Wilhelm Waiblinger (1804-1830) - Liebesgedichte

Wilhelm Waiblinger



Wilhelm Waiblinger
(1804-1830)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 




Lieder der Sehnsucht und Liebe

Sehnsucht nach der Geliebten

Wo weilst du in der Ferne
du meines Herzens Wonne,
bei'm Schein der lichten Sterne,
bei'm Glanz der goldnen Sonne?

So ruf' ich aus am Tage
in einsam düstern Nächten,
und manche stumme Klage
will mit dem Himmel rechten.

Es deuten alle Stellen
auf wonnevolle Stunden,
doch meine Thränen quellen,
denn ach! sie sind verschwunden.

Wie viel Erinnerungen
in meiner Seel' erbeben?
Aus weiter Fern erklungen
sie zu mir niederschweben.

Und sinkt herab das Dunkel
erhellt die düstere Räume,
der Lampe Lichtgefunkel
erscheinen wache Träume.

Ihr Geist in holden Bildern
schwebt dann an mir vorüber,
mir Herz und Sinn zu mildern,
doch werd' ich nur noch trüber.

Denn um in ihren Armen
der Liebe Lust zu fühlen,
an ihrem Mund, den warmen,
mit Küssen süß zu spielen.

Will ich jetzt mit den Händen
nach ihr gewaltsam streben,
doch an den dunkeln Wänden
seh' ich das Bild verschweben.
(S. 173-174)
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Akrostichon,
bei der Uebersendung seines Bildes an die Geliebte

Wenn einst dir dieser Züge tiefe Bilder
an deinem Blicke stumm vorüberschweben,
in's wunde Herz erklingen, tiefer, milder,
bewegsam ihre Laute dir erbeben;
laß dann, Geliebte, was wir uns gewesen,
in der Erinn'rung dir vorüberziehn,
nenn' jenes Namen, dessen ganzes Wesen
ganz nur für deine Reitze mußt' entglühn,
ein Jüngling führt ihn, der mit edlen Trieben
rein und beständig, dich gelobt zu lieben.
(S. 174-175)
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Unbändiges Sehnen

Befreie mich aus dieser Kerkerhaft
und schmettre meine Bande, Tod, entzwei,
dann jubl' ich in unbändig wilder Kraft
und schwelge durch die Himmel rasch und frei.

O Gott! er war so schön, der Jugend Traum,
so göttlich, was ich taumelnd mir erdacht,
mir ist, als ständ ich an des Weltalls Saum,
wo Stern an Stern und Welt an Welt zerkracht.

Erwürge, Tod! mich, doch in ihrem Arm
erstarre meines Blutes Wirbelfluß,
auf ihren Lippen brenne heiß und warm
zum letztenmale noch ein banger Kuß.
(S. 175)
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Der Liebe Schmerz

Liebe Seele, werd ich Brust an Brust
wieder in unnennbarem Entzücken
dir der Herzensfülle Wonn' und Lust,
dir den Himmel aus dem Auge blicken,
wieder Mund an Mund,
meine Lippen auf den deinen,
Kuß auf Kuß, mich zu der Liebe Bund,
zu der Liebe Glück mit dir vereinen?

Auf den Hügeln steh' ich oft allein,
schaue nach den Bergen oft hinüber,
ach! und dann verlangt mich dort zu seyn,
und es wird in meiner Seele trüber,
und mein Auge thaut,
o! wie wein' ich dann so gerne,
weine wie ein Kind so laut
trostlos in die liebe, blaue Ferne.

Und ich sehe, wie die Wolken zieh'n,
immer wechseln sie Gestalt und Stelle,
ach! auch meine Ruh' ist so dahin
und du rinnest ewig, Thränenquelle,
rein, wie Luft und Licht,
Mädchen ist mein glühend Sehnen,
doch die Thräne löscht die Flamme nicht,
und die Flamme trocknen nicht die Thränen.
(S. 175-176)
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Abschied von der Geliebten

Engel! Engel! wilde Schauer zucken,
durch die Seele, wie der Blitze Licht,
und mein Blick ras't trunken auf nach oben,
Nacht erstarret, doch ich weine nicht.

Letzte, letzte fürchterliche Stunde!
beb' ich? zittr' ich vor dem Weltgericht?
Flieht der letzte sieche Hauch vom Munde,
ach ich schwinde, doch ich weine nicht.

Zähle mir die blauen regen Wellen,
die der Wind im Reich der Lüfte weht,
miß, wie tief der grüne Meeresstrudel
seine Wirbel, sein Gewoge dreht.

Rechn' es aus, wie viele Feuerwelten
nächtlich am gestirnten Himmel blühn,
aber Mädchen, miß nicht meine Liebe,
nicht die Flammen, die im Busen glühn.

Noch einmal an deinen Rosenlippen
fühl' ich deiner Liebe Feuergluth,
noch einmal in langen Küssen wirble
siedend durch die Ader mir das Blut.

Noch einmal an deinem Busen beben,
noch einmal in fieberhaftem Krampf
laß der Liebe Freudenkelch mich leeren,
und dann - kämpf' ich meinen Riesenkampf.

Deinen Mund! - ich rase, schwärme, flamme,
meine Geister fliegen himmelwärts,
Nebel graut um mich, und wonnetaumelnd
drück ich dich zum letztenmal an's Herz.

Deinen Mund, o rasendes Entzücken,
Mädchen, weigre nicht und lass' mich ziehn,
einen Kuß noch, und wir sind geschieden,
letzte, letzte Wonne fahre hin.
(S. 176-177)
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Verlangen nach der Ferne

Ueber Berge möcht' ich hin,
über alle Berge fliehen!
Armes Herz! wo willst du hin?
Willst du vor dir selber fliehen?

