Joseph Christoph von Zedlitz (1790-1862) - Liebesgedichte

Johann Christoph von Zedlitz



Joseph Christoph von Zedlitz
(1790-1862)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 




Die Reise

Schon verschwinden jene Berge,
Die die heit're Stadt umziehn,
Jene fernen blauen Höhen
Seh' ich auch vorüber fliehn.


Und des Stromes grüne Wogen
Rollen unaufhaltsam fort,
Und ich fahr' an seinem Ufer,
Neben, mit ihm roll' ich fort.

Doch, so wie von seiner Quelle
Bis wo er in's Meer sich gießt
Jeder Tropfen seines Wassers
Liebend dort vorüberfließt:

Und wie er mit seinen Fluthen
Sehnend an die Stadt sich schmiegt,
Und wie, selig, seine Traute,
Sie an seinem Busen liegt:

Und, ob Woge strömt an Woge,
Und wie eilig sie entrinnt,
Doch der Strom sich nicht vermindert,
Neue Macht im Lauf gewinnt, –

So ist, was ich denke, fühle,
Meiner Liebsten zugesellt:
Hin zu ihr hat all' mein Sehnen
Immer seinen Lauf gestellt.

So umfängt sie meine Liebe,
So schmiegt sich mein Herz ihr an,
Und so ist ihr jede Regung
Meiner Seele unterthan.

Und so viel ich Liebe spende,
Sie mir nimmer doch gebricht;
Woge treibt die Woge brausend,
Doch der Strom versieget nicht.
(S. 9-10)
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Der Bote

Auf ihres Schlosses Zinnen
Das holde Fräulein steht,
Durch ihren weißen Schleier
Die Abendkühle weht.

Sie hält in ihren Händen
Ein Täubchen, und sie drückt
Es zärtlich an den Busen,
Und blickt es an entzückt!

Sie läßt das Täubchen fliegen;
O, liebes Täubchen mein,
Du sollst hinüber schwingen
Dich über den blauen Rhein!

Sie folgt ihm mit den Augen,
So weit sie blicken kann,
Und über ihre Wange
Die warme Thräne rann!

Und wie der Ritter einsam
In seiner Zelle singt,
An seines Fensters Gitter
Wie Flügelschlag es klingt.

Er springt empor und schauet,
Die Taube flattert dort,
Ein Blatt in ihrem Schnabel
Mit der Geliebten Wort!

O Bote, treuer Bote!
Wie bist du mir so werth!
Du kommst an jedem Tage
Mit holder Post beschwert!

Du meine einz'ge Wonne,
Mein einz'ger Trost im Leid!
Sie, die Dich hat gesendet,
Sey ewig benedeit! –
(S. 33-34)
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Erwartung

  Am Fenster saß der Ritter
Schon um den achten Tag;
Auf seinem Herzen doppelt
Die Qual des Kerkers lag.

Die Taube war entflohen
Und war nicht mehr gekehrt,
Wie auch nach ihrem Kommen
Des Ritters Herz begehrt.

Was ist mit ihr geschehen,
Daß sie so lange weilt?
Hat sie auf ihrem Fluge
Des Jägers Pfeil ereilt?

Hat ihr ein Vogelsteller
Ein trüglich Netz gestellt?
Verrath ist nimmer müßig,
Voll Arglist ist die Welt!

"Ist denn mein Liebchen gestorben?
Dann wehe meiner Noth!
War sie doch, als wir schieden,
Wie eine Rose roth! –"

"Wie, oder zieht die Taube
Nun einen neuen Flug?
Trägt Botschaft sie nun Andern
Wie sie zu mir sie trug? –"

"Dann stürzt zusammen, Mauern,
Und decket mein Gebein!
Dann nimm in deine Wogen
Mich auf, du alter Rhein! –"
(S. 35-36)
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Liebestrost

Laß mich diese Worte küssen,
Diese Züge deiner Hand!
Ja, gewiß, die Liebe war es,
Die den Trost der Schrift erfand!

Ja, ich lese Deine Zeichen
Und Du stehst vor meinem Blick,
Sprichst zu mir, und jede Silbe
Zaubert mir mein Glück zurück!

Und ich küsse Deine Hände,
Deine Augen, Deinen Mund;
Und ich trinke Deinen Athem,
Und die Seele wird gesund!

Alle Räume schwinden, fliehen;
Alles, was die Brust beengt,
Hat das Herz mit kräft'gen Schlägen
Losgerüttelt, weggesprengt! –
(S. 37)
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Gute Nacht

  "Mein Töchterchen, die Spindel ist noch leer,
Ich glaube gar, Du schläfst? still steht Dein Rädchen!"
""Großmutter, ach! das Herz ist mir so schwer,
Ich bin doch recht ein arm verlassen Mädchen!""

"Denk' an Dein Garn und laß das Grämen seyn!" –
""Großmutter, ach! wozu denn feine Hemde?
Mein Hochzeitbett wird doch der Kirchhof seyn!
Warum zog doch mein Liebster in die Fremde? –""

"Er ist, wie alle die Gesellen sind:
Die Unruh' treibt sie fort, läßt sie nicht weilen;
Sie kommen an und gehen mit dem Wind,
Und mit dem Wind muß man ihr Lieben theilen! –"

""Gewiß, wollt' er von mir, so war's nicht recht,
Daß er mich erst wie seine Braut geküsset!
Warum ist er so lieb und doch so schlecht?
Ach, daß so schwer mein armes Herz nun büßet! –""

"Mein Töchterchen, das Licht ist ausgebrannt,
'S ist Zeit, daß wir uns nun zu Bette legen!
Denk' nicht an ihn, vergiß den Liebestand,
Schlag still ein Kreuz und sprich den Abendsegen!"

""Lieb' Mütterchen, nun tausend gute Nacht! –
Sonst, wenn sie schlief, ist heimlich er gekommen!
Ach guter Gott, wer hätte das gedacht!
Nun ist's zu spät; was kann mein Weinen frommen? –""
(S. 40-41)
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Der fremde Buhle

Ein Mädchen stand am Abend
Vor ihres Hauses Thür:
Der Mond trat aus den Wolken
Mit blassem Schein herfür.

Da kam ein junger Reiter
Und nahm sie bei der Hand,
Und spielt in ihren Locken
Und mit dem Busenband.

Und unter'm Federhute
Quoll sein goldlockig Haar!
Und sein Gesicht viel süßer
Noch als das Mondlicht war.

Und schmeichelnd klang die Stimme,
Und in des Mädchens Brust
Wogt' unbekanntes Drängen,
Wie Schmerz halb und wie Lust!

Und als er lang' geschmeichelt,
Ließ sie den Knaben ein
In ihrer stillen Klause
Verschlossen Kämmerlein.

