Friedrich Gottlob Wetzel (1779-1819) - Liebesgedichte

 




Friedrich Gottlob Wetzel
(1779-1819)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Liebestraum

Zur wunderschönen Sommerzeit,
Wenn die Rosen blühn und Kukuk schreit,
Das Wandern kam mir in den Sinn;
Ich nahm mein'n Stab und zog dahin.

Ein's Abends geh' ich irr im Wald,
An eine Hütte kam ich bald,
Ich trete ein als müder Gast,
Da war die Hütte ein Palast.

War das ein' Pracht von Gold und Stein,
Es leuchtet als der Sonne Schein;
Auch liebliche Musik war da,
Wiewol man keinen Spielmann sah.

Ich suche wol, ich rief und schrie,
Es regt sich keine Seele hie;
Mich hungert, flugs steht da ein Tisch,
Mit Wein und Früchten roth und frisch.

Bald trieb es mich wol schlafen gehn,
Ein seiden Bette seh' ich stehn,
Und siehe, auf dem Kissen fein
Liegt eine Lilie silberrein.

Und wie ich an die Blume rühr',
Ein schön Jungfräulein sprang herfür,
Liegt mir beiseit mit süßem Kuß,
Es macht mir wahrlich kein'n Verdruß.

Und siehe, wie der Morgen graut,
Ich wache auf, fort ist die Braut;
Ich aber fühl' mich stark fürwahr
Und jünger wol um zwanzig Jahr.

Ich nahm mein'n Stab und ging hinaus,
Und weg war hinter mir das Haus,
War nichts wie Busch und wild Gesträuch,
Und mitten drin ein klarer Teich.

Und draußen däucht mir rund umher,
Wie wenn's noch gestern Abend wär';
Die Sonne, ob es Morgen war,
Sie stund in Westen tief und klar.

Und plötzlich lag der Ort mir vor,
Wo gestern ich den Weg verlor.
Wer sagt mir nun und gibt Bescheid,
Wo ich gewesen diese Zeit?
(S. 12-13)
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Frisch gewagt!

Und o dies schwüle Bangen,
Wird's nimmermehr gestillt?
Dies tödtliche Verlangen,
Wird's ewig nicht erfüllt?
Und ewig soll ich darben,
Von ihr hinweggebannt,
Und meine goldnen Garben
Soll sammeln fremde Hand?

O weh, wie Sterben bitter!
O Fessel, die mich hält!
Der Leu liegt hinterm Gitter,
Und draußen blüht die Welt!
Sie schmachtet dort im Thurme,
In Wellen mitten drin,
Und zu ihr dringt im Sturme
Die Woge brandend hin.

Auf, Herz, und dich ermanne,
Gewinnst sie nicht im Spiel!
Grad' aus den Bogen spanne,
Sonst triffst du nicht das Ziel!
O daß es Riesen wären!
Wie muthig schlüg' ich drein,
Aus tausend Schwert und Speeren
Die Liebste zu befrein.

Wohlan denn! Und ob Scharen
Sie hüten Nacht und Tag,
Sie sollen es erfahren,
Was Mannes Brust vermag!
Wie hoch die Wogen thürmen
Um die verwünschte Burg,
Hier hilft ein rasches Stürmen!
Frisch auf, ich breche durch!

Was gilt's, vor meinen Streichen
Bald weicht das finstre Heer!
Sieh da, zu gutem Zeichen,
Ein Adler über's Meer!
Das sind nur kalte Flammen,
So dieser Drache speit,
Ein Blendwerk all' zusammen,
Was mir entgegendräut!

Bald steh' ich auf den Zinnen
Und schwinge mein Panier,
Und die Geliebte drinnen
Erlös' ich siegreich mir!
Dann magst du, Herz, gesunden
Zu frischem Lebensmuth,
Hast deine Heimath funden,
Wo sich's auf ewig ruht!
(S. 42-43)
_____



Liebeszug

O saget, wie ist mir geschehen?
Und bin ich auf Erden wol noch?
Ich habe, sie hab' ich gesehen,
Ihr Engel, wie nenn' ich sie doch!

Ihr' Augen mich haben gefangen,
Ihr langes gelbseidenes Haar,
Da blieb ich wie selig drin hangen,
Sie that mir's an, spür' ich fürwahr.

Nun muß ich, ich muß dich ja lieben,
Du himmlische Zauberin, du,
Wie Flammen, vom Winde getrieben,
Fliehn alle Gedanken dir zu!

Es führt mich auf Adlers Gefieder
Hoch über die Berge daher,
Die Thäler im Sturme hernieder;
Herr bin ich mein selber nicht mehr.