Aber kann ich denn die Regung
bändigen des wunden Herzens,
und die lärmende Bewegung
meines namenlosen Schmerzens?

Quille nur du Thränenquelle,
rastlos, wie die wilde Welle,
unaufhaltsam fortgeschoben,
Grund und Wiese kehrt nach oben.
Eh die Seufzer mir verklingen,
mußt du treues Herz zerspringen!

Siehst du dort der Landschaft Bildniß,
wie's im schmalbefaßten Rahmen
luftigdämmernd Blau umwebet:
Soll ich es für mich benamen,
eine menschenleer Wildniß
sind mir alle jene Weiten,
mannigfach und reich belebet;
ach der Kindheit Rosenzeiten!

Wie sich dort ein bunt' Gedränge
brausend durch einander schiebet,
ach! in jener lauten Menge,
find' ich niemand, der mich liebet.

Mancher geht an mir vorüber,
doch er läßt mich meinem Schmerz,
bänger wird mir nur darüber,
bänger mir das arme Herz.

Ueber Berge laßt mich hin,
über alle Berge ziehen!
Armes Herz! wo willst du hin?
Kannst du vor dir selber fliehen?
(S. 182-183)
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Lied der Liebe in die Heimath

Ach warum in dieser Ferne,
süßes Herz, so weit von dir?
Alle Sonnen, alle Sterne,
öffnen ihre Augen mir,
nur die schönsten blauen Strahlen,
nur das reinste tiefste Licht,
drin sich Erd' und Himmel malen,
nur dein treues Auge nicht.

Ja, ich seh' in wilden Lauben,
über Bergen, über Seen,
Kind voll Unschuld und voll Glauben,
dich in frommer Stille gehn.

Um die bleichen feuchten Wangen
spielt die frische Abendluft,
und es steigt dein zart Verlangen
himmelwärts wie Blumenduft.

Thrän' an Thräne seh' ich rinnen
tief aus deines Auges Nacht,
und mit glühend heißen Sinnen
hängst du an der Sterne Pracht -
o mein Kind, in jenen Räumen
suchst du den Geliebten schon,
und so früh den schönen Träumen
spräche das Verhängniß Hohn?

Nein, dem liebenden Gemüthe
sind sie schmerzlich sanfter Trost!
Nach dem Winter kommt die Blüthe,
die ein neuer West umkost.
Bei den heimathlichen Auen,
bei der Burgruine Bild,
da, wo Aug' und Blumen thauen,
Mädchen, sei dein Weh gestillt.

Was du weinend mir gegeben,
all' dein himmlisch Heiligthum,
war ein Kuß fürs Erdenleben,
war es für Elysium.
Mein ist dein verschämtes Zagen,
mein die jungfräuliche Scheu,
konntest du so muthig wagen,
liebes Herz, so bleibe treu!
(S. 183-184)
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Lieder der Nazarena

Erstes Lied

Ich
Ja, gesteh' ich's, deinetwegen
bin ich, schöne Nazarena,
im Olivendorf geblieben.
Daß von allen süßen Töchtern
weit umher in Civitella,
in Sanct Viso und Serone,
in Roviati und Subiaco,
den Sabinerbergen allen
du die schönste bist, es sagen's
Alt und Jung, und Frau'n und Männer,
doch am meisten sagt's mein Auge,
sagt's mein Herz, wie schön du bist.

Sie
Fremdling, ich verstehe wenig
deine Sprache, willst du aber
meiner spotten, meiner höhnen,
wisse denn, in unsren Bergen
waltet strenge Zucht und Sitte,
unser armes Herz gilt wenig,
nur der Vater gilt, gehorchen
muß ich blindlings ihm, und tändeln
wie mit Römerinnen, darfst du
nicht mit uns, o glaube, tödten
würde mich der böse Vater,
darum, Fremdling, spotte nicht.

Ich
Kind, du kennest nicht mein Leben,
nicht mein Herz und nicht sein Schicksal,
kennst ihn nicht, der so verwegen
dir von Lieb' und Schönheit plaudert,
und auf immer unverständlich
möge dir sein Geist auch bleiben.
Aber o vergönne, daß ich
mich dir näh're, daß ich trete
in dein Haus, wie in den Tempel,
und die Nemesis hat keine
Macht mehr über mich, und sicher
bin ich, Kind, an deinem Herd.

Sie
Du erschreckst mich, Worte sprichst du
schlimmen Sinnes, die zu fassen
mein Verstand nicht reicht, o Fremdling!
Gut erscheinst du mir und redlich,
drum laß ab, mit dunkeln Worten
mich zu schrecken, zu verschüchtern.
Ach ich will dir wohl, doch muß ich
meines Vaters Härte fürchten,
sprich mit ihm, die Tochter kann dir
nichts gestatten, nichts versprechen.
Liebst du mich, so geh zum Vater,
aber, Fremdling, spotte nicht.

Ich
O wie könnt' ich dein begehren!
Kenntest du mein Seelenleiden!
Schon zu alt bin ich, um tändelnd
mich mit leerem Wahn zu täuschen,
noch zu jung, um deines Auges
wilde Strahlen nicht zu fühlen,
zu geprüft, um noch zu hoffen,
zu verwegen, um zu fürchten,
zu erfahren, um zu trauen,
und zu weich, um nicht zu lieben,
lieben möcht' ich dich, besitzen,
Nazarena, kann ich nicht.

