz und Sinn hab' ich ergeben
Meines Gottes Sinn und Herz."
Gott, du sendest Tod und Leben,
Sey mein Gott in Lust und Schmerz!

Fern am Stege, wo zwey Wege
Seitab sich zur Tiefe drehn,
Prangt ein Kreuz hochaufgerichtet,
Dorten lasst uns stille stehn.
Dort hinauf, zum heil'gen Zeichen,
Wird der Bräutigam sich nahn,
Unter frohem Doppelreigen
Die verheissne Braut empfahn.

Komm geschwinde, komm und finde
Deines Lebens Lust und Licht.
Robert, lange lässt du warten,
Robert, Robert, kommst du nicht?
Stimmen, horch! Nein, Zephyrs Säuseln,
Durch des Waldes dunkeln Raum.
Jetzt, o jetzt! Nein, Wellen kräuseln
Um der Matten frischen Saum.

Schon zwey Stunden hingeschwunden,
Mittag glühend überm Haupt:
Robert, weh, was muss ich fürchten,
Das dich deinem Mädchen raubt?
Auch die Strasse leer und öde,
Sonst von Wandrern reich erfüllt?
Gebt mir Kunde, gebt mir Rede.
Schreckliches liegt tief verhüllt!

Da erscheinet unvermeinet
Staubgewölke dicht und grau.
Und es wälzt sich nah und näher,
Aufwärts lenkend durch die Au'.
"Gott sey Dank! Blick' Klärchen nieder,
Trockne dir dein Angesicht."
Ach, was klingen keine Lieder;
Robert, Robert, kommst du nicht?

Dass ohn' Ende luft'ge Wände
Könnten festgezaubert stehn!
Dass von den Verborgnen niemand
Dürft' hervor in's Heitre gehn!
Doch die Nebel schweben weiter:
Robert's Freunde! Robert, wo?
Und ein Greis, des Zugs Begleiter
Spricht zu Klärchens Zuge so:

Hocherhoben, der dort oben
Mit uns schicket, wie er will!
Wem er Leiden auferleget,
Trage sie im Glauben still.
Ihm gefiel es, mir, dem Alten,
Jahr' an Jahre noch zu reihn,
Warum musst' er mich erhalten,
Und ein Feind der Jugend seyn?

Als in Frieden jedem Müden
Neue Kraft des Lebens rann,
Meine frostumzogne Wimper
Keinen Schlummer nur gewann,
Tönet auf der Strasse draussen,
Rechts wo Roberts Hütte steht,
Durch die Lüfte wild ein Brausen,
Das wie Donner kommt und geht.

Und wir Alle, von dem Schalle
Aus den Kammern fortgeschreckt,
Stürzen zitternd in das Freye,
Sehen was der Mond entdeckt:
Eingestürzt des Berges Rücken,
Felsen von dem alten Ort, -
Ach, und traurigstes Erblicken, -
Roberts - Roberts Hütte fort!

Durchgewühlet, eingespühlet
Hat sich mit geheimer Macht
Tief der Waldstrom in's Gebirge,
Und verwegnen Raub vollbracht.
Roberts Aeltern, Roberts Habe,
Klärchens Liebe, Klärchens Glück,
Alles schläft im feuchten Grabe,
Und kein Sehnen bringt's zurück.

So mit hellen Thränenquellen
Giebt der Alte Raum der Qual.
Leblos sinkt die Braut, die Wittwe
Nieder an dem Kreuzespfahl.
Seht der Eltern Händeringen,
Hört und fühlt der Freunde Leid:
"Lasst den Leichnam heim uns bringen,
Tauscht in Schwarz das bunte Kleid."

Doch sie lebet! Lebt und hebet
Sich mit Doppelkraft empor.
Still, ein Geist im Sonnenlichte,
Wandelt sie der Menge vor.
Die mit fieberhaftem Zagen
Hin nach Roberts Thale kehrt.
Jeder sinnet Trost zu sagen,
Jedem ist der Trost verwehrt.

Bis zu grauer Felsenmauer,
Wild zersprengt von Stromes Wuth,
Ist die Jungfrau fortgeschritten, -
Robert! ruft sie in die Fluth.
Da erbrausen dumpf die Wogen,
Und die Menge fliegt heran. -
Doch dem Jammer rasch entzogen,
Findet niemand Klärchens Bahn.
(S. 9-18)
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Ruf vom Berge

Wenn ich ein Vöglein wär',
Und auch zwey Flüglein hätt',
Flög ich zu dir.
Weil's aber nicht kann seyn,
Bleib' ich allhier.