Und wenn noch die Füße sich sträuben,
Die Augen sind meilenweit fort;
Der Mund der redet vom Bleiben,
Das Herz, ach, das Herz ist schon dort!

Und was das noch nimmt für ein Ende,
Zu dir nur die ewige Flucht!
Ein Wort, und ich habe, was Hände
Und Augen und Alles gesucht!

Das Wörtlein, ich kann dir's nicht nennen;
Dir selber, mein Leben, mein Licht,
Dir muß es im Herzen entbrennen -
Und - dann, o verschweig' es mir nicht!
(S. 44-45)
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Mein Berg

Ich hab' einen Berg, den schönsten im Land,
Den hab' ich nach Liebchens Namen genannt;
Ein Berg, mehr Himmel als Erde beinah,
So hehr und so heimlich wie ich keinen sah:
Da steh' ich wie oft bei Sonn' und Mond
Und schaue hinüber, wo Liebchen wohnt.

Da ist auch ein Wäldchen, da träumt sich's so süß,
Wie unter den Palmen im Paradies,
Da blüht, von den Wolken des Himmels bethaut,
Die Anemone, des Windes Braut;
Da schau' ich wie oft bei Sonn' und Mond
Die Berge hinüber, wo Liebchen wohnt.

Hinüber die Berge, o nehmt mich mit euch,
Ihr ziehenden Vögel, ins Himmelreich!
Ihr Raben, ihr neckt mich mit euerem Cras,
Das selige Morgen, ach wann kommt das?
Wann führst du mich, Sonne, wann leuchtest mir, Mond,
Hinüber, hinüber, wo Liebchen wohnt?
(S. 46)
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Zu Ihr!

Oft denk' ich, mußt gleich hin zu Ihr,
Das kühne Wort zu wagen,
Wär' ich jetzt dort, wie wollt' ich dir
Mein ganzes Herze sagen!

Und bin ich dort, mir ist, ob ich
Vor dem Altare stünde;
Die Zunge stockt, und dünket mich
Das kleinste Wörtchen Sünde.

O Muse, die, wo dir's beliebt,
Wie dein Horaz gesungen,
Auch stummen Fischen Sprache gibt,
Leih' diesem Blatt auch Zungen.

Und, Göttin, o, dir ist es leicht,
Schaff's in die Hand der Süßen,
Und wird Ihr nur das Auge feucht,
Dann hin und Ihr zu Füßen!
(S. 47)
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Die Verhüllte

Du kennst mich, ach, und kennst mich nicht,
Du wandelst, süßes Leben,
Noch in der Kindheit Dämmerlicht,
Von holder Nacht umgeben;
Doch diese Nacht, ich tausche nicht
Sie um das hellste Sternenlicht.

Als Mutter aller Himmlischen
Ward ja die Nacht besungen;
Die Wonne der Lebendigen
Ist auch aus ihr entsprungen,
Die Liebe - Engel, glaube mir -
Die Liebe selbst entsprang aus ihr.

O, mag sich auch aus dieser Nacht
Die Himmlische enthüllen!
Ich spüre schon die süße Macht
Den Busen mir erfüllen;
Die Göttin hab' ich schon gesehn
In ihrer stillen Wolke stehn.

O wunderseliges Gesicht!
Geheimnißvolles Wesen!
Seitdem umfängt mich himmlisch Licht,
Bin wunderbar genesen!
Eins bitt' ich nur: o laß mich dein
Auf ewig, ewig, ewig sein!
(S. 48)
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Auge!

Ein bloßes Auge wenn ich wär',
Wie selig wär' mein Loos,
Ich webt' und schwebte hin und her,
Hätt' keine Mühe groß.

In jede Blum' in Berg und Thal
Wühlt' ich wie lüstern mich,
Und sicher wär' vor mir kein Strahl,
Verschläng' ihn brünstiglich.

Nacht hinter mir und vor mir Tag!
Das sollt' mein Wahlspruch sein,
Und immerdar der Sonne nach,
Dem Frühling hinterdrein!

Und sie, die mich aus ihrem Kreis,
Die strenge Herrin, bannt,
Ich wär' ihr gegen ihr Geheiß
Doch Tag und Nacht zur Hand.

Würd' überall ein Winkelchen
Doch aufzuspüren sein,
Ich käme ungesehen denn
Und pflanzte mich hinein.

Und schaute unverwandt nach ihr,
Dem lieben Angesicht,
Und lebte einig für und für
Von ihrer Blicke Licht.

Und jedes Mienchen hold und weich
Stähl' ich der Süßen ab
Und säh' ihr jedes Wörtchen gleich
Von ihren Lippen ab.

Und jedes Lächeln wol von ihr
Hascht' ich mit frohem Muth
Und kühlt' in jedem Thränlein mir
Der Sehnsucht brünst'ge Glut.