Sie
Fremdling, meinem Ohre klingen
deine Worte wie ein Räthsel,
und ich darf dich so nicht hören,
denn vielleicht wär's eine Sünde.
Kommst du meine Ruh zu stören
über's Meer in unsre Berge,
mich mit Worten zu bestricken,
deren Sinn ich nicht verstehe -?
Ich gehorche meinem Vater,
seinem Willen muß ich folgen,
liebst du mich, so geh zum Vater,
aber, Fremdling, spotte nicht.


Zweites Lied

Sie
Jeden Tag an meinem Hause
seh' ich dich vorüber wandeln,
kaum bin ich am Webestuhle
früh des Morgens, sieh da kommst du
schon herauf die Felsentreppen,
und nach meinem Fenster schielet
stets dein Aug', und freundlich grüßend
gehst du weiter, sage, Fremdling,
sage, was ist dein Begehr?

Ich
Jeden Tag an deinem Hause
muß ich wohl vorüberwandeln,
schon bist du am Webestuhle
früh des Morgens, wenn ich komme,
und dein Engelsköpfchen lächelt
durch das Fenster und dein Auge
schielt nach mir und freundlich grüßend
nickst du: sage, Nazarena,
sage, was ist dein Begehr?

Sie
Gestern kaum nach Sonnenaufgang,
als ich noch dich schlummern dachte,
und im Felsengarten draußen
Blumen für die Mutter Gottes
abzupflücken ging, da sahst du
schon zu unsrem Fels herüber,
und erkanntest aus der Ferne
mich so gut, und winktest, glaub' ich,
sage doch, was denk' ich mir?

Ich
Gestern kaum nach Sonnenaufgang
als ich noch dich schlummern dachte,
warst du schon im Felsengarten,
weil du wußtest, daß der Schlummer
frühe mich verläßt, und sahest
schon von deinem Fels herüber,
und erkanntest aus der Ferne
mich so gut, und grüßtest, glaub' ich,
sage, Kind, was denk' ich mir?

Sie
Ja und was geschah! Ich dachte
nicht an dich, da hör' ich leise
hinter'm Gartenbusch den Bergweg
einen Tritt herauf, es flüstert,
und ich schau, wer ist's? Vor'm Garten
draußen an dem Feigenbaume
stehst du schon, mit süßen Worten
einen guten Tag mir wünschend,
sage, wie versteh' ich das?

Ich
Wahr ist es, ich eilte hurtig
den Olivenberg hinunter,
und den Fußpfad hin gelangt' ich
an den Garten, und ich zische,
und du schaust heraus und grüßest
herzlich mich, und lispelst leise:
hier entdeckt man uns, zu Hause
wart' ich dein in einer Stunde;
sage, wie versteh' ich das?

Sie
O du kannst dich nicht verstellen:
in der Messe drauf, 's ist Sünde,
saßest du in meiner Nähe,
und anstatt daß du gebetet,
sahest du mich an, ich schämte
mich vor all' den vielen Mädchen,
und war froh, als sie geendet,
aber ach - du folgtest eilig;
wie entschuldigest du dich?

Ich
O du kannst dich nicht verstellen:
in der Mess', in meiner Nähe
knietest du, denn vor dir kam ich,
und du sahst mich an: erröthen
mußtest du, und wie du schöner
bist als alle, warst du schöner
als du selbst in dieser Röthe,
und ich folgte dir - du wolltest's;
wie entschuldigest du dich?

Sie
Kannst du läugnen, daß du Briefchen
mir geschrieben, und mit Blumen
ein Sonett geschickt, und hab' ich
eine Antwort dir gegeben?
Sagst du nicht an jedem Tage,
morgen scheid' ich, übermorgen
bin ich schon in Rom, und immer
bleibst du hier, o Fremdling, läugne,
 läugn' es nicht, du bist mir gut.

Ich

Wahr ist's, daß ich dir geschrieben,
doch ich weiß auch, daß du Antwort
mir gegeben, wenn du anders
schreiben könntest - und so läugne
du mir nicht, daß du mich batest:
bleibe hier, und wenn du scheidest,
kehre wieder, und auf lange,
und dann nimm mich hin auf immer;
Nazarena, läugnest du's?


Drittes Lied

Ich
Aber eines, Nazarena,
könntest du mir nun gewähren:
wir sind ganz allein; die Mutter
draußen sitzt sie auf der Treppe;
Menschen sind Verräther, Tauben
sind es aber nicht und Hühner,
und so sollst du etwas denn,
meine Taube, mir gewähren.

Sie
Was auch wolltest du besond'res!
alles darf die Mutter wissen;
doch ich weiß nicht, was du möchtest,
und was könnt' ich dir wohl geben?
Nichts vermag ich, eingekerkert
wie ich bin; was kann ein armes
Mädchen von Olevano
Deinem Wunsche dir gewähren?
 
Ich
Orvietto's Wein, Genzano's
goldne Traub' ist süß und herrlich,
aber meiner Lippe schmeckte
süßer noch der Kuß der deinen;
drum, mein Liebchen, neige hurtig
mir vom Webestuhl herüber
deines Mundes Lieblichkeit,
eilig, eh die Mutter störet.

Sie
Was verlangst du? Nein, ich könnte,
könnt' es nicht, und es ist Sünde,
denn der Pred'ger hat's verboten.
O Madonna, wie vermöcht' ich's
in der Beichte zu bekennen,
und was sagte mir der Priester?
Welche Buße - nein, ich kann
so was Böses nicht begehen.

