Christian Martin Winterling (1800-1884) - Liebesgedichte

 




Christian Martin Winterling
(1800-1884)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Laß sie mich stets an meine Lippen drücken
Und weigre mir die goldne Locke nicht
Zum Lohne für mein schönstes Klinggedicht.
Es ist so schön, die Menschen zu beglücken.

Darf doch Apollo selbst sich Lorbeern pflücken
Aus Daphnens Haar, die er zum Kranze flicht.
O, weigre mir die goldne Locke nicht,
Laß sie mich stets an meine Lippen drücken.

Doch dünket dir vielleicht zu groß die Gabe,
So denk, daß ich dir mehr gegeben habe.
Du nahmst mir Herz und Ruh durch einen Blick;

Ich laß sie dir und fodre nichts zurück.
Drum sei gerecht, gib mir Ersatz dafür
Und raube nicht mein schönstes Kleinod mir.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 4)

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Bist du entfernt, hab' ich dir viel zu sagen,
Doch bist du da, so fehlt die Sprache mir.
Ich stehe wie ein steinern Bild vor dir
Und bleibe stumm, du mußt mich alles fragen.

Umsonst ist all mein Ringen und mein Jagen
Nach wohlgesetzter Worte Kunst und Zier;
Erst wenn ich deines Anblicks Gunst verlier,
Will sich der Rede Dienst mir nicht versagen.

Dann gnügt, o Herrliche, zu deinem Preis
Mir Prosa nicht. Die Leier tönt; dann weiß
Ich würdig dich in Versen zu besingen.

Drum laß der Muse ungekünstelt Lallen
Statt wohlgesetzter Reden dir gefallen,
Die mir doch nie in deiner Näh gelingen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 4)

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Warst du nicht sichern Sieges dir bewußt,
Durch deiner Anmuth hold bezaubernd Wesen,
Muß Plutus auch zum Liebling dich erlesen
Und überschütten mit des Goldes Wust?

Was dir Gewinn ward, brachte mir Verlust,
Und nie werd' ich von meinem Schmerz genesen.
Wärst eine arme Hirtin du gewesen,
Ich drückte dich vielleicht an diese Brust.

Doch, ach, die goldne Zeit ist längst entschwunden,
Wo treue Liebe noch ein Herz gewann,
Ein Lied die spröde Schöne konnt' erweichen.

Jtzt schätzet man der Männer Werth nach Pfunden,
Und keiner wird des Werbens Ziel erreichen,
Dem nicht die Parze goldne Fäden spann.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 5)

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Der gute Ruf, der dir vorausgeflogen,
Scholl mit des Volkes tausendstimm'gem Chor,
Noch eh' ich dich gesehen, in mein Ohr;
Da baute schon mein Herz dir Siegesbogen,

Bis endlich du darinnen eingezogen
Durch meiner Sinne weitgeöffnet Thor.
Doch schnell verschwandst du wie ein Meteor,
Die Hoffnung hatte schmerzlich mich betrogen.

Mit dir verschwanden meine schönsten Träume,
Verlassen blickt' ich in die öden Räume,
Und meine Ruh fand ich an keinem Ort.

Da weckt der Ruf von deiner Tugendschöne
Aufs neue die erstorbnen Liedertöne
Und fliegt von Mund zu Mund auf ihnen fort.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 5)

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Es war in jener feierlichen Stunde,
Wo mir zuerst dein holdes Bild erschien,
Da gab sich dir im schnellen Seelenbunde
Mein Herz zum ew'gen Eigenthume hin.

Noch schlief das Wort im ernstgeschloßnen Munde;
Ich sah der Lippen, sah der Wangen Glühn,
Die Augen, die aus meines Herzens Grunde
Die Funken göttlicher Begeistrung ziehn.

Ich sah der Stirne wolkenlosen Bogen,
Der schöngeformten Nase edle Zier,
Ich sah's und wünschte tausend Augen mir;

Allein ein Wort, das deinem Mund entflogen,
Trug über Zeit und Welt mich rasch empor,
Da sah ich länger nicht und war nur Ohr.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 6)

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Und wenn sich meine Muse gleich verdungen
Zu fremdem Lob, das dir allein gehört,
Wenn sie das Lied, das du mich einst gelehrt,
Vor einer andern Thüre abgesungen:

So wisse, daß es mir nur dann gelungen,
Wenn ich mir dachte, daß es deiner werth,
Die unveränderlich mein Herz verehrt,
Vor keiner andern Schönheit je bezwungen.

Gereicht auch dieß nicht zur Entschuld'gung mir,
So denk, daß du stets hart und spröd gewesen,
Obschon ich lang dich als die Einz'ge pries.

Die Gunst, die eine Andre mir erwies,
Ich nahm sie an, als käme sie von dir,
So kannst du dich in jedem Liede lesen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 7)

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Die Ruhe kehrt zurück in mein Gemüth,
War gleich umsonst mein Sehnen und Verlangen,
Denn von der Zukunft hoff' ich zu empfangen,
Was neidisch mir die Gegenwart entzieht.

Wenn einst um dich ein Töchtergarten blüht,
Worin vervielfacht wird dein Bildniß prangen,
Mein Knabe, hell von Augen, roth von Wangen,
Als blühnder Jüngling deine Aeltste sieht:

Vielleicht daß ihm das holde Glück noch lacht,
Um das ein hartes Schicksal mich gebracht;
Vielleicht daß sie dem glücklicheren Sohn

Des Vaters Leid vergilt durch süßen Lohn,
Dann will ich mich im Herbst des Lenzes freuen,
Und nie soll mein Entsagen mich gereuen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 7)

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Ob tausendfach Gefahren mir gedroht,
Ich hatte Muth, das Aeußerste zu wagen,
Für dich Schmerz, Frost und Hitze zu ertragen,
Denn Wonne schien mir jede Pein und Noth.

Ich achtete für dich nicht Kampf noch Tod,
Durch alle Feinde hätt' ich mich geschlagen,
Du konntest mich durch Fluth und Flammen jagen,
Wenn dein beifäll'ger Wink es mir gebot.

Ja, bis zum dunkeln Reich der Unterwelt
Wär' ich mit festem Schritt hindurchgedrungen,
Ich hätte dich dem Pluto abgerungen;

Doch als du selbst dich wider mich verschworen
Und unter meine Feinde dich gestellt,
Da schwand mein Muth, da gab ich mich verloren.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 8)

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Wenn seine Lalage Horaz erhebt,
Der reichbegabteste der Phöbussöhne,
Wenn Delien besingt Tibulls Camöne,
Properz durch Cynthia's Reiz sein Blatt belebt:

Was zu verewigen ihr Lied gestrebt,
Es war ein Schatten nur von jener Schöne,
Die dich umfließt, und Worte nicht noch Töne
Beschreiben jenen Reiz, der dich umschwebt.

Die Einfalt, die den Himmelsweg dir bahnt,
Der Kindessinn, der deine Unschuld schützt,
Die holde Schaam und Demuth, die dir eigen -

Sie hat kein alter Sänger je geahnt;
Und hätt' er's auch, was hätt' es ihm genützt? -
Verwundrungsvoll muß hier die Muse schweigen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 9)

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Mit allem, was der Augen süße Weide,
Beschenkte dich die gütige Natur,
Die Wange lacht wie eine Blumenflur,
Und weicher ist die Haut als Sammt und Seide.

Dein Auge, meiner Seele stille Freude,
Strahlt mit des Aethers himmlischem Azur,
Dein Lächeln zeigt der Zähne Perlenschnur
Und schmückt dich mehr als köstliches Geschmeide.

Um Hals und Stirne seh' ich Lilien blühn
Und auf den Lippen Purpurrosen glühn,
Es schwellt den Flor die zarte Zwillingsbrust.

O, welche Wonne wär' es, welche Lust,
Wenn nicht zu all dem Reiz Decemberkälte
Und Winterfrost des Herzens sich gesellte!


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 10)

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Du bist mit meiner Poesie vermählt,
Und stolz nenn' ich noch immer dich die Meine,
Obschon ich als verloren dich beweine,
Obschon ich selbst mir dieses Loos gewählt.

Was ist's, das mir zu meinem Glücke fehlt.
Steh' ich mit dir im geistigen Vereine?
Du bist die Angebetete, die Eine,
Die sympathetisch meinen Vers beseelt.

So lebst du ewig schön und ewig jung
Dem treuen Herzen durch Erinnerung,
Und keine Zeit verringert mir dieß Glück.

So mußt' ich, um die Meine dich zu nennen,
Von dir mit schmerzlichem Gefühl mich trennen,
Erst durch Entsagung kehrst du mir zurück.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 10)

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Noch ist mein Herz in heißer Gluth entbrannt
Für Liddy, die ich ewig still verehre,
Noch lieb' ich sie und liebe mit Bestand,
Und ob sie schon mir gram und abhold wäre;

Noch lieb' ich sie, obschon ein heilig Band
Sie einem Glücklichern vermählt, und schwöre:
Das Glück, das er in ihren Armen fand,
Das ist es nicht, was ich für mich begehre.

Ich liebe noch, wenn, was der Lenz ihr gab,
Der Herbst von Brust und Wangen abgestreifet,
Denn was ich liebe, raubt die Zeit ihr nicht.

Und wenn dereinst ihr Aug' im Tode bricht,
Und all mein Wünschen nun ein kleines Grab
Umfängt, lieb' ich, was für den Himmel reifet.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 11)

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Nimm diesen Lorbeerkranz, hört' ich dich sagen,
Als jüngst ein holdes Traumbild mir erschien,
Du magst ihn mir zu Lieb' und Ehren tragen,
Nimm ihn zum Lohn für deine Treue hin;

Doch diese Myrthe muß ich dir versagen,
Sie mag auf eines Andern Haupte blühn. -
Warum, begann ich eilig jetzt zu fragen,
Warum den Kranz der Myrthe mir entziehn?