O weg, du dunkle Erdgestalt!
Du Last von Fleisch und Bein!
Und, süßes Mädchen, möcht' ich bald
Nur Auge, Auge sein!
(S. 49-50)
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Huldigung

Was schleichst du finster um das Haus herum,
Da schon der späte Abend herbstlich schauert?
Und lauschest durch die Ladenritzen stumm,
Gleich einem Räuber, der auf Schätze lauert?

Und bergen diese neid'schen Mauern nicht -
O könnt' ich sie mit meinen Augen spalten! -
Mein einzig Kleinod, meines Lebens Licht?
Wol möchten sie's mir ewig vorenthalten!

Still! still! ein Ton! ob's ihre Stimme war?
Jetzt seh' ich Lichter an den Wänden streifen!
Doch sie! Ihr Bild! Nichts hör' und seh' ich klar,
Nur irre Schatten hin und wieder schweifen.

Was aber zaudr' ich? trete nicht hinein,
Und zittre wie der Sünder vor dem Richter?
Bin ja ein Freier, und die Welt ist mein,
Ein König bin ich, denn Ich bin ein Dichter!

So sei's gewagt! Nun lächle, gutes Glück!
Die Thüre klingt, es öffnet sich der Riegel -
Ich trete ein, - mich trifft ihr stiller Blick -
Und, o mein Stolz, wie sinken dir die Flügel!

Zu deinen Füßen, holde Herrin mein,
O, niederknien laß mich zu deinen Füßen!
Der Niemand dient, dir muß er dienstbar sein,
Und selig, darf er deinen Fuß nur küssen!
(S. 51)
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An Sie

Ach, wenn ich dich nur habe,
Will ich kein ander Gut
Und zieh' mit meinem Stabe
Dahin in frohem Muth!

Zur lieben Heimat werden
Die fernsten Wüsten mir,
Denn überall auf Erden
Bin ich doch stets bei dir!

Wenn mir in stiller Stunde
Dein Bild erscheint im Geist,
Und sich aus Herzensgrunde
Mein Herz vor dir ergeußt,

O, dann mit Feuerzungen
Sag' ich mein Lieben dir;
Was noch kein Lied gesungen,
Erklingt im Innern mir!
(S. 52)
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Wenn die Rosen blühen

Wenn die Rosen blühen,
Hoffe, liebes Herz,
Still und kühl verglühen
Wird der heiße Schmerz.
Was den Winter über
Oft unheilbar schien,
Es entweicht das Fieber,
Wenn die Rosen blühn.

Wenn die Rosen blühen,
Liebe, blühst du auch,
Rosenroth zu glühen
In des Maien Hauch!
Wo so manchen Wunden
Schmerz und Krankheit fliehn,
Laß auch mich gesunden,
Wenn die Rosen blühn!

Wenn die Rosen blühen,
Mattgequältes Herz,
Freue dich, wir ziehen
Dann wol himmelwärts.
Ewig nun genesen,
Wirst du neu erglühn,
Wirst ein himmlisch Wesen,
Wenn die Rosen blühn.
(S. 53)
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Nachts

In stiller Nacht, wenn Alles ruht,
Ich finde keinen Frieden,
Da fühl' ich erst mein ganzes Blut
In allen Adern sieden.

So lieg' ich, bis zum Morgenroth
Die Berge gold sich färben,
Und doch ist es ein süßer Tod,
In solcher Flamme sterben.

So brenne fort, du sel'ge Qual,
Bis du mich aufgerieben!
Unheilbar ist sie doch einmal,
Die Krankheit, dich zu lieben!
(S. 54)
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Sehnsucht

Wie brennt mein ganzes Herz nach dir!
Dein liebes Bild schwebt stets vor mir;
All' Orten, wo ich geh' und steh',
Da folgt's und macht mir wohl und weh!

O du, die ich in Allem schau,
In Waldes Grün, in Himmels Blau,
Wenn sich die frühe Lerche schwingt,
Ist's deine Stimme, die mir singt!

Im süßen Mond- und Sternenschein
Sind's deine lieben Äugelein,
In schwüler Nacht der Nelkenduft,
Dein Odem ist es, würzt die Luft.

Und Nelkenduft und Nachtigall
Und Sternenglanz verschmelzen all,
Und dunkle Wasser brausen drin,
Die Welt erlischt, vergeht der Sinn.

Mir ist, ich schwimm' aus mir heraus
Und ström' ins All wollüstig aus, -
Und leb' ich noch und athme noch?
Ich bin nicht mehr und liebe doch!

Mir träumt, ich bin das große Meer,
Und du die Sonne drüber her,
Und aufwärts, aufwärts für und für
Gehn alle Wogen nur nach dir!