Und faßt ihn in die Arme
Und blickt ihm in's Gesicht; –
Da traf sie jäher Schrecken –
Es war sein Antlitz nicht!

Ein Todtenschädel grins'te
Sie hohlen Auges an;
"Hilf Jesus!" schrie sie weinend,
Und all' ihr Blut gerann! –

Die Dirne liegt im Wahnsinn
Nun schon in's dritte Jahr;
Sie konnte nie erfahren,
Wer doch ihr Buhle war!
(S. 42-43)
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Liebesahnung

1. Das Mädchen

  Die Vesperglocken klingen
Im abendlichen Schein,
Von Rüdesheim nach Bingen,
Herüber den breiten Rhein.

Rings hat an steilen Wänden
Auf Steingeröll, am Kant'
Von sonnigen Geländen
Die Reb' ihr Netz gespannt.

Die hohen Kuppen blauen,
Zerfallne Burgen stehn,
Und kühne Warten schauen
Herunter von den Höhn.

Dort ranken rothe Winden
Und Schlingkraut sich empor;
Es weht der Duft der Linden
Durch das versunkne Thor.

Im Rahmen mächt'ger Bogen
Senkt sich der Sonne Schild,
Es rauschen laut die Wogen
In Dämmerung gehüllt.

Und sinnend sitzt am Strande,
Zum Knie geschürzt das Kleid,
Still an des Wassers Rande
Die jugendliche Maid.

Sie wusch die weißen Füße
Wohl in der frischen Fluth,
Und rosig glüht das süße
Antlitz in Abendgluth.

Noch brennt auf ihrem Munde
Der erste Kuß, entzückt
In einer sel'gen Stunde
Den Lippen aufgedrückt! –

Sie scheint den Fluß zu fragen:
"O Wellen, sprecht ein Wort!
Wohin habt ihr verschlagen
Den Knaben, an welchen Ort?"

"Warum, du schnöde Welle,
Trägst du ihn fort von hier?
Was zogst du gar so schnelle
Ihn aus den Armen mir?" –

Die raschen Wellen treiben,
Zur Antwort giebt der Fluß:
""'s kann halt nichts ewig bleiben,
Am mindesten – ein Kuß!"" –


2. Der Knabe

  Rausche, rausche kühler Fluß,
Rausche immer zu;
Knabe schläft an deinem Ufer,
Träumt in süßer Ruh.

Träumet, feuchte Wasserfrauen
Hätten ihn erfaßt,
Führten ihn in einen hohen
Goldenen Palast.

Singen, schlingen Zaubertänze,
Und er steht bethört,
Und er träumt von Melodien,
Nie zuvor gehört.

Harfentönen, Cymbelklängen,
Wunderbarem Laut;
Träumt von Reizen, die der Knabe
Nie zuvor geschaut;

Weißen Busen, vollen Armen,
Hüften schlank und rund,
Stolzen Nacken, goldnen Locken,
Rosengleichem Mund!

Er erwacht – fort sind die Hallen,
Fort der Nixen Chor;
Und die Welle treibt die Schäume
Rauschend wie zuvor.

Doch in seiner Seele Tiefen
Bleibt ein dunkles Bild,
Bleibt ein neu erwachtes Sehnen,
Heiß – und ungestillt!
(S. 97-100)
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Die Ueberraschte

Amor schlich in stiller Nacht
In mein Haus verwogen,
Wie ich morgens aufgewacht,
War er eingezogen;

Als ich zürnte, bat er sehr,
Möcht' ihn nicht verjagen,
Sprach, er käm' von weitem her,
Würden uns vertragen;

Hätt' ihm nur ganz kurze Zeit
Herberg geben sollen,
Sey zu Gegendienst bereit,
Hat Zins zahlen wollen!

Und nun ist er noch im Haus,
Will noch länger bleiben,
Sagt, er gehe nicht hinaus,
Könn' ihn nicht vertreiben.

Spricht, es sey nur Scherz von mir,
Und fängt an zu lachen;
Ihm gefalle das Quartier –
Was kann ich da machen?

Und zuletzt fing mit Gewalt
Er mich an zu küssen;
Ob ich schrie, ob ich ihn schalt –
Hab' es leiden müssen! –
(S. 101-102)
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Auf dem Gmundner See

Was schlagt ihr an meinen Kahn,
Ihr Wellen, so stürmisch an?
O Nixe, was hast Du gethan,
O Nixe, was hast Du gethan!

Was schwimmst an der Nachenwand,
Was winkst Du mit Blick und Hand?
O Nixe, was hast Du gethan,
O Nixe, was hast Du gethan!

Was tauchet Dein Arm so weiß,
Was wallet mein Blut so heiß –
O Nixe, was hast Du gethan,
O Nixe, was hast Du gethan!

Du hast mir die Seele berauscht,
Du hast mir das Herz vertauscht,
O Nixe, was hast Du gethan,
O Nixe, was hast Du gethan! –

Es dreht sich die Erde mit mir
Hinunter, hinunter zu Dir,
O Nixe, was hast Du gethan,
O Nixe, was hast Du gethan!
(S. 103)
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Spätes Erkennen

Ach, wär' ich fern geblieben!
Vom Sehen kommt das Lieben,
Vom Lieben kommt der Schmerz:
Mit ihm rastloses Sehnen,
Mit ihm unzähl'ge Thränen,
In Thränen bricht das Herz!
Das Herz, gebrochen eben,
Kann fürder nicht mehr leben,
Muß sterbend bald vergehen.
Bringt Liebe solche Noth,
Und kommt die Lieb' vom Sehen,
So bringt das Sehen Tod!
Ach wär' ich fern geblieben
Vom Sehen und vom Lieben! –
(S. 106)
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Bewußtlose Neigung

  Mädchen, nenne den Zauber,
Der mich gefangen hält,
Sage, was hast Du denn eigen,
Das mir so sehr gefällt?

Sind es die schelmischen Augen,
Die so zum Herzen mir gehn;
Dunkle, bewegliche Sterne –
Hab' doch schon schön're gesehn!

Sind es die schwellenden Lippen,
Würzig vom Athem versüßt,
Blühende, glühende Knospen!
Hab' doch schon schön're geküßt! –

Ist es des klopfenden Busens
Wogender, wallender Schnee,
Den ich mit gleichem Verlangen
Wieder und wieder seh'?

Sind's diese Hügel der Wonne,
Die so bestürmen das Blut?
Hab' doch wohl früher auch, traulich
Kosend, an manchen geruht!

Mädchen, so nenne den Zauber,
Der mich gefangen hält;
Sage, was hast Du denn eigen,
Das mir so sehr gefällt? –

Ach! 's ist die kindliche Seele,
Die noch gedankenlos träumt,
Während in jeglicher Ader
Leben und Jugend Dir schäumt!

