Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Neugriechische Liebeslieder
(Teil 2)



Steh' dir, Liebchen, gern zu Diensten,
Sag' mir, was ist dein Begehr?
Willst du's, setz' ich mich und zähle
Korn für Korn den Sand am Meer.
(S. 103)
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Wer dich nur ansieht und nicht ganz
Vom Urteil ist verlassen,
In dessen Herzen wird sogleich
Die Liebe Wurzel fassen.
(S. 103)
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Die Wasser in der Quelle,
Sie rinnen immerzu,
So rinnt mein Herz in Liebe
Und findet nimmer Ruh'.
(S. 103)
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Gute Nacht, mein Apfelbäumchen
Mit den weißen Blütenzweigen,
Schlumm're süß, derweil ins Auge
Mir die bittren Thränen steigen.
(S. 103)
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Die Botschaft

Nicht drückt mich so die Fremde, das öde ferne Land,
Als meines Mädchens Botschaft, die sie mir zugesandt.
Sie sandt' es mit den Adlern, mit allen Vögelein:
"O Liebster, kehre wieder, ich harr' in Sehnsucht dein!

Mit einem alten Manne hat man mich hier vermählt,
Der tages mit mir hadert und mich des Abends quält.
Bald ist zu hart das Lager, bald peinigt Durst ihn sehr,
Zum Brunnen er mich sendet mit einem Eimer schwer.

Die Kette will nicht reichen, beug' ich mich auch hinab;
Drum schnitt von meinen Locken ich schon neun Spannen ab.
Die Kette zu verlängern, gab ich des Haares Zier -
Wo du auch immer weilest, o Wandrer, kehr' zu mir!"
(S. 104)
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Wie zitternd die Gestirne all'
Beim Morgengraun erblinden,
So zittert auch mein armes Herz,
Kann's dich, mein Schatz, nicht finden.
(S. 104)
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Süß Vöglein, das singend
Das Herz mir bewegt,
Ich liebe dich heimlich,
Und ein andrer dich hegt.
(S. 104)
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Entdeckt
Tanzlied

Schickt' mein Bursch mir einen Apfel
Und ein rotes Band dabei.
Apfel hab' ich aufgegessen,
Doch das Band bewahr' ich treu,
doch das Band bewahr' ich treu.

Flecht' es in die blonden Locken,
In das goldne Haar hinein,
Geh' hinab zum Meeresstrande
Zu der Mädchen frohem Reihn,
zu der Mädchen frohem Reihn.

War auch meines Liebsten Mutter,
Seine Schwester dort zu sehn;
Und vom frohbewegten Tanze,
Vom Verneigen und vom Drehn,
vom Verneigen und vom Drehn

Sank der Schleier mir vom Haupte,
Und das Band ward offenbar -
"Ei, das Band, du arges Mädchen,
Meines Sohnes Schmuck einst war,
meines Sohnes Schmuck einst war."

"Hat dein Sohn auch einst getragen
Dieses schöne rote Band,
Hat er's doch nebst süßem Apfel
Mir als Angebind' gesandt,
reicht mir bald auch seine Hand."
(S. 105)
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Hab' als Zeichen meiner Liebe
Dir vier Äpfel zugeschickt;
Einen hab' ich angebissen
Und 'nen Kuß hineingedrückt.
(S. 105)
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Die Spröde

Über Länder, über Meere
Bin ich trüben Sinns geeilt,
Konnte nicht die Frucht entdecken,
Die mein schweres Leiden heilt.

Ach! den Kummer, den ich trage,
Der mir tief im Herzen brennt,
Fischlein in dem Meeresgrunde,
Vöglein im Gebüsch nicht kennt.

Nur ein blondes sprödes Mädchen,
Chaido kann ihn verstehn;
Gäb' sie mir ein süßes Küßchen,
Würde meine Qual vergehn.
(S. 106)
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So viele schöne Mädchen giebt's,
Leicht könnt' ich eins gewinnen;
Doch die ich liebte und verlor,
Will mir nicht aus den Sinnen.
(S. 106)
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Die Versuchung

Siehst du das Kloster drüben
Dicht am Cypressenhain?
Dort gehen schöne Mädchen
Zur Andacht aus und ein.

Es treibt auch mich zur Messe,
Zum stillen Kloster hin,
Ich mache das Kreuz und bete
Mit demutvollem Sinn.

Da blick' ich auf und werde
Ein betend Weib gewahr,
Von deren Schönheit glänzet
Das Kirchlein wunderbar.

Von Klosterschülern hör' ich,
Sie wohne nebenan
Und habe, o wie schade!
Schon einen alten Mann.

"Vergifte deinen Alten,
Nimm mich als jungen Gemahl,
Will dir auch Honig schenken
Und Küsse sonder Zahl."

"Wie sollt' ich ihn vergiften,
Dem ich von Herzen gut!
Schon als zwölfjährig Mädchen
Nahm er mich in die Hut.

Und wie ein zartes Pflänzchen
Hat er mich treu gepflegt;
In Dankbarkeit und Liebe
Mein Herz drum für ihn schlägt."
(S. 107)
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Unwiderstehlich
Tanzlied

Sagt' ich's dir nicht, Helenchen mein,
Sagt' ich's nicht immer wieder:
"Laß dich nicht draußen blicken,
Wirst alle Herzen knicken?"

Machst blaß und krank, Helenchen mein,
Die jungen Burschen alle;
Die starken Löwenjungen
Hast alle du bezwungen.

Hast blaß und krank auch mich gemacht,
Helenchen, süßes Vöglein,
Ich schenkte dir Vertrauen,
Bin elend drum zu schauen.

Hast mich aus Rand und Band gebracht,
Hast mir verdreht die Sinne,
Mich toll gemacht, Helene,
Und aller Mütter Söhne.
(S. 108)
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Die Blonden und die Braunen
Tanzlied

Eilten Mägdlein blond und hell
Her zum Tanz, wie Barken schnell.
Kam auch manch brünette Kleine,
Knospe im Orangenhaine.

Schwarzer Augen Feuerstrahlen,
Rosenwang' mit Schönheitsmalen,
Blauer Augen Himmelsschein,
Wuchs und Hüfte schlank und fein.

Sieh, ein rebhuhnäugig Kind -
Röckchen bauschet sich im Wind,
Wie im Tanz sie flink sich dreht
Und nach einem Jüngling späht!
(S. 109)
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Was mach' ich mit dem Herzen?
Es drang ein Pfeil hinein,
Und die ihn auf mich zielte,
Trägt ach, ein Ringelein.
(S. 109)
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Der Frühling kam, es jauchzt die Welt
In lauter Lust und Freude,
Und schöne Mädchen gehn einher
In strahlendweißem Kleide.
(S. 109)
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Wenn wir uns trennen müssen,
Sag' an, was du mir schenkst?
"Ein Küßchen auf die Wange,
Daß stets du mein gedenkst."
(S. 109)
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Gleiches Recht
Tanzlied

Rüst' mich schon seit vierzig Tagen,
Zu dem Beichtiger zu gehn;
Seh' ihn eines Sonntags morgens
In der Kirchenzelle stehn.

"Will dir meine Schuld bekennen,
Meiner Sünden frei zu sein."
"Wahrlich, viel hast du gesündigt!
Laß hinfort das Lieben sein."

"Würd'ger Priester, schlägst du selber
Dir dein Weibchen aus dem Sinn,
Will auch ich vom Mädchen lassen,
Dem von Herzen gut ich bin."
(S. 110)
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Der Mutter Segen

Liebchen herzend mich umfing,
Mütterchen vorüberging,
Droht' uns nicht mit Schelt' und Schlägen,
Gab uns freundlich ihren Segen:

"Recht so, Kinder! Kost und herzet,
Seid euch gut und spielt und scherzet!
Seid ein Pärchen wunderschön,
Elfenbein gleich anzusehn."
(S. 110)
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Der hochehrwürd'ge Priesterstand
Es in dem Buch geschrieben fand:
Wer mit der Liebsten treulos bricht,
Der Himmel selbst verzeiht ihm nicht.
(S. 110)
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Das Lied

Ich saß wohl unterm grünen Busch
Und sang eine süße Weise,
So recht aus meines Herzens Grund
Zu meines Liebchens Preise.

Feinsliebchen stand auf dem Altan,
Da ist's hinaufgeklungen.
"Wer war's, der in dem grünen Busch
So wunderschön gesungen?

So singt allein mein süßer Schatz,
Den innig ich verehre,
Gott geb's, daß ich aus seinem Mund
Noch oft ein Liedchen höre!"
(S. 111)
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Wenn Gott nach unsrem Wunsche einst
Uns wird zusammenbringen,
Dann soll daraus ein hübsches Kind
Wie Eros selbst entspringen.
(S. 111)
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O wie küßt' ich dich gerne
Unterm Baum, wenn er blüht,
Daß die Vöglein in den Zweigen
Dazu sängen ihr Lied!
(S. 111)
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Der Lieder weiß ich wohl ein Meer;
Vergessen sind sie alle,
Wenn ich dich seh, und sinnverwirrt
Ich kaum ein Wörtchen lalle.
(S. 111)
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Morgengruß

Prangt ein stolzes Haus im Marmorschimmer,
Schläft dort wie ein Lamm ein junger Bräut'gam.
Niemand wagt ihn aus dem Schlaf zu stören,
Nur sein Mädchen, das ihn liebt von Herzen,
Nahet ihm mit duft'gem Majorane,
Mit Basilienblüten in den Händen.
"Netz' ich ihn mit Wasser, wird's ihn schaudern,
Netz' ich ihn mit Wein, wird's ihn berauschen -
Liebchen harret dein, steh' auf, Gebieter!
Harre länger nicht in tiefem Schlummer!
Nachtigall beschloß ihr süßes Singen,
Und die Sonne leuchtet hoch am Himmel."
(S. 112)
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Ich sang und hört am starren Fels
Mein Liedlein wiederhallen,
Flugs kam mein süßer Schatz und ist
Mir um den Hals gefallen.
(S. 112)
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Bist ein Röschen in der Frühe,
Eine Ros' zur Mittagszeit.
Heil dem Jüngling, dem in Liebe
Du dein Herz einmal geweiht!
(S. 112)
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Wer beim frühen Morgengrauen
Sein Feinsliebchen herzt und küßt,
Dessen Herz am ganzen Tage
Glücklich und zufrieden ist.
(S. 112)
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Beruhigungsmittel

"Priestermägdlein, tritt ans Fenster,
Will in deine Äuglein sehn,
Muß vor Tollheit sonst vergehn!"
"Meine Äuglein? Fang ein Rebhuhn,
Sieh die braunen Äugelein,
Und du wirst beruhigt sein."