Ich fasse dich inbrünstiglich;
Hinunter, Sonne, zieh' ich dich,
Hinunter in das Abendroth,
Hinunter in den süßen Tod.

Und endlich, endlich hab' ich sie!
Nun tos't, ihr Wellen, spat und früh;
Nun geht, ihr Sterne, ab und auf -
Wir ruhn, und weck' uns Niemand auf!
(S. 55-56)
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Im Frühling

Der Sommer ist gekommen,
Die Vöglein auf der Reis';
Ich habe den Stab auch genommen,
Zugvogel gleicherweis'.

Und werd' ich wieder sie finden,
Die nur wie ein Geist mir erschien,
Wie Blitze im Nu verschwinden,
Wie Wolken im Sturme verfliehn?

Wol ist wie ein Geist sie verschwunden,
Ich sah' und hörte sie kaum,
Oft däucht in träumenden Stunden
Ihr Bild mir selber ein Traum!

So daß im Herzen ich meine:
Und lebt' auf Erden sie je?
Und die wunderherrliche Eine,
Sie wohnt bei Sternen wol eh.

Und wenn ich hin nun gekommen,
Ein Fremdes tritt heraus:
Wir haben von ihr nichts vernommen,
Die du suchst, ist hie nicht zu Haus.

Nicht hie und wol nirgend auf Erden,
Und traurig wandr' ich vom Ort,
Kann nimmermehr fröhlich werden,
Denn sie ist ewig fort!
(S. 57)
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Nach Osten!

Nach Osten geht, nach Osten,
Der Erde stiller Flug -
Da wohnt das Licht - nach Osten,
Auch meiner Liebe Zug.
Dort über jenen Bergen,
Dort über'm blauen Wald,
Da wohnt - wie sollt' ich's bergen? -
Die himmlische Gestalt.

Und ringsum viele Meilen,
Da ist ein heil'ger Raum,
Die ihren Himmel theilen,
Sind Erdenkinder kaum;
Ja wer auch nur die Grenzen
Des Paradieses rührt,
Es wird ein stilles Glänzen
Wie lang an ihm verspürt.

Ja, oft ist mir gewesen,
Sie lebte gar nicht heut,
Sie sei ein göttlich Wesen
Aus alter Fabelzeit,
Seit meinem ersten Lieben
Jahrtausendlanger Raum,
Und mir von ihr geblieben
Allein ein sel'ger Traum.

Dann ist mir, es verginge
Die ganze Welt umher;
Ich weiß von keinem Dinge,
Weiß von mir selbst nicht mehr.
Nur ihre süße Blüte,
Ihr Bildniß hell und klar,
Das steht mir im Gemüthe
Und bleibt unwandelbar.
(S. 58-59)
_____



Sommer-Abendlied

Wann des Tages Schein verglommen,
Kommt die Nacht mit leisem Schritt,
Heiß' ich herzlich sie willkommen,
Denn sie bringt was Liebes mit.

Bringt aus blauer Himmelsferne
Mir dein holdes Bildniß ja,
Tags unsichtbar wie die Sterne,
Kommt's mit Sternen Abends nah.

Wo der Sonnenball versunken
Vor dem Auge, blind von Glanz,
Spielt's in Regenbogen-Funken,
Hält auf goldnen Wolken Tanz.

Steigt von Bergen leuchtend nieder,
In der Abendröthe Glut
Strahlen deine Lippen wieder,
Deiner Wange Rosenblut!

Diese Luft dein süßer Odem!
Heiß entgegen meiner Lust
Schwillt im üpp'gen Blumenboden
Deine schwanenweiße Brust!

Wenn die Zweige sich bewegen,
Ach, es ist dein zarter Arm,
Kommt unsichtbar mir entgegen
In dem Winde leis' und warm.

Jeder Laut aus deinem Munde
Wird zur Nachtigall im Hain;
Jeder Blick, er muß zur Stunde
Ein Johanniswürmchen sein.

Durch zerriss'ner Wolken Schleier
Blickt der Stern der Liebe vor;
Deiner Augen schwarzes Feuer
Flammt in seinem Licht empor.

Aber find' ich mich alleine,
Seufz' ich, aus dem Traum erwacht:
Folgt' auf solchen Abend eine,
Ach, nur eine süße Nacht!
(S. 60-61)
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Nachtbesuch

Liebchen, woher so spät?
Wie lange, lange harrt' ich dein,
Ich mein', es müßten Jahre sein,
Ich hatt' um dich wol rechte Noth,
Mir träumte gar, du wärest todt.
Liebchen, woher so spät?