Die nichts besorget, nichts ahnet,
Eines nur weiß: daß sie liebt;
Immer Nichts meinet zu geben,
Während sie Alles giebt! –
(S. 107-108)
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Sicherer Trost

Traurig hängst Du das Köpfchen,
Weil muß geschieden seyn:
Meintest Du, närrisches Mädchen,
Ich sey für ewig Dein?

Deine Blume hab' ich nicht gebrochen,
Dein Kränzchen Dir nicht geraubt;
Die Luft hat mit Dir gesprochen,
Dem Winde hast Du geglaubt!

Und weil ich Dich eben genommen,
So wie ich Dich eben fand,
So meinst Du, mich hätte geschlungen
An Dich ein ewiges Band?

Und weil ich gelegen im Fieber,
Und hab' Dich im Traume geküßt,
So meinst Du, ich hätte für's Leben
Als meine Braut Dich gegrüßt? –

Sey ruhig und trockne Dein Thränchen,
Ich weiß, daß Dein Herzchen nicht bricht.
Heiß Blut und achtzehn Jahre –
Mein Mädchen, Du stirbst noch nicht!
(S. 110)
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Beruhigung

  Du liebäugelst mit dem Tage,
Doch wenn einst die Nacht wird kommen
Und der Stern ist angeglommen,
Der die Zier des Himmels macht;

Wenn ein wundersames Rauschen
Lind in Deine Seele flüstert,
Und Dein Auge sich umdüstert,
Und Dein Blick in Thränen lacht;

Und wenn zaubervolle Stimmen
Bang' zugleich und lockend klingen,
Unberührt die Schleifen springen
An des jungen Busens Pracht;

Und die Sinne ruh'n, die Seele
Sich umkränzt mit Glorienscheine,
Dann erkennst Du, liebe Kleine,
Gluth, vom Himmel angefacht!

Und ein Strahl fällt in die Tiefen,
Die Begierden werden schweigen,
Und ein Bild vom Himmel steigen,
Wie's Dein Ahnen kaum gedacht.

Dann wird Dir des lauten Tages
Buhlerischer Schein mißfallen,
Dann in Wälder wirst Du wallen,
Blau vom Aether überdacht.

Dann wird jedes Band sich lösen,
Das jetzt Dein Gefühl umdunkelt,
Jener Stern, der droben funkelt;
Dein Geschick ist dann vollbracht!

O, dann wirst Du es erkennen,
Was noch schläft in Deiner Seele;
Fruchtlos ich Dir hier erzähle
Das Geheimniß hehrer Nacht!

Und wenn dann mit allen Ranken
Du Dich klammerst an den Trauten,
Den die innern Augen schauten:
Schirme Dich der Liebe Macht!

Und er denke Dich nicht schlimmer,
Weil in ungeahnten Schlingen
Jugend Dich und Arglist fingen,
Und kein Engel Dich bewacht! –
(S. 111-112)
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Schwere Wahl

  Die Frauen hab' ich aufgegeben,
's ist ein betrügliches Geschlecht;
Zwar läßt sich's süß mit ihnen leben,
Doch lieben muß man keine recht.

Und seit ich's so mit ihnen halte,
Sind sie mir mehr als je geneigt;
Ich weiß gewiß, wär' ich der Alte,
Sie hätten bald sich hart gezeigt.

Zwar freilich, wenn ich Eine fände,
Wie sie mein Herz im Traume sieht,
Wenn sie mir so vor Augen stände,
Wie sie dem Geist vorüber zieht;

Ein Herz, zu fühlen, was im Herzen
Des unruhvollsten Busens glüht,
Ein Herz, das selbst vertraut mit Schmerzen,
Weich rühret an ein wund Gemüth!

Ein Geist, der lichte Funken sprühet,
Wenn ihm das Herrliche erregt,
Und der, wo meine Seele glühet,
In gleichem Fluge sich bewegt;

Und eine Hand, die hold mir schmeichelt,
Wenn mich ein wilder Strom ergreift;
Die lind an meiner Seele streichelt,
Wenn sie oft nah am Abgrund schweift;

Die mich erkennt mit allen Fehlen,
Und doch mein wahrstes Wesen ehrt;
Der nichts ich hätte zu verhehlen,
Und der ich selbst mit Fehlern werth.

Sie könnte Vieles schön entfalten,
Das dämmernd sich im Busen wiegt,
Und manches wieder neu gestalten,
Das mir nur fern wie Träume liegt.

Die Strenge macht mich widerstreiten,
Und selbst für gute Absicht blind;
Doch leicht kann mich die Liebe leiten,
Und sanft berührt bin ich ein Kind!

Könnt' ich ein solches Wesen finden,
Ich hielt' es wie mein Auge werth;
Sie sollt' in jedem Hauch empfinden,
Wie sie mein tiefstes Herz verehrt!

In jedem Pulse sollt' ihr's schlagen,
Wie ganz sie meine Seele liebt,
Und Wonnethränen sollten's sagen,
Ob's eine solche Frau wohl giebt?
(S. 113-114)
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Scheue Liebe

Oft schon wollt' ich kühn es wagen:
Meine Lieb' ihr zu bekennen,
Wunsch und Sehnen ihr zu nennen,
Aber immer stumm und ferne
Hielt mich unbekanntes Zagen!
Rauh sind Worte! Es zu sagen,
Möcht' ich keine Sprache brauchen;
Leis' in Klänge möcht' ich's hauchen,
Nur in Hauchen möcht' ich's klagen!
Spräch' zu ihr das Licht der Sterne,
Wäre Red' in Blumendüften,
Süße Wort' in linden Lüften,
Rief' ich's ihr entgegen gerne.
Worte würden sie erschrecken,
Und doch möcht' ich, daß sie's wüßte! –
Ihren Zorn fürcht' ich zu wecken,
Daß ich hart es büßen müßte! –
Nun, so sprechet denn, ihr Augen,
Mit den demuthvollsten Blicken;
Scheue Liebe auszudrücken,
Stumme Wünsch' und furchtsam Zagen,
Sollt' ihr ja am besten taugen. –
(S. 118)
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Wunsch

Wenig ist, was ich begehre,
Und doch steht es mir so fern:
Aus dem ganzen Sternenheere
Einen einz'gen lieben Stern!
Und was Himmel, Erd' und Meere
Noch umfassen – ließ' ich gern! –
(S. 119)
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Frühlingsliebe

Ich stand, ein dürrer Baum,
Vom Winterfrost entlaubet,
Im eingehegten Raum,
All meines Schmucks beraubet;
Da hat mit lindem Kusse
Mich Liebeslenz berührt,
Und mit dem süßen Gruße
Mir Leben zugeführt!