"Priestermägdlein, tritt ans Fenster,
Will die dunklen Brauen sehn,
Muß vor Tollheit sonst vergehn!"
"Meine Brauen? Geh zum Krämer,
Sieh die Schnürchen wunderfein,
Und du wirst beruhigt sein."

"Priestermägdlein, tritt ans Fenster,
Will die weißen Zähnchen sehn,
Muß vor Tollheit sonst vergehn!"
"Meine Zähnchen? Geh zum Markte,
Sieh den weißen Reis dir an,
Bist gewiß beruhigt dann."
(S. 113)
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Mädchenwunsch

Einen reichen Gatten laß mich finden,
O Gott, mit schönem Ackerland,
Mit Herden und mit Weidegründen
Und einem großen Bienenstand.

Laß Korn und Mais ihm reichlich lohnen,
Nur Lein und Baumwoll' nicht gedeih',
Daß ich kann meine Hände schonen
Und immer zart mein Busen sei.
(S. 113)
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Aufforderung zum Tanz
Tanzlied

Nun will eröffnen ich den Tanz,
Laßt all' am Spiel uns freuen.
Das Taschentuch halt' ich bereit;
Heran zum frohen Reihen!

Und die am meisten ihm gefällt,
Faßt jeder bei den Händen.
"Ich liebe Konstans Töchterlein,
Will mich zu ihr jetzt wenden."

"Und mir gefällt Georgis Sohn
Mit feurig dunklem Blicke,
Er hat mein Herz in Brand gesetzt
Und schlug es ganz in Stücke."
(S. 114)
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Nicht zum Trinken bin ich kommen,
Nicht am Wein mich zu erquicken,
Wollte dir ein einzig Mal nur
In die schönen Augen blicken.
(S. 114)
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Gruß an die Geliebte

O Sonne, die du durch das Weltall streifest,
Von Ost nach West den Himmelsraum durchschweifest,
Siehst irgendwo mein süßes Lieb du scherzen,
Sag' ihr, ich grüße sie von ganzem Herzen.

Und wird sie teilnahmsvoll dann nach mir fragen,
So sag', ich muß um sie viel Kummer tragen;
Doch fragt sie nicht, dann laß sie ruhig gehen!
Dann will ich keinen Trost, kein Glück mehr sehen.
(S. 116)
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Hingebende Liebe

"So viele Blätter in dem Wald
Und Gräser auf der Heiden,
So viel Dukaten, Seele mein,
Gab ich für dich mit Freuden."

"Ich wußte nicht, daß du es thatst,
Schönäuglein, meinetwegen,
Will jetzt als Pfad, als Brücke mich
Zu deinen Füßen legen.

Will jetzt das Silberkrüglein sein,
Draus du den Wein sollst trinken,
Und will als süßer Rebensaft
In deinem Becher blinken."
(S. 117)
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Der Lautenschläger

In Salonikis Pforte
Ein schmucker Krieger stand.
Eine Laute ganz von Golde
Hielt er in seiner Hand.

Er sang: "O sagt's der Herrin,
Ihr goldnen Fensterlein,
Ihr Läden, die ihr schimmert
In hellem Silberschein:

Sie tret' heraus und zeige
Ihr liebes Antlitz mir;
Bin ja kein wilder Drache,
Bin ja kein reißend Tier."
(S. 118)
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Mit einem Haar von deinen Locken
Schließ' ich die Augenlieder mein;
Und schwör's, auf andre nie zu schauen
Und immerdar dir treu zu sein.
(S. 118)
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O meine Seele, liebe mich,
Sollst stolz nicht auf mich blicken;
Denn Gott wird deiner Schönheit Zier
Wie zarte Blumen knicken.
(S. 118)
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Liebeszauber

"Guten Tag, du schöne Herrin,
Ei, was pflanzest du dort? sprich!
Was begießest du am Fenster
Und hast keinen Blick für mich?"

"Was ich pflanze, was ich treibe,
Bursche, warum macht's dir Pein?
Rosen sind's und bunte Blumen
Für den lieben Jüngling mein."

"Nimm hinein das Blumentöpfchen,
Drin Basilienstaude blüht.
Nachtigall wird sie zerbeißen,
Wenn sie hier vorüberzieht."

"Laß die Nachtigall nur kommen,
Und die Blüten rauben all';
Schützt sie doch ein Liebeszauber
Für den Jüngling meiner Wahl."
(S. 119)
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O du krystallhell Mädchen,
Wie lange grollst du noch,
Hältst du das Schwert gezücket
Und fesselst mich ins Joch?
(S. 119)
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Verborgne Liebe

"Purpurrote, weiße Seide,
Lautren Goldes edle Zier,
Warum grollst du mir im Herzen?
Sag', was that ich Böses dir?"

"Wähnst du, weil ich dich nicht grüße,
Dir kein freundlich Wörtchen sag',
Weil ich mich nicht küssen lasse,
Daß ich dich nicht leiden mag?

Spotten dein auch meine Lippen,
Lieb' dich doch in Herzens Grund,
Und in meinem Innern denk' ich:
Könnt' ich küssen seinen Mund!"
(S. 120)
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Die Qualen mein, so groß und viel,
Sag' ich dem harten Steine,
Der Stein sagt sie mir wieder vor,
Derweil ich sitz' und weine.
(S. 120)
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Ich werde blaß und welke hin
Vor bangem Liebessehnen,
Und mach' den Himmel grau und schwer
Mit Seufzen und mit Stöhnen.
(S. 120)
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Ich liebte dich,
Du wußtest's nicht;
Jetzt weißt du es
Und willst mich nicht.
(S. 120)
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Schwermut

Rauh weht der Wind, ein eis'ger Hauch
Gebirg und Thal durchstreifet.
Vom Schnee erglänzt der Berge Haupt,
Die Felder sind bereifet.

Ach würdest du, o Gärtchen mein,
Vom Reif nicht überzogen!
Hab' ja verloren, den ich liebt' -
Und er hat mich betrogen.

Bei jedem Kusse sagt' er mir,
Daß er mich innig liebe,
Und schwur mir's hoch und heilig oft,
Daß ewig treu er bliebe.

Nun ließ er einsam mich zurück,
Ein Rohr im öden Sumpfe,
Das seine Krone ach! verlor
Und trauert mit dem Stumpfe.

An fremdem Tische sitzt er nun
Und ißt und trinkt mit Scherze
Und weil er lacht, und weil er scherzt,
Zerbricht mein armes Herze.

Es schenket fremde Hand ihm ein,
Es zittert ach! die meine,
Es blickt ein lachend Aug' ihn an -
Ich härme mich und weine.
(S. 121)
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Der Witwe Töchterlein

Ach, Mutter, ich sah eine herrliche Maid;
Dort unten am Flusse wusch sie ihr Kleid.

Mit silbernem Schlegel auf marmornem Grund,
Es lachte so freundlich ihr rosiger Mund.

Für einen Kuß opfert' ich gerne mein Pferd,
Das tausend und abertausende wert.

Ihr Sklave im Hof, ihr Knecht möcht' ich sein,
Um immer zu schauen das Mägdelein. -

Nun fege, liebe Witwe, den Hof und das Thor,
Will bald kommen und harren in Sehnsucht davor,

Um das Mägdlein zu schauen mit Zucker genährt,
Das die Herzen bestrickt und auch meines bethört.

"Meine Tochter ist Mond und ist Sonnenstrahl,
Die will nur den Morgenstern als Gemahl."
(S. 122)
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Dein Auge ist wie ein Meer,
Ein Hafen deine Brauen;
Da ist kein wütender Orkan,
Kein wilder Sturm zu schauen.
(S. 122)
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Alte Liebe

Es schwankt mein Geist dem Meere gleich,
Das Stürme wild erregen,
Nicht ruh' ich nachts auf weicher Streu,
Mag nicht zu Bett mich legen,

Dieweil zwei schwarzbraun' Äugelein
Zu küssen ich begehre,
Zwölf Jahre lang die Kreuz und Quer
Irrt' ich auf weitem Meere.

Doch endlich stieg ich an das Land,
Die Mutter zu umfangen,
Da ist mein Lieb von ungefähr
Mir in den Weg gegangen.

Am Tüchlein, das sie einst mir gab,
Alsbald sie mich erkannte,
Und freundlich grüßend sich zu mir
Das liebe Mädchen wandte:

"Dein Tuch, o Fremdling, sag' mir an,
Wie ist's so schwarz geworden?"
"Das fremde Land hat es beschmutzt,
Drum ist's so schwarz geworden."

"O send' es mir zur Abendstund',
Ich will es weiß dir waschen."
"Nicht Lauge hast du, Wasser nicht,
Wie willst du's weiß denn waschen?"

"Mein Speichel soll die Lauge sein,
Das Wasser meine Thränen,
Zum Trocknen leg' ich's auf die Brust,
Da glüht's von heißem Sehnen.

Gieb, lieber Fremdling, mir dein Tuch,
Es möchten sonst die Deinen,
Die Mutter und die Schwester traut
Dein hartes Los beweinen.