Ich
Kind, ein Kuß ist keine Sünde,
in der Beichte nicht zu sagen,
und du weißt es gut, dein schalkhaft
lieblich Lächeln, es verräth dich.
Zaudre nicht, o Nazarena,
sei nicht falsch, denn wohl bemerkt' ich's,
wie du heut der Nachbarin
blondgelocktes Bübchen küßtest.

Sie
Ei, mein Freund, ein andres ist es,
einen Mann, ein Kind zu küssen.
Endlich könntest du mir zürnen,
daß ich meinen Heil'gen küsse!
Still, mein Freund, es ist verboten,
und es sind auch eitle Possen,
Nazarena darf es nicht,
ehe sie dein Weib geworden.

Ich
Wohl denn, wenn du nur dem Heil'gen
einen Kuß vergönnst, so will ich
dir zu Lieb' ein Heil'ger werden,
wenn die Welt auch Grund genug hat,
noch dafür mich nicht zu halten,
will ich's klar dir doch beweisen,
denn ich will ein Wunder thun -
ohne Kuß von dir zu gehen.


Viertes Lied

Sie
Und du scheidest! - ach ich fürchte,
schon in Palestrina hast du
Nazarenens Bild vergessen,
und die Schönheit Roms und deiner
reizend holden Römerinnen -
sicher, daß sie's alsobald
dir aus Herz und Seele tilgen.

Ich
Nein lebendig, wie dem Schiffer,
der allein auf schwachem Balken
irrte durch des Meeres Wüste,
nie das Bild des grünen Eilands,
wo er Rettung fand, verschwindet,
wird Olevano mir treu,
ewig in der Seele schweben.

Sie
Besser wär' es wohl, du Lieber,
wenn du ganz herüberzögest;
schön ist's ja in unsern Bergen,
wie's die fremden Wandrer rühmen,
könntest hier auch dichten, lesen,
träumen, schreiben, und du wärst
Nazarenen doch nicht ferne.

Ich
Liebes Kind, mein Schicksal will es,
daß ich nun zum Capitole
und den großen Plätzen allen
meiner Lieb' und Schwermuth wandre!
Doch wenn auf der Serpentara
wieder die Kastanie grünt,
dann, mein Leben, kehr' ich wieder.

Sie
Ach du kehrst nicht mehr, ich ahn' es,
eine wohl der schönen Frauen
wird dein Herz in Liebe fesseln.
Denn gewiß, du hast der Mädchen
viele schon gehabt. Ich warte
dein umsonst: der Frühling kehrt,
aber du, mein Herz, nicht wieder.
 
Ich
Sei nicht bange, Nazarena!
Unter Roms, Albano's Frauen,
selbst am Blumenfest Genzano's
unter all' der schönen Jugend,
hab' ich dennoch keine Schönheit,
hab' ich doch kein Angesicht
wie das deinige gesehen.

Sie
Aber zu gering den Wünschen
deines Herzens möcht' ich scheinen:
schlicht nur nach der Berge Sitten
trag' ich Halstuch, Band und Schleier;
meine sechzehn Lenze sind mir
nur im Garten, am Kamin
und am Webestuhl verflossen.

Ich
Darum frisch und unverdorben
bist du immerfort geblieben.
Dein Geschlecht - im Rausch der Städte
längst verlernt' ich es zu achten,
und aus Irrthum, Wust und Täuschung
 nun zur lauteren Natur,
Nazarena, kehr' ich wieder.

Sie
Aber ach, du sagtest gestern,
große, große Wanderungen
über's Meer hinüber, glaub' ich,
wolltest du auf's Jahr beginnen.
O mir graus't es vor dem Meere,
wenn ich's oft so weit und hoch
von der Serpentara sehe.

Ich
Nach dem Eiland der Cyklopen,
nach dem Aetna und den Trümmern
Siracusa's und Girgenti's
möcht' ich wohl hinüberschiffen.
Aber sicher, süße Seele,
kehr' ich über's schöne Meer,
wenn die Traube reift, zurücke.

Sie
Und dein Vaterland? du wolltest
deine Lieben nimmer sehen,
 deine Mutter, und die Vielen,
denen du im Herzen wohnest?
O gewiß, du möchtest alle
wiedersehn; und wenn du gehst,
was ist dann mit Nazarenen?

Ich
Kind, von einer Welt, die liebend
einst an dieser Brust gehangen,
ist mir nichts fast übrig blieben;
nur der Vater, nur die Mutter
ist noch mein durch Götter Gnade,
und ein schönes Herz noch, sonst
wünsch' ich mir kein Wiedersehen.


Fünftes Lied

Sie
Horch! es läutet, gehst du heute
nicht zur Messe, willst du immer
bei mir bleiben? Traun es wäre
hohe Zeit, die Mutter mahnte,
noch hab' ich mich nicht gewaschen,
meine Haare nicht gerichtet,
meine Kleider für die Kirche
nicht gerüstet hab' ich sie.

Ich
Nun so laß mich gehn; ich fühle
kopfweh heut; die Luft ist heiter,
und ich bin in übler Laune,
besser ist's, daß ich im Freien
mich erfrische, mich erquicke,
drum zur Vigne will ich gehen,
reife Feigen mir zu suchen,
in die Messe geh' ich nicht.

 Sie
Höre, Lieber, laß mich's offen
dir gestehn, daß mir im Herzen
sich ein großer Zweifel reget:
Bist du auch ein Christ? - du lächelst -
denk', die Leut' im Dorfe sagen's,
daß du einmal in der Messe
nicht gekniet, dich nicht bekreuzet,
als die heil'ge Glocke klang.