Vielleicht, sprachst du, hätt' ich ihn dir gegeben,
Doch er, der mir die Kränze überließ,
Verbot mir, beide Einem nur zu spenden.

So nimm den schönern denn aus meinen Händen;
Er wird zum Sternenhimmel dich erheben,
Und aller Edlen Gunst ist dir gewiß.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 11)

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So seh' ich endlich nach so manchem Jahr
Untröstlicher Abwesenheit sie wieder,
Und gleichwohl noch dieselbe, die sie war,
Als sie in mir geweckt den Quell der Lieder.

Nur etwas voller der Contur der Glieder,
Nur etwas dunkeler ihr lichtes Haar.
Sie schlägt wie sonst die Augen sittsam nieder,
Und noch wie sonst droht mir ihr Blick Gefahr.

Ein wenig blässer ihre holden Wangen,
Um ihren Mund des Lächelns sanfter Schimmer,
Die Stimme noch wie ehmals silberrein.

So mancher Frühling ist seitdem vergangen,
So mancher Herbst entblätterte den Hain,
Und diese schöne Rose blüht noch immer.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 12)

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Hast du, als ich die Fesseln einst zerriß,
Die mich so zart und fest mit dir verbunden,
Nur halb die Pein, die ich empfand, empfunden,
Als deine Sprödigkeit mich von sich stieß,

Nur halb die Pein, o, dann weiß ich gewiß,
Daß nun, da ich mich wieder eingefunden
Vor deinem Thron, die Strenge hingeschwunden,
Die einst dein Kaltsinn mich empfinden ließ.

Mög' unser beiderseit'ges Weh uns lehren,
Wie schlimm wir unser eignes Wohl beriethen,
Als wir verschmähten, was das Glück uns gab.

Du siehst mich reuerfüllt zurückekehren,
Ich bitte weinend dir mein Unrecht ab,
Doch woll' auch du dein Unrecht mir vergüten.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 12)

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Noch rinnt dein flüssiger Crystall mit Schäumen,
Du holder Quell, herab die Felsenwand;
Mit einem Kranz von immergrünen Bäumen
Schmückt dich noch heut der Oreaden Hand.

Noch bläht sich Moos zum Sitz hier, noch umsäumen
Maiblümchen und Violen deinen Rand;
Noch lädt dein Murmeln ein zu süßen Träumen,
Doch, ach, der Wahn, der sie genährt, verschwand!

Wenn mit des Waldes Sängern in die Wette
Ich Liddy sonst besang an dieser Stätte,
Wie war ich da so selig, so vergnügt!

Verändert und enttäuscht nah' ich dir wieder;
Noch sprudelst du; doch, ach, der Quell der Lieder,
Die meinen Lippen einst entströmt, versiegt!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 13)

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Wenn ihre Finger, zierlich und gewandt,
In enharmon'schen, kunstgerechten Läufen
Der Tasten wirres Labyrinth durchschweifen
Und Töne zaubern, die ich nie gekannt:

Dann möcht' ich, von Entzückung übermannt,
Um sie zu küssen, diese Händ' ergreifen,
Die süßen Trost ins wunde Herz mir träufen
Und Freude, wie ich lang sie nicht empfand.

Schon zieht mich näher ein gewalt'ges Sehnen,
Allein der Saiten mächtiger Ertönen
Macht, daß mein Fuß sich ihr zu nahen scheut.

O Herz, halt an dich, maße dein Entzücken
Und sei ganz Ohr! Es ist jetzt nicht die Zeit,
Das feuchte Aug' auf ihre Hand zu drücken.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 14)

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O Tag des Glücks, nie werd' ich dein vergessen,
An welchem dieser Schwelle sie genaht!
Beglückter Boden, den ihr Fuß betrat,
Beglückte Räume, die ihr Schritt durchmessen!

Beglücktes Ruhebett, wo sie gesessen,
Beglückte Luft, die sie geathmet hat,
Beglückte Spiegel ihr, die ihr sie saht,
An eu'r Crystall will ich die Lippen pressen.

Ihr saht die Herrliche, die so gewogen
Auf mich als ihren Freund und Sänger blickt,
Saht der Gestalt harmonischen Verein.

O Tag des Glücks, wie viel ward mir entzogen!
Denn, ach, zum Unglück mußt' ich ferne sein,
Als ihr Besuch dieß niedre Dach beglückt.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 14)

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Schwebe, schwebe nur den luft'gen Reigen,
Zaubrin, mit gemeßnem Sohlenstrich.
Locket zärtlich, Flöten, girrt, ihr Geigen,
Wiegt auf immer sanftern Tönen mich.

Soll ich ihr des Busens Pein verschweigen?
Lippe, öffne liebeflüsternd dich.
Sieh, dort taucht sie unter; sieh, dort zeigen
Ihres Hauptschmucks Silberblumen sich.

Soll ich ihr des Herzens Sehnsucht künden?
Schönste, will ich sagen, Schönste, lieber,
Lieber als mein Leben bist du mir.

Ha! Da schwebt sie näher, streift mit linden
Gasumflortem runden Arm vorüber,
Und zum Gott macht mich ein Blick von ihr.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 15)

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So schwangst du in die himmlischen Gefilde
So plötzlich von der Erde dich empor?
O, was verliert die Welt, nun du im Chor
Der Sel'gen weilst, du Bild nach Gottes Bilde!

Du warst der Genius, der mit dem Schilde
Des Glaubens mich beschützt, der Trost ins Ohr
Mir liebend flüsterte, o, was verlor
Ich Aermster, ich an dir, du Engelmilde!

Man übergibt den Leib der ew'gen Ruh,
Der Augen Licht erlosch; um Mund und Wangen
Webt länger nicht des Lebens frischer Duft.

Du gingst dahin; schlaf süß in deiner Gruft,
Du Heilige, und lehre mich wie du
Den Tod mit einem Lächeln zu empfangen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 17)

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O warum grade jetzt dich von uns scheiden,
Jetzt da ein Sinnbild deß, der dich geraubt,
Die sterbende Natur? Der Nordwind schnaubt
Und wehet schaurig über kahle Haiden.

Verödet sind die Plätze meiner Freuden.
Es stockt der Quell; die Bäume stehn entlaubt;
Die späte Blume senkt ihr welkes Haupt;
Kein Vogel singt in Lüften und Gestäuden.

Sie zogen fort nach wärmern Regionen.
So zogst auch du, verklärte Lichtgestalt,
Hinweg, um in des Vaters Haus zu wohnen.

Doch trauernd mit den Wäldern, mit den Fluren
Wall' ich die Pfade, die du einst gewallt,
Und suche deiner Füße heil'ge Spuren.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 17)

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Von dir getrennt durch allzuhohe Schranken
Liebt' ich der Pflicht zum Trotz dich manches Jahr;
Doch endlich ward ich lau und lief Gefahr
In meiner Treue gegen dich zu wanken.

O Wankelmuth der menschlichen Gedanken!
So dünkt, was Schwäche nur, uns Pflicht sogar.
Bald aber ward ich mein Versehn gewahr,
Als jetzt die Schranken, die uns schieden, sanken.

Du starbst, und schnell erwacht bei deinem Tod
Die alte Flamm' aufs neu in meinem Herzen,
Wo sie ein Aschenfünkchen lang geglimmt.

Was einst die Pflicht zu meiden mir gebot,
Das heißt sie nun mich thun. So gibt und nimmt
Der Tod zugleich, bringt Freuden mir und Schmerzen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 18)

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Wer weiß, ob ich sie droben wiedersehe,
Dacht' ich, von banger Zweifelnacht umgraut,
Und, ach, wer weiß, wenn sie mein Aug' erschaut,
Ob mir gestattet ihre sel'ge Nähe!

War sie nicht durch die Bande heil'ger Ehe
Hier einem Mann, den sie geliebt, vertraut? -
Da hört' ich ihrer Stimme leisen Laut,
Die sprach zu mir aus ferner Himmelshöhe:

Wie einst, als ich auf Erden noch gewohnt,
Ich stets von dir erwartet und geglaubt,
So jetzt durchschau' ich dich als den Getreuen.

Was du um mich verdient, wird dir gelohnt,
Und wohl ist meine Nähe dir erlaubt.
Hier freit man nicht, noch läßt man hier sich freien.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 18)

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Ich dachte stets, ich wandelte zuerst
Die dunkle Bahn, die du vorangeschritten.
Der Tod blieb ungerührt bei meinen Bitten,
Du schmückst den Himmel, dem du angehörst.

Dort, wo du jetzt zum Engel dich verklärst,
Dort hast du ausgerungen, ausgelitten.
Ich weile noch in dieses Lebens Mitten,
Doch sterb' ich gern, weil du mich sterben lehrst.

Wohl mußt' im Tod der Augen holdes Licht
Erlöschen und der Wangen Noth erbleichen;
Doch dieses Engelslächeln konnt' er nicht,

Dieß konnt' er nicht von ihrem Mund verscheuchen.
O Tod, durch sie verschönt, sei mir willkommen!
Du lächelst nun, dein Graus ist dir genommen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 19)

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Du gabst die jungfräuliche Blum' ihm Preis,
Warst Gattin ihm voll Anmuth, Treu und Güte,
Standst seinem Hause vor. Wie sorgt' und mühte
Für seines Glücks Begründung sich dein Fleiß!

Doch wußtest du, was nur die Ahnung weiß,
Daß bald der Tod die Scheidung dir gebiete,
Drum gab, indeß der Myrthenkranz ihm blühte,
Mir deine Hand Apollo's Lorbeerreis.

Ihm warst du hold; doch was er jetzt empfäht,
Nun du um ihn dem Tode wardst zum Raub,
Ist allzubittrer Schmerz und stummes Trauern.