Wer von der lieben Heimat fern
Im fremden Land muß reisen,
Erduldet so viel Herzeleid,
Wie die verlass'nen Waisen."
(S. 125-126)
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Hurtig zieh' ich meine Straße,
Und ich halte nirgends an,
Daß ich mich ein Stündchen früher
Ruhn in deinen Armen kann.
(S. 126)
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Mein holdes Frühlingsblümelein,
O Lilie auserlesen,
Dein bin ich, dir gehört mein Leib,
Meine Seele und mein Wesen.
(S. 126)
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Versöhnung

Nun sind's zweiundzwanzig Sonntag',
Zweiundzwanzig Montag' her,
Und ich war nicht beim Herzliebchen,
Sah nicht meine Herrin mehr.

Gestern aber bei dem Reigen,
Als sie schritt im Tanze vor,
Grüßt' sie mich mit süßem Lächeln,
Flüstert' mir ein Wort ins Ohr:

"Sag' mir doch, gefühllos Herze,
Wo hast du so lang gesteckt?"
"Ach, dein Groll hat mich vertrieben,
Mich aus deiner Näh' geschreckt.

Bin die Kreuz und Quer gegangen,
Wollte gern vergessen dein,
Gestern war ich bei der Mutter,
Und vordem beim Schwesterlein,

Und die ganze andre Zeit bin
Ich allein herumgeirrt,
Wie das Vöglein, wenn es traurig
Das zerstörte Nest umschwirrt."

"Ach, du dauerst mich, mein Junge!
Komm heut' abend in mein Haus,
Wollen küssen, wollen herzen,
Feiern den Versöhnungsschmaus.

Braune Fischlein, schönes Rührei,
Was dein Herz sich wünscht und denkt,
Sollst auch süßen Weines trinken,
Von mir selber eingeschenkt."
(S. 127)
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Das verlorene Brautgeschenk

Denkst du daran, da wir in sel'ger Stunde
Einst unterm Kirschbaum saßen, Liebchen traut,
Derweil als Zeugen unsrem Liebesbunde
Der Mond und all die Sternlein zugeschaut?

Der Mond ging still zur Ruh' und es verhüllte
In tiefes Dunkel sich der Sterne Chor:
Da war's, daß ich mein Tuch, das goldgefüllte,
Mein moschusduftend Brautgeschenk verlor.

Fand es ein Greis, soll er mir's wiedergeben,
Fand es ein Jüngling, soll's sein eigen sein,
Und fandest du's, mein Lieb, mein süßes Leben,
So wollen wir vereint uns dran erfreun.
(S. 128)
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Der Arzt hat meinen Puls gefühlt
Und hat den Kopf geschüttelt,
Und meinte, daß nicht Fieberglut,
Daß Liebe mich durchrüttelt.
(S. 128)
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Nicht glaubt' ich, daß mein Mädchen
Im Sinn so schwankend sei,
Daß es von tausend Eiden
Nicht einen hielte treu.
(S. 128)
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Holde Seele, süßes Leben,
Du mein Licht so mild und klar,
Will als Heiligenbild dich malen
Und dich küssen immerdar.
(S. 130)
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Käm' ich noch einmal auf die Welt,
Ich ließ' das Lieben sein,
Denn Seufzer hat's mir nur gebracht
Und schwere Herzenspein.
(S. 130)
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Mach' auf dein Händchen von Krystall,
Mich in die Arme schließe,
Reich' mir dein Zuckermündchen her
Und gieb mir süße Küsse.
(S. 130)
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Gebrochene Treue

Rauscht ein Fluß durch einen Garten,
Reichlich Baum und Strauch er tränkt.
Nur ein einzig Apfelbäumchen
Hat die Äste trüb gesenkt.

Spricht zu ihm ein ander Bäumchen:
"Trauerst du, weil dich bedrückt
Deiner Äpfel süße Fülle,
Weil kein Gärtner dich erquickt?"

"Nicht die Äpfel, nicht der Gärtner,
Machen, daß ich trauern muß.
Sah ein holdes Liebespärchen
Küssen sich an meinem Fuß;

Schwuren sich bei meinen Zweigen
Ew'ge Liebe treu und fest.
Ach, sie sind sich untreu worden!
Drum verdorret mein Geäst."
(S. 131)
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Das Wasser, das unsterblich macht,
Aus deinen Augen quillt.
Ich flehte: Gieb ein Tröpfchen mir!
Du hast es nicht erfüllt.
(S. 131)
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Ein Ausweg

O April mit frischem Taue,
Mai mit deiner Blütenpracht,
Mit dem hübschen Frauchen habt ihr
Mir ein bös Geschenk gemacht.

Bin zu blöde, sie zu küssen,
Mag's nicht sagen frei heraus.
Ganz in Gold sie drum zu fassen,
Führ' ich sie in Goldschmieds Haus.

"Lieber Meister, willst mein Weibchen
Du in Gold nicht fassen ein?
Will ein Amulett draus machen
Und ein Kreuz, ein Ringelein.

Amulett trag' ich am Herzen,
Ring am Finger sei bewahrt,
Und das Kreuz will ich verehren
Recht nach frommer Christen Art."
(S. 132)
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"Du gehst vorbei und grüßt mich nicht
Und schlägst den Blick zur Erde.
Gieb mir ein einzig freundlich Wort,
Damit ich glücklich werde!" -

"Ging ich auch ohne Gruß vorbei,
That's um der Leute willen,
Und sprech' ich dich nicht freundlich an,
Ich lieb' dich doch im Stillen."
(S. 132)
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Der grüne Baum
Tanzlied

Wer hat den grünen Baum gesehn? -
Schwarzäuglein, Blondchen schön!
Silberblättchen dran zu schauen -
schwarze Augen, schwarze Brauen.

Der Gipfel glänzt von Goldesschein -
Mägdlein seufzt vor Liebespein.
Ein kühler Quell entrinnt dem Fuß -
schwere Qual ich dulden muß.

Ich beuge mich zum Wasser hin -
wie vor Lieb' ich elend bin!
Am frischen Trank mich zu erfreun -
Küssen will ich's Mägdelein.

Das Tüchlein fiel mir in die Flut -
auf den Lippen welche Glut!
War gestickt mit goldner Seide -
meiner Augen Trost und Freude.

Drei Mägdlein haben's mir gestickt -
haben singend mich entzückt.
Drei wunderschöne Jungfräulein -
Kirschen gleich im grünen Mai'n.
(S. 133)
_____



Der Zukünftige
Tanzlied

Unten in dem schmucken Städtchen
Schlummert sanft ein schönes Mädchen.
Süßes Traumbild sie umfängt,
Wem sie einst ihr Herzchen schenkt.

Mit der Ruh' ist's früh zu Ende;
Springt von Bettens Rand behende,
Wäscht sich, putzt sich, kämmt ihr Haar,
Spiegelt sich im Spieglein klar.

Senkt die Augen schmachtend nieder,
Dreht sie schalkhaft, hebt sie wieder:
"Äuglein ihr, mit Feuerglanz,
Säumt nicht lange, kommt zum Tanz!

Sollt euch hier- und dorthin drehen,
Sollt mir einen Mann erspähen.
Will nicht alten Mann mit Gold,
Schmuckem Jüngling bin ich hold.

Alter Mann will weiche Kissen,
Mag vom Schäkern gar nichts wissen.
Brummt bei Tag und schnarcht bei Nacht,
Weibchen aber seufzt und wacht."
(S. 134)
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Liebesharm

Nie war die Lieb' ohn' Leiden
Und ohne bittre Qual,
Ohn' Prüfungen und Mühen
Und Seufzer sonder Zahl.

Bei Tag und Nacht, mein Leben,
Durchzuckt mich wildes Weh,
Und ach! ich habe keinen,
Dem ich mein Leid gesteh'.

Flog einst als freies Vöglein
Und konnte sorglos ruhn;
Da packte mich die Liebe -
Und elend bin ich nun.

Ihr freien Vöglein lenket
Zum Käfig nicht den Flug,
Daß euch nicht Eros fange
Mit List und bösem Trug.
(S. 135)
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Schon sechzig Monde lieb' ich dich,
Das macht fünf Jahr' zusammen;
Davon zerging mein armes Herz
Wie Schnee in Feuerflammen.
(S. 135)
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Kindlich

Da droben auf dem Berge gehn
Eine Mutter und ihr Mägdlein schön.

Sie pflücken Salbei und Amarant
Und ordnen's zum Strauß in ihrer Hand.

Und wie die Kleine tief sich bückt,
Einen schönen Knaben sie erblickt.

Der war so traurig, war so trüb,
Weil er verlor sein süßes Lieb.

"Ach nimm ihn mit, lieb Mütterlein!
Der soll mein Spielgeselle sein."

"Mein Kind, wir kämen drum in Not,
Wir haben ja für uns selbst kein Brot."

"Lieb Mütterlein, mein Brot und Wein
Will ich teilen mit dem Knäbelein."

"Kind, allzukleine ist unser Haus,
Reicht nachts für mich und dich kaum aus."

"Liebe Mutter, in meinem Bettelein
Wird noch Platz für den schönen Knaben sein."
(S. 136)
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Wirkung der Schönheit
Tanzlied

Es wuschen schöne Mädchen
An Chios Inselstrand.
Sie trockneten die Wäsche
Und spielten auf dem Sand.

Und sieh, ein Schifflein nahte,
Geführt vom frischen Wind.
Da bauschte sich das Röckchen
Dem schönen Priesterkind.

Wie nun ihr Silberfüßchen
Sich zeigte unverhüllt,
Da waren Meer und Küste
Von hellem Glanz erfüllt. -

"Ihr Bursche, laßt uns sehen,
Woher der helle Schein.
Ist's lautren Goldes Schimmer,
Soll's unser eigen sein.