Hatte so weiten Weg!
Auf finstern Wassern ging die Reis',
Fuhr Nachts erst aus, war Tags zu heiß,
Johanniswürmchen leuchtet' mir,
Da webt' und schwebt' ich, hui, zu dir.
Hatte so weiten Weg.

Liebchen, wie spät zu Nacht?
Und sag', wer ließ dich ein zu mir?
Ich schloß doch heute Nacht die Thür.
Du schlichest doch recht leis' und sacht?
Daß nur kein böser Nachbar wacht!
Liebchen, wie spät zu Nacht?

Lieber, nun still, o still!
Ich komme Nachts; beim Sonnenlicht
Da säh' mich wol dein Auge nicht,
Und schleicht man Nachts zum Liebsten ja;
Ich kam wol sacht, mich Niemand sah.
Lieber, nun still, o still!

Gute, ja gute Nacht!
Und als die Sonne stand schon hoch,
Er, sonst so früh heraus, schlief noch,
Er schlief, soll noch erwachen heut;
Sie legten ihn der Braut beiseit.
Gute, ja gute Nacht!
(S. 62-63)
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Ewige Liebe

Ja, ewig, ewig wird sie bleiben,
Ich fühl' es, diese Glut!
Dies Herz mag sich zu Asche reiben,
Es wächst mir neu noch im Verstäuben
Und pocht von frischem Blut.

Wird Andern Ruh' im Grab zu Theile,
Ich raste keinen Pulseschlag,
Noch wund vom alten Liebespfeile,
Auf muß ich, auf mit Blitzeseile,
Durch alle Ewigkeit dir nach!
(S. 64)
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Abschied

Du schlummerst noch, und ich muß scheiden!
Und ach, dein liebes Angesicht,
Wie lang' ich's werde müssen meiden,
Wie ewig lang', ich weiß es nicht.

Der Morgenstern noch steht am Himmel,
Die Sonne ist noch tief und fern,
Noch schweigt der Erde wild Getümmel -
Ade, Ade, mein Morgenstern!

Da hängt ihr Kleid! Geschwind, ich küsse
Den theuern Rest zum Lebewohl!
Leb' wohl, du Wunder-Wundersüße!
Mein Herz, mein Augenlicht, leb' wohl!

Und nun hinaus, hinaus ins Freie!
Hinaus nur ohne Aufenthalt!
Betäubt mich, Vögel, mit Geschreie!
Ihr Winde, blas't, und rausche, Wald!

Schau nicht zurück! - ich will mich fassen, -
Bei diesem Waldeck schwind't ihr Haus -
Ein Blick - ich kann es ja nicht lassen -
Und streck' nach dir die Arme aus!

Noch einmal! trüb wird mir's vor Augen -
Leb' wohl, geliebter Engel mein!
Weg ist das Haus! - nun zu, ihr Augen,
Und blindlings in den Wald hinein.
(S. 65)
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Ewige Nähe

Wie so innig deine liebe Nähe!
Möchte schwören manchmal, daß du's bist,
Wenn ich leibhaft dich vor Augen sehe,
Und mein Traum das Meilenweit vergißt.

Hinter jedem Busche mußt du stehen,
Und ich eile thöricht auf ihn zu,
Mußt hervor um jede Ecke gehen,
Und so treibt mich's ohne Rast und Ruh.

Ob ich je auf Erden dich umschließe?
Oder, deinem Auge unerkannt,
Wie ein fall'nder Stern vorüberschieße,
Wie ein Morgentraum, der kam und schwand?

Eines aber halt' ich fest vor allen,
Und das fährt vorbei nicht unerkannt
Wie die Lichter, die vom Himmel fallen,
Wie ein Dämmertraum, der kam und schwand.

Nur Erinn'rung ist zu dir dies Treiben,
Alte Liebe zieht mich wieder an;
Seit Jahrtausenden sind wir und bleiben
Wir Gefährten auf der blauen Bahn!
(S. 66)
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Dahin!

Der Winter ist vergangen,
Und Schnee und Eis dahin,
Frisch auf wacht mein Verlangen,
Wohlauf, mein Herz und Sinn!
Es lockt die Lust so linde,
Die Vögel sitzen draus,
Ans Fenster pochen die Winde
Und rufen mich hinaus.

Hinaus wol über die Berge
Und immer hin zu ihr!
Im Blauen wirbelt die Lerche
Und bringt mir Gruß von ihr.
Da glüht von ihrem Munde
Im Morgenroth der Kuß!
Hinaus! hinaus zur Stunde!
Es brennt mir unterm Fuß.

Hinaus! die Riegel springen!
Wie lockt der Morgenschein!
Den Weg will ich verschlingen,
Um bald bei dir zu sein!
Hinaus im Windesweben!
Sein Athem kommt von ihr!
Und seine Schwingen heben
Und tragen mich von ihr.