Mir warst du hold, da du es nicht verschmäht,
In meinem Lied verherrlicht fortzudauern,
Wenn längst der Leib verwest zu Asch' und Staub.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 20)

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Um Wies' und Feld webt goldner Frühlingsduft;
Von neuem grünt der Wald, die Laubengänge
Sind schattichter, der Blumen bunte Menge
Drängt sich ans Licht und würzt die laue Luft.

Klar rinnt der Bach, aus dem Gebüsche ruft
Die Nachtigall so süß; doch Grabgesänge
Erschallen hier und dumpfe Glockenklänge,
Denn ihren jüngsten Gast empfängt die Gruft.

Auch sie, die einst mein Herz so froh gemacht,
Ruht auf dem Kirchhof hier. Wann löst das Siegel
Des Schweigens sich, wann lichtet sich die Nacht?

Wehmüthig weilt mein thränenfeuchter Blick
Auf ihrem frischbekränzten Grabeshügel.
Der Lenz ist da; sie bringt kein Lenz zurück.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 21)

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Du sprachst einst gut von mir; verdienen möcht' ich,
Was unverdient dein Mund mir beigelegt,
Dein Mund, der oft sanftredend und bedächtig
Zum Lob, doch nie zum Lästern sich bewegt.

Was schmückst du schon den Himmel, Engelreine,
Der ohne dich an Schönheit ja so reich,
Und lässest diese arme Welt, wo Keine,
Nicht Eine dir an Reiz und Tugend gleich;

Denn dein Geschlecht, das ich so lang verehrt,
Als du es noch getheilt, wie hassenswerth
Erscheint mir's nun mit seinen Heuchelmienen

Und seinen Lästerzungen - aber nein,
Ich hasse nicht, sie mögen mir's verzeihn,
Nur lieben werd' ich keine mehr von ihnen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 21)

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Noch bist du unsrer Welt nur halb entrückt,
Noch lebst du in dem Geist der lieben Deinen,
Die wachend viel der Thränen um dich weinen,
Die oft von dir ein süßer Traum beglückt.

Auch ich sah jüngst im Traum (o, wie entzückt
Mich's noch!) in aller Schöne dich erscheinen.
Willst du es so? Wie, oder muß ich meinen,
Daß mich ein falsches Traumgesicht berückt?

Denkst du noch mein? Willst du aus reichem Born
Ein Tröpfchen Trosts auf mich auch niederträufeln,
Der ich dich stets so treu geliebt und heiß?

War's ein Gesicht aus jener Thür von Horn? -
Wie, oder muß ich an der Wahrheit zweifeln,
Und war's nur Feerei des ersten Mai's!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 22)

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Betracht' ich dein Geschlecht, wie es so ganz
Entartet, hier das Geckischthun und Reden,
Dort die Begehrlichkeit im Blick der Spröden,
Das üpp'ge Drehn im wilden Wirbeltanz:

Dann schwebst du, Heil'ge, meiner Seele vor,
Daß ich vor dir mich auf die Kniee senke,
Und weinen muß ich, wenn ich dran gedenke,
Welch Tugendbild in dir die Welt verlor.

Wie jeder Trieb in seinem frommen Walten
Zur schönsten Harmonie verschlungen war!
So oft ich dran gedenke, muß ich weinen.

Wohl mir, daß mir's der Himmel vorbehalten!
So etwas würd', und lebt' ich tausend Jahr,
Mir nie auf dieser Erde mehr erscheinen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 22)

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Du weidest an der Wahrheit Sonnenstrahle
Das Auge nun und lebst im ew'gen Licht.
Dein Geist war früh gereift, der unsre nicht,
Wir wallen noch in diesem finstern Thale.

Drei Sterne nur sind unsrer Nacht gelassen,
Nach welchen oft der irre Wandrer schaut.
Wie, oder muß, wenn nun der Morgen graut,
Was wir geglaubt, gehofft, geliebt, erblassen?

O, wie erschein' ich dir, die du im Buche
Der Schickung liesest und mit höhern Geistern
Gott schauend Ruh und Seligkeit gewinnst!

War meine Lieb' ein leeres Hirngespinnst?
Wie, oder werd' ich mich des Glücks bemeistern,
Das ich verlor, und das ich wieder suche?

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 23)

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Das Grab ist stumm; die Lippen, die vom Tode
Einmal geschlossen, öffnen sich nicht mehr.
Ob sie mich je geliebt? - Nie kommt ein Bote
Mit Antwort mir von Lethe's Ufern her.

Du, einz'ge Freundin, nur, der sie im Leben
Geheimnisse des Herzens nicht verhüllt,
O sprich, denn du nur kannst mir Kunde geben,
O sprich, wie war sie gegen mich gewillt.

Sag, hat sie meiner jemals gegen dich
Gedacht, wenn ihr vertraulich spracht zusammen,
Und hat mein Lied sich ihre Gunst erworben?

Wie würd' am frohen Ja von neuem sich
Zu ihrem Geist in mir die Gluth entflammen,
Obschon der Leib, der sie geweckt, gestorben!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 23)

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Wie oft hat Meißel oder Pinsel nicht
Zum Vorwurf sich die Häßlichkeit erkoren!
Von dir nur blieb (was ging der Welt verloren!)
Kein Bild zurück, du holdes Angesicht.

Bescheiden hast du stets darauf verzichtet
Und wolltest dich dem Künstler nicht vertraun.
Nun hat der Tod, demüthigste der Fraun,
Dein Urbild rasch mit einem Streich vernichtet.

Wohl wissen wir, oft fröhnt gemeinen Zwecken
Die feile Kunst; allein durch welch Versehn
Ward uns dein Abbild, Schönste, nicht gerettet? -

So kann fortan dich nichts vom Tod erwecken? -
Ja! - Mir ins Herz hast du dich sanft gebettet,
Durch meine Kunst nur willst du auferstehn.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 24)

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So tret' ich in die weiten Räume wieder,
Wo mir beim Schalle süßer Symphonien
Zum letzten Mal die Herrliche erschien,
Die nun im Himmel wohnt und Freudenlieder

Der Engel hört. Hier hat zum letzten Mal
Ihr Ohr der Tonkunst heil'ge Weih' empfangen.
Kein Laut, kein Blick von ihr ist mir entgangen,
Denn nahe stand ich im gefüllten Saal.

Ich sah, wie unterm Wettstreit weicher Töne
(War's Rührung, war es bange Todesahnung?)
Ein tiefer Seufzer ihrer Brust entfloh.

Wer damals mir gesagt, du siehst die Schöne
Nach heut nicht wieder; hätt' ich wohl der Mahnung
Geglaubt? Ich hätt' es nicht, und doch war's so.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 25)

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Trat, Liddy, auch in jener ernsten Stunde,
Wo lächelnd sich vom Leib die Seele rang
Und dann zu ihrem Ursprung auf sich schwang,
Mein Bild vor dich, daß es von deinem Munde

Gesegnet ward? Wie wurde da mein Herz
Seltsam bewegt, doch blieb der Sinn umnachtet;
Der Geistermahnung hab' ich nicht geachtet
Und trieb mit fröhlichen Genossen Scherz.

Von Sternen war die finstre Nacht erhellt,
Doch einer schien jetzt plötzlich zu erbleichen
Und von dem Firmament sich loszulösen.

So gab die äußre wie die innre Welt
Von deinem Scheidegang mir laute Zeichen.
Ich sah's und dacht' an nichts. - Du warst gewesen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 25)

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Der Zweifel stirbt, und neue Hoffnung tagt;
Ja, nun begreif' ich erst, was unbegreiflich
Mir einst erschien. Du überlegtest reiflich,
Was du gethan, als du dich mir versagt.

Die Liebe wird stets im Besitze kühl,
Macht kaum der Freundschaft Raum; doch lieben sollte
Dich mein Gemüth, das wolltest du, das wollte
Mein Schicksal, lieben ohne Maß und Ziel.

Und stärker noch entflammte sich mein Sehnen,
Als du, indeß ich hier zurückgeblieben,
Zum Wohnsitz dir den Himmel auserwählt.

So gabst du meiner Brust ein ew'ges Lieben
Und führtest mich den Pfad zum ewig Schönen,
Dem droben einst die Psyche sich vermählt.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 26)

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Ein schöner Wahn umgaukelt mein Gemüth.
So gäbst du, Holde, durch dein frühes Sterben
Mir Freiheit, dort aufs neu um dich zu werben,
Ob feindlich schon uns hier das Leben schied!

Wer hätte wohl ein größres Recht an dich,
Wenn nun die Seele sich ins Jenseits flüchtet,
Und von der Spreu die Körner sind gesichtet,
Als der dich treu im Tod geliebt, als ich?

Doch wie die Tropfen in dem Meer verrinnen,
So könnt' es sein, daß durch den Parzenschnitt
Dem Weltgeist sich der Einzelgeist vermähle.

Wird auch dabei mein Lieben wohl gewinnen? -
Sei's, wie es sei; ich tröste mich damit:
Lebst du, so lebst du nur für meine Seele.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 27)

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Noch trennt das Leben mich von meinem Glücke,
Ein breiter Strom wälzt zwischen uns die Zeit
Sich hin. Einst baut der Tod mir eine Brücke, -
Lebt wohl, ihr Ufer der Vergänglichkeit!

Ich seh dich drüben unter Blumen thronen;
Du pflückst von Immortellen einen Strauß
Und scheinst geneigt, damit mich zu belohnen,
Ich streck' umsonst die Hände darnach aus.

Sei mir willkommen, Nacht voll schöner Sterne!
Wie schwindet doch der alten Erde Tand
Vor deiner hehren Pracht, der ewig neuen!

Dort jener winkt so freundlich aus der Ferne;
Ist er vielleicht der Lieben Heimathland?
Wann wird der Tod mir seinen Flügel leihen!


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 27)

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Was soll ich, Frühverklärte, dich beweinen? -
Muß ich, wenn du an Lethe's stillem Bord
Noch mein gedenkst, und wenn noch Thränen dort,
Nicht eher dir beweinenswerth erscheinen?