Ist's blankes Eisen, laßt uns
Das Schiff damit versehn,
Und ist's ein schönes Mädchen,
Gehört's dem Kapitän." -

Da wollt's die heil'ge Jungfrau,
Da ließ es Gott geschehn:
Es war ein schönes Mädchen,
Das nahm der Kapitän.
(S. 137)
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Stiller Wunsch

Reizendes geschmücktes Rebhuhn,
Wunderlieblich Mädchen mein,
Träf' ich dich am stillen Orte
Doch wie damals ganz allein,
Würd' ich küssen, würd' ich herzen
Deine dunklen Äugelein,
Und der heißen Liebesqualen
Würd' ich los und ledig sein.
(S. 138)
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Wie ich sinne auch und grüble,
Kann ich's nimmer doch verstehn,
Wie ohn' Ursach' unsre Liebe
Konnt' in Feindschaft übergehn.
(S. 138)
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Ich seh' dich so bedächtig,
Drum frag' ich dich, mein Kind:
Ist's kommen von der Liebe?
So tröst' ich dich geschwind.
(S. 138)
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Wach' auf, denn Eros geht vorbei,
Ein Ständchen dir zu bringen.
Hör' an der Stimme Zauberklang,
Sein wunderlieblich Singen.
(S. 138)
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Fürwahr ein böses Mißgeschick,
Liebst du ein Mägdelein
Und kannst nicht einen Augenblick
Sie sprechen ganz allein.
(S. 138)
_____



Nichts verloren

Steht ein Mädchen an der Pforte,
In der Zell' ein Priesterlein.
Nimmt er flugs ein Stückchen Zucker,
Wirft's ihr in den Busen 'nein.

"Nicht doch, Bursche! sei vernünftig!
Wird's die Nachbarschaft gewahr,
Melden sie sogleich dem Bischof,
Büßen mußt du's mit dem Haar."

"Hab' ja noch ein rotes Mützchen,
Schert der Bischof mir das Haar,
Und das Mädchen, das ich liebe,
Führ' im Kranz ich zum Altar."
(S. 139)
_____



Hätte sich dein süßes Antlitz
Meinem Blick doch nie enthüllt!
Da ich's sah, bin ich von Wehmut
Und von bittrem Leid erfüllt.
(S. 139)
_____



Eros' Rat

Als kürzlich ich zu Hause saß
Mit wonnigem Behagen,
Kam Eros und begann sogleich
Verfänglich mich zu fragen:

"Warum nur sitzest du zu Haus
Verlassen und verloren?
Zieh doch auch du auf Liebe aus,
Ob du zum Glück erkoren."

"Von Liebe, Eros, weiß ich nicht,
Von Lieb' ich nichts verstehe."
"Geh nur voran, dir beizustehn
Bleib' ich in deiner Nähe." -

Wir gingen eine Meile Wegs,
Und Eros sprach: "Nun höre
Den Rat, den ich dir geben will,
Und folge meiner Lehre:

Du sollst dich in ein Menschenkind
Bei Leibe nicht verschießen,
Eh's dich nicht liebt, daß wie ein Bach
Ihm seine Äuglein fließen,

Eh's nicht sein Antlitz grabesbleich
Herab zur Erde senket,
Und nicht zu Tod gequält den Schritt
Zu Hades Pforten lenket."
(S. 140)
_____



Die verlassene Braut

Marie heißt die Heilige, Marie heißt auch du,
Deinem Bräutigam führt man ein Weibchen heut zu
Und glaubst du's nicht, sieh nur, dort naht ja der Troß.
Zieht der Zug ja vorüber zu Fuß und zu Roß.
Der stattliche Bräut'gam sein Rösselein schlägt,
Und der Path' samt der Pathin die Brautkränze trägt.
(S. 141)
_____



Warum denn, Eros, ließest du
In Liebe mich entbrennen
Zu einer Schönen, die ich nie
Mein eigen werde nennen?
(S. 141)
_____



Erste Liebe

Erste Liebe Feuersgluten,
Zweite Liebe matter Schein.
Jüngling spricht zu seinem Liebchen,
Flüstert's zu dem Mägdelein:

"Meinst du, daß ich alle Mädchen
Liebe, die mein Aug' erblickt?
Sie verloschen, du allein nur
Bist das Licht, das mich entzückt.

Bist mir Seele, Aug' und Leben,
Bist mir alle auf der Welt.
Dich nur will ich, holdes Liebchen,
Keine andre mir gefällt."
(S. 142)
_____



Belauscht

"Mein Mädchen, wie kam unsre Liebe
So schnell in der Leute Mund?
Kein Zeuge war, da wir uns küßten
Zur mitternächtigen Stund'."

"Der Mond und die Sterne sahn es,
Und im Osten der helle Schein.
Ein Stern hat's den Wellen verraten,
Der fiel in das Meer hinein."

"Von den Wellen hört' es das Ruder,
Das plaudert' dem Schiffer es aus,
Der singt's nun als Morgenständchen
Vor seiner Herzliebsten Haus."
(S. 142)
_____



Die Unbegehrte

Ach Gott, du machtest mich so schön,
Gleich einem Rebhuhn anzusehn,
Hab doch kein Glück auf Erden!
Was ist die ganze Schönheit wert,
Wenn niemand ist, der sie begehrt?
Laß mich ein Bäumchen werden
Am Weg mit goldner Äpfel Zier.
Der Wandrer kommt und sieht nach mir
Und kostet von den Früchten mein
Und spricht: Wie schad' ums Bäumelein!
(S. 143)
_____



Arm und Reich

Ich nahm das Rohr zur Hand,
Und ging hinaus wohl auf das Land
Und schweift' den ganzen Tag
Hin und her, kreuz und quer,
Bis daß die Nacht anbrach.

Kein Wild konnt' ich erspähn,
So viel ich mich auch umgesehn.
Da - bei der Sterne Schein
Husch husch husch! in dem Busch
Fing ich zwei Mägdelein.

Bei der Reichen kehrt' ich ein,
Sie gab mir Kuchen, süßen Wein,
Doch als ich sie geküßt -
Besenstiel ohn' Gefühl! -
Mein Lieb' vergangen ist.

Die Arme drauf mir bot
Gekochten Kohl und Gerstenbrot,
Und schenkt' mir bittren Wein -
Doch ihr Kuß, welch Genuß!
Du süßes Täubelein!
(S. 144)
_____



Traum und Wirklichkeit

Ich träumte von dir, mein Liebchen, heut nacht:
Ich hielt deiner Locken wallende Pracht
Um meinen Nacken geschlungen.
Und fröhlich erwacht' ich - du warst nicht zur Stell'!
Da seufzt' ich, da ist ein Thränenquell
Aus meinen Augen gedrungen.
(S. 148)
_____



Wer's Liebchen in der Nähe hat,
Dem wünsch' ich Glück dazu,
Er büßt nicht von der Nachtruh' ein
Und schonet seine Schuh.
(S. 148)
_____



O schenke mir Küsse!
Du kaufst sie ja nicht;
Hast sie ja von der Mutter
Als Erbteil gekriegt.
(S. 148)
_____



Das Bild der Geliebten

Gar wundersam muß seine Kunst verstehen
Der Maler, der dein süßes Bild gemalet,
Kein Flecken ist an deinem Leib zu sehen,
Wie lichter Sonnenschein dein Antlitz strahlet.

Hast rote Lippen, die zum Küssen taugen,
Hast weiße Zähne perlengleich zu schauen,
Und über deinen dunklen Feueraugen
Ziehn sich in schönem Bogen schwarze Brauen.
(S. 149)
_____



Verzweiflung

"Sagt' ich dir's nicht, thöricht Mädchen:
Gehe nicht zum Meer hinab?
Sturm wird dich vom Ufer reißen,
Findest in der See dein Grab."

"Packt mich auch die wilde Windsbraut,
Trägt sie mich ins Meer hinein,
Mach' ich meinen Leib zur Barke,
Soll die Hand mir Ruder sein,

Will ich durch die Wogen schwimmen,
Zu der Insel drüben hin,
Daß den lieben Schatz ich finde
Und mit ihm vereinigt bin.

Will den Tod mir lieber wünschen,
Von der See verschlungen sein,
Als bei Tag und Nacht mich härmen
Ganz verlassen und allein."
(S. 151)
_____



Geh' ich vorbei am Fenster dein,
Und seh' dich nicht, mein Herze,
So möcht' ich gleich in nichts zergehn
Wie eine Opferkerze.
(S. 153)
_____



Liebe ist schweigsam

Nun einen die Vöglein in Liebe sich all',
Es wandelt nur einsam die Nachtigall;
Sie ziehet durchs Feld wie der einsame Aar
Und läßt schallen ihr Stimmchen so lieblich und klar:
"Kephalonischer Kaufmann, nun künde mir schnell,
Wie bekamst dein blond Weibchen du, lust'ger Gesell'?"

"Ich kehrt' aus der Stadt durch das Inselquartier,
Kam just in des Mägdleins Bereich.
Sie tränkte die Blumen und spendete mir
Einen duft'gen Basilicumzweig.

Und sie sprach zu mir lächelnd - ich hört' es so gern -:
"Mein Bursche, bist du mir gut,
Geh nicht schweigend vorüber und schau' nicht von fern,
Sprich ein Wörtlein, fasse doch Mut!"

"Ging ich schweigend vorüber und sprach dich nicht an,
So geschah es nur, weil ich dich liebe."
(S. 156)
_____



Liebeszeichen

Es war zur Abendstunde,
Ich ging vor deinem Haus,
Da drang ein leises Flüstern,
Ein heller Ton heraus.

Die böse Muhme zankte
Und macht' ein wild Geschrei.
War's meinetwegen, sag's mir,
Komm dann nicht mehr vorbei.

"O geh nur durch die Gasse,
Mein Bursche, wie zuvor,
Und singet, seid ihr viele,
Daß es vernehm' mein Ohr.

Doch huste laut und niese,
Gehst du des Wegs allein,
Und wirf, daß ich es merke,
Ans Fenster Kieselstein'.

Gleich einem Rebhuhn flieg' ich
In deinen Arm alsdann,
Und küsse dich und herze
Dich, o geliebter Mann!"
(S. 158)
_____



Wie Epheu haftet an dem Stamm
Und klammert sich am Felsen fest,
So sind verwachsen Weib und Mann,
Daß keines von dem andern läßt.
(S. 158)
_____



Wildkätzchen

"Georg, welch Mädchen liebst du,
Besingst du früh und spät?"
"Pauline ist's, die Schelmin,
Die mir den Sinn verdreht.

