Hellmuth Wetzel (1893-1940) - Liebesgedichte

 



Hellmuth Wetzel
(1893-1940)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Der Gequälte

Warum quälst du mich?
Reichst mir Tränke (die voll Seligkeiten
Dennoch wie zwei blanke Messer schneiden)
In den dunklen Bechern deiner Augen?
Weisst du,
Dass es die Gaben sind, die uns zerfressen?
Weisst du welch ungeheuren Räume wir durchmessen,
Wenn wir trunken in deine Klüfte stürzen! -
Habe Mitleid!
Nein! dein Mitleid tötet uns;
So sei barmherzig und habe kein Mitleid mit uns
Und reiche uns weiter deine kleinen Tränke,
Mit den Augen,
Mit den Lippen,
Mit den Händen,
In den unsichtbaren Kelchen von Kristall,
der singend zerstiebt.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 47 Jahrgang 1912 (S. 1482)
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Nachhall

Wenn ich dich sah und wieder ferne von dir bin,
Wenn ich die Rätsel unter deinen Wimpern her
in stummen Truhen geborgen habe,
Und die entrauschten Feste deiner Kleider noch
in meinen Sinnen sind,
Wenn ich wehmütig bin,
Dann taumeln meine Lieder
Wie Fontainen,
Und bohrn tiefauf sich in die weisse Nacht
Aus Kratern, die in ihrer glutberauschten Pracht
Hoch in dem Donner blauer Berge gähnen.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 2 Jahrgang 1913 (S. 57)
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Tief in der Mondnacht

Ich kam von dir und brachte dich mit mir.
In allen Falten meiner Kleider trug ich dich
Und goss die Süsse deines fernen Seins
In meine nachtverkeilte Stube aus;
Noch waren meine Augen Liebkosung,
Und meine Hände spürten ferne Tänze
Und alle meine Zärtlichkeiten schenkt ich an die Finsternis,
Trunken und königlich verschwendend an mein Glück.
Und da ich noch sann . . .
Stand im silbernen Brand des Monds der Himmel,
Zwischen den Aesten,
Vor meinen schmalen Fenstern die von Weinlaub leuchteten.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
3 Jahrgang 26. Februar 1913 (S. 273)
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Eine Pagenliebe

Da ich dich fand,
Als ich den endlosen Kreuzgang ging in bleichem
Schlafe und die roten Geißeln der Leblosen hinter mir,
Da wars, daß ich aufschrie und meine Stimme die
mohngetränkten Fesseln zerbrach,
Und die schmeichelnden Schlingen, die mich hinüberriefen;
Die blanken Lieder perlten vom Grunde der Becher.
Doch die Maske muß ich tragen, die aus demselben
Stoff gemacht ist,
Wie sie Pagen gerne tragen, in den Gärten,
Die noch zu jung sind,
Denen der Degen mit dem zischenden Blut noch
einen aufleuchtenden Namen aus dem Herzen reißt,
Eh sie verlöschen,
Doch wir dürfen unsre Lieder nicht leben, die andren
begaffen sie,
Und sie sterben wie Perlen, die in den Kästen ruhn,
So wandre ich weiter, aber mit mir
Geht ewig das Lächeln das in deinen Kleidern wohnt.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
3 Jahrgang 16. August 1913 (S. 787)
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Die mit den tiefen Augen

Von den abertausend Sehnsüchten des Lebens die
größte sah ich in dir,
Denn du hast die tiefen Augen derer, die die
dämmernden Wege gegangen sind,
Die ferne vom Alltag sind;
Ich liebe die, die stolz in die Irre gehn,
Sie haben in die verhüllten Schluchten hinabgeschaut,
Ihr Blick redet von den Geheimnissen,
die sie erlauschten.
Deine Schönheit kleidet dich, wie den Dieb die
Krone, die er dem buckligen Feldherrn stahl,
Der Schlachten schlagen kann, aber den der Reif verunziert,
Aber jetzt glänzt er prahlend über einer jungen Stirn.
Einsam sitzt der Alte und rechnet,
Sein Heer zieht ferne schon von ihm . . .
Nur einmal im Monde,
Blitz ein höhnisches Licht von fernen Hügelwegen herüber.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
3 Jahrgang 11. Oktober 1913 (S. 962-963)
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Die Glückseligen

Soll ich euch von den wahrhaft Glücklichen erzählen?
Das sind die, die ihren Körper in uns kleiden,
Und unsre Gedichte als Schmuck in ihr Haar schlingen,
Die in den Gewändern der Götter gehn,
Und den Brokat der Altäre um ihre reichen Brüste raffen.
Die unsre Lieder singen, weil sie süß klingen,
Aber die heiligen Worte entgleiten ihrem Ohr;
Eine kostbare Zier und eine edle Laute sind wir
in ihrer Hand, und sind es gern,
Wir spiegeln uns in ihren blanken Augen, wie in
den Waldwassern,
Die schön sind und unergründlich und das Bild
nicht kennen, das sie wiederwerfen.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
4 Jahrgang 3. Januar 1914 (S. 22)
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Unter den Bäumen . . .

Unter den Bäumen saß ich,
Die rote Blüten in das blinde Wasser weinten,
Verloren und verträumt. -
Oh, wenn du meine Tage kenntest, Königin! -
Aber du kennst sie nicht.
Und wenn du meine Nächte kenntest, Königin,
Dein Herz erschräke vor der Glut, die loht,
So sehr du's auch bezähmst.
Soll ich dir sagen,
Wie weh mir das Feuer in die Adern schießt,
Wenn dich ich denke?
Aber du - hörst es nicht.
Ich sah die toten Götter in Reihen stehn,
Aus schwarzem, hartem Stein gehauen,
Und sah nur dich.
Ich sah Marmorbilder aus gleitenden Falten gehn,
Und achtete sie nicht;
Der tote Prunk der Jahrtausende glänzte in den Hallen,
Doch ich dachte meines Fluches,
Denn mein Fluch ist es, allein zu sein je und je,
Und zu schweigen, wenn meine Qual mich nicht
anbrüllen soll von der hallenden Wand.
Du aber gehst stolzen Schritts dahin,
Und deine Augen leuchten über den Reichtum,
den man um dich breitet.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
5. Jahrgang 3. Januar 1915 (S. 38-39)
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