Noch nähr' ich mich vom Staub, noch drängt und treibt
Das Leben mich fern an vom ew'gen Frieden;
O, welche Schönheit missen wir hienieden,
Von der uns kaum die kleinste Ahnung bleibt!

Dein Erdendurchgang ist vollbracht; die Zeit
Hat keinen Theil an dir; von ihrem Bunde
Hast du dich schön und rühmlich abgelöst.

Ich bin noch Schuldner der Vergänglichkeit,
Ich harre noch des Tods mit jeder Stunde,
Bin erst, was du, wenn mein Gebein verwest.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 28)

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Ob mich der Unmuth packt mit ehrnen Klaun
Und aufwühlt die vernarbten Herzenswunden,
Noch ist nicht jeder Trost dahingeschwunden,
Noch lebt in mir die Hoffnung, das Vertraun.

Und ob ich mit dem Leben mich zerwarf,
Noch bin ich stark für seine härtsten Proben,
Der fühlt sich über jedes Leid erhoben,
Der dich geliebt und ewig lieben darf.

Wer blieb gefaßt wie du, als ernst und trübe
Stets näher dich das Ungemach bedroht,
Vom ew'gen Feind der Menschheit angestiftet?

Drum sei mir das Gedächtniß meiner Liebe,
Dein hier bewahrtes Bild ein Antidot,
Das von dem Gram, dem tödtlichen, entgiftet.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 28)

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Ich weiß, einst kehrt das Glück, das mir entschwunden,
Doch dann ist auch mein Lebensende nah,
Ich weiß, einst kehrt die Lust, die ich empfunden,
Als ich zum ersten Mal ins Aug' ihr sah.

Jetzt find' ich nur von Oede mich umgeben,
Kein Sonnenblick zerstreut die finstre Nacht,
Mit ihr entschwand der Geist aus meinem Leben,
Mit ihr entschwand das Glück, das mir gelacht.

Und ist's, als ob das Glück mir lächeln wolle,
Nicht trau' ich seinem trügerischen Glanz.
Einst, weiß ich, steht es fest auf seiner Rolle

Und krönt mich mit dem unverwelkten Kranz,
Dann aber liegt die Welt in weiten Fernen,
Und näher wandl' ich jenen holden Sternen.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 29)

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Erscheinen willst du mir nicht blos im Traume
Mit aller Huld, die einst dir eigen war,
Auch wachend sah ich jüngst (wie wunderbar!)
Dein Bild, als lebt' es außer mir im Raume.

Aus einem Pförtchen trat am fernsten Ende
Der Stadt ein schmuckes Kind im Bürgerkleid.
Sie grüßte mich mit vieler Freundlichkeit,
Als ob in mir sich ein Bekannter fände.

Ich dankt' und ging. Tags drauf kam ich dahin
Zurück und forschte nach dem Kind von gestern;
Kein Nachbar konnte Kunde von ihr geben.

War's Täuschung, warst du's selbst, die mir erschien?
Nicht glichen je sich so zwei Zwillingsschwestern. -
Wer löst die Zweifel, die sich hier erheben?

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 29)

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Was ist dieß? Will aufs neu mich Amor kirren?
O hätt' ich, Mädchen, nimmer dich erblickt!
Soll ich, dem Wahn der Jugend längst entrückt,
Mich nochmals in solch Labyrinth verirren?

O, welcher Reiz in Mienen, Wort und Gang!
O, welche Weisheit bei so jungen Jahren!
Und doch, schon einmal hab' ich's nun erfahren,
Auch diese Liebe fesselt mich nicht lang.

Wenn dein Verstand, der Schönheit seltne Gabe,
Von mir die glühendste Bewundrung heischt,
Mich deine Huld unendlich dir verpflichtet,

Was ist's? Ich kehre dennoch bald enttäuscht
Zu ihr, nach der, seit ihre Hüll' im Grabe,
Mein Geist wie nach dem Angelstern gerichtet.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 30)

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Will diese Brust ein neuer Freudenstrahl
Durchzucken? Welch ein nie geglaubtes Wunder!
Erglüht von Amors Fackel noch einmal
Dieß Herz, der Lieb' ein längst erloschner Zunder.

Was macht mir, Mädchen, dich so lieb und theuer?
Ist es dein eigner angeborner Werth?
Ist's Nachglanz von dem himmlisch schönen Feuer,
Das ich in einer andern einst verehrt?

Ja, leuchte meinen Nächten nur, du Mond,
Vor welchem rings der Sterne Glanz erlischt,
Und weck' im Innern die entschlafnen Lieder.

Sorg nicht, daß dich ein andres Bild verwischt,
Denn sie, die Einzige, die es gekonnt,
Sie ging hinab; kein Morgen bringt sie wieder.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 31)

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Von welchem Zauberkreis bist du umgeben!
Vergebens sucht mein freiheitslust'ger Geist
Dem sympathet'schen Zug zu widerstreben,
Der mich in deine mag'schen Wirbel reißt.

Ich fühle selbst, wenn bei verhüllter Sonne
Dein Schattenbild an mir vorüberfließt,
Und mich berauscht die Luft mit Himmelswonne,
In die dein süßer Athem sich ergießt.

Abwesend seh' ich dich, als wärst du da,
Doch schienst du fast dem äußern Sinn entschwunden,
Als jüngst mein Aug' im schönsten Schmuck dich sah,

Und nur im Innern ward dein Sein empfunden.
O, welche Zauberkräfte hegt und übt
Der Talisman, den uns die Liebe gibt!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 31)

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Nur selten zeigt Natur, du holdes Kind,
So schöpfrisch sich, als da sie dich geschaffen.
Sie rüstete dich aus mit allen Waffen,
Womit die Herzen zu besiegen sind.

Doch hat zugleich an deinem Reiz die Kunst
Nicht wenig Theil, du lieblichstes der Wesen.
Zum Spiegel feinster Bildung auserlesen,
Erwirbst du dir bei Allen Ehr' und Gunst.

Dank, Führerinnen, euch, an deren Hand
Sie früh den Pfad der reinsten Zucht gegangen,
In ihrem Ruhm ist eurer mitbegriffen.

So wird vom klarsten Naß ein Diamant
Zu jenem köstlichen Juwel geschliffen,
Bestimmt, vor Nina's schöner Brust zu prangen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 32)

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Seh' ich dich in voller Blüthe stehn,
Und fang' ich an die Reize durchzumustern,
Frag' ich mich oft, was wird in künft'gen Lustern
Dein Schicksal sein, bezauberndste der Feen?

Wird auch, wie die Natur dich reich begabt,
Das laun'ge Glück auf dich sein Füllhorn leeren?
Und wirst du auch des Ruhmes nicht entbehren,
Wenn du des Reichthums Fülle gleich gehabt?

Dann fahr' ich fort, mich selber zu beschuld'gen,
Wie ich so wenig für dein Glück gethan,
Und ein Gedanke fällt mir plötzlich ein.

Wohl kenn' ich viele Männer, die dir huld'gen,
Doch keinen, dem die Musen hold. Wohlan,
Mir lächeln sie, dein Dichter will ich sein.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 32)

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Was sagt mir doch dieß Lächeln, holdes Liebchen,
Das oft aus deinem dunkeln Auge strahlt,
Sich bettet in des Kinnes weichem Grübchen
Und Wang' und Mund mit höherm Roth bemalt?

So spiegelt sich ein himmlisches Gemüth,
Wenn es Gedanken denkt aus seinem Eden,
Mit einem solchen Lächeln überblüht
Die Unschuld ihre Handlungen und Reden.

Noch lacht die Welt sie an im Rosenlicht,
O weile, süßes Lächeln, weil noch lange
Bei ihr und fliehe nicht so früh von dannen!

Wie ist mir doch vor jener Zeit so bange,
Wo dich von ihrem Engelsangesicht
Des Lebens bittre Täuschung wird verbannen!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 33)

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Daß du bei Königstöchtern aufgeblüht,
Zu deren Rang dich die Geburt erhoben,
Gereicht dir zum Gewinn, wie Jeder sieht,
Der Augen hat; nur ich, ich kann's nicht loben.

Wär' ich ein Fürst, mit Volk und Land beliehn,
Und du als Schäferin der Flur geboren,
Dann wäre meine Hoffnung nicht zu kühn,
So aber bist du doppelt mir verloren.

Doch weniger geadelt durchs Geschlecht,
Als durch den Werth, den du dir selbst gegeben,
Verdienst du wohl ein Königreich zu erben.

Gebiete, Herrin, über deinen Knecht,
Und ist es schön, in deinem Dienst zu leben,
So ist's nicht minder schön, für dich zu sterben.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 33)

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Dich lieben möcht' ich, lieben wie noch Keine
Geliebt ward in der Welt so wahr, so treu.
Wie aber fang' ich's an, daß ich dabei
Dich nicht verletze, Süße, Engelreine?

Was rettet mich vor deines Tadels Schärfe?
Schon stand, du weißt's, in meines Herzens Schrein
Ein Bild; setz' ich's herab und dich hinein,
Daß ich vor dir mich auf die Kniee werfe:

Wirst du die Treue nicht verdächt'gen müssen,
Die einer Andern nimmt, was sie dir schenkt? -
Noch Eines bleibt: entfeßle mein Gewissen,

Dann lieb' ich dich, und du bleibst ungekränkt.
Bei dir ist Macht zu lösen und zu binden;
Entschuld'ge mich, dann lieb' ich frei von Sünden.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 34)

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Ein Ziel schwebt Allen vor. So müht im Kampfe
Der Krieger sich, bedeckt mit Staub und Schweiß,
Und ringet nach des Lorbeers blut'gem Preis,
Der ihm entgegenwinkt im Pulverdampfe;

Und so der Denker, der, vom Durst nach Wissen
Entflammt, die Spuren seiner Göttin sucht.
Glaubt er sie nun erhascht auf ihrer Flucht,
Beglückt's ihn schon, des Schleiers Saum zu küssen.