Und alle Knospen, seht,
Sie sind nun aufgeweht,
Und überdeckt mit Blüthen
Steh' ich in Maienpracht,
Vom Licht hell angelacht,
Und möcht' mit allen Zweigen
Mich hin zur Liebsten neigen! –

Sie steht, ein andrer Baum,
Entfernt im Gartenraum,
Am Tage ist sie still,
Doch kommt die Nacht, im Düstern
Hör' ich sie leise flüstern,
Und frage, was sie will?

Da, durch die kühle Ruh',
Haucht sie mir lispelnd zu:
"Fühlst Du wie ich ein Sehnen,
Fühlst Du der Trennung Harm?
Fühlst Du wie ich ein Drängen,
Am Herzen Herz zu hängen,
Am Arm verstrickt in Arm?"

Und wie wir kosen, klagen,
Und Eins dem Andern sagen,
Wie wir, so nah' uns gern,
Doch immerdar so fern:
Da hebt sich sanft und lind
Ein Lüftchen, und wir lauschen
Entzückt dem süßen Rauschen!

Und Lüftchen eilt geschwind,
Auf seinen Schwingen bringt
Den Staub es meiner Blumen
Zu Liebchens Heiligthumen,
Und süßer Schauer dringt
Vom Stamm nach allen Zweigen!

"Mein bist Du!" rauscht es nieder –
"Und ewig ich Dein eigen!"
So tönt es hin und wieder;
Und Thrän' auf Thräne hell,
Die wir entzücket weinen,
Wir sehen sie versteinen
Zu duft'gem Harze schnell! –
Die Sterne aber sehen
In wonnesel'ger Nacht
Die zarteste der Ehen
Geheimnisreich vollbracht! –

(S. 120-122)

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Erhörung

In süßer Lenznacht, bei der Sterne Schein,
Vom hellen Mondenglanze übergossen,
Von Kühl' und Duft und Stille mild umflossen,
Ging ich mit ihr vertraulich und allein
In süßer Lenznacht bei der Sterne Schein!

Reich an Gefühlen, doch an Worten arm,
Ruht Aug' in Aug' in seligem Umfangen,
Schlägt Herz an Herz, und Wangen ruhn auf Wangen:
"Dein, Dein auf ewig!" ruf' ich wahr und warm,
Reich an Gefühlen, doch an Worten arm!

Und "Dein auf ewig!" tönt es mir zurück;
Der Himmel schien sich über mir zu spalten,
Das Leben seine Wunder zu entfalten;
Das Herz durchströmt ein lang' entbehrtes Glück,
Und "Dein auf ewig!" tönt es mir zurück! –
(S. 123)
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Der Abendhimmel

Wenn ich an Deiner Seite
Im Abenddunkel geh',
Den Mond und sein Geleite,
Die tausend Sterne seh',

Dann möcht' ich den Mond umfangen
Und drücken an meine Brust,
Die Sterne herunter langen
In voller, sel'ger Lust!

Mit ihnen die Locken Dir schmücken!
Und schmücken die schöne Brust,
Ich möcht' Dich schmücken und drücken,
Und sterben vor Wonn' und Lust! –
(S. 124)
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In die Ferne

Nachtvertraute Liebesklagen
Send' ich meiner Freundin zu;
Eile Kund' ihr anzusagen,
Mond, gefäll'ger Bote du;
Jedes Wort aus ihrem Munde,
Jede selige Sekunde
Glüht in meiner Phantasie,
Meine Seele denkt nur Sie!

Traget, Wolken, traget, Sterne,
Meinen Gruß! Verschwiegne Luft,
Sag' ihr, daß der Sänger, ferne,
Ihren holden Namen ruft.
Tönt er überall nicht wieder,
Sind verhaßt mir meine Lieder,
Klanglos, ohne Harmonie:
Mich begeistern kann nur Sie!

Ob das Glück mir seine Krone,
Reichthum mir sein Füllhorn beut;
Ob die Welt zum Dichterlohne
Einen Lorbeerzweig mir weiht:
Gold und Ehre, eitler Schimmer,
Euern Glanz begehr' ich nimmer,
Eure Kränze wünsch' ich nie;
Mich beglücken kann nur Sie!

Nicht der frohe Ton des Lebens
Weckt des Busens Wiederhall;
Freud' und Lust, ihr ruft vergebens,
Nicht'ge Töne, leerer Schall!
Ach, dahin sind meine Wonnen,
Meine Freud' ist längst zerronnen,
Der die Liebe Farben lieh;
Freude geben kann nur Sie!

Glühe immerhin, Verlangen,
Tief im Herzen sonder Ruh',
Sehnsucht, halte mich gefangen,
Nage, nage immerzu!
So wie du kein Pfeil verletzet,
's ist kein Schwert, das also schmerzet;
Tödte! – heilen wirst du nie!
Ach mich heilen kann nur Sie! –

Augensterne mild und helle,
Seidenlocken, fließend Gold,
Schnee des Halses, Busens Welle,
Zarte Hände, bleibt mir hold!
Warme Lippen, rosigsüße,
Sänger schickt euch tausend Küsse,
Täuscht mich nimmer! – Täuschen – Wie?
Wer ist wahrhaft, wenn nicht Sie?
(S. 125-126)
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Sehnsucht

Als mein Auge sie fand
Und mein Herz sie erkannt,
O, wie glühte die Brust
Von Entzücken, von Lust!

Wie voll Düfte die Au',
Und der Himmel, wie blau!
Und der Wald voll Gesang,
Und die Lüfte voll Klang!

Ohne Sie, wie so kalt,
Und die Welt, wie so alt,
Und die Erde, wie leer,
Und das Herz, ach! – so schwer.
(S. 127)
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Düstere Ahnung

  Mißtrau' nicht meinen Eiden,
Mißtraue meinem Glück;
Noch ist es Zeit, zu fliehen,
Noch kannst Du ruhig ziehen,
Nimm Deinen Ring zurück!
Mir träumt von nahen Leiden,
Drum besser ist's, mich meiden!