Der Bäume grüne Hände
Ergreifen mich im Nu
Und werfen rasch ohn' Ende
Mich eins dem andern zu;
Die Berge selber bücken
Der heißen Liebe sich;
Mir beut der Fluß den Rücken,
Und Alles fördert mich.

Und wenn ich vor dir stehe
Und, laut'rer Engel, dir
In Aug' und Antlitz sehe,
Stockt Wort und Zunge mir;
Da dient' ich gern dir schweigend
Und hätte keine Noth,
Mein Lieben dir nur zeigend
Durch Treue bis in Tod.

Und mögen Worte nennen,
Was unaussprechlich ist?
Ich kann für dich nur brennen,
Die du mein Alles bist!
Wie ich so ganz dein eigen,
Wie du so einzig mein,
Ach, da muß Alles schweigen
Und stille Liebe sein.
(S. 67-68)
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An Sie

Wie man mit Feu'r Brandwunden dämpft
Und Gift mit Gifte niederkämpft,
So hab' ich oft bei mir gedacht:
Auf, Herz, und es auch so gemacht!

Nach andern Schönen mußt du sehn,
So wird das erste Bild vergehn.
Nun sah ich mir die Augen blind
Nach manchem feinen jungen Kind.

Doch Einer fehlte Dies und Das,
Und Allen fehlt', ich weiß nicht, was;
So trieb mich's stets dir wieder zu, -
Die Andern sind denn doch nicht Du!
(S. 69)
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Erste Liebe

Süßer als die erste Liebe
Weiß ich nichts auf diesem Rund;
Erst nur, wenn es wieder drüben
Wird zum ersten Male lieben,
Wird das arme Herz gesund!
(S. 70)
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Rosentod

Daß die schönste der Rosen so früh am Herzen dir welkte,
Wundert dich, liebliches Kind? Hör' und bedenke mein Wort!
Rosenkönigin, wie du dich bücktest, die Blume zu brechen,
Flog ihr duftiger Geist in dich hinüber - sie starb!
Und ich bemerkt' es sogleich, du erröthetest sanft, wie die süße
Seele mit rosiger Glut dir in das Angesicht stieg.
Wie ihr so wohl sein wird, in dir, mein Leben, zu leben!
Gönnte das Schicksal auch mir, also zu sterben in dir!
(S. 71)
_____



Nachklänge

1.
. . . . . . . . . . . . .
Jahre häufen sich wol, aber ich werde nicht alt!
Und dies tobende Herz, es ruht nicht! Dem ewigen Jüngling
Schlägt es mit vierzig noch frisch, wie es mit zwanzig mir schlug.
Ewig schwebt mir das Bild der holden Einen vor Augen,
Hält wie ein starker Magnet unwiderstehlich mich fest.
Ja, wenn im letzten Feuer dies Herz zu Asche zerfallen,
Zieht es, ich weiß es fürwahr, auch noch die Stäubchen sich an.
Nun, so bleibe mir denn, so bleib, du himmlisches Bildniß,
Fittige schaffe dem Geist immer in höhere Welt;
Noch in der letzten Stunde umschwebe des Sterbenden Auge,
Mir als ewige Braut an für den Himmel getraut.
(S. 78)


2.
Manches hatt' ich bereits von einem Schatze vernommen,
Und man sehe das Gold brennen in heimlicher Nacht;
Aber nicht bläulich und trüb' wie Flammen irdischer Schätze,
Nein, wie vom Morgenroth strahle der Scheitel des Bergs.
Und ich machte mich auf. Nacht war's, es stürmte gewaltig,
Kalter Regen mit Schnee glättete eisig den Pfad;
Aber die Flamme, die bald gleich einer Sonne mir aufging,
Goß von der Spitze des Bergs herrliche Schimmer herab.
Gute Geister empfingen mich schon, wie Stimmen der Harfe
Traf ihr himmlischer Gruß mitten im Sturme mein Ohr.
Endlich war ich hinauf zur letzten Höhe gekommen,
Siehe, da legte der Sturm, legte der Regen sich bald.
Liebliche Stille war auf dem Gipfel. Es glänzte die Flamme
Als ein himmlischer Stern höher und mächtiger auf.
Und o Wunder! ja Wunder! Ein himmlisches Kind, es erscheint mir,
Steigt aus dem Feuer empor, schön wie ein Engel des Lichts,
Und Sie berührte mich sanft, da wuchsen mir mächtige Flügel,
Und wir schwebten wie leicht Beide gen Himmel hinauf!
War es ein Traum - o so bleibe du Traum bis zum letzten und längsten,
Laß mich erwachen mit Ihr endlich zum ewigen Tag!
(S. 78-79)