Aus ihren blonden Flechten
Ein rotes Bändchen blinkt,
Und um die schlanke Hüfte
Ein zarter Shawl sich schlingt.

Den dunkelen Oliven
Sind ihre Augen gleich,
Die aus den Brauen lugen,
Wie Wildkatz im Gezweig."
(S. 160)
_____



Liebeslust

Es wächst die Ficht' auf Bergeshöh',
Der Tannenbaum gedeiht im Schnee,
So schwelget auch voll Lieb und Lust
Der Jüngling an des Mägdleins Brust
Und küßt die Rosenwangen
Mit sehnendem Verlangen.
(S. 161)
_____



Was scheret mich das Paradies!
Ich mag nicht selig werden,
Kann ich nur deine Brust
Umfangen hier auf Erden.
(S. 161)
_____



Liebesklage

Was frommt mir reichen Goldes Schein!
Mag nichts von Schätzen wissen.
Kann ich nicht deine Äugelein,
Den weißen Hals dir küssen.

Nicht ziemt's mir froh zu sein beim Wein,
Zu freu'n mich am Gesange.
Nein, traurig lieg' ich ganz allein
Am öden Bergeshange.

Will dort vor bittrem Herzensweh
Viel dunkle Thränen weinen.
Will weinen, bis sie sich zum See,
Zur dunklen Quelle einen.

Dann nahen Mädchen blond und hell,
Manch schwarzgeäugte süße,
Zu baden in dem trüben Quell
Den weißen Hals, die Füße.

Kommt wohl auch mein Feinslieb daher,
Die ich im Herzen trage,
Heb' ich das Antlitz thränenschwer,
Daß ich ein Wort ihr sage:

Was frommt mir reichen Goldes Schein?
Mag nichts von Schätzen wissen,
Kann ich nicht deine Äugelein,
Den weißen Hals dir küssen.
(S. 162)
_____



Es haben meine Augen nie
Solch artig Kind gesehn,
Schenk' ich ihr einmal einen Kuß,
So giebt sie mir gleich zehn.
(S. 162)
_____



Im Liebesbann

Himmelstau sind deine Blicke,
Zuckersüßer Honigtrank.
Einer Rute ganz von Golde
Gleicht dein Leib so zart und schlank.

Ist's ein Wunder, daß ich bebe,
Seh ich, holdes Kind, dich an?
Nicht aus Furcht, nein, weil in Liebe
Ich dir innig zugethan.

Lache über all die Schmeichler,
Die sich drängen um dich her,
Und dem Sklaven dir zu Füßen,
Mir, o Mädchen, gieb Gehör!

Schnell, o süße Spielgenossin,
Wende deine Huld mir zu,
Netze mich mit frischem Taue
Und gieb meiner Seele Ruh'!
(S. 165)
_____



Preis der Geliebten

Traf mich Eros, flüstert leise
Mir ein trostreich Wort ins Ohr:
"Ist dein Herz in Lieb' verstricket,
Wirf's der jungen Maid nicht vor.

Laß das Grämen! denn sie liebt dich,
Sprich ein offnes Wort zu ihr,
Preis' in süßem Liebesliede
Ihrer Schönheit Strahlenzier." -

"O du süße Apfelgerte,
Du mein schlanker Lorbeerzweig,
Bist an Duft der Balsamwurzel,
Würz'gem Majorane gleich.

Ganz in goldnem Schimmer glänzet
Dir dein Köpfchen wunderbar,
Und in Flechten schöngestrählet
Prangt dein seidenweiches Haar.

Über deine dunklen Augen
Ziehn sich rabenschwarze Brau'n;
Wie von Künstlers Hand gemeißelt
Ist dein Näschen anzuschaun.

Perlengleich sind deine Zähne,
Wohlgeordnet, weiß und blank,
Hast in deinem Kinn ein Grübchen,
Wie ein Bäumchen bist du schlank.

Von dem Haupt bis zu den Füßen
Schildert' ich die Reize dein.
Bist die schönste ja von allen,
Wunderlieblich Mägdelein!"
(S. 166)
_____



Meine süße Liebe

Du mein Stern, mein lieber Stern,
Abendstern und Morgenstern,
Morgenstern der Liebe.

Morgengrau'n verscheucht' die Nacht,
Hielt vor Mägdleins Fenster Wacht
Auf dem Pfad der Liebe.

Spricht die Nachbarin zu mir:
"Junger Bursch, was schaffst du hier
Auf dem Pfad der Liebe?"

"Wollt' mein liebes Mädchen sehn
Und zwei Wörtlein ihr gestehn,
Meiner süßen Liebe."

"Deines Liebchens Zeichen sag,
Ob ich sie wohl kennen mag,
Deine süße Liebe."

"Dunkle Augen, dunkles Haar,
Hälschen wie Krystall so klar,
Zum Entzücken ist fürwahr
Meine süße Liebe!"
(S. 167)
_____



Im Schutze des Heiligen

Für ein Griechenmädchen entbrannte
Ein vornehmer Frankensohn,
Und da er sie stürmisch verfolgte,
Ist sie ins Gebirg' entflohn.

Da winkt ihr vom Berg die Kapelle;
Dort macht sie atemlos halt.
"O du heil'ger Georg, nun errette
Mich von des Franken Gewalt!

Und mächtige Schläuche Salböl
Bring' ich als Spende dir dar,
Und Centner von Wachs und Weihrauch
Leg' ich dir auf den Altar." -

Des freut sich das Herz des Heiligen;
Es teilt sich die Marmorwand,
Und vor dem grimmen Verfolger
Das Mägdelein Zuflucht fand.

Und in Eile folgt' ihren Spuren
Der vornehme Frankensohn.
"O Heil'ger, verschaff' mir das Mägdlein!
Ich biete dir reichen Lohn:

Ich spende dir Gold und Silber
Und Kränze und Edelstein,
Will auf deinen heiligen Namen
Als Christ auch getaufet sein." -

Des freut sich das Herz des Heiligen;
Es teilt sich die Marmorwand,
Und vor dem stürmischen Franken
Das zitternde Mägdlein stand.

Schnell greift er sie bei der Rechten
Und führt sie als Weib nach Haus;
Da lachte das Mädchen schalkhaft
Und schalt den Heiligen aus:

"Du bist mir ein schöner Heiliger,
Du doppelzüngiger Held!
Giebst zu, daß ein Griechenmädchen
In fränkische Hände fällt."
(S. 168-169)
_____



Schon manchmal bin ich aufgewacht
Um Mitternacht, im Dunkeln,
Und glaubte, es sei heller Tag,
Sah deine Brust ich funkeln.
(S. 169)
_____



Die Unzertrennlichen

Wir waren zwei herzige Vöglein
Gepaart zu trautem Bund.
Da schoß ein böser Jäger
Das eine todeswund.

Ach, hätt' auch mich getroffen
Dein Schuß so bitterschwer!
Daß ich mit meinem Liebchen
Im Tod vereinigt wär'.
(S. 173)
_____



Liebeskräutlein
Tanzlied

Liebeskräutlein ist zu finden
Nicht in jedes Thales Gründen.
In Livadiens Wiesenauen
Ist's bei einer Maid zu schauen.
Äpfeln gleich die Brüstlein prangen;
Wer sie anblickt, ist gefangen. -
Will sie sehen, will sie drücken,
Will das Liebeskräutlein pflücken -
"Sollst dein Spiel nicht mit mir treiben!
Jungfrau bin ich, will ich bleiben."
(S. 174)
_____



Wie öd' und traurig ist ein Garten,
Schlägt drinnen nicht die Nachtigall!
Wie trüb und dunkel ist ein Leben,
Erhellt es nicht der Liebe Strahl!
(S. 174)
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Zu dem Verliebten sei recht gut
Und sprich zu ihm gelinde,
Und sing ihm Liebeslieder vor,
Daß süßen Trost er finde.
(S. 174)
_____



Backfischchen

Herzensmutter, wasche mich,
Herzensmutter, kämme mich,
Aber in die Schule
Mag ich nicht mehr gehn.

Herren dort vorüberziehn,
Fein zu Fuß, zu Pferde kühn;
Einer ist vor allen
Ritterlich und schön.

Lächelt immer so charmant,
Grüßt mich immer so galant.
Möchtest mich beneiden,
Würdest du ihn sehn.
(S. 175)
_____



Und sterb' ich, eh' du wiederkehrst,
Soll aus der Erde Gründen
Mein Körper auferstehn, um dich,
Mein süßes Lieb, zu finden.
(S. 175)
_____



O du blondes Hirtenmädchen
Mit dem rosenroten Mund,
Könnten wir zusammen weiden
Doch im stillen Thalesgrund!
(S. 175)
_____



Angelika, du Zucker,
Du Honig süß und klar,
Angelika, du Quelle,
Draus trinkt der Engel Schar.
(S. 175)
_____



Könnt' ich zaubern, könnt' ich hexen,
Würd' ich deinen Sinn bestricken
Und aus deiner Eltern Hause
Dich in meinen Arm entrücken.
(S. 176)
_____



Sie sagen alle: Fliege!
Hab' doch nicht Kraft zum Flug,
Seitdem mich deine Liebe
In schwere Fesseln schlug.
(S. 179)
_____



Dich malten liebe Engelein
Da draußen in dem Mondenschein;
Drum wurdest strahlend du und zart
Wie eine Perle seltner Art.
(S. 179)
_____



Von Zucker wunderfein gerieben
Dein Busen schimmert süß umhaucht,
Und deine dunklen großen Augen,
Oliven sind's in Milch getaucht.
(S. 179)
_____



Liebesschwüre
Ein Wettgesang

"O Augen dunkelschwarz und süß, durch die ich schier verschmachte,
Will meiner Jugend mich nicht freun, wenn ich auf andre achte."
"O heuchle doch nicht Liebesgram, als ginge dir's ans Leben,
Hast ja dein Herzensschlüsselein schon anderswo vergeben."