Ich
Wohl, mein Kind, gieb dich zufrieden,
glaub', ich bin ein Christ; ich habe
wohl das Glöcklein nicht gehöret,
denn ich bin oft in Gedanken;
und so sollst du's heut denn sehen,
wie ich meine Andacht thue,
denn zur Messe will ich gehen,
wenn nur du gewiß nicht fehlst.


Sechstes Lied

Sie
Ja, so laß es uns bestellen,
besser ist's, ich bin im Kloster,
als in meines Vaters Hause;
nimmer kannst du hier mich sehen,
denn der böse Vater zürnet,
ach! und Feinde hast du mehr
als du weißt, in diesen Bergen.

Ich
Halte treu an dem Entschlusse,
deiner wart' ich denn im Kloster:
hätt' es nimmer mir geträumet,
daß mein Liebchen Nonne würde.
Gut ist es, des Vaters Zürnen
zu vermeiden, doch warum,
sprich, hab ich der Feinde viele?

Sie
Viele schon, und wohl ein Dutzend
haben mich zum Weib begehret,
aber welche mir gefielen,
 die gefielen nicht dem Vater,
und die er gewählt, ich mochte
sie nicht leiden, alle nun
macht die Eifersucht zu Feinden.

Ich
Drum mit seinem Willen wirst du
niemals eines Mannes werden,
und so laß denn im Geheimen
einen Liebesbund uns knüpfen;
glaub', ich kenne Welt und Menschen,
glaube, Mädchen, wer nicht täuscht,
wird dafür getäuscht von andern.

Sie
Aber, lieber Freund, ich fürchte,
allzu eng sind Klosterbande;
uns zu sehn, und uns zu sprechen,
schwierig wird es sein; die Nonne
bleibt im traurigen Gemache.
Ach mir bangt, es wird uns nicht
glücken, wieder uns zu finden.

Ich
Ohne Furcht, mein Kind, es findet
das Geheimniß eines Briefchens
Eingang auch ins Nonnenkloster;
doch die holde Kunst zu schreiben
sei die erste, die du lernest;
Liebe, die da sprechen lehrt,
Liebe lehrt gewiß auch schreiben.

Sie
Und so geben denn die Heil'gen
ihren Schutz dir auf die Reise;
Nimm zum Pfande meiner Treue
diese Hand, du darfst nicht weilen,
denn sie lauern dein und trachten
Böses - warte mein in Rom,
lebe wohl! Auf Wiedersehen!
(S. 199-215)
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Das Auge der Geliebten

Ach, warum in dieser Ferne,
süßes Herz so weit von dir?
Alle Sonnen, alle Sterne
öffnen ihre Augen mir,
nur die reinsten, tiefsten Strahlen,
nur das klarste, blauste Licht,
drinn sich Erd' und Himmel malen,
nur dein treues Auge nicht.
(S. 217)
_____



Lieder der Untreue

Erstes Lied

Sabinerin
Bald, Geliebter, schickt der Vater
mich nach Rom ins Nonnenkloster,
täglich bitt' ich ihn, es bittet
täglich auch die gute Mutter,
endlich naht das Wiedersehen,
endlich von Olevano
scheid' ich, und vielleicht auf immer.

Ich
Könnt' ich, schöne Nazarena,
deine Hoffnung dir erfüllen,
jene Träume, die ich spielend
mit dem Feuerhauch der Sehnsucht
dir im Herzen aufgeblasen,
deren Süßigkeit und Gluth
ich verwegen mit dir theilte.

Sie
Hab' ich mich nicht, mein Geliebter,
ganz dir anvertraut? Die Heimath,
unsre Felsen, unsre Berge,
gern verlass' ich sie, die einz'ge
Tochter bin ich meiner Eltern,
dennoch folg' ich dir, mein Herz,
wenn nur du getreu mir bleibest.

Ich
Gutes Kind, du füllst mit Wehmuth
und mit Reue mir die Seele!
Soll ich meine Schuld bekennen?
Gleich der sommerlichen Raupe
spann ich mich in deinem Herzen
traulich ein, als Schmetterling
muß ich nun ins Weite fliegen.

Sie
O was hör' ich, wär' es möglich?
Hätt' ich wohl dein Wort verstanden?
Dich verlör' ich, und entfaltet
hier in dieses Herzens Wärme
flögest du davon, du ließest
mich am traur'gen Webestuhl,
und du zögst in andre Länder?

Ich
Was vermöcht' ich dir zu sagen,
ohne schmerzlich zu bereuen,
was ich blind an dir verschuldet,
ohne schmerzlich zu empfinden,
was ich dir und mir verschwiegen,
was ich dir und ihr gethan,
dir und ihr gebrochen habe.

Sie
O was sagst du, mich betrogen
hättest du, die ich ins Kloster
dir zu Liebe gehen wollte,
die ich träumte mit dem Herbste
meiner Liebe Frucht zu ernten.
Heimath, Eltern, Vaterland,
selbst die Sprache dir zu opfern?

Ich
Nenn' es nicht Betrug, und willst du,
ach, so sage lieber, daß ich
 dieses eigne Herz betrogen
mit dem schmeichlerischen Wahne,
in des Südens goldnen Lüften
in den Schlummer es gelullt,
draus die Schuld es nun erwecket.

Sie
Guter Himmel, nach so langen
schweren Zweifeln doch verrathen?
O was wird die Mutter sagen?
Wie das ganze Dorf mich schmähen,
wie die Mädchen meiner spotten,
ach und wie mein armes Herz
seinen süßen Wahn beweinen!