Sieh' an der Stirn ein Zeichen,
Daran werd' ich erkannt;
Es deutet Kampf und Kriege,
Das hat an meiner Wiege
Ein Dämon eingebrannt!
Der kam aus dunkeln Reichen,
Ich werd' ihm nicht entweichen! – –

Einst, als die Schlacht entglommen,
Sah ich in Kampfesnoth
Einen Soldaten trinken,
Und als er trank, ihn sinken
Hin auf den Rasen, todt:
Er hatt's nicht wahrgenommen,
Wie er den Schuß bekommen! –

Nun, weil ein Lächeln schweben
Du siehst um meinen Mund,
Und weil ich kräftig stehe,
Und hellen Blickes gehe,
Meinst Du mich kerngesund?
Ich aber fühl' ein Beben
In meinem tiefsten Leben! –

Drum warn' ich Dich, mein Leben!
Such' Dir ein bess'res Loos;
Mir macht mein Unstern bange,
Mir währt kein Segen lange,
Kein Glück zog ich noch groß;
Wenn ich's erreicht, dann eben
Seh' ich's von dannen schweben! –

Willst Du es dennoch wagen –
Nimm Hand- und Herzensschlag!
Laß denn vereint uns wandeln,
Und laß das Schicksal handeln
Und thun, was es vermag.
Was kommt in künft'gen Tagen,
Wohlan, wir wollen's tragen! –

(S. 128-129)

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Die Wildniß

Soll Euch Eure Liebe bleiben,
Müßt Ihr in die Wüste fliehn,
Dort, wohin nicht Weg noch Bahnen,
Fern von Menschen müßt Ihr ziehn.

Eine Höhle wählt zum Hause,
In der Oede tiefstem Grund;
Wollt Ihr Euern Himmel retten,
Bergt Euch in der Felsen Schlund!

Und zum Pförtner nehmt den Tiger,
Daß die Nahenden er gleich
Würge! Die er nicht zerreißet,
Wahrlich, sie zerreißen Euch!

Denn, daß Zwei sich eigen leben,
Können nicht die Menschen sehn;
Wo sich Liebende beglücken,
Möchten sie vor Neid vergehn!

Darum bergt Euch allen Augen,
Mit dem Thier der Wildniß lebt,
Und mehr als vor seinem Grimme,
Vor dem besten Freunde bebt!
(S. 130)
_____



Glaube, Hoffnung, Liebe

  Solchen Glauben will ich mir bewahren,
Solcher Hoffnung hingegeben seyn,
Solcher Liebe meine Seele weihn,
Fest in Leiden, Trennung und Gefahren;
Dann, wenn Alles wankt,
Alles unstät schwankt,
Soll das Herz sich siegend offenbaren! –

Ja, ich glaube! Bei dem Strahl der Weihe,
Der begeisternd mich zum Lied entflammt,
Bei dem hohen Gott, von dem er stammt,
Ja, ich glaub' an ihres Schwures Treue!
Oder jenes Band
Wäre Spott und Tand,
Und der Lohn des Heiligsten – die Reue?

Nein! – Ich fühl's, mich hat kein Wahn betrogen,
Bin ich mir des Höchsten doch bewußt;
Fühl' ich doch, daß mich nicht eitle Lust,
Daß der Himmel mich zu ihr gezogen,
Gottes Stimme rief
In der Seele tief,
Oder Seele, Gott und Himmel logen!

Und trügt Alles, kann ihr Wort nicht trügen,
Nicht der klaren Augen selig Licht,
Nicht das huldverklärte Angesicht;
Täuschung wohnt ja nicht in solchen Zügen!
Was sie spricht, ist wahr,
Gleich der Sonne klar,
Lügt der Himmel selbst – Sie kann nicht lügen!

Wohl ich hoffe; hoffe, weil ich glaube! –
Sey willkommen, lächelnde Gestalt!
Von dem Strahl des Morgenroths umwallt,
Schwebst Du her wie eine Friedenstaube;
Ist die Seele wund,
Machst Du sie gesund,
Läss'st sie nicht dem düstern Gram zum Raube.

O, so senke Deinen goldnen Schleier,
Trostesengel, auf dieß kranke Herz,
Daß dein Athem kühle seinen Schmerz;
Dann bewegt die Brust sich wieder freier.
Süßes Wunderbild,
Leuchte hold und mild,
Wie der Mond in stiller Nächte Feier.

Glänzend schwebt auf hellem Goldgefieder
Mir dann neu ein schöner Tag herauf;
O, beginne strahlend Deinen Lauf,
Dich begrüßen jauchzend meine Lieder!
Eile, blühend Licht,
Zög're länger nicht,
Denn Du bringst mir meinen Himmel wieder!

Ha, schon fühl' ich an des Herzens Schlägen
Ihrer Nähe zaubermächt'ges Band;
Dort – sie ist's – sie hat den Ruf erkannt,
Streckt die Arme liebend mir entgegen!
Selig, Mund an Mund,
Gibt kein Wort es kund,
Welche Wonnen sich im Busen regen!

Heil'ge Flamme, Urquell alles Guten,
Die Du leuchtest in des Lebens Nacht;
Gottes Odem hat Dich angefacht,
Und sein Hauch belebet Deine Gluthen.
Schwelle um mich her
Wie ein wogend Meer,
Daß ich tauch' in Deine Feuerfluthen!

Warum ist die Zunge mir gebunden,
Wenn die Seele in Begeistrung glüht?
O, wie kalt und klanglos tönt mein Lied!
Spricht kein Laut das aus, was ich empfunden?
Dieses Herz ist warm,
Doch die Sprache arm,
Die kein Wort für mein Gefühl erfunden!

Doch Du kennst ja jenes innre Leben,
Wenn entzückt sich Aug' in Auge senkt,
Lippe fest sich an die Lippe hängt
Und die Herzen an einander beben;
Was die Zunge spricht,
Stammelt, hörst Du nicht,
Doch Du fühlst, daß Sprache ihr gegeben.

Ja, Du fühlst es, und die Arme drücken
Dann den Freund, in stummempfundner Lust,
Fester an die liebeswarme Brust,
Gleich wie Reben um den Baum sich stricken:
Heiliger Genuß!
Seele schmilzt in Kuß,
Und in Thränen lös't sich das Entzücken!
(S. 131-134)
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Verlust und Ersatz

  Was ich eigen je besessen,
Was ich spähend fern gewahrt,
Was auf rauh umstürmter Fahrt,
Aus dem tiefsten Grund der Wogen
Wagend ich herausgezogen,
Jede Perle, jede Blüthe,
Jede Frucht, die golden glühte,
Jede Knospe meines Strebens,
Blume, Mark und Kern des Lebens
Gab ich für die Liebe hin –
Und es däuchte mir Gewinn!

Mit dem reich beladnen Schiffe,
Das die Himmlische mir trug,
Fuhr ich hin im stolzen Flug!
Jubelnd schwamm ich in dem hellen
Strahle meines Glücks; die Wellen
Schmiegten sich zu meinen Füßen,
Sklaven, ihren Herrn zu grüßen;
Jauchzend scholl's aus allen Tiefen,
Tausend Geisterstimmen riefen:
"Heil! o Heil! – Ihr Winde, ruht,
Eine Göttin trägt die Fluth!" –

Ach! umsonst! Es ist gewesen!
Schnell zerronnen ist der Traum,
Und die Göttin wieder Schaum! – –
Ausgelöscht sah ich die Sterne –
Immer weiter in die Ferne
Schwand das Ufer – wild und wilder
Jagten sich die Wolkenbilder –
Aus der Höhe zuckten Flammen –
Krachend stürzt das Schiff zusammen!
Aermer bin ich nun als arm,
Ueberreich an Qual und Harm!