Zum meinem Ziel führt über steile Klippen
Ein rauher Pfad; doch heg' ich frohen Muth,
Und ob ich in dem kühnen Wagniß sterbe.

Schon hat auf ihrer Hand mein Mund geruht;
Nun ist der Kuß auf ihre Rosenlippen
Der süße Sold, um den ich minnend werbe.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 34)

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Das Fest, das sie im schönsten Putz mir zeigte,
Herbeigehofft hab' ich's mit Ungeduld.
Es kam; doch gab mir die sonst Vielgeneigte
Kaum das geringste Zeichen ihrer Huld.

Zu mir nur, dacht' ich, spricht ihr Mund so süß,
Dieß holde Lächeln wird nur mir gespendet;
Weh mir Betrogenen! denn alles dieß
Und mehr sah ich an Andere verschwendet.

Soll ich etwa ob diesem herben Loose
Zu Tod mich grämen? - Nein. He, Knabe, reich
Mir Wein, daß ich darin den Gram ertränke.

Umflattert sie, wie Sylphen eine Rose,
Ihr Jünglinge; ich tröste mich und denke:
Wie es mir heut, ergeht es morgen euch.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 35)

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Ich bin geliebt! Ja, tön' es, meine Leier,
Laut durch die stille Nacht. Ich bin geliebt!
Und was mir selige Gewißheit gibt,
Sprach nicht ihr Mund, ihr Auge sprach's voll Feuer.

O, dieser Blick, als Alle fortgegangen,
Und sie allein mir gegenüber saß!
Es lag in diesem Blick, ich weiß nicht was,
Und stammelte unschuldiges Verlangen.

Und brannten düster gleich am Festesschluß
Die Kerzen rings, der Augen Glanzgefunkel
Erleuchtete das zweifelhafte Dunkel.

Sie ließ mir ihre Hand; sie sank zum Kuß -
Vernehmt's, ihr Sterne dort, ihr stummen Zeugen,
Ich bin geliebt! Wozu es euch verschweigen?


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 35)

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Nicht glaubt' ich mehr mich fähig der Entzückung,
Worein nur Liebeszauber uns versenkt,
Nun wird in dir mir durch des Himmels Schickung,
Was ich zu ahnen kaum gewagt, geschenkt.

Die Liebeshuld, schon längst ins Land der Träume
Von mir versetzt, trat nun zum ersten Mal
Vor mich als Wirklichkeit, und frische Keime
Der Lieder sprossen auf an ihrem Strahl.

Nimm hin, nimm hin, was deine Reize schufen,
Du Zauberin, die neu in mir den Glauben
An Wunder weckt, vom Leben eingelullt.

Zum Dichter fühl' ich mich durch dich berufen,
Und wie ein Anderer im Saft der Reben,
Trink' ich Begeisterung aus deiner Huld.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 36)

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Nicht um den Frühlingsmorgen der Gefühle
Zieht Liebe nur den engen Zauberkreis,
Auch in der Lebensmonde spätrer Kühle
Blüht sie dem Mann, der sie zu hegen weiß.

So knospet oft an dem verwaisten Strauche
Ein Röschen auf zur ungewohnten Zeit,
Und würzt die Luft mit ihrem Balsamhauche,
Und blüht und prangt in seltner Herrlichkeit.

Daß meinem Mund der Musen süße Suade
Verliehen sei, die dich verew'gen kann,
Nicht wußtest du's, und dennoch fiel mit Gnade

Dein schönes Aug' auf mich, den reifern Mann.
Kann die Unsterblichkeit in meinen Liedern
So viele Huld, o Herrin, dir erwiedern?


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 37)

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Ja, juble nur, du meine Erato,
Sie ist dir hold und mag in deinem Spiegel
Sich gern beschaun. Trag sie auf mächt'gem Flügel
Zum Sternenzelt; rett' ihrem Namen so

Unsterblichkeit; entreiß mit kühnem Muth
Der Zeit den Raub, den sie verschlingen möchte,
Und sag's dem fernsten kommenden Geschlechte,
Wie schön im Leben Nina war, wie gut.

Zur Wiege, wo der Säugling, jüngst geboren,
Im Schlummer lächelnd lag, trat freundgesinnt
Ein Genius und sprach mit leisem Flüstern:

Dieß Kind ward den aonischen Geschwistern
Geweiht; und auch der Sänger ist erkoren,
Der Ruhm durch sie und sie durch ihn gewinnt.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 37)

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Ich sah (o allzuviel für Herz und Aug!)
Die Schönheit, die noch keinem sich enthüllte.
Entfesselt wogte bei des Athems Hauch
Die Brust, die just das rechte Maß erfüllte.

Ich sah der Hüften vollen Wuchs, um welche
Die Grazie ihren schönsten Gürtel schlingt.
Der jugendliche Leib schloß sich zum Kelche,
Wie eine Rose, die der Knosp' entspringt.

Ich sah der Schenkel schlankes Säulenpaar,
Das solchen Prachtbau trägt, herabgeflossen
Das Kleid, um es mit anderm zu vertauschen.

In diesem Augenblick (ihn zu belauschen,
Welch süße Raub!) stand sie, nackt wie sie war,
Zur schaumgebornen Göttin hingegossen.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 38)

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Ein tiefer Himmel ruht in deinen Blicken,
Der selbst abwesend nimmer mich verläßt.
Die Phantasie gibt mir ein Götterfest,
Wohin ich wandle, folgt mir das Entzücken.

So steur' ich denn mit leichtbewegtem Ruder
Zum Hafen der Glückseligkeit hinan,
Und Genien umschweben meine Bahn,
Sie gleichen dir und deinem kleinen Bruder.

Wie lieb' ich ihn, den holden herz'gen Knaben!
Sprang er doch neulich jubelnd auf mich zu
Und führte mich der Schwester sanft entgegen.

War dieß nicht schon zu viel für meine Ruh?
Sprich, thör'ges Herz, was willst du mehr noch haben,
Und poch nicht so mit ungestümen Schlägen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 38)

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So eilst du schon nach wenig Monden wieder
Dem Lande zu, das, Brittin, dich gebar,
Dem schönen Land, das seine Wiegenlieder
Dir sang und Pflegrin deiner Reize war.

Du kamst, und mit dir zog in unsre Mauern
Die Freude ein; du gehst, und mit dir eilt
Die Freude fort; ja, Alles scheint zu trauern,
Der Park, die Flur, wo einst dein Fuß geweilt.

Leb wohl, da nichts den Schluß des Schicksals wendet,
Leb wohl! Und wenn dereinst ein Lüftchen dir
Die Stirn umkost und in den Locken spielt,

So denk: Es sind die Seufzer, die nach mir
Aus deutschem Land daher ein Sänger sendet,
Der, ach, zu hart der Trennung Schmerzen fühlt.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 39)

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Nun du, mein Licht, durch Flüsse, Thal und Hügel
Von mir getrennt, ist ringsum Finsterniß.
Dein Anblick lieh dem trägen Geiste Flügel,
Daß er sich auf zum Sitz der Götter riß.

Ich wandle traurig und in mich versunken
Um all die Plätze, die du einst verschönt.
Einst schwelgte ja, vom Schauen wonnetrunken,
Die Seele hier, die darbend nun sich sehnt.

Nicht kann ein Blumenfreund, der seinen Garten
Von bleichem Winterfrost verwüstet sieht,
Mit solcher Ungeduld den Lenz erwarten,

Die schöne Zeit, wo alles grünt und blüht,
Als oft mein Geist die Stunde herbeschwört,
Die neu mir deines Anblicks Gunst gewährt.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 39)

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Und ob in mir den Argwohn auch ihr Schweigen
Erwecken will, stets hält ihm Zuversicht
Die Wage noch und läßt die Seele nicht
Sich auf die Seite der Verzweiflung neigen.

Denn wenn nun zur Beglaub'gung mir zuletzt
Von ihrer Hand die holden Zeichen kämen,
Wie müßt' ich mich des schnöden Zweifels schämen,
Den ich in ihre sichre Huld gesetzt!

Ob alles sich verschwüre, das Vertrauen
Zu untergraben, das zu ihr mich lenkt,
Stets werd' ich auf den Seelenadel bauen,

Den ihr ein Gott ins milde Herz gesenkt.
Und ob ich Trost aus keinem Wort mir hole,
Ihr Schweigen selber deut' ich mir zum Wohle.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 40)

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O welcher Himmel lacht aus deinen Zügen,
Gepriesnes Blatt! Aus weiter Ferne her
Kommst du zu mir. Mit Gold nicht aufzuwiegen
Sind diese Worte, reich und inhaltschwer.

Es sind die Zeichen fremder Redelaute,
Die ersten ihrer Hand, sonst oft gehört
Aus ihrem schönen Mund, den mir die Traute,
Mir, dem Barbar, zu küssen nicht verwehrt.

Was schreibt sie doch? Sie schreibt, gehorchen müßte
Dem Vater sie, der heim sein Kind begehre,
Und scheidend ruft sie mir die Worte zu:

Das Schiff von heut trägt mich an Albions Küste;
Uns aber scheiden Länder nicht noch Meere,
Dir bleibt mein Herz. Adieu, my dear, adieu!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 40)

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Nicht wen'ger, als der Tod mir einst entrissen,
Entführst du mir, du dampfgetriebner Kiel.
Du trägst ein großes Kleinod, sollst du wissen;
O, trag' es sicher ans bestimmte Ziel!

Um zu erheitern meine trüben Stunden,
Kam sie daher, ein güt'ger Genius,
Doch als ich kaum mein volles Glück gefunden,
Schied mich von ihr des Schicksals strenger Schluß.

Umsonst, daß man Verlorenes beweine,
Umsonst! Ist doch in dieser Welt voll Mängel
Das Schöne stets ein flüchtiges Moment.