Ich
Tröste, schöne Nazarena,
tröste dich, noch ist's im Dunkel,
und wir sind noch nicht geschieden;
aber höre, wenn ich fühle,
daß ich doppelt mich verschuldet,
sei es eine schöne That,
die mich doppelt auch entsühne.


Zweites Lied

Deutsches Liebchen

Sie
Wilhelm, ach so lange Jahre
hab' ich deiner nun gewartet,
meine Freuden dir geopfert,
meine Schmerzen dir verziehen,
meine Seelenangst besänftigt,
hing so lang, so treu an dir,
und du liebest eine andre?

Sagtest du in schönen Zeiten
nicht so oft, in deinen Augen,
liebes Herz, ist meine Liebe,
wie im Meeresgrund verschwommen.
Meintest du damit die Thränen,
die ich weine, sättigt sich
deine Liebe nur in Thränen?

Was hab' ich um deinetwillen
nicht ertragen und erduldet;
nur um einen Kuß den Jammer
meiner Mutter, deiner Feinde
grimmen Haß auf mich geladen,
 o wie treu hab' ich geliebt,
und du liebst nun eine andre?

Hab' ich nicht den Schimpf der Bosheit,
nicht die Schmähungen der Rache,
nicht Verleumdung und Mißhandlung
dir zu Liebe still erlitten,
nur geweint in meiner Kammer,
und an dich gedacht, erfreun
deine Liebe denn nur Thränen?

Selbst die Eifersucht, ich habe
sie für dich bekämpft, ertragen,
daß so oft der großen Freundin
fürchterlich Geschick und Leiden
selbst in meinem Arm dich schreckte,
trug es willig, blieb dir treu,
und du liebst nun eine andre?

O ein Wort, ein Blick genügte
mir für all' den Seelenkummer,
niemals hab' ich ja gefordert,
daß du zum Altar mich führest,
nur gehofft hab' ich's, gewünschet
im geheimsten, und geglaubt,
deine Liebe trockne Thränen.

Meine Ruhe, meinen Frieden,
hab' ich für dich hingegeben,
nur gezittert, wenn von Ruhmgier,
künft'gen Thaten du gesprochen,
nur gebebt, wenn so gewaltig
sich dein Geist erhob, doch treu
bin ich immer dir geblieben.

Alles hab' ich dir verziehen,
wie sie auch dich mir verleumdet,
wild und gottlos dich geschildert,
nur dem Guten, nicht dem Schlimmen,
hab' ich fromm geglaubt, du konntest
irren doch nicht freveln, nicht
deine Lieb' in Thränen weiden.

O zuweilen meint' ich freilich,
daß zwei Seelen in dir wohnten,
allen bösen Höllengeistern
sei die ein' anheim gefallen.
Doch die andre gut und menschlich,
diese liebt' ich, blieb ihr treu,
und du liebst nun eine andre?

Wilhelm, laß mich denn die letzte
seyn von deinen armen Opfern!
Was kann ich noch thun? Zu lieben,
 du vergönnst mir's nicht! Vergeben
will ich dir! Fang' endlich einmal
an zu lieben, bleib' ihr treu,
und vergiß nun meine Thränen.


Drittes Lied

Ich
Ja, mein Kind, ich fühl's mit Freuden,
was du einmal mir gewesen,
und mit Schmerz und bittrer Reue,
was du noch mir bist, von allem
Menschlichen bist du das Liebste
mir, das Göttlichste, von allem
Göttlichen das Menschlichste.

Sie
Nur ein einfach schlichtes Wesen
bin ich, von den hohen Dingen,
die in deinem Munde schweben,
bin ich nichts, ja selbst das wen'ge,
was ich bin, und was ich habe,
dank' ich einzig nur der Liebe,
hab' ich einzig nur von dir.

Ich
Hättest du von mir auch Alles,
Kraft und Fülle der Gedanken,
alles Gold und alle Perlen
 dieser Erde, dennoch hätt' ich
höh'res noch von dir, der reinsten
unerschütterlichsten Liebe,
und der frömmsten Treue Bild.

Sie
Ist's ein Wunder, daß ich liebe,
daß ich dir nur leb' und athme?
Ist's ein Wunder, wenn das Veilchen
treu im Sonnenschein sich freuet,
liebt die Lüfte nicht der Vogel,
nicht die Biene süßen Honig,
und das Herz Unsterblichkeit?

Ich
Und ich konnte dein vergessen,
konnt' im Zauberduft des Südens,
konnt' auch in Hesperiens Wollust
dem Sirenenliede folgen,
konnte deinem treuen Herzen,
meinem deutschen Liebchen konnt' ich
also lohnen mit Verrath?

Sie
Wußt' ich's ja, du bleibst mir immer,
bleibest gut, es hat die Einfalt,
hat mein niedrig Bild, die Schwäche,
mein befangner Geist der Größe
deines Roms nicht halten können,
du vergaßest mich ein wenig,
denn die Heimath liebst du nicht.

Ich
Aber dich! Mein Kind, du hörtest
schon von alten kühnen Helden,
daß ein Zauber sie umfangen,
Bradamante schien vergessen,
und ich bin kein Held, ein Sänger
bin ich nur, der gern von Helden,
lieber noch von Liebe singt.

Sie
Ach ich armes Kind vermag ja
kinen Lorbeer dir zu geben,
nur mit Myrtenkränzen kann ich,
nur mit Küssen dich beschenken,
und im Drang nach größern Dingen,
 unter Roms Ruinen denkst du
freilich nicht ans Liebchen mehr.