Nun, wohlan – so sey's verloren!
Fahre wohl, du Maienzeit
Seliger Vergangenheit! –
Aber Ihm, dem nichts geblieben,
Weil er Alles für sein Lieben
Tauschte, Götter, eine Gabe
Gebt für die verlorne Habe!
Senkt die Friedenstaube nieder,
Daß ihr fächelndes Gefieder
Kühle seiner Stirne Gluth,
Trockne seiner Thränen Fluth!

Gebt, daß mit der Kraft des Liedes,
Was das Leben ihm geraubt,
Träume, die sein Herz geglaubt,
Er vermöge fest zu halten;
Laßt die zaubrischen Gestalten,
Ob er nie sie auch umfange,
Doch ihm winken im Gesange!
Ob auch leer um ihn die Räume,
Laßt die Schatten seiner Träume;
Gebt ihm so für trübes Seyn
Bess'res Glück – den holden Schein!
(S. 136-138)
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Ewige Leuchte

"Bist noch immer nicht verglommen,
Trübe Leuchte, stirbst noch nicht?
All' Dein Oel ist Dir genommen,
Und es dämmert noch Dein Licht?"

""Liebe strahlt, ein ew'ger Schimmer,
Flamme, die stets wächst, nie ruht;
Braucht kein Oel und brennt doch immer,
Braucht nicht Nahrung ihrer Gluth,
Und doch löscht ihr Feuer nimmer.""
(S. 143)
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Winterlieder

1.
  Das Leben ist ein Garten,
Wo tausend Blumen blühn,
Wo goldne Früchte lachen
Und aus dem Laube glühn.
Die Quellen rauschen rege
Durch's duftende Gehege,
Die süße Biene schwärmt,
Sonne von oben wärmt.

Und froh, die Brust geweitet,
Athm' ich die frische Luft:
In freien durst'gen Zügen
Trink' ich den würz'gen Duft.
Mich kühlt im Bad die Welle,
Mich stärkt die Sonnenhelle,
Ich fühl' im Lebensmark
Mich überwohl und stark.

Dort in der Rosenlaube
Welch süßes Engelbild!
Es schlummert hold; ein Lächeln
Spielt um den Mund so mild.
Auf blüthenweißer Hülle
Der Brust die Lockenfülle,
Gleich Sonnenstrahl auf Schnee,
Golden ich schimmern seh'!

O, wecket, Nachtigallen,
Die schöne Schläferin,
O, flattre, holde Taube,
Auf ihren Busen hin!
Sie regt sich! – "Schnell, o sage,
Ob ich vermessen wage
Die Hoffnung, daß Du mein?"
Wonne! – sie lispelt: Nein!

Nun schwelge, Herz, und schwelle,
Berausche dich in Gluth;
Tauch' in des Lebens Tiefen
Mit frohem Uebermuth!
O, nicht den Nektar nippen;
Nein, schlürft, ihr gier'gen Lippen,
Den Becher leer! – Noch nicht
Senket der Tag sein Licht!

Doch weh'! Orkane brausen,
Die Luft streicht feucht und kalt;
Der Nebel, dicht und schaurig,
Ringsher die Flur umwallt.
Die Blüthe welkt, und düster,
Durch wehend Laubgeflüster
Bricht bang' die Nacht herein,
Hüllet die Sonne ein.

"Leb' wohl!" so klingt ein Tönen!
Mir aus der Ferne traut:
O, Stimme, liebe Stimme,
Noch einen einz'gen Laut!
Umsonst! – Hinweggetragen
Hat sie der Wolkenwagen;
Ich' steh und blick' hinab
In meiner Freuden Grab.

2.
Auf fernem Bergesgipfel
Liegt wolkennaher Schnee;
Wohl die bekannten Wipfel
Ich wieder vor mir seh'.
Wie streckst du, braune Eiche,
Die weiß bereiften Zweige
Nach Lenzen, die dich fliehn,
So bang' und traurig hin!

So starrt auch mein Gemüthe,
Da meine Sonne fern!
Ich treibe keine Blüthe,
Kein Leben schwillt im Kern.
Auch ich streck' ohne Ende
Hinaus nach Ihr die Hände;
Doch weit steht noch mein Licht –
Noch naht der Lenz sich nicht.

3.
Ja, ich lebe, Leben ohne Sonne,
Ohne Wärme, ohne Glanz und Licht:
Oder besser: Nacht des Todes sterb' ich,
Nach lebend'gem Leben aber werb' ich; –
Doch ich finde, was ich suche, nicht.

Ja, es sanken weit in Nacht und Ferne
Alle Frühlingsblicke süßer Lust;
Wie der Schnee die grüne Saat bedecket,
Hat ein scharfer Eishauch mich erschrecket,
Kalte Flocken überwehn die Brust.

4.
  Ruht ihr, o Bäche,
Rieselt nicht mehr?
Schweigende Wipfel, so einsam und leer?
Alles ist stumm
Rings auf der Fläche
Um mich herum!
Rastlos im Fluge
Ueber mir hin
Eilend die Wolken vorüberziehn;
Und wie sie gehn,
Wandernd im Zuge,
Keine von allen wir wiedersehn.

Ob ich sie frage,
Lautlos vorbei
Jagen sie alle, selbander, frei,
Antworten nicht;
Wie ich auch klage,
Keine mir spricht!

Ach, wer des Lebens
Leuchte verlor,
Rufet umsonst, ihn vernimmt kein Ohr,
Wohl nach dem Licht
Ringt er vergebens;
Einmal verglommen, erblühet es nicht!

Kalt, wie dein Schauer,
Eisige Luft,
Starret die Brust; eine Todtengruft,
Deckt sie, was starb,
Gifthauch der Trauer
Langsam verdarb.

Herz, deiner Blüthen
Kränze, die karg
Grünten, bewahrst du, ein edeler Sarg.
Willst sie noch hüten,
Asche und Staub,
Die du besessen wie heimlichen Raub.
(S. 144-149)
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Erloschene Liebe

  Laß, o laß mir Deine Hand;
Zieh' sie nicht so kalt zurücke;
Nimm, Du nahmst's ja schon, mein Glücke,
Laß mir immerhin die Hand!

Wenn Du nichts auch für mich fühlst,
Laß mich dennoch weiter träumen,
Laß mich zweifeln, laß mich säumen,
Wenn Du nichts auch für mich fühlst!