So ward vom Tod ein andrer Bund getrennt.
Zwei theure Seelen hab' ich nun, die eine
In Engelland, die andr' im Land der Engel.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 41)

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Oft zittert durch die Saiten meiner Seele
Ein Schauer, süß wie Aeolsharfenton.
Ist es dein Geist, der seinem Ort entflohn,
Daß er mit meinem Geiste sich vermähle?

Und oft erschließt aus liebendem Erbarmen
Der Traumgott mir sein stilles Zauberreich.
Du nahst, Unsterblichen an Schönheit gleich,
Und gönnst mir Ruh' in deinen weichen Armen.

So bricht, von heißem Liebesmuth erfüllt,
Mein Geist zu dir sich Bahn durch jede Schranke
Und macht zur Nähe so die weitste Ferne.

Umfängt auch mich dein wachender Gedanke?
Stiehlt auch in deine Träume sich mein Bild?
Ich weiß es nicht, doch glauben möcht' ich's gerne.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 41)

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Nicht jung gnug bin ich, um ohn' Unterlaß
Zu weinen und des Kummers Saat zu ernten,
Und dennoch, wenn ich dein als der Entfernten
Gedenke, wird mein Auge thränennaß.

Auch ist mir Leid der Liebe nicht so fremd,
Daß ganz mein Herz in Sehnsuchtsflammen schmelze,
Daß ich verzweifelnd mich am Boden wälze,
Wenn mir von dir nicht Gruß noch Kunde kömmt.

Und dennoch seh' ich zwischen uns die Kluft
Der Trennung oft mit Schreck und Schauer gähnen,
Und dennoch preßt die Brust ein heißes Sehnen,

Wenn dieß und das dein Bild zurück mir ruft,
Und dennoch trag' ich immer dich im Herzen,
Und nimmer werd' ich den Verlust verschmerzen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 42)

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Ob jemals dich mein Auge wiedersieht,
Ich weiß es nicht und wag' es kaum zu träumen;
Allein du bist, und der Gedanke zieht
Magnetisch mich nach den entfernten Räumen,

Wo dein Zugegen noch die Wunder wirkt,
Die einst vor unsern Blicken sich entfaltet,
Wo, von der Grazien Ringeltanz umzirkt,
Dein Dasein sich zu Harmonien gestaltet.

Wohl mir, du lebst! An deinem Leben hält
Die Hoffnung sich mit zarten Blüthenranken;
Und weiltest du (von allen Schreckgedanken

Der schrecklichste!) nicht mehr in unsrer Welt,
So wüßt' ich doch, wofern mir Leben bliebe,
Du warst! Dieß gnügt, daß ich dich ewig liebe.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 42)

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Zieh hin, mein Blatt; nach einem günst'gern Loose
Wird mir, was deinem Sender, nicht versagt.
Noch eh's im Horenwechsel sechsmal tagt,
Ruhst du in ihrer Hand, auf ihrem Schooße.

Ihr Blick durchläuft die eng verschränkten Zeilen,
Worin mit Hoffnung Sehnsuchtsschmerz sich malt.
Von ihres Lächelns Sonnenschein bestrahlt,
Darfst du hinfort in ihrer Nähe weilen.

Sie hält dich werth wie seine goldne Bulle
Der Kaiser, und der Erzbischof das Breve,
Das ihn bestätigt, werth zu halten pflegt.

O, daß ich je sie überm Lesen träfe
Und säh, wie sie dich birgt in der Schatulle,
Nachdem sie lang am Herzen dich gehegt!


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 43)

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Bin ich nicht reich, reich, wie wohl kaum zuvor
Ein Andrer war? O daß ich's recht bedächte!
Sie selber säte ja in dieß Geflechte
Mir dieser Perlen bunten Blumenflor.

O Kunst der Stickerei! Beschämt doch gerne
Sieht meine Feder sich durch dich besiegt.
Wie schön sich Feld an Feld zum Ganzen fügt!
Wie lächeln sie, die bunten Blumensterne!

Nicht schöner blickt mit seinem goldnen Strahl
Der Tag, die Nacht nicht schöner mit unzähl'gen
Gestirnen her, am Himmel ausgesät.

Ich küss' euch in Gedanken tausendmal,
Denn ihr nur, schöne Hände, ihr versteht,
Ein Herz wie meines dauernd zu besel'gen.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 43)

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Ich seh' erstaunt, nun wir das Werk entdeckt,
Wie ungehalten sich dein Sinn geberdet.
Glaubst du in etwas dich durch uns gefährdet?
Was ist's, das so aus süßer Ruh dich schreckt?

Wär's möglich! Wie, der Hochgebornen bangt
Für ihren Ruf, daß man sie gar besungen,
Und daß ihr Bild, dem Künstler wohlgelungen,
Ein holder Raub vor diesen Blättern prangt?

O fürchte nichts! Dein künftiger Gemahl,
Obschon ein Mann von sechzig Ahnenbildern,
Mißgönnt uns nicht, wenn wir als Ideal

Dich, Schönste, so in Strich und Reimen schildern.
Er weiß sogar uns Dank für solchen Fund,
Denn nun erst wird sein eigner Schatz ihm kund.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 44)

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Wo blieb mein Witz, wo blieben meine Sinne,
Als ich zu meinem Abgott dich gemacht?
Du bist kein Gegenstand der zarten Minne,
Du bist noch häßlicher als Höll' und Nacht.

Ich fand dich schön; doch Jeder straft mich Lügen,
Der dich nur nicht mit meinem Aug geschaut,
Ein böser Dämon lauscht in deinen Zügen,
Vor dem's der frommen Seele bangt und graut.

Die Grazie wird durch dich zur todten Fratze.
O, welch ein Thor war ich, als ich gemeint,
Ein schöner Geist wohn' oft im garst'gen Leibe!

Die Wahrheit kenn' ich nun von diesem Satze;
Der Hüll' entspricht der Geist, der drin erscheint.
Fort, fort mit dir dreimal verwünschtem Weibe!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 44)

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Ach ja, wie ich es oft gesagt, so kam's,
Und wohl mir, daß es kam, so wie ich's sagte.
Umsonst, daß mich mein beßres Ich verklagte,
Es ging ihm wie dem Thiere Bileams.

O des Gewebs von List und Heuchelei,
Mit welchem die Sirene mich umsponnen!
Ich bin enttäuscht. Der Nebel ist zerronnen,
Und meinen Engel seh' ich nur aufs neu.

Erzürnter Geist, vergibst du mir die Sünde,
Die ich an dir beging, als ich verrucht
Vor einem Götzen auf den Knieen lag.

Nur hoffen laß mich noch, daß er dich finde,
Wenn mein gelöster Geist dich droben sucht,
Sonst trifft der Tod mich mit dem härtsten Schlag.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 45)

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In Andern irrtest du, nur nicht in der,
Die deine erste Lieb' und Treu besessen.
Mein Freund, ich kenne dich und weiß, woher
Dein Trauern kommt, du hast mich nie vergessen.

Nie wagtest du, durch Schmähung mich zu kränken,
Und meine Asche blieb dir Heiligthum.
Ehr' auch hinfort der Todten Angedenken,
Doch laß das Dichten sein zu meinem Ruhm.

Mit deinen Qualen fühlt ein Gott Erbarmen
Und sendet mich. Gib drum der Hoffnung Raum
Und sei getrost. Du findest mich. Was schreckt

Der Tod dich noch? - So sprach zu mir im Traum
Ihr Schatten jüngst und schwand aus meinen Armen,
Die ich, ihn zu umfassen, ausgestreckt.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 45)

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Verklungen sind die Töne meiner Laute
Mit diesem letztentzitternden Accord,
Doch was ich ihr als Sänger kühn vertraute,
Im Mund der Nachwelt leb' es ewig fort.

An diesem Taxus, Laute, sollst du hangen;
Er überschattet Liddys Rasengruft.
O, möcht' auch mich die Erde hier umfangen,
Wenn nun mein Engel mich von hinnen ruft!

Und so entsag' ich denn dem süßen Spiele.
Was mir das Herz in Leid und Lust bewegt,
Vergraben sei's in meiner Brust; ich fühle

Die Mahnung, die mir Schweigen auferlegt.
Gehab dich wohl, Gesang der Pieride,
Auch deiner wird der Mensch am Ende müde!

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 46)

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Auf die braunen Augen

Gleichen auch dem Himmel blaue Augen,
Wollen sie doch nicht für mich recht taugen,
Braun ist meiner Herrin Augenstern,
Nur ein braunes Auge hab' ich gern.

Blaue Augen sind gar unbeständig,
Schwarze Augen sind mir zu lebendig,
Graue haben allzuwenig Gluth,
Nur dem braunen Auge bin ich gut.

Zürnt darob mir nicht, ihr andern Lichter,
Möglich, daß ich ein bestochner Richter;
Hat doch nichts mich jüngst so reich gemacht
Als ein Blick aus brauner Augen Nacht.

Sänger macht sie aus den größten Stümpern,
Lächelt durch gehobne seiden Wimpern
Hold der Holden Seelenblick euch an,
Mir auch hat sie so was angethan.

Darum, Leutchen, dürft ihr nicht erstaunen
Ueber dieß mein Liedchen auf die braunen
Augen; durch sie über kurz und lang
Werd' ich gar noch Meister im Gesang.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 91)

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Suchen und Finden

Wo weilt sie jetzt? Vielleicht auf jenen Höhen,
Gekrönt vom Schloß, von Ulmen hold umbüscht,
Vielleicht im Thal, wo kühlre Lüfte wehen,
Wo schon der Sonne Scheidestrahl verlischt.

Mit Windeshast hätt' ich den Berg erstiegen,
Wüßt' ich sie droben, die mein Herz mir stahl,
Und pfeilschnell würd' ich nach dem Thale fliegen,
Wüßt' ich die Schöne drunten in dem Thal.