3.
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
Diese Augen, so blau und so tief wie der ewige Himmel!
Diese herrliche Stirn, schön zu Gedanken gewölbt!
Diese Wange, die, o so süß, erröthet in Unschuld!
Diesen Mund, den die drei Grazien selber geformt!
Diesen Wuchs, - doch mein Auge verschwimmt, es schwindet mir Alles,
Ja, dich, liebliches Kind, auch dich erkenn' ich nicht mehr!
Einen Engel seh' ich in seiner Herrlichkeit stehen,
Kann nur flehen: Vergib, hab' ich zu sterblich dich lieb!
(S. 79-80)


4.
Dornen, ich weiß es, es trägt ja Dornen die liebliche Rose,
Und sie stechen so gern, wer unbehutsam sich naht.
Spitzige Dornen umringen auch dich, du Rose der Rosen,
Aber wie klug man sich hält, ritzen sie blutig die Hand.
Nicht die Finger allein, sie verwunden das innerste Herz mir,
Meinen, sie schirmen, und ach, stechen dich, Rose, wol selbst!
Wüchsen sie doch in der Wüste zum Dornbusch alle zusammen,
Und du stündest am Stock, herrliche Krone, allein!
(S. 80)


5.
Innocentius haben wir heut. Es ist dein Geburtstag.
Süßeste Liebe, wie schön wählte der Himmel den Tag!
Innocentius ist dein Heiliger! Mädchen der Unschuld!
O, wer verdient, wie du, heute geboren zu sein!
(S. 80)


6.
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
Aber vor Allen ist heut' die Seele mir still und voll Liebe;
Ist nicht heut der Tag, so dich der Erde geschenkt?
Wein liest man in den Bergen, die herzerfreuende Gabe,
Aber der Winzer Geschrei rührte nur flüchtig mein Ohr.
Immer schwebt mir der Abend im Sinn, wo dein freundliches Wort mir
Als ein himmlischer Thau lieblich die Seele erquickt.
Siehe, ich war von der Reise aus Sturm und Gestöber gekommen,
Traulich empfing mich das Haus, pflegte des Wanderers wohl.
Und der bewegliche Gast ward munter bescherzt und belächelt,
Und sie freuten sich doch Alle der rüstigen Kraft.
Heiter saß ich bei dir und fragte dich, ob du das Herz wol
Hättest, wohin es auch sei, fröhlich zu ziehen mit mir.
Ja! antwortetest du, und wußtest nicht, was ich meinte,
Aber das köstliche Ja blieb mir im Herzen verwahrt.
Einst (ich vertraue dem himmlischen Pfand des gegebenen Wortes!)
Sagst du noch einmal das Ja, sagst es auf ewig mir zu.
Fröhlicher feiern wir dann des neuen Lebens Geburtstag,
Und in der Winzer Gesang stimmet ein seliges Paar.
(S. 81)


7.
Jegliche Stunde, da dieses mein Auge dich, liebliches Licht, sah,
Jede Minute, sie lebt heilig und ewig in mir.
Eines Abends, du Holde, gedenk' ich vor allen. Die Reise
War auf morgen gesetzt, gleich mit dem frühesten Grau.
Stille trat ich zu dir und bat, du möchtest zuweilen
Meiner gedenken, wie ich dein zu gedenken versprach.
Und du reichtest die Hand mit himmlischem Lächeln, die liebe
Hand, du göttliches Kind, reichtest dem Seligen du.
Jahre seitdem sind dahin, ich fühle noch stets die geliebte
Hand, mit unsterblicher Glut fest in die meine geprägt.
Ja, einst über dem düstern Strom: ich finde dieselbe
Hand, und den herzlichen Druck gibt sie mir ewig zurück.
(S. 81-82)


8.
Ist doch auch diesmal wie immer so heiter und schön mein Geburtstag!
Auf nach den Bergen! und schon unter mir dampfte das Thal.
Fallendes Laub und ziehende Vögel und oben die warme
Ewige Sonne! Zugleich war mir so wohl und so weh.
Endlich da find' ich mich plötzlich, mich Lebenden, unter den Todten,
Und ein Kirchhof lag heimlich im stillen Gebüsch.
Nahe mir stand im Grase ein Grabstein mitten in Blumen,
Ganz in dem üppigsten Grün hangender Zweige versteckt.
Auf dem Steine da flog ein Engel, der trug in der Rechten
Eine Krone, und rings waren in goldener Schrift
Um die goldene Krone die Worte gegraben: Sie bleibet
Ewig dein. O daß sie stünd' wie in Feuer vor mir!
Goldene Krone, o du in der Hand des schönsten der Engel!
Ewig (ich traue dem Spruch!), ewiglich bleibest du mein!
(S. 82)


