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      Lina Vagt (1832-1913)
 
 
 
 Einst und Jetzt
 
 Das süße Leben, das mich traut umschlossen,
 Klangvoll im Dichterworte dir zu sagen,
 Hieß mich nach Liedern suchen in den Tagen,
 Die deiner Liebe Glück mir aufgeschlossen.
 
 Wie Berge, d'rauf das Sonnenlicht ergossen,
 Der Morgenröte Schimmer, sah ich ragen
 Vor mir die Zukunft und zu ihnen tragen
 Sollt' Phantasie mich hin auf flücht'gen Rossen.
 
 Doch da du liebend mich mit deinen Armen
 Umfingest, sucht ich immer nach dem Wort,
 Mein Glück zu künden, zaghaft fort und fort.
 
 Berauscht von deinem Liebesgruß, dem warmen,
 Fand ich im Taumel nicht des Schaffens Ruh':
 Heut' tönt mein Lied - doch du, wo bliebest du?
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        Gedicht 
        aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren DichtungenPoesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
 Von Karl Schrattenthal
 Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
 Stuttgart 1888 (S. 444)
 
 Biographie:
 
 Vagt, 
        Frl. Lina, Wismar, Gr. Hohestrasse 5, daselbst am 1. März 1832 geboren. 
        Ihr Vater war Schiffskapitän, der stets auf Reisen war, ihre Mutter eine 
        einfache Frau, die nur 1/4 Jahr lang die Schule 
        besuchte. In diesen einfachen Verhältnissen wuchs L. 
        auf. Was sie später geworden, ist sie durch sich selbst geworden. Die 
        Bibliotheken Fremder, des Vaters Erzählungen, so oft er von fernen 
        Weltreisen auf kurze Zeit zu den Seinen kehrte, die Revolutionsjahre, 
        dies alles blieb nicht ohne Einfluss auf die Phantasie und die 
        Willenskraft des jungen Mädchens. Mit 17 Jahren verlobte sie sich mit 
        einem ungarischen Buchhändler, löste aber bald die Verbindung, weil sie 
        sich zu jung fühlte und "nicht von den Frauen gewesen ist, denen Liebe 
        Leben ist". Mit 20 Jahren begann sie zu schriftstellern. Sie 
        veröffentlichte Gedichte, Essays, auch einige Novellen. 1872 starb ihr 
        Vater, und da er kein Vermögen hinterlassen hatte, musste L. V. mehr als 
        bisher darauf bedacht sein, zu verdienen. Da ward sie Journalist – ein 
        weiblicher Journalist! Sie trat u.a. bei der "Rostocker Zeitung" ein und 
        blieb 27 Jahre in fester Stellung dabei. Sie schrieb 
        volkswirtschaftliche, kritische Artikel. Sie arbeitete 10 Jahre an den 
        "Blättern für Litterarische Unterhaltung" mit, eingeführt von 
        Gottschall, schrieb für die "Deutsche Allgemeine Zeitung", "Leipziger 
        Illustrierte Zeitung", "Elberfelder Zeitung", "Rheinische Zeitung", 
        "Deutsch-amerikanischen Monatshefte" (Chicago) u.a.
 
 - Ein 
        Geheimnis u. andere Novellen. Erfurt 1895
 - Fern u. Nah. Gedichte. Zerbst 1871
 - Reflexe der Zeit. Nov. 2 Bde. 1868, 1869 Ebda.
 
 aus: Lexikon 
        deutscher Frauen der Feder.
 Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke 
        weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem 
        Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
 Berlin 1898
 
 
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