"Lieb' ja ein einzig Mädchen nur, nur einen Gott ich lobe,
Mit allen andern treib' ich Scherz, und stell' sie auf die Probe."
"Liebst du von Herzen mich allein, so soll's dir gut ergehen;
Doch ist dein Herz in Lieb' geteilt, sollst vor der Thür du stehen."

"Bin ich dir nicht von Herzen gut, so soll mein Rock verderben,
Und sag' ich je vor dir mich los, will ich des Todes sterben."
"Und bin ich dir nicht wieder gut, der Himmel fall' zur Erde,
Will mich des Lebens nicht mehr freun, wenn ich dir untreu werde."

"Siehst du zwei Mond' am Himmel stehn, zwei Sonnen leuchtend prangen,
Dann glaube, holdes Liebchen mein, daß meine Lieb' vergangen."
"Siehst du den Meeresgrund einst blühn von Rosen und von Nelken,
Dann glaub', daß ich dir untreu bin, daß meine Lieb' wird welken."

"Möcht' jemand mich mit dir entzwei'n, erzürnt ich weg mich kehre,
Will morden ihn mit eigner Hand, und wenn's mein Bruder wäre."
"Möcht' leben ich, so lang du lebst! will nimmer von dir lassen,
Und stirbst du, soll auch mich alsbald dasselbe Grab umfassen."

"So wahr das Meer in Schwermut klagt, ans Land die Wellen treiben,
Will ich zum letzten Atemzug, Geliebte, treu dir bleiben!"
"So wahr vom Himmel Regen fällt, und dunkle Wolken ziehen,
So heiß kann nie ein ander Herz, wie meins für dich erglühen!"
(S. 184)
_____



Zerrissenes Herz

Der weite Himmel ist ein Papier
Mit flammenden Sternen beschrieben.
Das Blatt ist vergiftet! ich trag's in der Brust;
Ich les' es und ach! vergällt ist die Lust,
Und meine Augen sich trüben.

In die Thränen taucht' ich den Finger hinein
Und schrieb mit Zittern und Bangen,
Wie du einst schmeichelnd das Herz mir gerührt,
Wie du Liebe mir schwurst und mich küssend verführt,
Und treulos von mir gegangen.
(S. 185)
_____



"Weiße Lilie, süße Seele,
Heckenröslein zart und fein,
Hör' und gieb mir freud'ge Antwort:
Liebst du mich, mein Vögelein?"

"Frage nicht, ob ich dich liebe,
Könntest mich ja mißverstehn.
Forsche in dem eignen Herzen,
Und du wirst die Wahrheit sehn."
(S. 185)
_____



Und wär' der Himmel von Papier,
Und wär' von Tinte auch das Meer,
Ach, es genügte doch mir nicht,
Zu schildern meiner Leiden Heer!
(S. 185)
_____



Triff mich mit dem Schwert, doch achte,
Daß mein Herz du wohl verschonst;
Würdest selbst dich ja verletzen,
Da du ganz darinnen wohnst.
(S. 185)
_____



Verlorene Liebe

Lippen, süße Lippen, roter Lippen Zier,
Ach, wie gerne küßt' ich deine Lippen dir!
Doch mit deinen Lippen, Lippen die sind mein,
Kosen andre Lippen, lieben dich zum Schein.
(S. 186)
_____



Damit ich sie vergesse!

Gebt mir das Mädchen vielgeliebt,
das ich mir auserkoren!
Sonst schafft mir einen Zaubertrank,
damit ich sie vergesse.

Beschwert mit Ketten meinen Leib,
werft mich ins Meer, das tiefe,
Daß mich das Eisen niederzieh',
die Flut mich überrausche.

Dreiköpfige Schlange, giftgeschwellt,
legt sie mir an den Busen,
Daß bald mein Herz im Tod erstarr',
damit ich sie vergesse!
(S. 186)
_____



Aus meinem Herzen sucht' ich dich
Schon oftmals zu vertreiben;
Doch zwingt die Lieb' mich stets aufs neu,
Daß ich dir treu muß bleiben.
(S. 186)
_____



Zieh hin, mein Brief

Zieh hin, mein Brief, in Schmerz geboren
Und bringe einen Liebesgruß
Der Jungfrau, die ich mir erkoren
Und der ich fern nun bleiben muß.

In Ehrfurcht dich vor ihr verneige
Und sag' ihr tausend Schmeichelei'n,
Und was ich dir vertraut, das zeige!
Vergiß es nicht - sei zart und fein!

Und weinend sag' dem lieben Kinde,
Wie ich vor Kummer muß vergehn,
Dann aber kehr' zu mir geschwinde
Und melde, wie du sie gesehn.

Daraus will ich mein Los entnehmen,
Ob süße Hoffnung mich beglückt,
Ob ich mich muß zu Tode grämen,
Den Freuden dieser Welt entrückt.

Müh' dich, bis du ihr Thun ergründet,
Sieh, ob die Trennung nah' ihr geht,
Ob sie am Putz gefallen findet
Und lächelnd oft vorm Spiegel steht,

Ob treuer Liebe süß Verlangen,
Ob Mitgefühl ihr rührt den Sinn,
Laß Kunde des zu mir gelangen,
Damit ich weiß, woran ich bin.

Nun widme mir dein Sein und Denken,
Mein Brieflein, und sei wohlbedacht,
Daß du mir süßen Trost kannst schenken
Und melden, was mich glücklich macht.
(S. 202)
_____



Entschwundene Zeit

Wo ich einst liebte, muß ich weinen,
Die Lust entschwand, der Schmerz nur blieb.
Kein Hoffnungsstrahl will mir noch scheinen,
Mein Geist ist matt, mein Auge trüb.

Ach, alles hätt' ich hingegeben
Für dich, der ich mein Herz geweiht,
Mein Augenlicht, mein junges Leben -
Dahin, entschwunden ist die Zeit!

Für die ich heiße Liebe fühlte,
Die fest ich wähnte einst und treu,
Nicht ahnt' ich, daß sie mit mir spielte
Und daß ihr Sinn voll Falschheit sei.
(S. 203)
_____



Ruheloses Sehnen

Könnt' ich als Engelein
Ins Paradies einst schweben
Und säh' dich nicht, mein Leben,
Dich meine Seele, dort:

Ich würde flugs mich wenden
Zu den verdammten Scharen,
Von ihnen zu erfahren,
Wo mein Herzliebchen weilt -

Von Schluchzen und von Klagen
Der Äther wiederhallte,
Von Stern zu Stern ich wallte
Zu finden deine Spur.
(S. 204)
_____



Der Stern

Ich sah einen Stern am Himmel,
Der glänzte mit hellem Schein,
Da wankt' er plötzlich und stürzte
In den Weltenraum hinein -
Da sah ich dich, mein süßes Lieb,
Nun weiß ich, wo das Sternlein blieb.
(S. 204)
_____



Mädchen und Rose

Ein rosig Mädchen, wonnigsüß
von Jugendglanz umflossen,
Pflückt sich ein Röslein frisch erblüht,
aus edlem Stamm entsprossen.

Dein Urteil sprich, o Schmetterling,
wer dich zumeist entzückte,
Die Rose, die das Röslein brach,
das Röslein, das gepflückte?
(S. 204)
_____



Die Wünsche

Trug das Mägdelein, das lose
In dem Goldhaar eine Rose.
"Gieb das rote Röslein her,
Mädchen, nichts begehr' ich mehr."

Hold errötend wollt' sie eben
Mir das zarte Röslein geben.
"Reich' dein Lilienhändchen her,
Mädchen, nichts begehr' ich mehr."

Händchen gab sie mir mit Bangen,
Senkte ihren Blick befangen.
"Wende deine Äuglein her,
Mädchen, nichts begehr' ich mehr."

Schelmenauge nach mir guckte,
Lächeln ihren Mund umzuckte.
"Gieb vom Mund ein Küßchen her,
Mädchen, nichts begehr' ich mehr."

Küsse gab sie, gab ich wieder,
Herzchen hämmerte ans Mieder.
"Gieb dein Herzchen, gieb es her,
Mädchen, nichts begehr' ich mehr."

Wie der schlanke Baum sich bieget,
Eng sie sich ans Herz mir schmieget.
"Mein bist du, nichts trennt uns mehr,
Liebchen, nichts begehr' ich mehr!"
(S. 205)
_____



Des Liebenden Wünsche

Ach wär' ich doch ein Spiegel!
Du würdest in mich blicken
Und mich durch deine Schönheit
Aufs neue stets entzücken.

Ach wär' ich doch ein Kämmchen!
Wie sollt' es mir gefallen,
Gelinde dir und leise
Durchs weiche Haar zu wallen!

Ach wär' ich doch ein Lüftchen!
Wie würd' ich sanft mich heben
Und deinen zarten Busen
Mit kühlem Hauch umschweben!

Ach wär' ich doch der Schlummer!
Ich senkte mich hernieder
Und küßte dir des Abends
Die müden Augenlider.
(S. 205-206)
_____



Das Kätzchen

Sahst, mein Liebchen, du das Kätzchen,
Wie's mit seinen scharfen Tätzchen
Unterm Tisch den Knäul behende
Packt und mit ihm spielt ohn' Ende?

Sahst du, wie es arg ihn schüttelt,
Zwickt und zaust und rauft und rüttelt,
Bald ihn trägt in seinem Mäulchen,
Bald ihn liegen läßt ein Weilchen.

Wie es schielend darauf gucket,
Jetzt sich auf den Boden ducket,
Plötzlich pfeilschnell danach springet
Und als Beut' ihn wiederbringet?

Du, mein Liebchen, bist das Kätzchen,
Ich der Knäul; mit deinen Tätzchen
Quälst du endlos mich zum Scherze,
Unbekümmert, ob es schmerze.