So steh' ich hier voll schwankender Entschlüsse,
Bin wo mich hinzuwenden zweifelhaft.
Nur für Secunden leih, daß ich es wisse,
Du Gott der Liebe, leih mir Seherkraft.

Daß nicht, wenn ich den steilen Berg erklommen,
Ihr leichter Schritt das grüne Thal durcheilt,
Und wenn ich nach dem Thal den Weg genommen,
Sie droben auf des Berges Gipfel weilt;

Daß nicht, wenn ich zurück zur Stadt mich wende,
Sie just durchs andre Thor von dannen fuhr.
O welch ein Glück, wenn ich sie heute fände! -
Doch sieh, ein Knabe läuft dort auf der Flur.

Ihr Bruder ist's; er hascht nach Schmetterlingen.
Wohl mir! Auch sie ist sicher nun nicht fern.
Als Amor mag er selbst mich zu ihr bringen,
Der Schelm, mir lieber als mein Augenstern.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 97)

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Leid in der Trennung

Ach, wie kommt es, daß die Stunden
Süßesten Zugegenseins
Wie ein Traum dahingeschwunden!
Alles dacht' ich, nur nicht eins,
Daß ich einst allein muß gehen,
Ohne mehr mein Licht zu sehen.

Finster sind des Himmels Bühnen,
Wo zwei schöner Sterne Glanz
Einst so hold mich angeschienen.
Welk ist meiner Freude Kranz,
Und kein Strahl aus Engelsblicken
Will das matte Herz erquicken.

Könnt' ich von den vielen Tagen,
Die mir einst bei ihr gelacht,
Nur ein Stündchen noch erjagen,
Das mich wieder fröhlich macht,
Wollt' ich gern mein übrig Leben
Für dieß einz'ge Stündchen geben.


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 98)

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Reminiscenz

Himmel, du mein goldgerändert Blättchen
Mit dem Liedchen, das ich drauf so schön
Hingekritzelt, welches Ruhebettchen
Wurde dir! Vor Lust möcht' ich vergehn.

Kaum hatt' ich's ihr flüchtig zugestecket,
Als die Mutter in das Zimmer trat.
Weh, dacht' ich, wenn sie den Tand entdecket!
Doch ein kluges Mädchen weiß wohl Rath.

Abgewendet schob sie's schnell ins Mieder
Da, wo sich das seidne Halstuch kreuzt,
Drückt' es sittsam mit dem Finger nieder,
Und das Blättchen, das nicht lang sich spreizt,

Glitt hinunter zwischen Rosenhügeln
Und begrub sich in ein Liliengrab.
So sank auf des Westes weichen Flügeln
Psyche einst in Amors Thal hinab.

Wenn sie nun dich zur bequemen Stunde
Deiner süßen, süßen Haft entzieht,
Gibst du laut von meiner Lieb' ihr Kunde.
Ruh' indessen sanft, beglücktes Lied!


Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 99)

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Wo du wandelst und weilst, umblühen dich himmlische Reize,
Allen sichtbar, nur dir, Evchen, allein nicht bekannt,
Und so besitzest du, Kind der Natur, was nimmer in Städten
Holden Genossinnen deines Geschlechtes verliehn.
Alle werden sie vorm Trümeau zu schlauen Coquetten,
Ueben Künste des Trugs, lieben im Andern nur sich.
Allen entzieht sich der himmlische Gott, von Schmeichlern aus ihren
Herzen gebannt, und dafür herrschet der irdische nur.
Blühe so fort im Thale der Unschuld, liebliche Blume,
Nimmer bahne zu dir je sich ein Schmeichler den Pfad.
Nur dem Liede vertrau' ich dein Lob und den einsamen Lüsten,
Aber ich hüte mich wohl, dir es zu sagen, mein Kind.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 5)

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Dieses Lächeln, das noch so unbeziffert
Deine Lippen umspielt, im Wangengrübchen
Lieblich sich wie auf Rosenkißchen bettet,
Wie entzückt es mich schon! Doch wie zum Gott erst
Machen würd' es mich, wenn dieß Kinngekräusel
Mir nur gälte, wenn dieses Lächelauge,
Das vieldeutig für mich noch Räthselschrift ist,
Liebe mir mit beredter Sprache blickte!

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 5)

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Schön sind die Blumen immer, doch am meisten dann,
Wenn sie als Zierde deinem Leib sich beigesellt.
Du trägst den Strauß, den ich in deinen Händen seh,
Nun schon den halben Tag herum, das läßt dir gut
Und zeigt mir an, wie sehr du seinen Werth erkannt.
Schön sind die Blumen, ich gesteh' es, schön, und du
Bist zehnmal schöner als die schönen Blumen sind;
Das aber ist nicht schön, ich sag' es frei heraus,
Daß ich's nicht war, von dem der schöne Strauß dir kam.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 6)

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Daß ich's nicht war, von dem der schöne Strauß dir kam,
Wie freut es mich, seit ich dem Ding mehr nachgespürt!
Die Blumen, deine Lieblinge, Levcoi und Veil,
Hat dir ein schmucker Bauernbursch in letzter Nacht
Vors Fenster hingelegt und wirbt auf solche Art
Um deine Liebe; das ist ganz natürlich ja.
Trügst du nun heut, wo er zu dir zu Gaste kommt,
Die Blumen vorn am Mieder, gäbst du Gegenlieb'
Ihm zu verstehn nach der Symbolik eures Dorfs.
Doch da du sie der Hand nur anvertraust, so sieht
Sein artiges Geschenk der Bursch zwar nicht verschmäht,
Doch mehr daraus zu folgern ist ihm nicht vergönnt.
Nun wag' ich Blumen dir zu schenken zwar noch nicht,
Doch schmeichl' ich mir noch immer mit dem süßen Wahn,
Die Blumen, die ich dir einst schenke, steckst du, statt
Sie in der Hand zu führen, vor die holde Brust,
Und darum freut es mich, ich kann nicht sagen wie,
Daß ich's nicht war, von dem der schöne Strauß dir kam.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 6-7)

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Die Holde sitzt am Rad und spinnt den weißen Flachs.
Ihr rathet nicht, wie mir dabei so seltsamlich
Zu Muthe wird. Den Rocken neid' ich, der so schön
Von ihrer Hand gewickelt auf dem Stuhle prangt.
Den Faden neid' ich, denkt, den Faden, der so fein
Gedreht durch ihre Finger läuft. Das Brettchen, lacht,
Das Brettchen neid' ich, das entstrumpft ihr kleiner Fuß
So niedlich tritt und tritt. O, sähet ihr den Fuß,
Ihr lachtet sicher nicht. So wies nur Venus ihn,
Als neugeboren sie dem Wellenschaum entstieg.


Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 14)

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Einst so spröde, daß kaum um ihre Hüfte,
Um die schlanke, mein Arm sich schlingen durfte,
Läßt sie nun mich gewähren, gönnt mir mehr noch,
Läßt die Hand durch Berührung sich des Busens
Schöne Fülle versichern; gönnt mir Größres,
Was jungfräuliche Scheu sonst vorenthielt stets.
Welch ein Gott, der mir wohl will, wandte plötzlich
So den Sinn des beharrlich spröden Mädchens?
Ist's Vertumnus? Ist's Amor? Ist's ein Andrer?
Sei's, wer's sei. Ich genieße froh, was da ist.
Wandelbar sind von Mädchen Launen; möglich,
Daß ich bald in des Apfels Säure wieder
Beißen muß, wie sein Süßes jetzt mich labet.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 18-19)

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Süß in Liebe gesellt und im Flug der Liebe genießend
Schwebt ein Libellenpaar über dem grünlichen See.
So gewahrt ein Schwälbchen sie dort, das, ein Caper der Lüfte,
Jenes Gewässer bestreicht, hascht und verschlinget im Flug.
Gönnet Eros doch nie den Menschen so süßes Genießen,
Gönnt die Parce doch nie Menschen so seligen Tod!

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 28)

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Die Rosen, die du neulich mir geschenkt, ich ließ
Sie nicht verblühn, verkürzt' ihr kurzes Leben noch,
Indem ich grausam zwischen Quartanten sie zerquetscht;
Doch Liebe zwang mich zu solcher Grausamkeit,
Denn nun, zu Mumien eingeschrumpft, besitz' ich sie
Als unvergängliche Festreliquien deiner Huld,
Kann sehn, kann riechen, küssen sie, so oft ich will.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 37)

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Süßes Zweifelgefühl durchbebte mich, als im Gespräch itzt
Entpantoffelt ihr Fuß sanft sich auf meinen gestellt
Unterm Tisch, von Keinem gesehn und selber von ihr auch
Im Vergessen vielleicht, nimmer mit Absicht gestellt.
Doch jetzt hielt, da ihm ein kupferner Kreuzer entfallen,
Einer der Gäste das Licht unter den Tisch, da entzog
Eilig das Füßchen sich meinem Fuß und schlich erst zurücke,
Als der Leuchter am Ort vorige Hellung ergoß.
Ha, jetzt ging mit dem Leuchter auch mir auf einmal ein Licht auf!
Wer sich im Reden vergißt, fürchtet nicht solchen Verrath.
Ha, jetzt läugn' es nur länger noch, daß du, Evchen, mich liebest,
Mehr als je dein Mund sagte das Füßchen mir ja.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 39-40)

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Muß denn Alles, was in der Liebe Holdes
Mir begegnet, sogleich die Muse plaudern?
Amor, laß mich einmal ein Glück erleben,
Das so schön ist, so überirdisch schön, daß
Nie mein sterblicher Mund es aus wird sprechen.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 40)

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Ach, zu oft nur brachte die Muse durch blöden Verrath mich
Um ein bescheidnes Glück, das ich wohl besser verhehlt!
Dennoch kann mich kein Glück erfreun, das Amor, der Kuppler,
Bieten unterm Beding schnöder Verstummung mir will.
Liebe, wer will, ohne Poesie; ich sag' es dem Liede,
Was mir mit Wonne, mit Leid wechselnd den Busen durchbebt.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 40)