Gönne mir den armen Trost;
Steh' ich hier doch an dem Grabe
Meiner schönsten, reichsten Habe;
Gönne mir den armen Trost!

Wenn auch Deine Hand mich drückt,
Wie sie pflegt' in schönern Zeiten,
Werd' ich's nicht wie Liebe deuten,
Wenn auch Deine Hand mich drückt!

Händedruck ist ja nur Gruß,
Liebe bleibt sich nicht so ferne;
Lipp' an Lippe glüht sie gerne,
Händedruck ist ja nur Gruß.

Händedruck ist noch kein Schwur,
Ist kein ewiges Versprechen;
Das auch weißt Du, kann man brechen;
Händedruck ist noch kein Schwur! –

Darum laß mir Deine Hand;
Was geschieden, bleibt geschieden.
Ach, Du nahmst mir ja den Frieden,
Laß mir immerhin die Hand! –
(S. 155-156)
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Getäuschte Hoffnung

  Im stillen Wiesenthale
Ich einsam mich erging,
Als mich mit einemmale
Die feuchte Nacht umfing.

Die Sonne war gesunken,
Das Abendroth verglüht,
Die letzten goldnen Funken
Verglimmend ausgesprüht.

Die Nachtigall mit Schalle
Sang rings die Fluren ein;
Die Blumen schliefen alle,
Ich wacht' im Thal allein.

Nicht fern aus einem Hause,
Das, wie aus Duft gebaut,
Still wie des Siedlers Klause,
Aus Baumesdunkel schaut';

Hör' ich ein lieblich Klingen
Melodisch durch die Nacht
Von Kuß und Wonnen singen,
Und junger Liebe Macht. –

Und wie auf linden Wogen
Ein Kahn vom Hauch der Luft,
Fühl' ich mein Herz gezogen
Hin, wo das Lied mich ruft.

Und vor mir auf dem Wege
Tanzt hell ein goldner Schein,
Durch die verschlungnen Stege
Geleiter mir zu seyn.

Doch wie ich näher gehe,
Erstirbt der holde Schein,
Das Lied verklingt – ich stehe
Im öden Moor allein.

Der Weg ist mir verschwunden,
Hinweggerückt das Haus,
Mich hält die Nacht gebunden,
Die Leuchte – sie losch aus.

Getäuscht hatt' mich ein Schimmer,
Der mich gelockt von fern;
Ein Irrlicht war der Flimmer,
Ich hielt's für einen Stern! –
(S. 157-158)
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Beständigkeit im Wechsel

Ein Pfeil nur, sagst du, kann verwunden
Und wer berührt von ihm, den Strahl
So recht in tiefster Brust empfunden,
Der liebe nicht zum zweitenmal? –

Seht ihr denn nicht, in jedem Lenze
Erwacht ein ganzes Blumenreich,
Und allwärts schmücken frische Kränze,
Die Flur, die erst vom Winter bleich.

Der Baum treibt seine Blätterwonne,
Es glänzt das Laub, es schwillt die Frucht;
Er hat des neuen Frühlings Sonne,
Sie ihn mit gleicher Brunst gesucht.

Drum schmäht nicht, wenn in holdem Triebe,
Das Herz sich fühlt erfrischt und neu;
Wie die Natur blieb es der Liebe,
Wenn auch nicht dem Geliebten treu! –
(S. 166)
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Der Liebe Lust und Qual

1.
Manch tiefes Leid, manch bang erschütternd Beben,
Manch stilles Sehnen haucht' ich in Gesänge,
Und meint' ich oft, daß mir das Herz zerspränge,
Schien tröstend mich ein Engel zu umschweben.

Denn solche Huld hat mir ein Gott gegeben,
Daß, wie es mich auch wild im Busen dränge,
Ich auf dem Goldgefieder zarter Klänge
Vermag empor zum Himmel mich zu heben.

O, rauscht Ihr zu, ihr seelenvollen Weisen!
Du gluthbelebte Stimme meines Herzens!
Umzittre Sie wie Silberton der Laute;

Schweb' um die Hold' in immer engern Kreisen,
Und, eine treue Zeugin meines Schmerzens,
Verkünde ihr, was ich nur dir vertraute.
(S. 219)

2.
Gefesselt bin ich nun, ich bin gebunden,
In enger Haft unlösbar fest gehalten,
Und wie auch Willkür herrisch möge walten,
Küss' ich die Bande doch, die mich umwunden.

Wohl selten sind Gefangne froh befunden,
Leicht zeigt der Blick, daß Gram die Brust gespalten,
Der Kummer bleicht die trauernden Gestalten,
Und Sehnsucht dehnt zu Jahren ihre Stunden.

Ich aber will die Ketten immer tragen,
Geheime Flucht kommt mir wohl nie zu Sinnen,
Obgleich mir nichts verwehrte, zu entrinnen.

Mir tönt die Luft nur Lust zurück, nicht Klagen,
Und Blut und Leben möcht' ich freudig wagen,
Ein ewiges Gefängniß zu gewinnen.
(S. 220)

3.
Hell glüht ringsum ein blühend Liebesleben,
Es schwelgt der West mit lustentflammtem Kosen
Im dunklen, thaubeperlten Kelch der Rosen;
Die Welle sucht der Welle nachzustreben,

Den Baum umstricken brünstig schlanke Reben,
Ja, Liebe regt sich funkelnd selbst in Moosen,
Und stets zu zwei seh' buhlend ich im losen
Verliebten Spiel die Schmetterlinge schweben.

So wandelt hold die Flur sich mir zum Garten,
Obgleich sie längst der Winter hart umschlungen;
Denn alles blüht, was Liebeslust durchdrungen:

Ja, Quellen, die vom Frost gebändigt starrten,
Verschlossen, bang des neuen Frühlings harrten,
Sind frisch belebt auf ihr Geheiß gesprungen.
(S. 221)

4.
Seyd ihr so arm, so jeder Gunst entwendet,
Daß Amor nie den Pfeil nach euch gezücket,
Der tief verletzt, doch höher noch entzücket;
Hat er euch nie ein schnell Geschoß gesendet? –

Was wär' es sonst, das ihr zu tadeln fändet?
Ist es der Neid, der euern Sinn berücket,
Weil elend ihr, ich himmelhoch beglücket,
Euch nichts der Gott und mir so viel gespendet? –

Erbärmlich seyd ihr, tief im Staub verloren,
Euch blieb der Geist so wie das Herz verschlossen,
Und nimmer hat ein Lichtstrahl euch umflossen.