Hetzt und jagst mich auf und nieder,
Läßt mich los und fängst mich wieder;
Marterst bald mich zum Ersticken,
Füllst mich kosend mit Entzücken. -

Muntre Göttin, nimm beim Spiele
Weiter noch mein Herz zum Ziele,
Daß es unter deinen Händen
Unvermerkt einst möge enden.
(S. 206-207)
_____



In die Ferne!

"Mein süßes Lieb, erwache! längst brach die Nacht herein,
In Ruhe liegt die Erde, es schlummert Feld und Hain.
Der bleiche Mond nur wachet, als teile er mein Leid,
Und wandelt seine Pfade in tiefer Einsamkeit.

Eh' mich ein harter Wille von dir, mein Liebchen, trennt,
Laß uns ein Fleckchen suchen, wo man kein Scheiden kennt.
Mein süßes Lieb, erwache in nächtlich stiller Zeit!
Schon steht ein Kahn am Strande für unsre Flucht bereit."

Es strahlt der Mond am Himmel so mitleidsvoll und mild -
Da haben beider Augen mit Thränen sich gefüllt.
"Mein lieber Schatz, nun rühre die Ruder mir geschwind,
Bis sich die Segel schwellen vom frischen Morgenwind."

Wie nun im Takt das Ruder sich in die Fluten senkt,
So oft hat sie dem Liebsten wohl einen Kuß geschenkt.
"Mein lieber Schatz, nun rühre die Ruder mir geschwind,
Bis auf der Höh' sich hebet der frische Morgenwind."

Hell strahlt der Mond und flüstert manch heimlich Trosteswort
Für all die tausend Leiden am fernen, fremden Ort -
Sie sahen in der Ferne den glänzendhellen Schein
Und hielten sich umfangen in seligem Verein.
(S. 207)
_____


Die hundert Liebesworte
Eine Novelle

Ist die Nachtigall in Trauer,
Singet sie nicht in der Frühe,
Singet nachts nicht und des Mittags
Sich im Laubgeäste wiegend;
Kommt ihr dann der Trieb zu singen,
Klagt sie in der Morgenfrühe,
Singet in gedämpften Tönen,
Daß ein jeder, der es höret,
Sagt: Wie traurig ist das Vöglein!

Also muß auch, wer der Liebe
Heil'ge Glut im Herzen fühlet,
Immer recht besonnen bleiben,
Muß sich recht zu schicken wissen,
Mit Geduld die Zeit erwarten
Und der rechten Stunde harren.
Denn die Zeit mit leichtem Schwunge
Wandelt, was einmal gewesen.
Schließlich kommt doch, was man wollte,
Findet sich das Herz zum Herzen,
Gleich ob gern nun oder ungern.


Die Liebe ist des Lebens beste Lehrerin

Die Widmung

Wann und wo wir uns sehn, und wo und wann wir uns treffen,
Mädchen, sag' es geschwind, daß du mein Leiden erfährst.
Holde, wann kommst du zu mir, an meiner Seite zu sitzen?
Daß ich dir offen gesteh', wie mich ein Sehnen erfüllt,
Wie ich in zehrender Glut wahnsinniger Liebe verschmachte,
Wie das Verlangen mich quält, das deine Schönheit erweckt.
Wär' ich doch, blutige Thränen im Auge, einst dir begegnet!
Hätt' ich mit tiefem Geseufz' rührende Klagen gemischt!
Mitleid hättest du wohl mit mir, dem Ärmsten, empfunden,
Hättest, zu lindern die Qual, freundlich ein Wort mir geschenkt,
Und ich hätte mein Herz durch ein frei Geständnis erleichtert,
Wie mich die Liebe verzehrt, wie mich die Leidenschaft quält.
Laß mich singen denn jetzt wehmütige Klage der Liebe,
Die sich im rhythmischen Fall mir zum Gesange gefügt.
Reichlich floß mir das Wort aus des Herzens sprudelnder Quelle,
Wie des Basilicums Duft, wenn du im Busen es birgst.
Was ich ersann, ich fügt' es für dich zu künstlichen Kette.
Höre, du Liebliche, denn, lausche dem Klagegesang.
(S. 209-211)


Die Liebeskette

Liebe ergriff einen Jüngling zu einem herrlichen Mädchen;
Schon zwei Jahre verzehrt glühende Sehnsucht sein Herz,
Endlich sandt' eines Morgens er ihr seiner Neigung Geständnis:
"Holdeste Jungfrau, zu dir bin ich in Liebe entbrannt!
Lange hielt ich's geheim, nicht konntest mein Leiden du ahnen;
Daß es nicht merkte die Welt, barg ich es still in der Brust."
Thränen weinte die Jungfrau, da sie die Worte vernommen,
Dennoch sandte sie ihm bitter verletzendes Wort:
"Bist ja so klein und so jung! Wie kannst von Liebe du reden?
Hast mit dem dummen Geschwätz mich nur gekränkt und verstimmt;
Wird es den Nachbarn bekannt, so werden sie über mich herziehn."
Drauf der Jüngling: "Warum sollt' ich nicht Liebe verstehn?
Prüfe mich, ehe du sprichst, daß du mich richtig erkennest,
Bin ich auch klein von Gestalt, ist doch die Leidenschaft groß.
Siehe die Fichte, wie groß! sie ermangelt köstlicher Früchte;
Siehe die Ähre, wie klein, und wie gesegnet an Korn!
Denk' an das winzige Rebengewächs voll herrlicher Trauben,
Welche des Menschen Gemüt Sommers und Winters erfreun.
Hegst du noch Zweifel, so schlüpf' in leichten Pantoffeln zum Garten,
Sieh, wie der niedrige Baum Winde und Wetter besteht,
Und wie er wurzelt so fest als große, mächtige Stämme!"
Immer noch zögernden Sinns sagte das Mädchen darauf:
"Hundert Lieder singe mir jetzt zum Preise der Liebe;
Hast du es glücklich vollbracht, winket ein Kuß dir als Lohn."
Drauf der Jüngling: "Zwar bin ich im Singen wenig bewandert,
Dennoch will ich den Geist sammeln und ordnen den Sinn,
Will zum Liebesgesang jetzt meine Seele erheben,
Zähle, mein Mädchen, und gieb, wenn ich's vollbrachte, den Lohn."
(S. 211-212)



Ein schönes Mädchen sah ich,
Sie stellte Netze mir;
Jetzt hat sie mich gefangen,
Nicht mehr gehör' ich mir.

Nur an dich, Schönste, denk' ich,
Die mir den Sinn berückt,
Der ich wohl sonst mich rühmte,
Daß Lieb' mich nie bestrickt.

Ach, da du schlau mich fingest,
Da ist zur selben Stund
Die Liebe festgewurzelt
Mir tief in Herzens Grund.
(S. 212-213)


Zwei Augen trübst du, o Mädchen,
Meiner Seele bringest du Pein,
Mein Busen glühet in Liebe,
Und ach! dein Herz ist von Stein.

Dein Sinn ist von starrem Eisen,
Dein Geist ist so störrisch wild,
Deine Lippe so streng geschlossen,
Kein Lächeln umspielt sie mild.

Hast noch kein Wörtchen verloren,
Nicht gespendet freundlichen Gruß,
Der ich deinetwegen mich härmen
Und seufzen und weinen muß.
(S. 213)


Drei Jahre, müßt' auch gebunden
In Fesseln schmachten mein Leib,
Sie schienen mir nur drei Stunden,
Aus Liebe zu dir, o Weib.

Keine andre Lieb' ist so mächtig,
So hart keines Kerkers Pein,
Daß deiner nicht mehr gedächt' ich,
Daß je ich vergäße dein.

Dich trag' ich allein im Herzen,
So lang ich lebe, allzeit,
Und kaum noch trag' ich die Schmerzen,
Das flammende Liebesleid.
(S. 213)


Vier Arm' hat das goldne Kreuzlein,
Womit du den Busen schmückst
Und das du abends und morgens
An die rosigen Lippen drückst.

Ach könnt' ich an deinem Busen
Als Kreuz doch gebettet sein
Und Küsse von dir erhalten
Du wonniglich Mägdelein!
(S. 214)


Fünfmal wohl des Tages sink' ich
In Ohnmacht, o Herrin mein,
Doch schilt mich nicht einen Schwächling,
Du trägst ja die Schuld allein.

Und jeder Morgen und Mittag
Ist Zeuge von meiner Qual,
Und meine Leiden bescheinet
Der sinkenden Sonne Strahl.
(S. 214)


Sechs Stunden wohl hab' ich harrend
Vor deinem Fenster verbracht,
Bis ich sah deiner Brüste Äpfel,
Deiner Glieder leuchtende Pracht.

Der Aloe Duft und Moschus
Von dem jungen Leibe dir weht;
Deine Lippen prangen wie Rosen,
Deine Brauen sind wie Zibeth.

Wie Honig quillt von der Zunge
Der lieblichen Worte Fluß.
Ach, schwelgt' ich in deinen Reizen!
Doch elend ich darben muß.
(S. 214)


Sieben Seelen, gewährte der Schöpfer sie mir,
Ich verlöre sie alle aus Liebe zu dir.
Noch soll ich nicht sterben, doch ist mir so bang,
Mein Leib ist gesund und die Seele so krank!
Doch willst du es, Mädchen, vorbei ist das Leid;
Dann leb' ich und lieb' ich in Ewigkeit.
(S. 215)


Acht Cypressen soll man pflanzen,
Wo einst ruhet mein Gebein,
Und mit goldnen Lettern schreiben
Auf den weißen Marmorstein:

"In des Lebens Jugendblüte
Hat man ihn ins Grab gesenkt,
Weil die Maid, die heiß er liebte,
Ihm Erhörung nicht geschenkt."

Wirst du's lesen, liebes Mädchen,
Heiße Thränen weinest du,
Und mit Seufzen wirst du sprechen:
Gott, gieb seiner Seele Ruh'!
(S. 215)


Neun Rebhühner hoch sich schwangen,
Eins strahlt' in goldigem Schein.
Ich fragt' es mit heißem Verlangen:
"Wer bist du, mein Vögelein?"