Ich
Schweifend über Berg und Meere,
durch der Länder weite Strecken,
im Geräusch der Städte, Fremden
stets ein Fremder, lernt' ich kennen,
wie ein liebend Herz zu ehren,
mit der Heimath unversöhnbar,
was du dem Verbannten bist.

Sie
Wär' ich's ihm, vor Freude weint' ich,
aber was wohl fänd' er jetzt noch
in dem deutschen Mädchen? Ehre,
Ruhm ist höher dir als Liebe,
meine Jugend nahmst du längst schon,
arm ist nur mein Kopf, an Leiden
und an Lieben reich mein Herz.

Ich
O hör' auf, geliebte Seele,
mich mit deiner sanften Demuth,
 deiner Herzenskraft und Schöne
mich vor dir in Staub zu werfen.
Ich verachtete die Menschen,
treulos nannt' ich sie, und blieb doch
einem Engel selbst nicht treu.


Viertes Lied

Sie
Aber willst du deinem Liebchen
wirklich wohl, warum denn hast du's
so allein zurückgelassen?
Ach, du bist so gut und freundlich,
und so grausam doch, so wenig
schontest du in deiner Stärke
meiner Schwäche, meiner Furcht.

Ich
Als ich Knabe war, da floh ich
meines Alters Kinderspiele,
und dereinst in Ruhm und Ehre
groß zu werden, träumt' ich einsam,
und die Stadt zu sehn, wo dieser
Erde mächtigste Gebieter,
Romulus Geschlecht geherrscht.

Sie
Aber mußtest du die Heimath
denn so frühe schon vergessen?
Freilich ist sie dir verbittert,
 deinen Haß verdienten viele,
doch ein Herz, voll heißer Liebe,
schwach und treu, verzehrt im Stillen
um den wilden Wandrer sich.

Ich
Sähst du diesen blauen Himmel,
diese goldnen Abendlüfte,
diese süßen, duft'gen Berge,
diese Haine, diese Meere,
sähst du von des Mario Höhen
Roma's Riesenbild, gewaltig,
wie ein Berg, St. Petri Dom -

Sie
Dies Hesperien mit der Fülle
lachender Orangenhaine,
diese herrlichen Ruinen
aus der Vorwelt, dieses Lorbeers
stolzes Grün, nach dem dich lüstet,
und das schönste noch - die theure
reizende Sabinerin!

Ich
Böses Kind, du willst dich rächen,
und die Züchtigung verdien' ich;
doch du weißt, wie unbefriedigt
Sinn und Geist mir strebt; es reiften
in der Flamme der Begeist'rung
in des Herzens Brand Gedanken
und Entwürfe, gleich dem Gold.

Sie
Und die Ruhe suchst du außen
in des Lebens raschen Kreisen,
Wunderbarer, Unzufriedner!
Könnt' ich dir mit einem Kusse
meines Herzens sanfte Stille
in die Lippen hauchen, stürbe
mit dem Kuß mein Leben auch!

Ich
Laß, o laß, mein holdes Liebchen,
diesen Wahn mir, glücklich bin ich
einzig, wenn die Welt mich ehret,
nicht für dieses Leben leb' ich,
nur dem Ruhme nach dem Tode;
wollt' ich dir nur angehören,
müßt' ich fast ein Engel sein.

Sie
O mein Freund, zuweilen schaudr' ich,
hör' ich deinen Namen nennen,
deinen Ruhm und deine Kränze,
deine Lieder muß ich fürchten,
nur mit dir, mit deinem Herzen
bin ich glücklich, groß und herrlich
wünscht' ich nie dich, aber treu.

Ich
Trüg' ich doch in meinem Busen
deine Einfalt, deinen Frieden,
deine schön begränzten Freuden,
aber ach, mir ist's nicht möglich.
Ruf' dem Adler in den Lüften,
gieb dem Jüngling seiner Kindheit
unerwachten Sinn zurück.

Sie
Ja, zu kühn ist's, dich zu lieben,
deinesgleichen bringt ein Mädchen
mit dem ersten Kuß sein Alles,
Seel und Leib zum ew'gen Opfer,
ihr vermögt nicht treu zu bleiben,
aber unsre Kraft ist Liebe,
und die Treu ist unser Ruhm.


Fünftes Lied

Ich
O wie gern, mein zartes Liebchen,
macht' ich dich zu meinem Weibe;
zwar ich bin noch jung an Jahren,
aber ziemlich alt am Herzen,
bin allein, der Freunde viele
hab' ich, aber keinen Freund,
und doch wünsch' ich noch mir Liebe.

Sie
Ja, wie wollt' ich dann dir leben,
deine Tage fröhlich machen,
deinen stillsten Wunsch erfüllen,
deinen Willen nur befolgen,
deine trüben Launen tragen,
und zufrieden sein, wenn du
nur ein herzlich Wort mir sagtest.

Ich
Aber Kind, des Capitoles
nun so tempelloser Hügel,
und des Forums heil'ge Reste,
und der sieben Berge Schwermuth,
und des alten Tibers Strömung,
Raffael, und der ihm gleicht,
dieser milde reine Himmel!

Sie
Welch ein Himmel, o Geliebter,
blühte dir in unverdorbner
häuslich frommer Still', im Arme
deines Weibes, groß und mächtig
sieht Rom's Welt dich an, doch leider
ist von allem dem nichts dein,
nur dein Liebchen ist dein eigen.