Fühlt immerhin, daß euch die jungen Horen
Nicht hold gelächelt, liebend nicht erkoren,
Und bleibt gemein, wie ihr gemein entsprossen! –
(S. 222)

5.
Nacht wird's um mich, und wieder Tag und helle,
Bald ist ein Lichtmeer strahlend ausgeflossen,
Bald lenkt die Sonne abwärts mit den Rossen,
Und Dunkel zieht herauf an ihre Stelle;

Bald rieselt klar auf Silbergrund die Welle,
Durch Wiesen, blau mit Teilchen übergossen,
Bald ist das Thor der Stürme aufgeschlossen,
Daß Schrecken sich zum Schrecken wild geselle.

Was kümmert's mich! Ob Tag, ob Nacht dort oben,
Ob Sonnen sanken oder sich erhoben,
Ob Dunkel jetzt, ob Licht die Welt umwoben;

Ob Stürme brausen, lind Zephyre hauchen,
Ob hinter mir der Erde Trümmer rauchen –
Kann nur mein Blick sich feucht in Ihren tauchen.
(S. 223)

6.
O, sey barmherzig, huldigste der Frauen!
Warum mich stets mit neuem Band umwinden?
Kann all' mein Leid nicht Deine Gunst entzünden,
Laß Hoffnung nicht im klaren Blick mich schauen!

Wohl scheint er mild in feuchtem Glanz zu thauen,
Scheint reichen Lohn der Liebe anzukünden;
Doch fühl' ich bald so hohes Glück entschwinden,
Und oft verletzt seh' ich ein schön Vertrauen.

So treib' ich fort, vom süßen Schein betrogen,
Ob ich auch weiß, daß täuschend mich die Wogen,
Dem nahen Abgrund schmeichelnd zugezogen.

O, lächle nicht, o spotte nicht der Qualen!
Leicht könnt', erzürnt, auch Dir der Gott bezahlen,
Der oft zu Blitzen wandelt seine Strahlen.
(S. 224)

7.
Geduld, mein Herz, beginne nicht zu wanken,
Und was du fühlst, bewahr' es wie dein Leben!
Gefährlich ist's, die Decke aufzuheben,
Und leicht durchbricht der Unmuth Wehr' und Schranken.

So lang die Zeichen noch verworren schwanken,
Noch unbestimmt sich Nebel um uns weben,
Wir zwischen Furcht und Hoffnung zweifelnd schweben,
Ist unser Leid ein Leid nur – in Gedanken;

Doch wenn wir sehn, wovor uns oft gebanget,
Was wir gescheut und doch zu schaun verlanget,
Wie treu kein Herz mehr an dem andern hanget,

Verrath sich täuschend borgt der Liebe Züge,
Wie Blick und Wort und Schwur oft wird zur Lüge
Wo ist das Herz, das solche Qual ertrüge?
(S. 225)

8.
Magst Du auch unsanft spotten meiner Leiden,
Wenn Schmerz und Kummer meine Wangen bleichen,
Magst Du Dein Ohr dem mir Verhaßten reichen,
Dich herzlos kalt an meinem Kummer weiden:

Ich muß sein Glück, nicht sein Verdienst beneiden;
Ich darf beschämt nicht einem Bessern weichen,
Und mich ihm kühn an jedem Werth vergleichen,
Mag launenhaft auch deine Gunst entscheiden.

Ja, Zorn und Wuth durchschauert mir die Glieder,
Es hat mich jede Mäßigung verlassen,
Kaum weiß ich mehr besonnen mich zu fassen;

Und unbezwingbar treibt mich's oft und wieder,
Vor meines Degens Spitze ihn zu stellen,
Daß Haß und Gluth sich kühl' in Blutes Wellen!
(S. 226)

9.
So muß ich denn mit trübem Auge sehen,
Wie meine goldnen Sterne niederwallen,
Vom Lebensbaum die Blüthen abgefallen,
Und blätterlos die todten Zweige stehen.

Muß jedes Glück die leichte Luft verwehen,
Muß jeder leise Freudenton verhallen?
Wohl bin ich schwer mit dem Geschick zerfallen,
Klar ist die Fluth – doch muß ich untergehen!

— — — — — — — — — — —
(S. 227)

10.
Wie Du mir werth, sey der Entschluß Dir Zeuge,
Daß ich den Mund verschlossen jeder Klage,
Damit am Freudenhimmel Deiner Tage
Durch meine Schuld kein trüber Hauch sich zeige.

O, armes Herz, wie du auch leidest, schweige;
Weil Sie es will, so dulde still und trage,
Und deinem Glück, nicht deiner Lieb' entsage;
Ja, liebe Sie, wie Sie auch tief dich beuge!

Leicht magst Du Dich von mir, Geliebte, trennen,
Bist ja so reich von Glücklichen umgeben,
Daß Du mein Leid bald wie mein Lied vergissest.

O, möchtest Du Dich nie getäuscht erkennen,
O, daß Du nie, wenn Trug und Schein entschweben,
Den treuen Freund, den Du verschmähst, – vermissest!
(S. 228)

11.
Wie Blumen bunt sich an einander reihen,
Hab' ich den kleinen Liederkranz gewunden,
In heitern erst, doch bald in trüben Stunden,
Nun nah' ich schüchtern mich mit bangem Scheuen,

O, holde Frau! und wag', ihn Dir zu weihen.
So sind die Blumen, wo ich sie gefunden!
Ach, möchten sie, die sorgsam ich gebunden,
Mit süßem Duft Dich, Herrliche, erfreuen!

Nimm, was in schöner Liebeszeit begonnen,
Und was, als sich Dein Blick von mir gewendet,
In Qual getaucht, in Thränen ich vollendet!

Denn wie ein Traum, im Morgenduft zerronnen,
Ist all' mein Glück, sind alle meine Wonnen,
Und schmerzlich hat so schöne Zeit geendet.
(S. 229)

12.
So ruhet denn, ihr tonbelebten Saiten,
Die oft so süß mir in die Seele klangen,
Am Grabe meiner Hoffnung aufgehangen!
Seyd mir ein schönes Denkmal bess'rer Zeiten!

Stumm siehet man den Schwan die Flügel breiten,
Fühlt er das Herz von Todesgraun umfangen,
Und nur so lang' die Nachtigallen sangen,
Als sie im Lenz sich ihrer Liebe freuten.

Ein schönes Hoffen hatt' ich still genähret:
Die schöne Kunst gesellt noch schön'ren Trieben,
Meint' ich in Doppelflammen zu verglühen.

Nur kurze Frist hat dieser Traum gewähret,
Doch langer Schmerz ist mir zurück geblieben:
Soll Liebe mir – mag auch das Lied verblühen!
(S. 230)
_____
 

Aus: Gedichte von J. Ch. Freiherrn von Zedlitz
Fünfte Auflage
Stuttgart und Augsburg
J. G. Cotta'scher Verlag 1855
 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Christian_von_Zedlitz

 

 


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