Ich dachte, ich wollt' es fangen
Und stellt' ihm Netze geschwind.
Da ist es hineingegangen,
So schön war's wie du, liebes Kind.

Wie die Lilie der Leib erstrahlte
So schlank und so zart und mild.
Auf den Purpurlippen sich malte
Der flammenden Rose Bild.

Die wonnigen Lippen singen
So süßen und leisen Sang,
Weiß Vöglein mit goldigen Schwingen,
Viele Herzen machtest du krank!
(S. 215-216)


Zehn Schwerter hast du, o Herrin,
In meinen Namen gesenkt,
In mein tiefinnerstes Wesen
Den tötlichen Stahl gelenkt.

Nicht wolltest du mein Verderben
Von grollendem Haß bethört,
Du thatest es, weil du mich liebtest;
Jetzt Sehnen mein Herz verzehrt.

Ich kann sie nicht länger tragen,
Die folternde Liebespein,
In Ohnmacht schwinden die Sinne,
Gedenk' ich, o Herrin, dein.

Dein Anblick macht mich erbleichen,
Meine Seele findet nicht Ruh';
Ich lege mich matt aufs Lager
Und schließe kein Auge zu.
(S. 216)


Drauf zum Jüngling die Maid: "Will den ersten Kuß dir nun geben,
Die ich wohl sonst mich gerühmt, nie sei zum Kuß ich bereit.
Aber du hast mir den Sinn durch die schönen Lieder gewandelt,
Hast mir gebrochen den Trost, hast mich zur Sklavin gemacht.
Willenlos folg' ich dir jetzt im erwünschten Bann deiner Liebe,
Bin deinen Füßen ein Weg, bin deinen Schritten ein Pfad.
Aber nun nimm von den Liedern den Zehnten, daß du sie kürzest,
Ist doch die Stunde nicht fern, die uns zum Mahle vereint.
Doch dein Gewand ist bestäubt - will schnell ein neues dir holen,
Ziemt doch ein festliches Kleid sich zu dem frohen Genuß!
Süße Küsse tauschen wir dann, eh' das Alter uns findet,
Ehe der Tod uns ergreift, eh' uns die Erde verschlingt.
(S. 216)


Zwanzig Äpfel auf goldener Schale
Lachen mich an so süß und klar,
Leuchten so purpurn, duften so lieblich,
Wie meiner Liebsten Lippenpaar.

Steh' ich und äugle, spreche verlangend:
"Wäre doch solch ein Apfel mein!
Möchte sein Duft mich abends entzücken,
Wiegen in sanften Schlummer ein!

Könnt' ich ihn küssen, könnt' ich ihn herzen,
Hätt' ich des Abends freudigen Trost,
Wär' es, als hätt' ich dich an der Seite,
Selbst dich geherzt und mit dir gekost."
(S. 217)


Dreißigästige Cypresse,
Mit dem goldenen Gezweig,
Bist an breitem Blätterschmucke
Und an kühlem Schatten reich.

Atmest süße Frühlingslüfte,
Spendest frischen Morgentau,
O du duft'ger Rosengarten,
Wundervolle Blumenau.

Apfelbaum, wie Purpur leuchtend,
Süßer Früchte voll und schwer,
Neige deine Jugendschöne,
Deinen Liebreiz zu mir her!

Unter deinen Schattenzweigen
Laß mich finden süße Ruh'.
Netze mich mit frischem Taue,
Säusle du mir Kühlung zu.
(S. 217)


Vierzig Klafter grub ich's
In die Erde ein,
Glaubte, meine Liebe
Sollt' verborgen sein.

Aber ach, aus Prahlsucht
Machtest du es kund;
Jetzo spottet meiner
Fremder Leute Mund.

Hättest mich verleugnet,
Dich mit mir entzweit.
Drum bedrückt mich Kummer,
Quält mich Herzeleid.
(S. 218)


Fünfzig Quellen könnten fließen
Wohl aus hundert Schluchten vor
Und im Wirbel sich ergießen
Hin zu meiner Liebsten Thor.

Hätt' ich's dann mir vorgenommen,
Mit dem goldnen Saitenspiel
Nachts vor deine Thür zu kommen,
Wenn du schläfst auf weichem Pfühl:

Würd' ich seufzen, würd' ich singen,
Wecken dich, o Liebchen mein,
Bis die Wasser würden dringen
In mein Saitenspiel hinein.

Lieder würden dumpf verhallen,
Doch mein Herz nur leicht genetzt.
Kaum erfrischt, in Flammenqualen
Wird es neu durch dich gesetzt.

Göss' ich drüber große Flüsse,
Nimmer tilgten sie den Brand,
Wenn nicht, Herrin du, o Süße,
Löschest ihn mit eigner Hand.
(S. 218-219)


Sechzig Kreise, wär' ich ein Adler,
Zög' ich im weiten Äthermeer,
Um zu erspähn, wo mein Süßliebchen,
Wo mein herziges Täubchen wär'.

Hätt' ich's gefunden, würd' ich es bringen
Hoch zu dem Horst am Felsengrat,
Würde in Liebe seiner pflegen,
Würd' es beschützen früh und spat.

Wirst du mir deine Liebe schenken,
Dunkeläugiges Täubchen schön,
Trag' ich empor dich auf meinen Schwingen
Bis zu des Himmels lichten Höhn.
(S. 219)


Siebzig Pforten hatt' mein Käfig,
Drinnen sang mit süßem Schall
Mein gezähmtes liebes Vöglein,
Meine holde Nachtigall.

Herrlich waren ihre Schwingen,
Schillerten in buntem Schein.
Tage kamen, Monde gingen,
Und entfloh'n ist's Vögelein.

Fremder Jäger hat's gefangen,
Herzt und küßt es in der Näh',
Traurig laß den Kopf ich hangen,
Wenn ich's liebe Vöglein seh'.

Hör' ich ihre sanften Lieder,
Ihrer Stimme Zauberklang,
So erbeben meine Glieder,
Wird's im Herzen mir so bang.

Sterben muß ich und verderben,
Bring ich's Vöglein nicht zurück,
Kann ich nicht aufs neu erwerben
Meiner alten Liebe Glück.
(S. 219-220)


Achtzigmal wohl litt ich
Schwere Qual um dich,
Herrin, sei mir gnädig,
Und erhöre mich!

Alle Leute wissen's,
Zeigen schon nach mir;
Kaufe mich als Sklaven!
Treulich dient' ich dir.

Würde nachts entfachen
Deiner Leuchte Schein
Und beim Mahle dienend,
Herrin, um dich sein.
(S. 220)


Neunzigmal wohl hat die Liebe,
Die du ach! in mir erweckt,
Mich zerrissen, mich erschüttert
Und mein armes Herz erschreckt.

Freue dich des großen Sieges!
Stolzes Mädchen, freue dich!
Machst zu Schanden meine Liebe,
Stürztest ins Verderben mich.
(S. 220)


Hundert Jahre sollen schwinden,
Hundert Jahr' ich schmachten muß,
Bis du küssend mir gewährest
Süßer Liebe Vollgenuß.

Warum quälst du mich, o Herrin,
Mit der Liebe Folterqual?
Sagst bald: Heute! sagst bald: Morgen!
Sagst: Geduld, ein ander Mal! -

Meine Dichtung ist am Ziele,
Komm zu mir, du Liebchen mein,
Laß in jahrelanger Liebe,
Holdes Kind, vereint uns sein!
(S. 221)



Drauf ergreift er die Maid an der Hand und führt sie zum Lager,
Schenkte ihr Küsse vollauf, wie es sein Herz nur begehrt. -
Aber da er der Küsse nun satt, erhob er sich lachend,
Daß die Jungfrau darob bittere Thränen vergoß.
"Hätt' ich, o Jüngling, gewußt, daß dein Sinn voll hämischer Tücke,
Daß du herzlos verhöhnst, was du soeben geküßt:
Ach! dann hätt' ich dir nie zum Kuß die Lippen geboten,
Kämst auch an strahlendem Glanz selber der Sonne du gleich."
Drauf der Jüngling empört: "O Mädchen, schilt mich nicht herzlos!
Herzlos handeltest du, da du mit Spott mich gekränkt.
Glühende Liebe erwidertest du mit lauem Bedenken,
Was mir die Liebe versagt, Eitelkeit hat es gewährt.
Jetzt erkannt' ich recht. Du bist ein garstiges Mädchen,
Schauest der Wildkatze gleich, wenn du dem Bade entsteigst.
Plump ist dein Mund, gemein dein Gesicht, gewöhnlich die Brauen,
Nimmer ersetzet der Putz, was dir an Reizen gebricht."
Drauf das schluchzende Mädchen: "O laß das bittre Gespötte,
Jüngling, schilt mich nicht aus, setz' mich nicht erhrlos herab!"
(S. 221)



Der Begleitbrief

Sende dir ein Brieflein,
Meiner Augen Licht.
Seele meines Lebens,
Lies und zürne nicht.

Scheinen dir die Züge
Schlecht, die Tinte blaß:
Ach, von vielen Thränen
Ward das Brieflein naß!

Sinnend in der Linken
Hielt ich das Papier,
Und der Griffel ruhte
In der Rechten mir.

Holdes Kind, von Locken
Goldigblond umkränzt,
Wie Krystall und Marmor
Dir dein Busen glänzt.

O du Leuchte, funkelnd
Von des Goldes Glanz,
Krug mit Purpurlippen
Voll von Liebe ganz,

Gürtel du mit Spangen,
Wundersüße Maid,
Halte mich umfangen
Innig allezeit!
(S. 222)
_____


übersetzt von Hermann Lübke (1861-?)

Aus: Neugriechische Volks- und Liebeslieder
in deutscher Nachdichtung
von Hermann Lübke
Berlin NW Verlag von S. Calvary 1895

siehe auch Teil 1




 


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