9.
Krank jüngst war ich gewesen, die liebliche Sonne des Maien
Lockte, vom Lager noch schwach, mich in die Felder hinaus.
Siehe, da traf mich ein Mann, der kam aus deinen Gebirgen,
Brachte mir freundlichen Gruß; stille - Geliebte, von dir!
Ach, dein erster Gruß! Mir schlug wie ein Blitz in die Glieder,
Nimmer erwartend war ich solcher unendlichen Huld.
Und es wirkte dein Gruß, wie eines Gottes Berühren,
Wunderbar heilend auf mich, machte den Kranken gesund.
Und nun vollende du auch, wie du lieblich begonnen, Geliebte,
Heil' auch die Schmerzen um dich, mach' mich auf ewig gesund!
(S. 83)


10.
Halten sie mich noch immer, die dumpfen Mauern, gefangen?
Draußen wie locket das Grün, locket das himmlische Licht!
Draußen gehen lebendige Winde, die kommen von deinen
Bergen, kommen von dir rufen und sprechen mir zu:
Unsere Fittige sind bereit, dich von hinnen zu tragen;
Siehe, wir harren dein! Eile, was säumest du noch?
Auch die Vögel, sie singen von dir und rufen hinaus mich;
Nun so fahre mir wohl, wolkenumwandelte Stadt!
Draußen bin ich! wie ist mir? mir wachsen Flügel, ich werde
Wahrlich zum Vogel, zum Aar, schwebe die Wolken hinauf,
Hohe Sonne, zu dir, du Göttliche! und nun verzehr' mich
Deine heilige Brunst! Flamme der Liebe, zu dir!
(S. 83)


11.
Und nun war ich dir nah, du liebliche Ewiggeliebte!
Aber wie fand ich es gar anders, als wie ich gehofft!
Dich, dich sah ich nicht hier! Ich sah nur das schwarze Gefängniß,
Sah nur die Wolke, die dich, Sonne des Himmels, verbarg.
Gleich als wär' ich ein arges Gewürm, deß Odem vergiftet,
Hielt dich der eherne Wink feindlicher Augen bewacht.
Zwanzig Stunden von dir, du warst mir so nah wie mein Auge,
Zwanzig Schritte, du warst fern wie das äußerste Meer.
Oft, wie hab' ich gewünscht, ein Feuer möchte die Hütte
Treffen, ich dränge behend in der Verwirrung mich ein,
Faßte mit brünstigem Arm und entriß den Flammen mein Kleinod.
O wie wäre mir wohl, einmal dir nahe zu sein!
Frei wie ein Vogel um dich, in deinem Auge zu schweben,
Diesem Himmel! sein Blau trüge mich selig hinauf,
Bis ich versänk' in die Strahlen der Herrlichkeit. - Ewige Sonne!
Ja, mir erfüllt sich der Wunsch! Himmlische Flamme, sie fällt
Aus den Wolken, verzehrt die kleine Hütte, ich trage
Dich frohlockend hinaus! Hinter uns sinket der Schutt,
Bricht das morsche Gebälk in freudiger Lohe zusammen. -
Träum' ich, Geliebte? Du bist, bist mir am Herzen, mein Herz?
Ja, ich habe dich endlich! O komm in Wolken des Himmels!
Komm! schon thut sich das Meer dort, das unendliche, auf!
Immer nach Süden hinab! Da siehe die glücklichen Inseln!
Und schon duften von dort blühende Palmen uns an.
Komm, holdselige Braut, o komm nach den goldenen Wäldern!
Komm! schon steiget vom See leise die bräutliche Nacht! -
Siehe, nun sind wir daheim! - Nun brüllet, ihr Wogen; wir Beide
Hören im lieblichen Traum himmlischen Wiegengesang.
(S. 84-85)


12.
Immer tiefer verliert sich die Stimme der seligen Jahre,
Da mir das erste Gefühl lieblich die Seele gerührt.
Still erlöschen nun schon die lieben Züge. Mit Mühe
Halt' ich die herrliche Stirn, halt' ich ihr Auge noch fest.
Auf den Zug um den Mund kaum kann ich mich dunkel besinnen;
Ach, wie im Grabe zerfließt leise das göttliche Bild.
Ja, du bist mir gestorben! und ewig lebt nur mein Sehnen,
Unvergeßliche, du! ewig die Trauer um dich.
(S. 85)
_______


Aus: F. G. Wetzel's gesammelte Gedichte und Nachlaß
Herausgegeben von Z. Funck
Leipzig F. A. Brockhaus 1838

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Friedrich_Gottlob_Wetzel



 

 


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