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Der Wächter blies mit seines Hornes hohlem Ton
Mich um die Zweite wach, da dacht' ich schnell des Worts,
Womit sie gestern ihren Scheidekuß gewürzt,
Und mehr kein Schlaf sank auf mein offnes Augenlied.
Rings Dunkel noch, drum schnell zu meiner Sinne Sinn
Macht' ich das Ohr und lauscht', ob auf dem Söller nicht
Sich Trippeln hören ließ und eine Mädchenhand
Schüchtern der angelegten Thüre Klinke hob.
Doch Stille blieb's, auch nicht ein Mäuschen rührte sich.
An Viertelschlägen zählt' ich Stund' um Stunden ab.
Zur Morgenhore bimmelte das Glöckchen schon,
Und schon durch runde Scheiben in mein Schlafgemach
Stahl sich Aurora's Dämmergrau. Noch kam sie nicht.
Der muntre Rothschwanz schwirrte schon auf nahem First
Sein Morgenlied, die jungen Schwalben zwitscherten
Im Nest, das überm Fenstersims am Dache hing,
Noch kam sie nicht, und heute mit der fünften rief
Unwiderruflich mich von hier mein Reiseloos.
Schon hatt' ich ihr durch Rücken nach der Wand den Platz,
Den schönen Platz geräumt, wo, wie ich wähnte, sie
Auf weichem Pfuhl nun neben mir zu ruhen kam.
O eitler Wahn! Denn die Verlogne kam ja nicht.
Und tiefer stets sank meine Hoffnung und verlosch
Gemach, je höher jetzt der Tag die Leuchte hob.
Schon ward es auf der Gasse reg' und laut im Haus,
Pantoffel klapperten Trepp' auf, Trepp' ab, und dumpf
Erdröhnten in der Küche Mörserstöße schon.
Da schlug halb fünf. Nun blieb nichts übrig. Unmuthsvoll
Enthub ich dem verhaßten öden Lager, warf
In Reisekleider mich, ging hinab, wo heut
In morgenleerer Gaststub' ich der erste Gast.
Da lächelnd wie ein unschuldsvoller Engel trat
Herein die Holde, der ich grollen wollt' und doch
Bei ihrem Eintritt gleich den Vorsatz fahren ließ.
Wie, fragt' ich zur Verständ'gung bloß, hältst du so Wort,
Vergeßliche? Und sie: Ei, ei, ich muß gestehn,
Der Herr hat doch gesunden Schlaf! "Wie so? Seit zwei
Schloß ich kein Aug'." Und sie: Das kann wohl sein; allein
Halbzwei war ich, wie's ausgemacht, ein wenig dort,
Da schlief er fest - ihn wecken? Ei, das mocht' ich nicht
Wenn er aufs Wort gerechnet, warum schlief er jetzt?
Wie, Engel, rief ich, zog sie schnell auf meinen Schooß
Und küßt' ihr Grübchenkinn; sag mir die Wahrheit, wie
Du wärst - "Soll ich's beschwören noch?" - Nun, beim Apoll,
Wie freu' ich mich, daß du so Wort hieltst, und dabei
Wie ärgr' ich mich, daß ich mein schönes Glück verschlief!


Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 40-41)

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Die Schönheit, sagt man immer, währt nur kurze Zeit,
Und gleichwohl seh' ich nimmer aus der Welt sie fliehn.
Mein Liebchen steht mit tausend Reizen angethan
Jetzt neben ihrer Mutter, und die Mutter war
Einst schön, das sieht ein jeder, der an Resten noch
Auf die Herrlichkeit versunkner Schöne sich versteht.
So wird auch neben meinem Liebchen einst vielleicht
Ein Töchterchen mit tausend Reizen angethan
Stehn, wie sie selbst jetzt neben ihrer Mutter steht.
Drum sagt mir nicht, die Schönheit währt nur kurze Zeit;
Sie wechselt Formen nur und währt in Ewigkeit.


Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 42-43)

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Als söge noch mein Aug sich trunken
An deinem Feuerblick, so sieht
Mein Geist dich oft, träumt, drin versunken,
Ein Glück, das jeden Namen flieht.

Du überstrahlst in deiner Schöne
Der Rose Pracht, der Sonne Glanz,
Und hätt' ich eines Seraphs Töne,
Mein Lied besänge dich nicht ganz.

Und stände Tizians Farbenschimmer,
Mir Raphaels Ausdruck zu Gebot,
Dir weiht' ich meine Kunst, doch immer
Blieb gegen dich mein Nachbild todt.

Und wenn ich Minen hätte, wenn ich
Wie Rothschild wär' an Schätzen reich,
An dich sie zu vergeuden sänn' ich,
Doch kämen deinem Werth sie gleich?

O nein; nun erst, an dich verschwendet,
Zeigt sich, wie viel zu schlecht das Gold,
Ob es Potosi's Mine spendet,
Ob's ein Pactol im Rinnsal rollt.

Ob noch so sehr ein Demant funkelt
Als Schmuck an deinem Leib; der Reiz,
Den die Natur ihm lieh, verdunkelt
Den Blitz des funkelndsten Geschmeids.

Noch stehst du da, obwohl entschwunden,
In all der Schönheitsfülle da,
Wie sie mein Herz durch deins empfunden,
Mein Aug' in deinem Auge sah.

Noch jetzt empfind' ich im Gemüthe
Den Zauber, der mich ewig hält.
Bei so viel Schönheit so viel Güte
Kam einmal nur - durch dich - zur Welt.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 143-144)

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Ach, wie kommt es, daß die Stunden
Süßesten Zugegenseins
Wie ein Traum dahingeschwunden?
Alles dacht' ich, nur nicht Eins,
Daß ich müßt' allein einst gehen,
Ohne mehr mein Licht zu sehen.

Finster ist, wo vorhin Alles
Strahlen goß auf meinen Weg,
Und das Echo meines Halles
Wird nur in der Wüste reg,
Wo zur Nährung kalter Flamme
Ich mich selber hinverdamme.

Muß mich so dein Angedenken,
Das du mir zum Glück verliehst,
Nur betrüben, nur mich kränken,
Muß, indeß du drüben blühst,
Von Schmarotzerflecht' umworren
Hier mein Lebensbaum verdorren?

Einsam, wo zu holden Paaren
Alles neben mir gesellt!
Einsam! Mußt' ich das erfahren
Hier in dieser reichen Welt?
Reich? O nein, verarmter Herzen
Viel' erfuhren gleiche Schmerzen.

Viele zieht nach nebelgrauer
Fern' ein stiller Sehnsuchtsdrang,
Und so findet meine Trauer
Wohl in Herzen Widerklang,
Die ein gleiches Loos betrübet,
Taub nur eins, das mich geliebet.

Könnt' ich von den vielen Tagen,
Die mir einst bei ihr gelacht,
Nur ein Stündchen noch erjagen,
Das mich wieder fröhlich macht,
Wollt ich gern mein übrig Leben
Für das einz'ge Stündchen geben.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 145-146)

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Welch ein Gewoge der kämpfenden Triebe,
Und hier im Busen welch wildes Gepoch!
Sag mir, o sag mir, beherrschest du, Liebe,
Mich? Oder, Liebe, beherrsch' ich dich noch?

Reich' ich mit einem der sonnigen Blicke
Aus doch für Wochen und Tage! So sprich:
Bin ich der Herr noch von meinem Glücke?
Oder, o Glück, beherrschest du mich?

Wenn ich mit Armen sie selig umflechte,
Gnügt doch ein Küßchen, ein süßes, mir gern.
Machst du mich, Amor, zu deinem Knechte?
Oder erkennst du in mir deinen Herrn?

Hab' ich doch öfter nur Blüthen gebrochen,
Wo auch die Frucht nach dem Munde mir hing.
Wolltest du, Amor, mich unterjochen?
Oder warst du's, der Gesetze empfing?

Ließ ich's doch immer erst an mich kommen,
Zog nicht Gelegenheit mächtig beim Schopf.
Hast du nun, Amor, den Kopf mir genommen?
Oder behaupt' ich ihn noch, meinem Kopf?

Noch macht kein Schwur mich der Schönen verbindlich,
Saß er gleich oft auf den Lippen mir schier.
Bist du nun, Amor, unüberwindlich?
Oder verschoß sich dein Bolzen an mir?


Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 158-159)

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Was ist ein Blick,
Dem Liebenden nicht schaubar?
Was Liebesglück,
Den Musen unvertraubar?
Du kamst, o Mus', hast dich für schöne Stunden
Treu mir verbunden.

Doch was ich schrieb,
Vom Winde lag's verblättert,
Als Evchens Lieb',
Einst so von mir vergöttert,
Sich immer an den Wechsel noch nicht kehrte,
Immer noch währte.

Sie blieb sich treu,
Ich mir, und dennoch scheidet
Die Tyrannei
Des Schicksals, das nie leidet,
Daß Herzen lang im schönen Bund beisammen,
Unsere Flammen.

Hätt' ich an der
Geliebt nur Leibesblüthe
Und nicht gleich sehr
Der Seelen lautre Güte,
Dann müßt' ich schier in diesen öden Tagen
Gänzlich verzagen.

So aber schafft
Ihr Bild in meinem Herzen
Mir Muth und Kraft,
Die Trennung zu verschmerzen,
Läßt auf den Rath der Götter, die's so wollen,
Doch mich nicht grollen.

Noch glaub' ich oft
An Wiederkehr zum Alten,
Dann unverhofft
Seh' ich sich's so gestalten,
Daß auch im Neu's, ist's Alt' unwiederbringbar,
Freuden erringbar.

Aus: Rhythmen und Reime von C. M. Winterling
Erlangen Verlag von Ferdinand Enke 1849 (S. 164-165)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Martin_Winterling


 

 


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