Wenn ich ein Sternlein wär',
Und auch viel Strahlen hätt',
Strahlt' ich dich an.
Und du sähst freundlich auf,
Grüsstest hinan.

Wenn ich ein Bächlein wär',
Und auch viel Wellen hätt',
Rauscht' ich durch's Grün.
Nahte dem kleinen Fuss,
Küsste wohl ihn.

Würd' ich zur Abendluft,
Nähm' ich mir Blüthenduft,
Hauchte dir zu.
Weilend auf Brust und Mund,
Fänd' ich dort Ruh.

Geht doch kein Stund der Nacht
Ohn' dass mein Herz erwacht,
Und an dich denkt.
Wie du mir tausendmahl
Dein Herz geschenkt.

Wohl dringen Bach und Stern,
Lüftlein und Vöglein fern,
Kommen zu dir.
Ich nur bin festgebannt;
Weine allhier.
(S. 21-22)
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Stille Liebe

In der Liebe, wie im Kriege,
Braucht es nicht nur Muth und Kraft.
Sichrer eilet der zum Siege,
Der im Stillen wirkt und schafft.
Amor pflegt in dichte Hecken
Seine Wohnung zu verstecken,
Doch vor Lärm und wildem Spott
Flüchtet schnell der spröde Gott.

Wenn zu dir ein holdes Wesen
Schüchtern mit dem Auge spricht,
Magst du künft'ge Wonnen lesen,
Aber Worte fordre nicht.
Schweigend leiten helle Sterne
Treu das Schiff zur frohen Ferne.
Also führt der Liebe Blick
Schweigend nur zum schönsten Glück.
(S. 46)
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Stella

Sie brach auf grünem Rasensitze
Ein Rosenblatt, und zart und fein
Schrieb sie mit scharfer Nadelspitze
Die theuren Worte: "Stella dein!"

O Glück! o Bund, der nimmer endet!
So sang ich froh, als Zephyr kam,
Und was mir Amors Gunst gesendet,
Das Blatt, - den Schwur, - fort mit sich nahm.
(S. 47)
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An der Ruhestätte meiner Gattinn
Magdalene gebornen de Caro

In dieses Ackers Räumen,
Beym Hängeweiden Paare,
Dort, rechts am neuen Stein, -
Lasst sinnen mich und träumen,
Durchdenken frohe Jahre,
Mit meinem Schmerz allein.

Der Herbst ist hingegangen;
Er nahm zum Abschiedsraube
Rings unsrer Felder Zier.
Mir auch entfloh mein Prangen;
Die Krone liegt im Staube,
Der Stamm vertrocknet hier.

Gottlob, dass meine Leyer
In solchen rauhen Tagen
Den besten Trost versteht.
Sie soll die Trauerfeyer
Auf zu den Sternen tragen,
Im Wort, das nicht vergeht.

Dir gelt' es, Magdalene!
Der Besten edler Frauen,
Die Gott der Erde gab.
Dir fliesset Thrän' um Thräne,
Und netzt mit heissem Thauen
Dein lockres schwarzes Grab.

Wo aber soll beginnen,
Wie aber darf ich schildern,
Was mir zerreisst das Herz?
Erfüllt sind noch die Sinnen,
Ich leb' in jenen Bildern,
Doch gerne schwieg der Schmerz.

Umsonst, dass ich erwäge:
Mein Lied, mein Leid zu fügen
In glänzende Gestalt.
Du, Wahrheit, überlege,
Verbanne Schmeichellügen,
Und siege durch Gewalt!

Erst denk' ich jener Stunden,
Da fern die Jungfrau, züchtig,
Der Gärten Schmuck erkor.
Da sie den Strauch gewunden, -
Und den gewundnen flüchtig -
Vielleicht für mich, - verlor.

Da Geist an Geist gezogen,
Die Doppelgluth der Triebe
In Funken aufgewacht, -
Und bald zu Flammenwogen,
Mit Zürnen selbst, die Liebe
Ward stärker angefacht.

Dann wie der Tag gekommen, -
Zehn Sommer lässt er zählen,
Zehn Sommer, welche Zeit! -
Da ich das Ja vernommen,
Da laut ich durfte wählen,
Was still sich mir geweiht!

Jetzt folgten Prüfungszeiten,
Die das Geschick verhängte,
Nachdem es uns verband.
Wie theiltest du mein Streiten!
Dich drängte, was mich drängte,
Dein war, was ich empfand!