Ich
Aber bin ich nicht ein Sänger,
der die Leier auf der Schulter,
allenthalben nach dem Schönen,
nach dem Herrlichen muß pilgern?
Hier im Süden sing' ich freier,
und unsterblich einst zu sein,
soll das ew'ge Rom mich lehren.

Sie
Aber glücklich dich zu fühlen,
Liebster, könnt' ich es dich lehren,
komm zurück in deine Heimath,
deinen Liedern lausch' ich, alle
weiß ich treu dir herzusagen,
keiner liebt sie ja, wie ich,
wenn ich auch dich selbst mehr liebe.

Ich
Denke, daß Girgenti's Tempel,
daß des Aetna rauchend Schneehaupt,
der Cyclopen Fabelinsel
und die schönen Nachbarmeere,
daß ich noch Odysseus Eiland,
und das theure Griechenland
nicht begrüßt, gesehen habe.

Sie
Morgens weckte schon mein Kuß dich,
und du wärst im eignen Hause,
wohlgepflegt vom eignen Weibe,
wärst in Reinlichkeit und Ordnung,
ja, ich hülfe dir im Dichten,
 und geduldig ließ ich mir
Tage, Nächte lang diktiren.

Sagtest du ein Wort der Wahrheit,
schön und gut, voll Herz und Seele,
dann umhalst' ich dich, und dankte
dir mit wahreren Gefühlen
als die kalte Welt; den Dichter
fürcht' ich noch in dir, doch dann
müßt' ich, wie dich selbst, ihn lieben.

Säh' ich deine Stirn gerunzelt,
wollte dir der böse Dämon,
wie du's nennst, das Herz beschatten,
dann umschläng' ich dich, mit Worten
und mit Scherzen dich erheiternd;
bin ich auch an Worten arm,
hab' ich doch ein Herz voll Liebe.

Wärst du müde von der Arbeit,
dann für deine Ruhe sorgt' ich,
könntest mir am Busen schlafen,
Alles macht' ich dir bequemlich,
und du müßtest selbst gestehen,
besser sorgt ein Weib für dich,
das dich liebt, als deine Welschen.

 Wolltest du allein seyn, ließ ich
dich in tiefer Stille, wartend,
bis du selbst mich riefst, und endlich,
liebster Mann, laß mich's bekennen,
müßt' ich auch vor dir erröthen,
brächt' ich dir ein lächelnd Kind,
das dir ähnlich ist, entgegen -

Ich
Schweige, Liebchen, solchem Glücke
schmilzt mein Herz, und trauernd such' ich,
wo du sei'st, doch wie die Lipp' auch
nach der deinen brennt, so sind wir
für den Kuß uns doch zu ferne,
laß mich in der Einsamkeit
nicht zu sehr mich einsam fühlen.

Stille Gärten grünen drunten
vor dem Fenster mir, es schweiget
Alles hier, denn Rom ist stille,
und im morgendlichen Dufte
schau'n die Trümmer der Cäsare
nur mich an, ich denke dein,
aber, Kind, mit welcher Liebe?


Sechstes Lied

An die Sabinerin
Dein gedenk' ich, Nazarene,
wenn das Schiff mich nach dem Eiland
Theokrits, auf griech'sche Erde,
nach der Heimath des Ulysses,
über's weite Meer entführt.

Aber unsre Wünsche schwinden
oft wie Rauch dahin; der Frühling
er erfreut, und wir genießen
wohl den Balsamduft der Blüthen,
doch die reifen Früchte nicht.

Glüht uns auch die volle Traube
schon entgegen, lechtzt der Gaumen
nach dem Trunke, so entführet
uns der Gott im Sinnenrausche
den gebornen süßen Wein.

Nie mehr soll ich denn die Felsen,
nimmermehr die Feigenhügel,
luft'ge holde Schattenwege
der Kastanienhaine, nimmer
mein Olevano mehr sehn?

Nimmermehr der Serpentara
rauhe wilde Wand besteigen,
nimmermehr die schönen Berge
tief im Lichtblau eines sanften
Mädchenauges lächeln sehn?

Weil sie meinem Leben drohen,
und mich hassen, wie den Pluto,
der dem blumenvollen Enna
mit verwegner Kraft die schönste
Schäferin hinweggeraubt?

Sei's denn, liebe Nazarene,
ob wir auch uns wiedersehen,
ob du mit dem Nonnenschleier
auch vertauschest deine farb'ge
Feenhafte Zaubertracht,

eine Schuld doch muß ich sühnen,
eine andere begehend,
einer meine Treue brechend,
einer andern sie bewahrend,
beiden meine Reue weihn.

Zwar die Schönste bleibst du immer
 deines reizenden Geschlechtes,
zwar vollkommner malte Sanzio
nie ein Weib, und nie Correggio
einer Grazie Wunderbild.

Doch es gibt ein Herz voll Liebe,
voll Geduld und Treu und Langmuth,
wie's in seiner geist'gen Schöne,
so lebendig, leidend, fühlend,
Ariosto nicht besang.

Alles schuld' ich ihm, vor allen
dieses Herz! Ich kann's nicht theilen,
und damit nicht seine Leiden
über unsern Frevel kommen,
sag' ich dir mein Lebewohl!
(S. 217-234)
_____


Aus: Wilhelm Waiblinger's gesammelte Werke
mit des Dichters Leben
von H. v. Canitz
Rechtmäßige Ausgabe letzter Hand
Siebenter Band
Hamburg Georg Heubel 1839

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Waiblinger

 

 


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