Lob sey der Muttertugend,
So sich um unsre Kinder
Werkthätig treu bewies.
Hier nennt dich Betty's Jugend;
Zwey nennen dich nicht minder
Schon dort im Paradies!

Kein Ruhm aus meinem Munde
Ziemt dem Talent, dem schönen,
Erweckt durch seltnen Fleiss.
Wien gibt davon die Kunde,
Italien lässt sie tönen,
Und England singt dir Preis.

Kraft, Anmuth, Milde, Stärke,
Fortdauernd feurig Ringen,
Sie führen stets zum Ziel,
Verwerfend halbe Werke,
Erstrebend ganz Gelingen,
Schien Schweres dir ein Spiel.

Als nicht in Lebensmitte,
Nun Krankheit dich getroffen, -
Der Mühen herber Lohn, -
Als schollen Todesschritte,
Ward dir der Himmel offen,
Sahst du des Ew'gen Thron.

"Dort will ich Ruhe finden,
Die Meinen dort vertreten;
Ihr Meinen, bleibt zurück!"
Ich blieb, dich zu verkünden,
Zu weinen und zu bethen,
Zu ahnden bessres Glück!

So kam, so schwand dein Leben;
Das Leben einer Frommen,
Durch Widrigkeit erprobt,
Der Herr hat dich gegeben,
Der Herr hat dich genommen;
Sein Name sey gelobt!
(S. 122-126)
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Amor, die Laute stimmend
(Gemälde von Rosso)

Die Kindheit mag der Laute sich vergleichen,
Die neu und zart vom Meister ausgegangen.
Zwar Form und Glanz hat segnend sie empfangen,
Doch höhre Macht kann erst den Zweck erreichen.

Denn in ihr schläft ein Geist, und harrt der Zeichen,
Um aufzustehn mit Silberklang und Prangen;
Dass Lust und Schmerz, dass Sehnen, Hoffen, Bangen,
In Harmonien bald nahen, bald entweichen.

Wer nennt den Geist, der sich zur Laute findet?
Der zum Accord der Saiten Zahl verbindet,
Und in dem Reich der Töne Zauber übet?

Gott Amor ist's - Er kommt mit leichten Schwingen;
Berührt das Holz, - weiss das Metall zu zwingen, -
Und Todtes lebt, - und tönt - und fühlt - und liebet!
(S. 132)
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Amor und Hymen
(Gemälde von Guido Reni)

Gefangen und gebunden ist der Knabe,
Der als ein Herr des Erdballs war gekommen.
Sein Pfeilgeschoss, der list'gen Mutter Frommen,
Wird dargebracht dem nahen Flammengrabe.

Verstummt sind der Freuden Spiel und Habe.
Statt Reigen, die von Wollustgluth entglommen,
Hat heilig düstre Stille Raum genommen;
Denn wortlos beut der Sieger seine Gabe.

So strafe, doch verdirb nicht das Verwandte!
Erleichtre mild vielmehr des Armen Bande,
Lass seine Lust mit deinem Ernste gehen.

Verbinde gern die Myrthen und die Rosen;
Bejahrte Treu dem täglich neuen Kosen;
Durch Amor nur kann Hymens Reich bestehen.
(S. 134)
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Amor träumend
(Gemälde von Guido Reni)

Im wachen Träumen harrt der Göttersohn.
Im Schlafe nicht; er rührt die Augenlieder,
Im Schlummer nicht; es dehnt sich sein Gefieder,
Und unversehn ist er, wie weit, entflohn.

Das Schelmenpaar der Lippen lächelt Hohn.
Sich nahe legt' er Pfeil und Bogen nieder.
Kein Mädchen neck' und weck' ihn höhnend wieder;
Es wär' ihr Herz des Schützen Ziel und Lohn.

Nie soll die Schönheit gegen Schönheit stehen,
Nie Jugend mit der Jugend Zwietracht wagen,
Vielmehr dem Gott der Liebe sich verbinden.

Durch stille Seufzer, Demuth, Opfer, Flehen,
Durch leises Wünschen, Fürchten, Hoffen, Zagen,
Kann Schwäche nur des Starken Gnade finden.
(S. 139)
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Aus: Gedichte von Friedrich Treitschke
Original-Ausgabe Wien 1817
Im Verlage bey I. B. Wallishauser

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Friedrich_Treitschke



 

 


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